Titel: | Ueber die Unschädlichmachung saurer Gase. |
Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 337 |
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Ueber die Unschädlichmachung saurer Gase.
Ueber die Unschädlichmachung saurer Gase.
Im Anschluſs an die früheren Berichte über die Beschädigung der Pflanzen durch saure
Gase (1876 220 87) und die Beseitigung des Hüttenrauches (1880 235 * 219) und der
sauren Gase aus chemischen Fabriken (1880 236 54.* 131) sollen die neuesten hierher
gehörenden Arbeiten besprochen werden.
J. Schröder hat in einem Vortrage auf der
Naturforscherversammlung 1879 in Baden-Baden hervorgehoben, daſs namentlich die
Schwefligsäure schädlich wirkt.
Läſst man irgend gröſsere Mengen schwefliger Säure oder Salzsäure
in der Luft auf Pflanzen oder Pflanzentheile einwirken, so beobachtet man in der
Regel schon nach sehr kurzer Zeit eine mehr oder weniger starke Zerstörung der
Chlorophyllmassen. Bei Einwirkung von schwefliger Säure werden die Blätter von
Laubhölzern gleichmäſsig auf der gesammten Fläche fahl. Bei Einwirkung von Salzsäure
dagegen erscheinen die Ränder stets zuerst angegriffen; erst bei länger
fortgesetzter Behandlung mit der Säure findet man, neben den zum Theil zierlich und
regelmäſsig geränderten Blättern, auch solche, wo die Zerstörung der grünen Farbe
sich weiter über die gesammte Fläche erstreckt. Diese dem Auge zuerst sichtbare
Wirkung läſst sich auch durch das Spectroskop nachweisen. Bereitet man einen
alkoholischen Auszug solcher Blätter, die eine Zeit lang in Säure haltiger Luft
verweilten, und prüft diesen Auszug spectroskopisch, so findet man das
Absorptionsspectrum des Säurechlorophyll deutlich hervortretend neben den Streifen
des nativen Chlorophyll; es ist also ein Theil des letzteren in Säurechlorophyll
umgewandelt worden.
Alle durch saure Gase beschädigten Pflanzen zeigen eine
herabgesetzte Transpiration und zwar in um so höherem Grade, je gröſser die Menge
der einwirkenden Säure, oder je länger die Säure mit den Blattorganen in Berührung
war. Steht derartig angegriffenen Pflanzen ein Ueberschuſs von Wasser zu Gebote, so
beobachtet man an den Blättern eine eigenthümliche Nervaturzeichnung, welche in
Folge ungleichmäſsiger Wasservertheilung über die gesammte Blattfläche eintritt und
recht anschaulich die Stockung der normalen Wassercirculation darstellt. Zu beiden
Seiten der Nerven sind die Gewebe durchscheinend und mit Wasser überfüllt, während
das Wasser von hier sich in die angrenzenden Gewebstheile nicht weiter verbreiten
kann. Dauert dieser Zustand eine Zeit lang fort, so sieht man namentlich zu beiden
Seiten der Hauptnerven Tröpfchen hervortreten. Bei Gegenwart von Licht, Wärme und
Feuchtigkeit ist die Wirkung der schwefligen Säure am stärksten, viel geringer im
Dunkeln und in trockener Luft.
Salzsäure und Schwefelsäure schaden viel weniger als äquivalente
Mengen schwefliger Säure. Wenn somit die im Rauche enthaltene Schwefligsäure durch
den Einfluſs von Luft und Feuchtigkeit vor der Berührung mit den Blattorganen der
Pflanzen zum Theil zu Schwefelsäure oxydirt wird, so ist diese Umwandlung als für
die Vegetation günstig zu bezeichnen.
Bei den Laubhölzern bemerkt man die stattgehabte Wirkung der
schwefligen Säure zuerst dann, wenn man das Blatt gegen das Licht hält. Es finden
sich in diesen ersten Stadien auf der Blattfläche zerstreut einzelne weniger
durchscheinende Partien, die anfangs bald mehr, bald weniger scharf abgegrenzt sind.
Auch wenn die Wirkung der Säure nun ganz eingestellt wird, machen sich die erwähnten
undurchsichtigen Stellen bald dem Auge deutlicher bemerkbar, indem sie mehr und mehr
vertrocknen und zuerst als mattgrüne Flecke auf dem Blatte hervortreten, um
schlieſslich eine meist braune bis braunrothe Farbe anzunehmen, welche dann sehr
lebhaft von dem umgebenden Grün absticht. Diese braunen Säureflecken sind
unregelmäſsig über die Blattfläche zerstreut, immer sehr scharf umgrenzt und bei manchen
Holzarten, wie bei Eiche und Rothbuche, noch von einem durchscheinenden, gelben,
schmalen Rande umgeben. Bei Nadelhölzern bemerkt man zuerst ein mattes Grün an der
Spitze der Nadel, dann ein Fahlwerden und endlich ist die Spitze intensiv braunroth
gefärbt, dabei aber ganz scharf abgegrenzt gegen die grüne Basis ohne irgend einen
Uebergang der Färbung.
Nach stattgehabter Einwirkung von Salzsäure erscheinen die Blätter
dagegen sehr deutlich und vollständig gerändert. Tannenzweige werden aber ebenso
rothspitzig durch Salzsäure wie durch Schwefligsäure.
Pflanzen, welche eine Zeit lang einer Luft ausgesetzt waren, die Schwefligsäure oder
Salzsäure enthielt, zeigen bei der chemischen Untersuchung erheblich gesteigerten
Gehalt an Schwefelsäure oder Chlor. Die Schwefligsäure wird von den Blattorganen
selbst aus einer Luft aufgenommen, welche nur ein Millionstel enthält und in der
Pflanze zu Schwefelsäure oxydirt. So enthielten z.B. die Nadeln einer Fichte, welche
3 Monate lang einer solchen verdünnten Schwefligsäure ausgesetzt war, in 100 Th.
Trockensubstanz 0,721, die einer gesunden Fichte nur 0,240 Th. Schwefelsäure.
Zur Ausführung der chemischen Untersuchung kann man die Schwefelsäure in einem
Auszuge der Blattorgane bestimmen, oder die Gesammtmenge von Schwefel und Chlor in
der Pflanzensubstanz feststellen. Will man diese Bestimmung ohne Verlust ausführen,
so muſs man bei der Einäscherung Alkali zusetzen. Die gepulverten Blätter werden in
einer groſsen Platinschale mit einer Lösung von kohlensaurem Natrium befeuchtet, auf
30g Blätter 1 bis 3g Soda, und dann zur Trockne verdampft. Der
Rückstand wird verkohlt, mit Wasser ausgezogen und die Kohle dann völlig verbrannt.
Man vereinigt hierauf die Asche mit dem Extract, verdampft, scheidet die Kieselsäure
ab und bestimmt in gewöhnlicher Weise die Schwefelsäure. Beim Einäschern von 30g trockenen und fein gemahlenen Fichtennadeln mit
wechselnden Mengen von Soda wurden z.B. gefunden:
Zur Einäscherunggenommen Na2CO3
Erhalten BaSO4
Darin SO3
SO3 Proc.
dertrockenen Nadeln
0g
0,2313
0,079416
0,2647
0,2
0,3419
0,117389
0,3913
0,5
0,3498
0,120101
0,4003
1,0
0,3544
0,121681
0,4056
2,0
0,3533
0,121304
0,4043
3,0
0,3559
0,122196
0,4073.
Zur Bestimmung des Chlorgehaltes äschert man ebenso 50g Substanz mit 3g Soda ein, behandelt
die Asche mit verdünnter Salpetersäure, versetzt mit Ammoniak im Ueberschuſs und
verdampft zur Trockne. Der Rückstand wird mit Wasser ausgezogen und das Chlor in
bekannter Weise gewichtsanalytisch oder volumetrisch bestimmt.
Verschiedene Pflanzen nehmen aus einer Schwefligsäure haltigen Luft in gleichen
Zeiten sehr verschiedene Mengen auf, Laubhölzer bei gleicher Blattfläche mehr als
Nadelhölzer. Diese verschiedenen von den einzeln Pflanzenarten absorbirten Mengen
stehen aber in keinem Verhältniſs zum Gesammtwiderstande der Pflanzen einer längeren Einwirkung der Gase
gegenüber. Nadelhölzer nehmen z.B. weniger Säure auf, sind aber viel empfindlicher
als sämmtliche Laubhölzer. Die Widerstandsfähigkeit einer Holzart ist vielmehr
bedingt durch die derselben zukommende Reproductionsfähigkeit und durch die
Empfindlichkeit der Blattorgane; ihrer groſsen Ausschlagsfähigkeit wegen übertrifft
daher die Eiche alle anderen Laubhölzer an Widerstandsfähigkeit. Bei den
Nadelhölzern kommt namentlich die längere Dauer der Blattorgane in Betracht, so daſs
sich hier die schädlichen Wirkungen längere Zeit erhalten, während bei den
Laubhölzern die Belaubung des einen Jahres nur indirect von der im vorhergehenden
Jahre stattgehabten Schädigung beeinfluſst wird. Unter den einzelnen Nadelhölzern
sind daher die ihre Nadeln am längsten erhaltenen Tannen widerstandsfähiger als die
Kiefer. Landwirthschaftliche Pflanzen sind weniger empfindlich als Bäume. Unter den
Laubhölzern steht die Eiche in der Widerstandsfähigkeit obenan; ihr sehr nahe stehen
die Ahornarten und die Esche, dann folgen Erle, Pappel, Linde, ferner Birke und
endlich die Rothbuche als das empfindlichste Laubholz. Unter den Nadelhölzern steht
die Kiefer obenan, dann folgt die Fichte., während die Tanne am schnellsten
abstirbt. Dieselbe Reihenfolge gilt im Wesentlichen auch für die Empfindlichkeit der
Pflanzen gegen Salzsäure.
Die praktische Untersuchung hat sich somit zu stützen auf die äuſserlich erkennbaren
Blattverletzungen, den Befund der chemischen Analyse und die bekannte verschiedene
Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegen saure Gase.
Bei der Beurtheilung der Blattverletzungen ist aber mit groſser Vorsicht zu
verfahren, wie namentlich auch R. Hasenclever
hervorhebt (vgl. Schluſs dieses Berichtes), da Pilze, Insekten und Frost ähnliche
Erscheinungen bewirken können. Ränderungen der Blätter, welche genau so aussehen wie
Salzsäurebeschädigungen, findet man bei manchen Holzarten im Herbste, wenn die
Blätter normal abzusterben beginnen, auch im Sommer, wo viel Staub auf die Blätter
geführt wird. Uebrigens werden auch durch andere flüchtigen Säuren, z.B.
Salpetersäure, die Blätter ebenso gerändert wie durch Salzsäure und darf man daher
die Ränderung durchaus nicht als eine specifische Salzsäure Wirkung auffassen. Durch
Magerkeit des Bodens wird zuweilen bei Nadelhölzern, besonders bei Kiefern, ein
Gelbwerden der Nadelspitzen bedingt, welches sehr lebhaft an die schwächeren Formen
der Beschädigung durch saure Gase erinnert.
Zur Beurtheilung von Rauchschäden soll man daher eine zu späte Jahreszeit vermeiden
und die normalen Veränderungen im Aussehen der Blätter genügend berücksichtigen.
Ferner ist es ganz wesentlich, nicht nur das bei einer Schadenklage in Frage
kommende Feld- oder Waldgrundstück ins Auge zu fassen, sondern den Charakter der gesammten Vegetation der
betreffenden Oertlichkeit mit Rücksicht auf das Aussehen der Blattorgane einer
näheren Prüfung zu unterwerfen. Haben Schädigungen durch schweflige Säure oder
Salzsäure stattgefunden, so müssen alle sich vorfindenden Pflanzen diese Einwirkung
zeigen, und zwar nach Maſsgabe der Empfindlichkeit ihrer Blätter und und der für die
betreffenden Arten bekannten Gesammtresistenz. Letzteres Kriterium kann oft ganz
entscheidend sein. Leiden z.B. in einer Gegend die Kiefern mehr als die Fichten,
oder die Eichen mehr als die Rothbuchen, so kann man von vorn herein annehmen, daſs
man es entweder gar nicht mit Raucheinflüssen zu thun hat, oder daſs doch wenigstens
sehr wesentliche anderweitige schädigende Umstände mit in Betracht kommen, welche
das normale Verhalten der einzelnen Pflanzenarten gegen saure Gase abzuändern im
Stande sind. Dürftiges Aussehen eines Feldes oder schlechter Wuchs eines Waldes darf
nie ohne weiteres als Beschädigung durch Rauch oder saure Gase angesehen werden; es
ist stets zu verlangen, daſs auf den Blattorganen sich nachweisbare Säurewirkungen
vorfinden.
Finden sich nun an den Pflanzen die besprochenen Merkmale, so hat die chemische
Analyse die Beschädigung durch saure Gase nachzuweisen. Es ist im Tharander
Laboratorium immer gelungen, in den Blattorganen solcher Pflanzen, welche
nachweislich von Steinkohlenrauch oder Hüttenrauch getroffen waren, auffallend hohe
Schwefelmengen nachzuweisen. So hat z.B. Stöckhardt
gezeigt, daſs die eingegangenen und eingehenden Tannen und Fichten, welche dem
Steinkohlenrauch im Plauenschen Grunde und dem Locomotivrauch an einigen besonders
engen Stellen des Tharander Thales ausgesetzt waren, in ihren Nadeln 2 bis 3 mal so
viel Schwefelsäure enthielten als gesunde Fichten und Tannen derselben Gegend, die
dem Rauche nicht ausgesetzt gewesen waren. Man findet übrigens stets, selbst an
solchen Orten, wo saure Gase in groſsen Mengen auf die Vegetation einwirken, neben
den stärksten Beschädigungen scheinbar wenig oder gar nicht verletzte Pflanzen
derselben Art. Es erklärt sich dieses Verhalten aus dem Umstände, daſs einzelne
Individuen derselben Pflanzenart widerstandsfähiger sind als andere.
Ganz besondere Schwierigkeiten bei der Beurtheilung der analytisch gewonnenen
Resultate bieten die normalen SchwankungenSckwankungen dar. Der Schwefelsäure- und Chlorgehalt völlig gesunder Pflanzen wechselt
innerhalb ziemlich weiter Grenzen, und wir sind nur im Allgemeinen mit den Ursachen
dieser Verschiedenheiten bekannt. Bietet man einer Pflanze von dem einen oder
anderen Nährstoff einen Ueberschuſs, so nimmt sie auch verhältniſsmäſsig groſse
Mengen auf; die Pflanze ist in dieser Beziehung also ganz besonders abhängig von
ihrem jeweiligen Standorte. So enthielten z.B. die Blätter einer in Tharand in
Wasserkultur erwachsenen Erle in der Trockensubstanz 0,75 Proc. Schwefelsäure, während eine im Boden
erwachsene Erle nur 0,19 Proc. Schwefelsäure ergab, also ein Verhältniſs von 1 : 4,
und dennoch waren beide Pflanzen gesund. Durch einen gewissen Gyps- oder
Kochsalzgehalt des Bodens durch die Nähe von Gradirwerken u. dgl. können bei sonst
gesunden Pflanzen sich leicht abnorm hohe Schwefelsäure- oder Chlorgehalte
vorfinden, ohne daſs eine Einwirkung saurer Gase stattgefunden zu haben braucht.
Nächst dem Boden übt auch das Klima und die Höhenlage des Standortes, sowie auch die
Vegetationsperiode einen Einfluſs auf die chemische Zusammensetzung der Pflanzen
aus.
Da wir alle diese Verhältnisse meist nur im Allgemeinen kennen, so muſs man denselben
stets Rechnung tragen, wenn es sich darum handelt, gewisse Befunde als normal oder
abnorm hinzustellen. Man wird daher die Pflanzen, welche man als normale
Vergleichsobjecte herbeizieht, thunlichst unter denselben äuſseren Bedingungen
auswählen, unter denen die verletzten Pflanzen erwachsen sind, namentlich aber nicht
Pflanzen verschiedener Gegenden oder Pflanzentheile in verschiedenen
Vegetationsperioden mit einander vergleichen.
Schröder bespricht ferner in den Landwirthschaftlichen Versuchsstationen, 1880 S. 392
bis 419 die Hüttenrauchschäden in den Waldungen des Oberharzes. Im Innerstethal
liegen die Clausthaler Silberhütte und die Lautenthaler Hütte, im Ockerthal die
Altenauer Silberhütte. Die drei Hütten verarbeiten im Wesentlichen die Oberharzer
Bleierze mit durchschnittlich 12,5 Proc. Schwefel; in Altenau werden auſserdem die
Oberharzer Kupfererze mit 30 Proc. und amerikanische Erze mit etwa 10 Proc. Schwefel
verschmolzen. In Clausthal und Lautenthal wendet man die Niederschlagsarbeit, in
Altenau theilweise auch das Röstreductionsverfahren an. Die Clausthal er Hütte
verarbeitet jährlich etwa 10000t Bleiglanzschlich,
die Lautenthaler 2850t und in Altenau werden neben
2200t Bleiglanz noch 400t Harzer Kupferkies und 1000t fremde Erze zu Gute gemacht. Da nur in
Lautenthal und Altenau sich Schwefelsäurefabriken von geringem Umfange befinden –
die Jahresproduction beider Hütten zusammen beträgt nicht mehr als 650t Säure von 50° B. – so gelangt fast der gesammte
Schwefel, der mit den Erzen in die Hütten eingeführt wird, schlieſslich als
schweflige Säure in die Luft. Man kann die Mengen der letzteren für Clausthal auf
jährlich 2500t, für Lautenthal auf 650t und für Altenau auf 850t veranschlagen. Die bei der
Niederschlagungsarbeit fallenden Steine werden auf Holzbetten in Haufen abgeröstet.
Dadurch entwickelt sich die schweflige Säure auf der Thalsohle selbst und zwar in
sehr concentrirter Form; der entwickelte Rauch kann aus dem Thale nicht heraus,
sondern streicht bei jeder Windrichtung fast stets thalabwärts oder thalaufwärts, so
daſs die bewaldeten Hänge unter allen Umständen von der schwefligen Säure getroffen
werden. Die am Nordrande des Harzes liegenden drei Hütten, die zu Ocker, die
Juliushütte bei Astfeld am Ausgang des Granethales und die Sophienhütte bei
Langeisheim, welche die Erze des Rammeisberges bei Goslar verarbeiten, schicken noch
mehr Schwefligsäure in die Luft als die Oberharzer Hütten; der Rauch wird aber meist
nordwärts weggeführt und kommt daher bei den hier zu besprechenden Beschädigungen
weniger in Betracht.
Auf einer mehrwöchentlichen Reise im Herbst 1878 mit dem Oberförster Reuſs wurde nun einerseits eine Karte der
Hüttenrauchschäden entworfen, anderentheils wurden 150 Proben Fichtennadeln zur
chemischen Untersuchung gesammelt. Nach diesen Untersuchungen findet sich um jede
Hütte ein Blöſsengebiet, welches völlig verödet ist, oder nur wenige absterbende
Bäume trägt, am gröſsten bei Clausthal, am kleinsten bei Altenau. An die Blöſsen
schlieſsen sich die stärksten Bestandesbeschädigungen an, für welche die durch den
Rauch veranlaſste Unterbrechung des Bestandesschlusses charakteristisch ist. Einige
Bäume sind eingegangen oder haben den gröſsten Theil ihrer Benadelung verloren, die
Nadeln sind häufig intensiv rothspitzig, stark miſsfarbig, die Rinde der Aeste
schwarz und abblätternd. Die folgenden Beschädigungsgrade zeigen sich dem Auge
ebenfalls in der krankhaften Färbung der Nadeln als unzweifelhafte Rauchwirkungen;
doch ist hier der Beschluſs der Bestände noch nicht unterbrochen. Es folgt dann ein
Gebiet mit ganz schwachen und theilweise fraglichen Schäden, welches allmählich in
das unzweifelhaft unbeschädigte übergeht. Das Gebiet der Rauchschäden wird
wesentlich bestimmt durch die Lage der beiden Thäler. Nur in der Umgebung der
Clausthaler Hütten breitet sich der Rauch weiter aus über die Kuppen des
Einersberges und Eichelnberges, sonst bewegt sich derselbe nur thalabwärts und
thalaufwärts.
Durch die Untersuchung der Fichtennadelproben ergaben sich überall in gröſserer Nähe
der Hütten die höchsten Schwefelsäuregehalte, so bei Lautenthal 1,041 Proc. und bei
der Clausthaler Hütte 1,332 und 0,925 Proc., die kleinsten Gehalte an den nicht von
Rauch berührten Punkten. Es gelingt um jede der drei Hütten herum alle Zahlen, die
0,5 Proc. Schwefelsäure und darüber betragen, zusammenzufassen; die Linie, welche
auf der entworfenen Karte diese Zahlen eingrenzt, umschlieſst das vom Rauch am
stärksten berührte Gebiet, mit einem mittleren Schwefelsäuregehalt der Nadeln von
0,691 Proc. Kein einziger der hierher fallenden 45 Probepunkte ergibt weniger als
0,5 Proc., und es findet sich, worauf ganz besonders hinzuweisen ist, auſserhalb
dieser Region nicht eine einzige Stelle, an welcher der Schwefelsäuregehalt der
Fichtennadeln die Zahl 0,5 Proc. erreichte, trotzdem daſs auſserdem noch etwa 100
Punkte untersucht wurden. Der Schwefelsäuregehalt des zweiten Gebietes schwankt
zwischen 0,3 bis 0,5 Proc. und fand sich auſserhalb desselben kein Punkt, wo die
Schwefelsäure bis auf 0,3 Proc. stieg. Der mittlere Schwefelsäuregehalt der nächsten
Zone betrug 0,25 Proc.,
während kleinere Gehalte als 0,21 Proc. nur an Punkten gefunden wurden, welche von
vorn herein als vom Rauch verschont erkannt waren, so daſs deren mittlerer
Schwefelsäuregehalt von 0,162 Proc. als normale Menge für die Fichtennadeln des
Oberharzes angesehen werden muſs. Folgende Tabelle gibt die mittleren Resultate für
die einzelnen Gegenden:
ZahlderPunkte
SO3
Roh-asche
SO3,Asche= 100
% der Trocken-susbtanz
Nächste Nähe der Hütten0,500 Proc. und
drüber
ClausthalLautenthalAltenauUnterharz
25 8 9 3
0,6900,6950,7060,647
3,814,364,264,57
18,1115,9416,5814,16
––––
––––
––––
–––––
Mittel
45
0,691
4,05
17,06
––––
––––
––––
–––––
0,300 bis 0,500 Proc.
Clausthal u. LautenthalAltenauUnterharz
15 810
0,3810,4180,389
3,333,554,31
11,4411,779,23
––––
––––
––––
–––––
Mittel
33
0,392
3,68
10,65
––––
––––
––––
–––––
0,210 bis 0,300 Proc.
Clausthal u. LautenthalAltenauUnterharz
14 8 6
0,2650,2370,230
3,162,993,84
8,397,925,99
––––
––––
––––
–––––
Mittel
28
0,250
3,26
7,67
––––
––––
––––
–––––
Unter 0,210 Proc.
Mittel für d. gesammtevom Rauche
unberührteGebiet
41
0,162
2,96
5,47
Wenngleich die Resultate der Untersuchung des Waldbestandes durch den Augenschein und
der chemischen Analyse der Nadeln übereinstimmen, so fand man doch auch, namentlich
in den schwächer betroffenen Zonen, neben kranken Beständen auch noch völlig
gesunde, trotzdem die Nadeln abnorme Schwefelsäuregehalte zeigten. Bei gleicher
Menge des giftigen Gases treten die schädlichen Folgen nicht bei allen Pflanzen
gleich rasch hervor. Die chemische Analyse kann demnach wohl das Gebiet bestimmen,
in welchem die Rauchschäden überhaupt vorkommen, nicht aber den augenblicklichen
Thatbestand des verursachten Schadens seiner Flächenausdehnung nach feststellen.
Letzteres muſs immer geschehen auf Grund einer Beurtheilung nach den äuſserlich
sichtbaren Verletzungen; die Grenze, innerhalb welcher eine solche Untersuchung
vorzunehmen ist, wird aber durch die chemische Analyse sicher gegeben.
Nach erfolgter Feststellung eines durch Rauch verursachten Schadens hegt es dem
Sachverständigen ob, die Gröſse dieses Schadens, d.h. den Ausfall der Production an
Feldfrüchten oder Holz näher zu bestimmen. Dies ist gewiſs der schwierigste Theil
eines Gutachtens und man wird dabei zunächst wohl immer auf Schätzungen angewiesen
sein. Bei Waldschäden hat man es versucht, auf Grund forstmathematischer
Berechnungen aus der Zuwachsgröſse der erkrankten Bäume die verminderte Holzproduction
genauer zu bestimmen. Wie sehr aber der Zuwachs selbst unter normalen Verhältnissen
schwankt, zeigten zwei von Schröder vorgelegte
Scheiben, die zweien Modellstämmen 60jähriger Fichtenbestände erster und dritter
Bonität entnommen sind und beide von Glimmerschieferboden herstammen. Der
Durchmesser beider Scheiben verhält sich wie 3 zu 2, und obgleich die betreffenden
Bestände beide völlig gesund sind, haben wir im ersteren Falle einen Zuwachs von
14,8 Festmeter für 1ha, im letzteren Falle nur 8,5
Festmeter.
(Schluſs folgt.)