Titel: | Technisch-chemische Notizen von G. Lunge. |
Autor: | Georg Lunge [GND] |
Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 69 |
Download: | XML |
Technisch-chemische Notizen von G.
Lunge.
Lunge, technisch-chemische Notizen.
Zur Aufklärung einiger streitiger Fragen habe ich im technischchemischen Laboratorium
des Züricher Polytechnikums unter meiner Aufsicht verschiedene Versuche anstellen
lassen, deren Resultate hiermit in Kürze berichtet werden.
Zersetzung von Natriumsulfat durch Kalk.
Die früheren Versuche in dieser Richtung sind in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 289 beschrieben. Das dort erwähnte
Verfahren von Hunter, welcher durch Druck die Reaction
vollständiger machen
will, ist von Tessié du Motay in Frankreich noch einmal
als neu patentirt worden (Nr. 92312 vom 26. Juli 1871) mit der Behauptung, man könne
bei Anwendung von 2 bis 20at Druck 75 bis 80
Procent des Sulfates zersetzen. Alle näheren Angaben fehlen. Zur Controle des
Verfahrens hat Hr. Reisz eine Reihe von Versuchen
gemacht, um den Einfluſs verschiedener Drucke, d.h. zugleich Temperaturen,
verschiedener Wassermengen und verschiedener Kalkmengen zu studiren. Der Druck wurde
nur durch die Temperatur im Schieſskasten, also ziemlich roh, bestimmt. Zu den
Versuchen wurden schwer schmelzbare Gasröhren verwendet, welche freilich unter
diesen Umständen etwas angegriffen wurden und keinen höheren Druck als etwa 5at (nur in einem Falle etwas höher) aushielten.
Wenn die Sache einer näheren Untersuchung verlohnte, so würde man jedenfalls in
metallenen Gefäſsen arbeiten müssen. Nach Beendigung der Versuche wurde filtrirt,
Kohlensäure in die Lösung eingeleitet, gekocht, um Calciumbicarbonat zu zersetzen,
und das Filtrat alkalimetrisch titrirt. Ganz genaue Resultate waren eben wegen des
Angriffes auf das Glas selbst hier nicht zu erwarten; aber sie reichen unbedingt
hin, um zu zeigen, daſs bis zu 5at die Zersetzung
eine viel zu unvollständige ist, als daſs sie praktisch verwerthet werden
könnte.
A) Versuche bei gewöhnlichem Luftdruck, angestellt durch 48stündiges Kochen im
offenen Kolben mit Rückfluss des verdampften und condensirten Wassers. Hier wie im
folgenden zeigt die letzte Spalte, wie viel Procent des angewendeten Natriumsulfates
umgewandelt, hier also in Natronhydrat übergeführt worden waren:
Gewichtstheile
Betragder Zersetzung
Na2SO4
CaO
H2O
1
1
15
6,55 Proc.
1
1,1
30
9,64
1
1,1
90
20,93
1
1
90
19,88
1
1
180
28,82
Eine einigermaſsen weiter fortgeschrittene Umwandlung ist also
erst bei Verdünnungsgraden zu erreichen, welche an sich jede praktische Verwerthung
ausschlieſsen.
B) Versuche bei höherer Temperatur und Druck, angestellt durch 10 bis 12stündiges
Erhitzen in zugeschmolzenen böhmischen Glasröhren:
Temperatur
Druck
Gewichtstheile
Zersetzung
Sulfat
Kalk
Wasser
Proc.
130 bis 140°
2 bis 3at
1
1
6
3,13
130 bis 145
2 bis 3,5
1
1
10
11,2
150 bis 175
5 bis 8,5
1
1
25
31,7
150
5
1
1
50
23,49
150
5
1
2
50
23,91
140 bis 150
4 bis 5
1
1,1
10
13,88.
Auch hier ist also die Zersetzung eine so unvollständige,
namentlich bei mäſsigen Verdünnungsgraden, daſs an praktische Verwerthung der Reaction nicht zu denken
ist. Versuche bei noch höherem Drucke würden vielleicht weiter gehende Zersetzung
ergeben, aber sicher nur, wie obige Versuche zeigen, wenn man in verdünnten Lösungen
arbeitet, was, zusammen mit dem Hochdruck, viel zu groſse Kosten und Umstände
verursachen dürfte.
Zersetzung von Natriumsulfat durch Bariumcarbonat und
Aetzkalk.
Wie in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 292
bezieh. 982 erwähnt, hatte Hill gefunden, daſs durch
Kochen von Natriumsulfat mit gleichen Aequivalenten von Bariumcarbonat und Kalk
unter Druck das erstere vollständig zersetzt und in Aetznatron übergeführt werde,
während Wartha, der ganz unabhängig davon die gleiche
Reaction auffand, angibt, daſs die Zersetzung schon durch Kochen in offenen Gefäſsen
vollständig vor sich gehe. Die Versuche von Wartha,
welche mir nur durch briefliche Mittheilung desselben bekannt waren, sind seitdem in
ungarischer Sprache veröffentlicht worden, ohne daſs die deutschen Fachjournale
etwas darüber gebracht hätten. Auf mein Ansuchen hat Hr. Prof. Wartha freundlichst gestattet, daſs das Verfahren in
meinem Laboratorium untersucht werde, was Hr. Fries
übernommen hat.
Die Versuche wurden angestellt: 1) mit nass gefälltem Bariumcarbonat, 2) mit fein
gepulvertem natürlichem Witherit, – das erste, um zunächst unter den günstigsten
Verhältnissen für eine vollständige Reaction zu arbeiten, wie sie durch die viel
feinere Zertheilung und gröſsere Angreifbarkeit des gefällten BaCO3 gegeben sind; das zweite, um sich den Bedingungen
einer praktischen Verwerthung mehr anzunähern. Die Mengenverhältnisse des gefällten
BaCO3 wurden so bestimmt, daſs man eine gewogene
Menge ganz reinen krystallisirten Witherits in Salzsäure auflöste, mit Soda fällte,
auswusch und den breiigen Niederschlag mit einer gewogenen Menge von Natriumsulfat
und Wasser je 5 bis 6 Stunden lang kochte; dann wurde verdünnt, filtrirt,
ausgewaschen, das Filtrat mit Kohlensäure behandelt, gekocht, wieder filtrirt und
alkalimetrisch titrirt. Die Zahlen der drei ersten Spalten in folgender Tabelle
bedeuten hier nicht Gewichtstheile, sondern Aequivalente, die Wasser mengen der vierten Spalte dagegen die Gewichtstheile Wasser auf je 1 G.-Th. Sulfat. Gekocht
wurde stets, wie bei Wartha, ohne Druck, aber mit
Rückfluss des entweichenden Wassers.
Aequivalente von
G.-Th.
Umsetzung
Na2SO4
BaCO3
CaO
Wasser
Proc.
1
1
1
28
78,8
1
1
1
16
89,8
1
1
1
16
88,5
1
1,5
1,5
16
98,6
1
1,5
1,5
16
99,3.
Mithin gelingt eine vollständige Umsetzung des Natriumsulfates
zu Aetznatron bei Anwendung des 1½ fachen Aequivalentes von gefälltem Bariumcarbonat, bei massiger
Verdünnung und beim Kochen unter gewöhnlichem Luftdruck.
Um nun zu versuchen, wie es sich mit natürlichem Witherit verhielte, wurde dieser
zuerst in feinst geriebenem und durch Müllergaze gebeutelten Zustande angewendet, im
Uebrigen aber wie oben verfahren (Versuche 1 und 2). Weil aber hierbei die
Zersetzung nicht genügend war, wurde eine neue Menge Witherit geschlemmt und nun
damit (Versuche 3 und 4) allerdings ein besseres Resultat erhalten.
Aequivalente von
Umsetzung
Na2SO4
BaCO3
CaO
Proc.
gebeutelt
1
1,5
1,5
36,2
1
3
1,5
80,1
geschlemmmt
1
1,5
1,5
56,1
1
3
1,5
93,6.
Mithin kann man auch mit natürlichem Witherit im Zustande der
feinsten Vertheilung ein gutes Resultat erzielen, muſs aber selbst von geschlemmtem
Witherit doppelt so viel anwenden als von gefälltem BaCO3 und kann doch die Zersetzung selbst dann nicht ganz vollständig
machen.
Die Versuche weiter fortzusetzen, schien unnöthig. Es war allerdings die Richtigkeit
der Wartha'schen Beobachtung vollständig erwiesen, aber
an eine praktische Verwerthung derselben ist wohl kaum zu denken. Da man nämlich
selbstredend gar nicht daran denken kann, mit natürlichem Witherit zu arbeiten und
das erhaltene unreine Bariumsulfat fortzuwerfen, sondern jedenfalls das
Bariumcarbonat aus dem Bariumsulfat regeneriren müsste, so müssen die Kosten dieser
Operation in Betracht gezogen werden. Man könnte z.B. so vorgehen, wie ich es in
meinem englischen Patente im J. 1866 (vgl. 1873 208 146) vorgeschlagen habe. Aber
ebenso, wie ich mein damals ausgearbeitetes Verfahren gegenüber dem
Ammoniak-Sodaverfahren (mit welchem es allein in Concurrenz gedacht werden könnte)
nicht für lebensfähig halten kann, was ich in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 294 ausgesprochen habe, dürfte dies
auch von dem Hill-Wartha 'schen Verfahren gelten.
Zersetzung von Natronsalpeter mit kohlensaurem Kalk nach den
Vorschlägen von Walz (Deutsche Industriezeitung, 1869
S. 238) und Lieber (1875 216 62).
Die betreffenden Versuche sind von Hrn. Schäppi gemacht
worden, welcher zuerst in Gefäſsen von Glas, Porzellan und Schmiedeisen arbeitete,
aber in allen Fällen fand, daſs die Gefäſse zu stark angegriffen wurden, um den
Vorgang auch nur analytisch verfolgen zu können. Die maſsgebenden Versuche wurden
daher in einem groſsen, aus starkem Platinblech hergestellten Schiffchen ausgeführt, welches in einem
Porzellanrohr durch Kohlenfeuer möglichst hoch erhitzt wurde; die sich entwickelnden
Gase wurden ununterbrochen durch einen trockenen Luftstrom verdrängt und mit diesem
zusammen durch ein System von mit Wasser beschickten Woulff'schen Flaschen gesaugt,
um die Salpetersäure zu regeneriren. Andere Versuche wurden im offenen Schiffchen
über der Gasflamme gemacht. Verwendet wurde reines Natriumnitrat und vollkommen
reiner Marmor. Der Glührückstand wurde mit Wasser ausgelaugt, Kohlensäure
eingeleitet, um etwa aufgelösten Kalk zu fällen, gekocht, filtrirt und das Filtrat
alkalimetrisch titrirt. In der neutralisirten Flüssigkeit wurde dann nach der in
meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 1 S. 49
beschriebenen Methode die unzersetzte Salpetersäure bestimmt. Genaue quantitative
Resultate konnten nicht erwartet werden, da auch das Platinschiffchen stark
angegriffen wurde und Ueberschäumen in der Porzellanröhre nicht zu vermeiden war. In
der folgenden Tabelle zeigt die dritte Spalte das zu NaOH zersetzte, die vierte das
unveränderte NaNO3, beides in Procent des letzteren
ausgedrückt, an.
Aequivalent
Zersetzt in NaOH
UnverändertesNaNO3
NaNO3
CaCO3
1
1
68 Proc
8,37 Proc.
1
1
68
8,0
1
1,5
Nicht bestimmt
1,28
1
1,5
„
0,71
1
1,5
„
0,49
1
2,5
„
0
1
2,5
93,7
0
1
2,5
94,1
0
Die regenerirte Salpetersäure wurde nur zweimal bestimmt und wiedergefunden: 92,5 und
93,0 Proc. der als Salpeter angewendeten.
Diese Versuche erwiesen, daſs man bei Anwendung von 2,5 Aeq. CaCO3 auf 1 Aeq. NaNO3
(oder 150 Gewichtstheile CaCO3 auf 100 NaNO3) den Salpeter vollständig in Aetznatron umsetzen
und dabei doch den gröſsten Theil (im Groſsen vermuthlich noch mehr als im Kleinen)
der Salpetersäure wiedergewinnen kann. Hiernach würde dieses Verfahren eines der
besten sein, welches es gibt; so weit sich eben die Salpetersäure verwerthen läſst,
wäre sie viel günstiger als auf dem gewöhnlichen Wege herzustellen, da man die
Schwefelsäure erspart und statt des sehr geringwerthigen unreinen Bisulfates gleich
Aetznatron im Rückstande erhält, allerdings jedenfalls mit Aufwand von etwas mehr
Brennmaterial. Leider scheint diesem Verfahren zur Zeit die unaufhaltsame Zerstörung
aller zum Schmelzen angewendeten Gefäſse entgegenzustehen, wie auch Lieber a. a. O. hervorhebt. Sollte diese Schwierigkeit
nicht zu heben sein? Da schon in dem offenen Schiffchen über dem einfachen
Bunsen-Brenner vollständige Zersetzung eintritt, so dürfte die Temperatur der
Zersetzung keine Schwierigkeiten darbieten.
Verhalten der Lösungen von chlorsauren Salzen in der
Hitze.
Bekanntlich ist es nicht möglich, durch Einleiten von Chlor in Kalkmilch eine
Flüssigkeit zu bekommen, welche genau 5 Mol. Chlorid auf 1 Mol. Chlorat enthält; es
wird vielmehr stets 0,3 bis 0,5 Mol. Chlorid zu viel gefunden. Jedenfalls stammt
dies wenigstens theilweise daher, daſs mit dem Chlor ein wenig Salzsäure in den Kalk
gelangt; aber gewöhnlich wird angegeben, daſs namentlich bei höherer Temperatur auch
Sauerstoff entweiche, was natürlich die Menge des Chlorids in der Flüssigkeit
vermehren muſs (vgl. Soda-Industrie, Bd. 2 S. 890).
Positive Versuche scheinen in dieser Beziehung noch nicht angestellt worden zu sein,
wie überhaupt die Frage, auf welchem Wege die Umsetzung des unterchlorigsauren
Salzes in chlorsaures und Chlorid geschieht, noch nicht aufgeklärt ist; ich gedenke
diesen Gegenstand selbst zu bearbeiten. Inzwischen habe ich doch schon endgültig
feststellen wollen, ob, wie man oft in technischen Kreisen meint, die Lösung der
chlorsauren Salze sich beim Kochen schon theilweise zersetzen können, oder ob ein
etwaiger Sauerstoffverlust ausschlieſslich geschehen kann, so lange noch
unterchlorigsauer Kalk vorhanden ist. Daſs der letztere beim Kochen in
concentrirteren Lösungen Sauerstoff verliert, selbst ohne Zusatz von Kobaltsalz, ist
längst erwiesen (vgl. Soda-Industrie, Bd. 2 S.
708).
Ich habe nun Hrn. Bull folgende Versuche anstellen
lassen. Eine genau titrirte Lösung von 50g reinem
chlorsaurem Kali in 1l Wasser wurde: 1) mehrere
Stunden in einem mit Rückflusskühler versehenen Kolben gekocht; 2) in einer offenen
Schale auf die Hälfte ihres Volumens eingedampft, so daſs sich schon Salz ausschied;
3) mit Zusatz von einigen Tropfen Kaliumpermanganat gekocht, um diese in der
Fabrikation bestehende Bedingung nachzuahmen. Die Flüssigkeit wurde stets wieder auf
das ursprüngliche Volumen gebracht und nochmals titrirt. In allen Fällen wurde ihr
Gehalt genau wie früher gefunden und die völlige Abwesenheit einer Reaction mit
Silbernitrat erhob es zur Gewissheit, daſs gar keine Zersetzung, mithin auch kein
Sauerstoffverlust stattgefunden habe. Die Rosafarbe der dritten Lösung wurde beim
Kochen zerstört.
Um nun zu ermitteln, wie sich der chlorsaure Kalk verhält, wurde (in Wiederholung
früherer in meinem Laboratorium angestellter Versuche) eine Lösung desselben mit
überschüssigem Chlorcalcium bereitet, genau wie im Groſsen, durch Einleiten von
Chlor in heiſse Kalkmilch; die rothe Lösung wurde durch tropfenweise zugesetztes
Schwefelammonium entfärbt und ihr Gehalt an Chlorsäure genau bestimmt. Nach
1¼stündigem Kochen auf dasselbe Volumen wie früher gebracht, ergab die Lösung wieder
absolut genau denselben Gehalt wie vorher.
Hierdurch ist wohl endgültig erwiesen, daſs ein Verlust an Sauerstoff, d.h. an
Chlorat, beim Kochen der Lösung nicht mehr stattfinden kann, wenn einmal chlorsaures
Salz gebildet ist, und zwar ebenso wenig im Falle des Calcium-, als des
Kaliumsalzes. Es ist mithin ganz unnöthig, das Chlorkalium der Kalkmilch schon von
vorn herein zuzusetzen, wie es (wenigstens früher) manchmal empfohlen wurde, um der
vermeintlichen leichteren Zersetzbarkeit des Calciumchlorates zu begegnen; mit
diesem Verfahren ist der Nachtheil verbunden, daſs man die Menge des Chlorkaliums
nur nach Gutdünken, jedenfalls in ziemlichem Ueberschusse, nehmen muss, während man
dieselbe genau berechnen kann, wenn das Chlorkalium erst nach der Umwandlung des
Kalkes in Chlorat zugesetzt wird. Ferner sieht man, daſs man jedenfalls im späteren
Stadium der Operation durchaus nicht ängstlich wegen zu groſser Temperaturerhöhung
zu sein braucht. Fraglich bleibt es nur noch, ob es vortheilhaft ist, im ersten
Stadium bei niedriger oder bei hoher Temperatur zu arbeiten, d.h. absichtlich erst
Hypochlorid zu erzeugen oder gleich auf Chlorat hinzuarbeiten. Diese Frage wird
durch die eintretenden Nebenreactionen complicirt und ist nur durch systematisch
durchgeführte Versuche zu lösen, was ich später versuchen will, wenn nicht
inzwischen von anderer Seite schon positive Erfahrungen in dieser Beziehung
veröffentlicht werden sollten.
Darstellung von Ferricyankalium mit Hilfe von
Bleisuperoxyd.
Die Umwandlung von Ferro- in Ferricyankalium geschieht vermuthlich im Fabrikbetriebe
noch immer mit Hilfe von Chlor. Schon vor vielen Jahren haben ziemlich gleichzeitig
Schönbein (1857 146 155) und Böttger (1859 151 430) zur Umwandlung das Bleisuperoxyd
empfohlen, jedoch mit folgendem erheblichen Unterschiede. Schönbein sättigt das während der Reaction frei werdende Aetzkali (2K4FeCy6
+ O + H2O = K6Fe2Cy12 + 2KOH) durch Einleiten eines Stromes von
Kohlensäure, zur Vermeidung der bekannten umgekehrten Reaction zwischen Bleioxyd und
Ferricyankalium, mittels welcher man ja Bleisuperoxyd darstellen kann, wenn auch
nicht gerade auf sehr billigem Wege; auch gründet sich die E. de Haen'sche Methode zur Bestimmung des Ferricyankaliums auf die
umgekehrte Reaction. Nach Schönbein erhält man bei
seinem Verfahren eine viel höhere Ausbeute (75 Proc. gegen 60 Proc.) an
Ferricyankalium, als bei der Oxydation mit Chlor, welches nur indirect angewendet
wird, indem das entstandene Bleicarbonat stets von neuem durch Kochen mit Chlorkalk
in Bleisuperoxyd übergeführt wird. Böttger, dagegen
macht die Lösung des gelben Blutlaugensalzes mit Kali stark alkalisch und kocht dann
erst mit Bleisuperoxyd. „Auch unter Mitanwendung von zweifach kohlensaurem Kali
statt des Aetzkalis sieht man das gelbe Blutlaugensalz in das rothe
übergehen.“ Die letztere Modifikation kommt fast auf dasselbe wie das Schönbein'sche Verfahren heraus, indem das zweifach
kohlensaure Kali die Kohlensäure zur Sättigung des bei der Reaction entstandenen
Aetzkalis abgibt. Dagegen
steht die erstere Modifikation, also die Anwendung von Aetzkali, in Widerspruch
nicht nur mit Schönbein's Verfahren, sondern auch mit
dem sonst bekannten Verhalten der betreffenden Körper unter einander. Ich habe
deshalb bei den Uebungen der Prakticanten im Laboratorium stets das Schönbein'sche Verfahren anwenden lassen und kann
dieses in der That auſserordentlich empfehlen. Es entstehen dabei nicht die
unangenehmen grünen Nebenproducte wie bei dem Chlorverfahren, das Ausbringen ist
ausgezeichnet und das Product tadellos. Da nun auch die Wiederumwandlung des
gebildeten Bleioxydes in Bleisuperoxyd durch Kochen mit Chlorkalklösung eine ganz
einfache ist, so glaube ich in der That, daſs auch für den Fabrikbetrieb das Schönbein sehe Verfahren den Vorzug vor dem
Chlorverfahren verdienen dürfte. Immerhin würde mir keine Veranlassung vorzuliegen
scheinen, eine solche kleine, gewiſs von vielen Anderen gleichfalls gemachte
Laboratoriumserfahrung zu veröffentlichen, wenn nicht vor kurzem das über 20 Jahre
alte Böttger'sche Verfahren noch einmal als ein
„neues“ aufgetaucht wäre und seine Runde durch eine Menge von
Zeitschriften machte. Daſs es nicht neu ist, war von
vorn herein klar; aber es fragt sich, ob es überhaupt auch brauchbar sei. Diese
Frage wird durchaus verneint durch Versuche, welche Hr. v.
Potworowski angestellt hat.
Eine Lösung von 50g Ferrocyankalium wurde mit
Aetzkali stark alkalisch gemacht und mit 15g
PbO2 6 Stunden lang in einer Schale mit Ersatz
des verdampfenden Wassers gekocht, ohne daſs sich eine Reaction auf Ferricyankalium
gezeigt hätte; beim Zusatz einer Probe zu heiſser reiner Eisenvitriollösung kam ein
weiſser, erst allmählich blau werdender Niederschlag. Auch nach Zusatz von weiteren
10g PbO2 und
nochmaligem 6stündigem Kochen fand keine Umwandlung statt. Nun wurde ein Theil der
Lösung stark verdünnt und wieder weiter gekocht, worauf nach einiger Zeit sich eine
Reaction auf Ferricyankalium (sofortige Bläuung mit reiner Eisenvitriollösung)
einstellte, wobei jedoch das meiste Ferrocyankalium unverändert blieb. Die
Flüssigkeit brauste aber mit Säuren stark auf; mithin war das Aetzkali durch die
Luft-Kohlensäure gesättigt, worin der Grund der theilweisen Umwandlung liegen
mochte. Dies wurde dadurch klar erwiesen, daſs ein anderer Theil derselben
verdünnten Flüssigkeit, 6 Stunden lang in einem Kolben mit Bunsen'schem
Kautschukventil gekocht, durchaus keine Reaction auf Ferricyankalium gab. Ein
gleichzeitig unter ganz ähnlichen Umständen angestellter Gegen versuch, Kochen der
Ferrocyankaliumlösung ohne Aetzkali mit Bleisuperoxyd unter Einleiten von
Kohlensäure ergab dieselbe vollständige, glatte und verhältniſsmäſsig rasche
Umwandlung in rothes Blutlaugensalz wie sonst. Mithin kann nur das letztere (Schönbein'sche) Verfahren empfohlen werden.
Darstellung von Benzoësäure aus Benzotrichlorid und
Wasser.
Nach A. v. Rad (1879 231 538) soll diese Umwandlung
unter Druck vorgenommen werden, aber bei der Anwendung des gewöhnlichen rohen
Benzotrichlorids pechartige Nebenproducte geben, jedenfalls aber der von Jenssen patentirten Umwandlung mit Schwefelsäure (1879
234 160) vorzuziehen sein. Nach Versuchen, welche Hr. Fries gemacht hat, ist die Reaction: C6H5.CCl3 +
2H2O = C6H5.COOH + 3 HCl eine ganz vollständige und glatte,
nicht allein, wenn man in Zuschmelzröhren bei einer Temperatur von 140 bis 150°
arbeitet, sondern auch dann schon, wenn man das Benzotrichlorid (welches vorher
durch Fractioniren gereinigt war) mit überschüssigem Wasser 4 Stunden am
Rückflusskühler bei gewöhnlichem Atmosphärendruck kocht. Das Benzotrichlorid
verschwindet ganz und die Benzoesäure scheidet sich in vollkommen weiſsen Schuppen
aus. Aus 5g C6H5CCl3 wurden so 3g,10 Benzoesäure (theoretische Menge 3g,12) in den Zuschmelzröhren und bei mehreren
Versuchen im offenen Gefäſse, wo immerhin ein wenig Benzoesäure sich verflüchtigen
konnte, immer noch 3g,0 erhalten. Da die
Umwandlung durch offenes Kochen so viel bequemer als unter Druck ist, so schien mir
die Mittheilung dieser Notiz der Mühe werth.
Zürich, August 1880.