Titel: | Zur Herstellung und Verwendung von Sprengstoffen. |
Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 328 |
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Zur Herstellung und Verwendung von
Sprengstoffen.
Mit einer Abbildung auf Tafel 25.
Zur Herstellung und Verwendung von Sprengstoffen.
Das in D. p. J. 1879 234 * 389
beschriebene Verfahren zur Nitrirung des Glycerins hat
C.
Kurz in Köln (* D. R. P. Kl. 78 Zusatz Nr. 8463 vom 22. Mai 1879) jetzt dahin geändert,
daſs das Glycerin mit Luft zu einer Emulsion gemischt und erst als Emulsion in das
Nitrirgefäſs und die Mischsäure eingeführt wird. Da ferner nach beendigter Nitrirung
die ausgenutzte Mischsäure mit einer gewissen Menge Nitroglycerin gesättigt bleibt,
welche sich erst bei ruhigem Stehen oben abscheidet, so sind an dem Nitrirgefäſse
A (Fig. 12
Taf. 25) mehrere Abfluſshähne d angebracht, durch
welche nach einander das sich abscheidende Nitroglycerin abgelassen wird.
Das Glycerin flieſst aus dem Behälter B durch das Rohr
e zu dem Strahlgebläse C und wird durch die von dem Rohre f
zugeführte kalte Luft fein zerstäubt in das Gefäſs D
geschleudert, welches mit Sicherheitsventil h und
Druckausgleichrohr i verbunden ist. Die Emulsion
flieſst durch das Rohr g mit eingeschobenem Glasrohr
z zum Nitrirgefäſs A,
welches mit einer Glasplatte b bedeckt ist, um die
Vorgänge im Nitrirgefäſs beobachten zu können.
Sollte das Thermometer t und die Farbe der durch das
Rohr a entweichenden Gase eine zu weit gehende
Zersetzung anzeigen, so wird der Zufluſs des Glycerins nach dem Nitrirgefäſs durch
Schlieſsung eines der Hähne m oder n gehemmt. Wird der Hahn m
geschlossen, so tritt, nachdem das Gefäſs D sich von
dem noch darin befindlichen Glycerin entleert hat, nur noch die abgekühlte Luft des
Strahlgebläses in das
Nitrirgefäſs, welche das Fortschreiten der Zersetzung hindert. Wenn sich aber noch
zu viel Glycerin im Gefäſse D befindet und es räthlich
scheint, dieses sofort vom Nitrirgefäſse abzusperren, so wird die kalte Luft durch
ein Zweigrohr l, oder auch durch ein direct in das
Nitrirgefäſs eingeführtes Luftrohr zugeführt.
Das Waschen des gebildeten Nitroglycerins geschieht in der früher angegebenen Weise
ebenfalls mit gepreſster kalter Luft. Ist durch Behandlung mit Wasser und Sodalauge
das Nitroglycerin völlig entsäuert, so wird bei der letzten Waschung so kalte Luft
angewendet, daſs sich dasselbe als Krystallmehl ausscheidet. Da die einzelnen
Nitroproducte verschiedene Gefrierpunkte haben, so läſst sich durch Abkühlung der
Luft auf verschiedene Temperaturen eine Trennung derselben erreichen. Als letzte
Waschlauge kann bei diesem Verfahren auch Spiritus, Petroleumnaphta, Benzin u. dgl.
oder ein geeignetes Lösungsmittel des Nitroglycerins dienen.
Die Abkühlung der Gefäſse und Flüssigkeiten kann durch den Kühlmantel K oder eine in die Flüssigkeiten gelegte Schlange o.
dgl. und mittels einer Kältemischung oder auch mit kalter Luft bewirkt werden.
Nach H. Boutmy (Comptes rendus, 1879
Bd. 89 S. 414) wird in der Pulverfabrik zu Vonges seit d. J. 1872 Nitroglycerin aus Salpeterschwefelsäure und
Sulfoglycerin hergestellt. Hierbei entwickeln sich aus 100k Glycerin mit 320k Schwefelsäure 14000c, aus 280k Schwefelsäure und 280k Salpetersäure 5400c und beim Mischen der beiden Sulfosäuren nur 11400c. Dagegen werden beim directen Verfahren aus
600k Schwefelsäure und 280k Salpetersäure 9000c, aus diesem Gemisch und 100k Glycerin
21900c entwickelt. Bei einer specifischen
Wärme des Gemenges von 0,53 beträgt demnach die Temperaturerhöhung beim ersten
Verfahren 11400 : (980 × 0,53) = 21,9°, beim directen Verfahren dagegen 21900 : (980
× 0,53) = 41,10° der fast 20° mehr als bei der Anwendung von Sulfoglycerin.
Der sogen. Atlasdynamit (vgl. 1880
236 430) von J. Engels in
Kalk (D. R. P. Kl. 78 Nr. 10232 vom
28. November 1879) besteht aus:
Pyroxylin
18
bis
28 Th.
Nitroglycerin
55
„
44
Pyropapier
5
„
10
Nitrostärke
20
„
16
Nitromannit
1
Th.
Wasserglas
1
Diese einzelnen Stoffe werden Säure frei gemengt unter eine
Patronenpresse gebracht, in deren Stempel eine Nadel befestigt ist, welche in der
Patrone eine Höhlung zur Aufnahme des Zünders bildet. Die so hergestellte Patrone
wird mit Collodium überzogen und erst kurz vor dem Gebrauch die Collodiumhülle bei
den Zündöffnungen durchgedrückt. In die Höhlung wird eine aus weicher
Schieſsbaumwolle bestehende, mit chlorsaurem Kalium und Bleieisencyanür getränkte Zündschnur
eingezogen und an deren oberem Ende ein Bickford'scher Zünder befestigt.
Bei dem Zünder von M. v.
Förster in Berlin (D. R. P. Kl. 78 Nr. 10816 vom 20. August 1879) ist
Schieſsbaumwolle in eine kurze Röhre eingepreſst, welche an einer Seite offen, an
der andern von einer durchbohrten Platte verschlossen ist, durch welche eine
Zündschnur eingeführt wird. Dieser Zünder wird mit der offenen Seite auf die lose,
zu Sprengungen zu benutzende Schieſsbaumwolle gesetzt.
Auf mehreren Gruben des Reviers Essen sind nach der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, 1880
S. 242 in letzter Zeit Versuche mit comprimirtem
Sprengpulver, bereitet nach Art des für Geschütze angewendeten
prismatischen Pulvers, angestellt, welche aber bis jetzt einen Abschluſs noch nicht
gefunden haben. Das Pulver wird in cylindrischen, in der Mitte durchbohrten Stücken
von 25mm Länge und einem der Bohrlochs weite
entsprechenden Durchmesser geliefert. Dem Gewichte nach soll von dem comprimirten
Pulver ⅓ weniger gebraucht werden als von dem gewöhnlichen und es wird also auch dem
entsprechend weniger Qualm beim Schieſsen verursacht, die Wetter also in geringerem
Maſse verschlechtert.
Auf den kgl. Steinkohlengruben bei Ibbenbüren sind Versuche mit Schieſsbaumwolle aus der Fabrik von Woff und Comp. zu Walsrode gemacht worden; dieses
Sprengmaterial zeigte sich in seinem Wirkungsgrade dem Dynamit ziemlich gleich, übte
auch keinen nachtheiligen Einfluſs auf die Gesundheit der Arbeiter aus; indessen ist
vielfach beobachtet worden, daſs durch die Zündpatrone die Sprengpatrone nicht zur
Explosion gebracht war. Auf den Freislebensschächten bei Limbach sind Versuche mit
in 10cm langen und 2cm starken Patronen gepreſster Schieſsbaumwolle derselben Fabrik gemacht
worden, welche aber im Vergleich zu Dynamit zu Ungunsten der Schieſsbaumwolle
ausfielen, da zur Ausführung von 1m Ortslänge im
Rothliegenden unter gleichen Arbeitsverhältnissen bei Verwendung von
Schieſsbaumwolle 25,53 Häuerschichten und 29,12 M. für Sprengmaterialien, überhaupt
110,03 M. Kosten, dagegen bei Verwendung von Dynamit nur 15,37 Häuerschichten und
23,26 M. für Sprengmaterialien, überhaupt 71,53 M. Kosten erforderlich waren.
Auſserdem kamen bei der Einführung der Patronen in die Bohrlöcher in zwei Fällen
trotz der nöthigen Vorsicht zu frühzeitige Explosionen- vor. Ebenso ergab diese
Schieſsbaumwolle auf den Gruben der Berginspectionen am Rammeisberge bei Goslar und
Silbernaal bei Versuchen zur vergleichsweisen Ermittelung der Sprengwirkung und der
Kosten gegen Pulver kein günstiges Resultat. Bewährt hat sich dagegen die Förster'sche Schieſsbaumwolle (1878 228 284) auf
mehreren Steinkohlengruben.
Auf der fiscalischen Bleierzgrube Friedrich bei Tarnowitz wurden
Versuche mit Sprenggelatine (1879 232 484. 233 349)
ausgeführt, welche die früher von F. Heſs (1878 229
396) gemachten Angaben bestätigten. An Beständigkeit in der Zusammensetzung und an
Sicherheit in der Handhabung ist danach die Sprenggelatine dem Kieselguhrdynamit
mindestens gleichzustellen, übertrifft dieses aber darin, daſs es das Nitroglycerin
nicht durch Adhäsion, sondern durch chemische Verbindung in sich festhält und daher
weder durch Druck, noch unter Wasser abgibt. Auch ihr Verhalten gegen Kälte gibt ihr
gegen gewöhnliches Dynamit einen Vorzug, da sie schwerer gefriert und leichter
wieder aufthaut als letzteres. Obgleich die im Pulverhause der Friedrichsgrube
aufbewahrten drei Kisten Sprenggelatine während mehrerer Wochen einer andauernden
Kälte von 12 bis 25° ausgesetzt waren, blieb dieselbe doch weich. Einzeln offen
liegende Patronen erstarrten dagegen völlig. Im gefrorenen Zustande gleicht sie im
Ansehen dem Marzipane. Bei dem Aufthauen fetten die Patronen zwar auch etwas durch,
lassen aber dabei weit weniger Nitroglycerin austreten als gewöhnliches Dynamit. In
Berührung mit Feuer oder einem Funken verbrennt die Sprenggelatine in ganz ähnlicher
Weise mit lebhafter gelber Flamme wie das Dynamit und soll hierbei, gleich diesem,
erst dann zur Explosion neigen, wenn gröſsere Mengen in Brand gerathen sind. Sie
läſst sich aber durch feuchte Lagerung oder durch zeitweiliges Besprengen mit Wasser
mit ziemlicher Sicherheit gegen Feuersgefahr aufbewahren, während Dynamit sich nur
in trockenen Räumen haltbar erweist. Ihre Sprengkraft gab eine mittlere Mehrleistung
gegen Dynamit von 25 Proc. Der bei der Explosion entwickelte Rauch ist leichter zu
ertragen als der des gewöhnlichen Dynamites (vgl. 1880 237 253). Wegen des
wesentlich höheren Preises erscheint es aber noch fraglich, ob die Sprenggelatine
das Dynamit aus den Bergwerken wird verdrängen können.
Das Gelatinedynamit scheint ein
Gemenge von gelatinirtem Nitroglycerin mit Salpeterpulver zu sein. Nobel beabsichtigt, dasselbe ganz an die Stelle von
Kieselguhrdynamit zu setzen, mit dem es auch den gleichen Preis hat. Im äuſseren
Ansehen unterscheiden sich beide Sprengstoffe nur wenig von einander; die gelbliche
Farbe ist beiden gemein und nur bei dem Durchschneiden einer Patrone erscheint das
Kieselguhrdynamit bröcklicher und weicher, das Gelatinedynamit dagegen zäher und
sandiger. Die Sprengkraft dieses neuen Dynamites erwies sich bei den Tarnowitzer
Versuchen in keiner Weise verschieden von derjenigen des alten Dynamites I und nur
in den übrigen Eigenschaften scheint ihm in so fern ein Vorzug zu gebühren, als es
im Wasser kein Nitroglycerin ausscheidet, bei dem Aufthauen nicht stark fettet und
unempfindlicher gegen Kälte ist, also in dieser Beziehung der Sprenggelatine nahe
steht.
Da bei allen Dynamitsprengungen eine möglichst kräftige
Anfangswirkung von der gröſsten Wichtigkeit ist, so wird auf der Friedrichsgrube die
Stärke des Ladesatzes der Zündhütchen nicht mehr geprüft, sondern nur verlangt, daſs
jedes Zündhütchen im Stande ist, ein Eisenblech von 0mm,5 Stärke zu durchschlagen. Dieses Blech liegt horizontal in einem
eisernen Kästchen mit einigen Löchern im Deckel. Die Zündhütchen werden mit
Zündschnur, welche durch die Löcher geführt wird, besetzt, frei auf dieses Blech
aufgesetzt und zur Explosion gebracht. Zündhütchen aus älteren Lieferperioden waren
oft kaum im Stande, auf dem Bleche einen Eindruck zu hinterlassen.