Titel: | Anwendung des Telephons zur Messung der Torsionsbeanspruchung der Betriebswelle bei Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 237, Jahrgang 1880, S. 327 |
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Anwendung des Telephons zur Messung der
Torsionsbeanspruchung der Betriebswelle bei Dampfmaschinen.
Resio's Anwendung des Telephons bei Dampfmaschinen.
Die Vorrichtung, welche H. C. Resio, Professor an der
kgl. italienischen Marine-Akademie, zur Messung der
Torsionsbeanspruchung der Betriebswelle einer in Gang befindlichen Maschine
vorschlägt, kann bei jedem System angewendet werden.
Auf der Welle bringt man in gröſstmöglicher Entfernung von einander zwei kleine
Messingräder an, deren Durchmesser etwas gröſser als jener der Welle selbst sein
muſs.Da bei Schraubenschiffsmaschinen die Welle immer eine bedeutende Länge hat,
kann diese Entfernung ohne Anstand ziemlich groſs sein; es kann daher der
Apparat besonders bei diesen Maschinen mit Vortheil benutzt
werden. Diese beiden Räder sind von gleicher Gröſse und jedes enthält
dieselbe Anzahl von gleich weit entfernten und vollkommen gleichen Schaufeln aus
weichem Eisen. Die Räder sollen derart auf der Welle sitzen, daſs, wenn letztere
nicht in Bewegung, also keiner Torsion unterworfen ist, die Symmetrieebene der Welle
sowohl irgend eine Schaufel des einen Rades, als auch die entsprechende Schaufel des
anderen Rades in zwei gleiche Theile zerlege; doch ist diese Bedingung nicht
durchaus nothwendig.
Zwei ganz gleiche Spulen, mit Stahlkernen von gleicher magnetischer Kraft versehen,
sind auf derselben Entfernung von den Schaufeln der Räder aufgestellt. Die Achsen
der Spulen liegen im Diametralplan der Betriebswelle, folglich auch in der
Symmetrieebene der Räder. Die beiden Spulen kehren den Schaufeln die gleichnamigen
Pole zu; die Drähte der Spulen sind in entgegengesetzter Richtung auf den Stahlkern
aufgewickelt, gehören jedoch zu einem und demselben Stromkreise, in welchem auch das
Empfangstelephon eingeschaltet ist.
Nehmen wir nun an, daſs die im Gange befindliche Betriebswelle gar keiner
Torsionsbeanspruchung unterliege. In diesem Falle wird irgend eine Schaufel des
einen Rades in demselben Augenblick vor der Spule passiren, als die entsprechende
(in derselben Diametralebene befindliche) Schaufel des anderen Rades, daher die von
den Schaufeln in den Spulen hervorgerufenen Inductionsströme gleich stark und
entgegengesetzt sein und sich gegenseitig aufheben werden. Das Telephon muſs daher
stumm bleiben, vorausgesetzt, daſs die zwei Spulen ganz identisch sind, was
übrigens, wie wir in der Folge sehen werden, nicht unumgänglich nöthig ist.
Wenn die Betriebswelle einer Torsionsbeanspruchung unterliegt, wie dies
nothwendigerweise bei der Drehung derselben eintreten muſs, so werden die
correspondirenden Schaufeln nicht mehr im gleichen Augenblicke die Diametralebene
passiren, in welcher die Achsen der beiden Spulen liegen, und wird die
Winkelverrückung der einen Schaufel in Bezug auf die andere im Verhältnisse zur
Beanspruchung stehen, welche die Betriebswelle erleidet. Die von den Schaufeln der Räder hervorgerufenen
Inductionsströme werden sich nicht mehr gegenseitig aufheben, trotzdem sie
entgegengesetzt sind, weil sie nicht gleichzeitig auftreten; das Telephon wird daher
einen mehr oder minder scharfen Ton hören lassen, welcher von der Anzahl der Schaufeln, von der
Umdrehungsgeschwindigkeit und von der Gröſse der gegenseitigen Vorrückung der
Schaufeln, d.h. von der Torsionsbeanspruchung der Welle abhängt.
Wenn man jedoch die der Maschine näher liegende Spule in der Umdrehungsrichtung
derart verschiebt, daſs sie sich längs eines fixen, concentrisch und normal zur
Betriebswelle, jedoch von dieser unabhängigen Gradkreises bewegt, so wird ein
Augenblick eintreten, in welchem das Telephon verstummt, oder nur einen Ton von minimaler Stärke hören lassen wird. Der Winkel, welchen
die Spule längs des Gradkreises beschreiben muſste, zeigt die
Gesammt-Torsionsbeanspruchung φ für die Distanz D, d.h. für den zwischen den Rädern liegenden Theil der
Welle; es wird daher für die Längeneinheit die Torsionsbeanspruchung α = φ : D.
Nehmen wir nun an, man habe auch die Torsion für die leer laufende Welle, d.h. wenn
letztere keine Arbeit verrichtet, bestimmt; dann wird das Verhältniſs der zur
Ueberwindung der Reibung nöthigen Kraft zur totalen übertragenen Kraft ausgedrückt
durch den Bruch α' : α.
Die Torsion, welche eine gegebene Beanspruchung hervorzubringen im Stande ist, kann
durch einen vorgängigen Versuch bestimmt werden.
Wir haben bis jetzt angenommen, daſs die Torsionsbeanspruchung der Betriebswelle für
die ganze Zeit, während welcher man sie mit dem Telephon gemessen, constant
geblieben ist. Wenn die Beanspruchung sich aber jeden Augenblick ändern würde, und
zwar mit jeder Umdrehung der Welle, so wird die auf die angegebene Art bestimmte
Torsion die „mittlere Torsionsbeanspruchung“
sein.
Es muſs endlich noch bemerkt werden, daſs man statt der Räder zwei mit Schaufeln
versehene Sectoren anwenden kann. (Nach den Mittheilungen aus
dem Gebiete des Seewesens, Pola 1880 S. 433.)