Titel: | Das Photophon von Alexander Graham Bell. |
Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 409 |
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Das Photophon von Alexander Graham
Bell.
A. G. Bell's Photophon.
Am 27. August 1880 hat Prof. Alexander Graham Bell in
der zu Boston abgehaltenen Sitzung der American Association
for the Advancement of Science einen Vortrag gehalten über die Ergebnisse
seiner und seines Freundes Sumner Tainter Bemühungen
zur Verwendung des Selens in der Telegraphie oder richtiger in der Telephonie. Wir
lassen den wesentlichen Inhalt dieses Vortrages nach dem Journal of the Franklin Institute, 1880 Bd. 110 S. 237 folgen.
Es war schon längst bekannt, daſs geschmolzenes und rasch
abgekühltes Selen ein Nichtleiter des elektrischen Stromes ist; dabei erscheint es
gläsern, dunkelbraun von Farbe und glänzend. Wird es nach dem Schmelzen sehr langsam
abgekühlt, so hat es ein matt bleifarbiges, metallisches Aussehen und körnige oder
krystallinische Structur; dabei ist es ganz undurchsichtig und leitet, wie Hittorf entdeckte, bei gewöhnlicher Temperatur den
elektrischen Strom; der Widerstand gegen den Durchgang des Stromes nimmt stetig mit
dem Erwärmen bis zum Schmelzpunkte hin ab und nimmt plötzlich beim Uebergange aus
dem festen in den flüssigen Zustand zu. Dem Sonnenlichte ausgesetzt, geht das Selen
rasch von einem Zustande in den andern über.
Willoughby Smith versuchte, das Selen
in der Telegraphie als einen Körper von sehr hohem Widerstände zu benutzen, und fand
dabei, daſs sein Widerstand sehr veränderlich war (vgl. 1873 207 512). Smith's Assistent, May, entdeckte, daſs es einen geringem Widerstand
besitzt, wenn es dem Lichte ausgesetzt wird, und durch Versuche wurde festgestellt,
daſs dies nicht eine Folge der Wärme sei (vgl. Sabine
1878 229 298). Adams fand
das Selen empfindlich gegen die kalten Mondstrahlen und Werner Siemens stellte fest (vgl. 1875 217 61.
1876 222 500), daſs in besonders empfindlichen
Selensorten Licht und Wärme entgegengesetzt wirken. Bei den Siemens'schen
Selenstücken war der Widerstand während der Beleuchtung manchmal nur 1/5 von dem im
Dunkeln.
Anstatt nun, wie Andere, ein Galvanometer bei den Versuchen mit
Selen zu benutzen, nahm Bell dazu das so empfindliche
Telephon. Die Erscheinungen werden aber im Telephon hörbar nach ganz ähnlichen
Gesetzen, wie sie bei der elektrischen Induction gelten. Das Telephon kann blos den
beim Selen eintretenden Wechsel von Licht zu Dunkelheit und umgekehrt anzeigen. Eine
rasche Folge solcher Wechsel muſs daher im Selen eine gleiche Folge von Aenderungen
des Leitungsvermögens nach sich ziehen, und es empfahl sich die Zahl solcher Wechsel
in der Zeiteinheit der Zahl der Schwingungen hörbarer musikalischer Töne anzupassen.
Bell hatte nämlich oft beobachtet, daſs elektrische
Ströme, welche so schwach sind, daſs sie bei einfacher Unterbrechung oder Schliessung
des Stromkreises im Telephon keinen hörbaren Laut entstehen lassen, bei einer
raschen Folge von Unterbrechungen sehr deutlich wahrnehmbare Töne entstehen lieſsen
und daſs die Wirkung um so hörbarer war, je höher der Ton war.
Bell ging nun darauf aus, mittels
eines Bündels paralleler Lichtstrahlen zu telephoniren.Darauf, daſs sich die in Rede stehende Eigenschaft des Selens zum
elektrischen Telegraphiren werde verwerthen lassen, ist schon einige Jahre
früher hingewiesen worden, als das Telephon für ähnliche Zwecke zur
Verfügung stand. In ähnlicher Weise hat ja auch Steinheil schon i. J. 1838 daran gedacht, mittels passender
Hohlspiegel Wärmestrahlen vom Absendungsorte nach dem Empfangsorte zu werfen
und daselbst auf Thermosäulen wirken zu lassen, um in Thermo-Multiplicatoren
telegraphische Zeichen hervorzubringen.D. Ref. Dazu muſste ein Apparat hergestellt
werden, welcher durch die Stimme eines Sprechenden so in Thätigkeit versetzt wurde,
daſs er in dem parallelen Lichtbündel Aenderungen hervorbrachte, welche den durch
die Stimme hervorgebrachten Aenderungen in der Luft entsprechen. Er versuchte die
Anwendung zweier Scheiben, die in gleicher Weise mit sehr zahlreichen beliebig
gestalteten, am liebsten schlitzförmigen, kleinen Oeffnungen versehen waren; die
eine Scheibe sollte feststehen, die andere an dem von der Stimme bewegten Diaphragma
in dessen Mitte befestigt werden, so daſs die Schwingungen des Diaphragmas sie
nöthigten, über der Oberfläche der fest stehenden Platte hin und her zu gleiten und
dabei die Oeffnungen abwechselnd zu vergröſsern und zu verkleinern, also die von dem
parallelen Lichtbündel durch die Oeffnungen hindurchgehende Lichtmenge zu ändern,
ohne die Oeffnungen ganz zu verschlieſsen. In der Empfangsstation sollte das so
beeinfluſste Lichtbündel durch Linsen u.s.w. auf ein empfindliches Selenstück
concentrirt werden, das mit einem Telephon in den Schlieſsungskreis einer
galvanischen Batterie gelegt war und durch die vom Lichte bewirkten Wechsel in
seinem elektrischen Widerstände im Telephon die gesprochenen Töne und Wörter wieder
erzeugen sollte.Durch Umkehrung der Anordnung könnte man zu einem „elektrischen Sehen“
oder „telegraphischen Sehen“ gelangen. Man könnte nämlich in der
gebenden Station das Selen beleuchten, von ihm aus einen Stromkreis nach der
empfangenden Station führen und in dieser die durch die Beleuchtung des
Selens veranlaſste Stromstärkenänderung entweder auf chemisch zugerichtetes
Papier oder durch Glühendmachen von Platin- oder Kohlenspitzen wahrnehmbar
machen. Bell hat im Sommer dieses Jahres eine
Beschreibung davon im Franklin Institute
niedergelegt und im Scientific American, 1880
Bd. 42 * S. 355 sind zwei von G. R. Carey
herrührende, den Vorgängen bei den Copirtelegraphen nachgebildete Vorschläge
abgedruckt, nach denen ein gröſseres Bild telegraphisch sichtbar gemacht
werden könnte. Verwandte Gedanken hatten Perry
und Ayrton schon einige Jahre früher gehabt
(vgl. Journal of the Telegraph, Bd. 13 S. 162
und 178).D. Ref.
Das zunächst verwendete Selen besaſs aber im Vergleich mit dem
Telephon einen so groſsen Widerstand, daſs hörbare Wirkungen vom Lichte nicht zu
erzielen waren. Bell war aber so überzeugt, daſs es
durch Verminderung des Widerstandes des Selens und zweckmäſsig eingerichtete
Telephone gelingen würde, daſs er am 17. Mai 1878 in dem Royal Institute of Great Britain schon von der Möglichkeit sprach, mittels
des Lichtes „einen Schatten hörbar zu machen“. Einige Tage später theilte W. Smith in der Society of
Telegraph Engineers mit, daſs er im Telephon das Auftreffen eines
Lichtstrahles auf einen Stab aus krystallinischem Selen gehört habe.
Im Gegensatze zu einem blos unterbrochenen (intermittent) Lichtstrahle hält Bell einen
„undulatorischen“ zum Wiedergeben der Rede für erforderlich, d.h. einen
solchen, welcher zwar den Selen-Empfänger beständig bestrahlt, in welchem jedoch die
Lichtmenge oder Lichtstärke eben so raschen Wechseln unterworfen ist, als bei der
Fortpflanzung eines Lautes von bestimmter Beschaffenheit durch die Luft Wechsel in
der schwingenden Bewegung der Lufttheilchen eintreten. Bell läſst es unentschieden, ob „J. F.
W.“ in Kent und Sargent in Philadelphia
dies richtig erfaſst habe; er bezeichnet es aber als zweifellos, daſs David Brown in London es bestimmt und selbstständig
ausgesprochen, sowie – wenn auch nur rohe – Apparate zur Durchführung dieses Gedankens angegeben
habe.In einer nicht gedruckten Arbeit, welche Brown
im October 1878 Bell vertraulich vorlegte (vgl.
Comptes rendus, 1880 Bd. 91 S.
654.)
S. Tainter aus Watertown, Mass., dagegen habe mit
Erfolg die Aufgabe der Erzeugung und Wiedererzeugung von Tönen durch das Licht
gelöst.
Zuerst stellten Bell und Tainter empfindliche Selenstücke her, welche (nicht 250000 Einheiten,
sondern) nur 300 Einheiten Widerstand im Dunkeln und nur 155 im Lichte hatten. Als
Zuleiter des Stromes war früher wohl ausschlieſslich Platin, von E. W. Siemens auch Eisen und Kupfer benutzt worden; Bell und Tainter
entdeckten, daſs Messing, obwohl es chemisch auf das Selen wirkt, ein dazu sich
vorzüglich eignendes Material sei; ja sie glauben, daſs gerade die chemische Wirkung
zwischen Messing und Selen es ermöglicht habe, den Widerstand in dem Selenpräparate
so herabzudrücken, während bei Verwendung anderer Metalle ein beträchtlicher
Uebergangswiderstand an den Berührungsstellen auftrete. Die Herstellungsweise ist
folgende: Das Präparat wird erhitzt, und wenn es heiſs genug ist, so wird ein
Stäbchen Selen auf seine Oberfläche geriebenAus der Revue industrielle, 1880 * S. 422 geht
hervor, daſs die Präparate, welche im Brennpunkte eines parabolischen
Spiegels aufgestellt zu werden bestimmt sind, eine groſse Anzahl von dünnen
Selenringen enthalten. Zu ihrer Herstellung werden eine Reihe von
kreisförmigen Messing- und Glimmerscheiben abwechselnd dicht an einander
gelegt; da die Glimmerscheiben etwas kleinere Durchmesser haben als die
Messingscheiben, so bleibt an ihrem Rande ein schmaler ringförmiger leerer
Raum, welcher nun in der oben erwähnten Weise mit Selen ausgefüllt wird.
Jeder Selenring ist danach in Berührung mit den beiden benachbarten
Messingscheiben. Alle Messingscheiben gerader Zahl sind weiter unter sich
und mit dem einen Stromzuleiter verbunden; ebenso alle Messingscheiben
ungerader Zahl unter sich und mit dem zweiten Stromzuleiter; die Selenringe
sind also parallel geschaltet und bieten dem Strome wenig Widerstand,
während sie der Bestrahlung eine groſse Fläche darbieten, wenn der aus ihnen
gebildete cylindrische Körper mit seiner Achse in die Achse des Spiegels und
in dessen Brennpunkt gelegt wird. Bei diesem cylindrischen Körper füllte das
Selen 0,60 der ganzen Cylinderfläche aus und besaſs im Lichte 600, im
Dunkeln 1200 Einheiten Widerstand.Auſserdem haben Bell und Tainter einen flachen Selenkörper für einen cylindrischen
Lichtstrahl in folgender Weise hergestellt: Sie nehmen zwei kupferne Teller,
von denen einer eine groſsere Anzahl aus ihm vorstehender Zapfen besitzt,
welche beim Verschrauben der Teller in entsprechende kreisende Löcher des
anderen Tellers eintreten, sie aber nicht ganz ausfüllen. Die unter
Zwischenlegen eines Isolirmittels mit einander verschraubten Teller werden
nun – mit dem letztgenannten Teller nach unten – auf eine Glas-Platte
gelegt, worauf sich eine dünne Lage geschmolzenes Selen befindet, damit
dieses in die gebliebenen ringförmigen Zwischenräume eintritt und einen
Stromweg von einem Teller zum anderen herstellt. Durch entsprechende
Aushöhlung des zweiten Tellers ist dafür gesorgt, daſs die Dicke der
Selenringe gegen den ersteren Teller hin zunimmt, damit der Strom an der
freien Ober-Wache des zweiten Tellers den geringsten Widerstand findet.
Dieser Selenkörper nahm 0,11 der ganzen Scheibenoberfläche ein und besaſs im
Lichte 155, im Dunkeln 300 Einheiten Widerstand.; um
Leitungsvermögen und Empfindlichkeit zu erlangen, muſs das Selen dann noch einem
Ausglühprocesse unterworfen werden. Bell und Tainter erhitzen das Selen über einem Gasofen, bis
seine glänzende Oberfläche sich verdunkelt und sich über dieselbe Wolken verbreiten,
wie wenn ein Spiegel angehaucht wird; diese Erscheinung nimmt allmählich zu und bald
sieht man die ganze Fläche in einem metallisch körnigen oder krystallinischen
Zustande; dann muſs das Präparat vom Ofen weggenommen und passend abgekühlt werden.
Wird das Erhitzen zu weit getrieben, so schmilzt das krystallinische Selen. Die
besten Erfolge erzielten sie, indem sie das Erhitzen bis zu dem Augenblicke
fortsetzten, wo Zeichen vom Schmelzen auftreten. Die bereits geschmolzenen Theile
krystallisiren sofort wieder, und das Selen erweist sich nach der Abkühlung als
Leiter der Elektricität und empfindlich gegen Licht. Das ganze Verfahren dauert nur
wenige Minuten. Langes Erhitzen und Schmelzen, sowie langsames Abkühlen sind also
gar nicht nöthig; ja die dabei erlangten Selenkrystalle haben sogar ein anderes
Aussehen und zeigen bestimmte Facetten.
Bei der Durchführung des Gedankens könnte man polarisirtes Licht nehmen und in der
von Faraday und Kerr
entdeckten Weise elektrisch oder magnetisch auf dasselbe einwirken; man brauchte es
nicht durch eine Flüssigkeit hindurch gehen zu lassen, sondern könnte es vom
polirten Pole eines Elektromagnetes reflectiren lassen. Man könnte den Lichtstrahl
aber auch durch Linsen mit veränderlicher Brennweite hindurchgehen lassen. Am besten
und einfachsten aber nimmt man einen Planspiegel aus biegsamem Material – z.B.
versilberten Glimmer oder Glas für mikroskopische Zwecke –, läſst die Stimme des
Sprechenden auf den Rücken des Spiegels auffallen und dadurch das vom Spiegel
zurückgeworfene Licht in Schwingungen versetzen, welche mit jenen des Diaphragmas
selbst übereinstimmen.
Will man die Laute in einiger Entfernung wieder hervorbringen, so kann man eine
kräftige Lichtquelle benutzen. Bell und Tainter experimentirten besonders mit Sonnenlicht,
concentrirten dasselbe durch Linsen auf dem Diaphragmaspiegel, machten es nach der
Reflection durch andere Linsen wieder parallel und fingen es an der Empfangsstelle
in einem parabolischen Spiegel auf, in dessen Brennpunkte das Selen aufgestellt war;
dieses war in einem Schlieſsungskreise mit einem Telephon und einer galvanischen
Batterie. So experimentirten sie viel zwischen zwei 213m von einander entfernten Häusern in Washington. Sie fanden aber die
Wiedergabe der Rede auch möglich beim Knallgaslicht und selbst beim Licht einer
Kerosinlampe. Die lautesten Wirkungen erhielten sie bei raschen Unterbrechungen des
Lichtstrahles mittels einer durchlöcherten Scheibe, welche lautlos rotirt und dabei
musikalische Töne im Empfänger entstehen läſst, während im Sender kein Ton erzeugt
wird. Will man aber Wirkungen aus der Ferne hervorbringen, so stellt man neben der
rotirenden Scheibe einen undurchsichtigen SchirmAm Ende des längeren Armes eines zweiarmigen Hebels; beim Niederdrücken des
kürzeren Hebelarmes tritt der Schirm vor die Löcher der Scheibe.
auf und kann dann bei leichter Bewegung desselben mittels der Hand musikalische, den
Morse-Strichen und Punkten entsprechende Zeichen in der Ferne hervorbringen.
Um die Natur der auf das Selen wirkenden Strahlen festzustellen, wurden verschiedene
absorbirende Stoffe in den Weg des intermittirenden Lichtstrahles gestellt und dabei
zeigte sich u.a., daſs nicht einmal eine undurchsichtige Platte von Hartgummi die
hörbare Wirkung vollständig zu unterdrücken im Stande war; wohl aber konnte der dann
noch hörbare musikalische Ton dadurch nach Belieben unterbrochen werden, daſs man
die Hand in den Weg des unsichtbaren Strahles brachte. Weil indessen die
Erscheinungen auch durch Strahlen hervorgebracht werden, welche in einem
gewöhnlichen Lichtstrahle enthalten sind, wurde der Apparat „Photophon“
genannt.
Wie ferner im Eisen dem Ohre vernehmbare Molecularwirkungen durch die magnetisirende
Wirkung eines in rascher Folge unterbrochenen elektrischen Stromes hervorgebracht
werden können, so könnte auch der intermittirende Lichtstrahl im Selen ähnliche
hörbare Molecularwirkungen hervorbringen. Darauf hinzielende Versuche mit dem Selen
gaben keine Entscheidung; wohl aber erzeugte der intermittirende Strahl, wenn er
durch Linsen auf eine Hartgummischeibe geworfen wurde, in dieser unmittelbar einen
deutlich wahrnehmbaren musikalischen Ton, besonders wenn die Hartgummischeibe in
Diaphragmaform verwendet wurde. Auch krystallinisches Selen als dünne Scheibe gab
einen ähnlichen, jedoch schwächeren Ton. Auch Gold, Silber, Platin, Eisen, Stahl,
Messing, Kupfer, Zink, Blei, Antimon, Neusilber, Jenkins-Metall, Babbitts-Metall,
Elfenbein, Celluloid, Gutta-percha, weicher vulkanisirter Kautschuk, Papier,
Pergament, Holz, Glimmer und versilbertes Glas lieſsen Töne hören, nur Kohle und
dünnes Glas nicht. Am deutlichsten war die Wirkung bei Hartgummi und Antimon, am
schwächsten dagegen bei Papier und Glimmer.