Titel: | Neuerungen an mechanischen Webstühlen. |
Autor: | A. L. |
Fundstelle: | Band 238, Jahrgang 1880, S. 469 |
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Neuerungen an mechanischen
Webstühlen.
Mit Abbildungen auf Tafel 34.
Neuerungen an mechanischen Webstühlen.
Die Garnbaumbremse von Brigg und Sohn in Bradford (Textile Manufacturer, 1879 S. 100) zeichnet sich durch eine recht
geschickte Anordnung
aus. Die Enden des hölzernen Garnbaumes sind mit guſseisernen, genau abgedrehten
Bremsscheiben versehen und diese bilden zugleich die Drehzapfen. Jede Bremsscheibe
d ruht, wie Fig. 7 und
8 Taf. 34 zeigen, in einer mit besonderem Tuche (friction cloth) gefütterten Schale b1, während sich oben ein ebenfalls gefütterter
Bremsklotz c auflegt. Die Schale b1 ist an dem um den
Bolzen f drehbaren Hebel b
angebracht, welcher durch die Federn r1 und r2 elastisch unterstützt wird. Auf den oberen Schalen
c ruhen Hebel o,
welche durch die Stangen l mit den Winkelhebeln m in Verbindung stehen. In den rechtsseitigen Hebel m ist die Stange der Feder s unmittelbar eingehängt; dagegen ist auf der linken Seite zwischen m und die Federstange noch der Hebel p, welcher der Zeichnung nach mit m durch den Haken n
verbunden ist, eingeschaltet. Die Bremse tritt nach erfolgter Spannung der Feder s durch die Flügelmutter s1 in Thätigkeit. Soll dieselbe, z.B.
behufs Rückdrehung des Garnbaumes, ausgesetzt werden, so ist nur der Haken n auszulösen und der Hebel p herunter zu schlagen. Man erkennt, daſs hierzu wie auch zur
Wiederherstellung der Bremsung nur sehr geringe Zeit und auch in Folge der Anordnung
geringe Kraft gehört.
Da mit abnehmendem Garnbaumdurchmesser die Bremsung geringer werden muſs, so ist hier
von Zeit zu Zeit die Flügelmutter s1 etwas nachzulassen, was rascher und leichter zu
vollziehen ist, als das Verhängen der Gewichte bei den gewöhnlichen Seil- und
Kettenbremsen.
Noch zwei weitere Vorzüge werden dieser Anordnung zugeschrieben: Die Bremsung, also
auch die Spannung der Kette, soll innerhalb weiter Grenzen veränderlich sein; die
Zunahme der Kettenspannung bei dem Oeffnen des Faches soll bis zu einem gewissen
Grade ausgeglichen werden dadurch, daſs der um den Bolzen f drehbare Garnbaum bei der Fachbildung etwas hineinschwingen kann. Wie
weit letzteres wirklich erreicht wird, entzieht sich der Beurtheilung; es sei aber
darauf aufmerksam gemacht, daſs die in Bewegung zu setzende Masse hier recht groſs
ist.
Positiver Aufwinderegulator von Th. Sagar. Die Skizze Fig. 9 Taf.
34 zeigt die gewöhnliche Anordnung des Räderwerkes eines positiven
Aufwinderegulators. Die Buchstaben z1 bis z5 geben zugleich die Zähnezahlen an. Bezeichnet man
mit h die Anzahl Schuſsfäden auf 1cm Länge des Gewebes, so folgt, wenn von der
Contraction des Gewebes nach dem Ablaufen vom Sandbaum abgesehen wird:
k=\frac{z_1\,z_3\,z_5}{z_2\,\pi\,d}\times\frac{1}{z_4} wobei
d in Centimeter einzusetzen ist. z4 ist das Wechselrad.
Da nun z4 immer eine
ganze Zahl sein muſs, so erscheint k in den meisten
Fällen als gemischter Bruch. Dem Fabrikanten wird hingegen k fast immer als ganze Zahl gegeben; er kommt also in die unangenehme Lage, entweder ein
Gewebe von etwas gröſserer Schuſsdichte liefern und damit mehr Material aufwenden zu
müssen als nothwendig, oder die ihm gestellte Bedingung nicht voll zu erfüllen,
indem er eine geringere Schuſsdichte wählt.
Th. Sagar, Maschinenfabrikant in Burnley (England)
nimmt, um diesen Uebelständen zu entgehen, nicht den kleinen Trieb z4 als Wechsel, sondern
das groſse Rad z3. Die
Gleichung wird umgewandelt in die Form:
z_3=\left(\frac{z_2\,z_4\,\pi\,d}{z_1\,z_5}\right)k. Wählt
man jetzt z2, z4
πd, z1 und z5 so, daſs der
Klammerinhalt eine ganze Zahl ist, so läſst sich für jedes ganze k das richtige Uebersetzungsverhältniſs herstellen.
Als Beispiel diene Folgendes: Es sei bei der älteren Anordnung
(mit z4
als Wechselrad): z1 = 50, z2 = 15, z3 = 120, z5 = 75 und πd = 40, so
ergibt sich für:
z
4
= 15
k
= 50,00
z
4
= 21
k
= 35,71
= 16
= 46,87
= 22
= 34,09
= 17
= 44,11
= 23
= 32,60
= 18
= 41,66
= 24
= 31,25
= 19
= 39,47
= 25
= 30,00.
= 20
= 37,50
Wählt man z3 als Wechselrad und z_2=18,\ z_4=15,\
z_1=60,\ z_5=90 und \pi d=40, so ist:
Z_3=\frac{18\times15\times40}{60\times90}\,k=2\,k. Mithin ist
z3 für jede ganze
Zahl k eine gerade Zahl.
Die Sagar'sche Anordnung verdient hiernach entschieden
den Vorzug; sie erfordert allerdings groſse Wechselräder, während bei der älteren
Ausführung nur kleine Wechselräder nothwendig waren. (Nach dem Textile Manufacturer, 1880 S. 366.)
Die doppelt hebende Schaftmaschine
von Bywater und Bedford in Birstal bei Leeds weicht
nach zwei Richtungen hin von der gewöhnlichen Ausführung ab. Die Messer führen für
jeden Schuſs nur eine Bewegung aus; sie gehen abwechselnd auf oder nieder, aber nicht für jeden Schuſs auf
und nieder. Die Platine erhält bereits vor dem Fachschluſs den Antrieb zur
Einnahme der für den nächsten Schuſs erforderlichen Stellung, durch welche Auf- oder
Niedergang des zugehörigen Schaftes bedingt wird. Der Stellungswechsel erfolgt
jedoch erst in dem Augenblicke, in welchem sich das Fach schlieſst. Die Erfinder
glauben durch diese Anordnung dem Stuhle eine gröſsere Geschwindigkeit geben und das
Justiren der Bewegungen erleichtern zu können; letzteres ist unzweifelhaft der Fall.
Bei dieser Schaftmaschine ist es nicht mehr erforderlich, daſs im Augenblick des
Fachschlusses das Kartenprisma vorschlägt, um die Umsteuerung der Platinen zu
bewirken; es muſs im Gegentheil der Schlag des Prismas bereits ausgeführt sein; der
Schlag kann aber ohne Schaden für den Gang etwas früher oder später erfolgen, wenn
er nur vor Fachschluſs gefallen. Die gröſsere Geschwindigkeit des Stuhles soll durch
die Verkürzung der
Pausen bei der Umsteuerung der Platinen ermöglicht werden.
Die Schaftmaschine ist nach dem Textile Manufacturer,
1880 S. 368 in Fig. 10
Taf. 34 skizzirt. Es bezeichnet a eine Platine, b, b1 die Messer. Beide
laufen Schuſs um Schuſs in entgegengesetzter Richtung; das eine geht auf, das andere
nieder. Für jede Platine sind zwei Nadeln c und c1 vorhanden, von denen
jedoch nur die untere (c) durch die Musterkarte
eingestellt wird. Drängt ein Stift der Karte die Nadel c zurück, so kommt die Feder d1 der oberen Nadel in Thätigkeit und sucht die
Platine nach rechts zu legen. Diese kann erst dann folgen, wenn die beiden Messer
einander gegenüber stehen. Der Zeichnung nach wird dieser Zeitpunkt sogleich
eintreten; dann hebt das Messer b1 für den nächsten Schuſs die Platine ebenfalls.
Wäre die Nadel c nicht zurückgedrängt worden, so würde
die Platine unter der Wirkung der Feder d die
gezeichnete Stellung behalten und das niedergehende Messer b den zu a gehörenden Schaft aus dem
Unterfach ins Oberfach ziehen. Da die Platinen bereits zur Umsteuerung angetrieben
werden, bevor die Messer einander gegenüber stehen, so ist es denkbar, daſs zur
Ausführung der Umsteuerung nur sehr kurze Zeit erforderlich ist und die Schuſszahl
dadurch vergröſsert werden kann.
Poole's Schaftmaschine
macht Ober- und Unterfach ohne Anwendung von Federn und ist deshalb vorzüglich
geeignet für Herstellung schwerer Stoffe. Fig. 11
Taf. 34 gibt eine schematische Darstellung derselben. Zur Bewegung jedes Schaftes
dient eine horizontal geführte Schiene a mit
angehängter Platine b. Jede Platine ist unterstützt
durch eine Nadel c, deren Stellung durch die
Musterkarte bestimmt wird. Die gezeichnete Platine ist durch ihre Nadel gehoben
worden, wodurch das obere Messer m1 in die durch eine an der Schiene a sitzende Nase d1 und den Platinenhaken e1 gebildete Kammer gekommen ist Bewegt
sich das Messer m1,
veranlagst durch Niedergang der an eine Kurbel angeschlossenen Lenkstange f, nach rechts, so folgt die Platine und der Schieber
a und der Schaft geht ins Unterfach. Der zweite
Platinenhaken geht frei über dem sich nach links bewegenden Messer m2 hinweg. Wenn die Platine b nicht gehoben
wird, so zieht das untere Messer, da jetzt e2 und d2 die Kammer bilden, den Schaft ins Oberfach. Bei
dieser Schaftmaschine ziehen demnach beide Messer die Schäfte in die durch die
Musterkarte bestimmte Stellung; bei den meisten der bis jetzt üblichen
Constructionen zieht nur ein Messer z.B. ins Oberfach, während der Gang der Schäfte
ins Unterfach durch Federn bewirkt wird und die Stellung des zweiten Messers nur
dazu dient, die Endlage der niedergezogenen Schäfte anzugeben. Steht die Kette dicht
und ist die Spannung groſs, so müssen starke Federn angewendet werden. Trotzdem ist noch nicht
völlige Sicherheit der Einstellung geboten, da die Federn während des Betriebes
häufig matt werden.
Um bei dieser Maschine ein reines Fach zu erhalten, werden die beiden Messer so
bewegt, daſs sie an den hinteren Enden, also da, wo die höher oder tiefer zu
ziehenden Schäfte liegen, einen gröſseren Weg zurücklegen als vorn am ersten Schaft.
Dies ist auf folgende Weise erreicht: Auf den Wellen g1 und g2 sitzen hinten längere Arme i1 und i2 als vorn; die von denselben ausgehenden
Lenkstangen fassen die hinteren Enden der Messer. Bei geschlossener Kette stehen die
Messer parallel zu einander; sie erhalten bei dem Oeffnen des Faches eine zunehmende
Neigung gegen einander. (Nach dem Textüe Manufachtrer,
1880 S. 105.)
Kraftstuhl für schwere Seidenstoffe. In den Memoires de la Société des Ingenieurs Civils (Paris
1879) findet sich Zeichnung und Beschreibung des von Caspar
Honegger in Rüti, Schweiz, für Seiden-(Faille-) Webstühle construirten
Apparates zum freien Hindurch tragen des Schusses durch die Kette (vgl. 1878 229
215). Diese hoch interessante Vorrichtung bewirkt, da die Schütze nicht mehr mit der
Kette in Berührung kommt, eine wesentliche Schonung der letzteren; es tritt aber
auch eine geringere Beanspruchung des Schuſsfadens ein, weil die Schütze nicht mehr
durch das Fach geschleudert wird, wodurch der heftige Stoſs bei Beginn des Laufes
vermieden ist.
Die Schütze o (Fig. 12 und
13 Taf. 34) wird abwechselnd von den oberen horizontalen Schenkeln der
U-formigen Stücke A und A1 getragen.
Letztere erhalten durch die Schieber B und B1 genaue Führung
senkrecht zur Kette und Bewegung von der Kurbel H aus
durch die Theile G, F, E, E1, D, D1, G und C1. Sind die „Hände“
a, a1 in der innersten
Stellung angekommen, so geht die Schütze o, deren
Grundriſs Fig. 13
gibt, von a nach a1 oder umgekehrt. Dazu ist nöthig, daſs sich die die
Schütze festhaltende Zange der zuführenden Hand öffnet; die Zange der greifenden
Hand kommt selbstthätig zur Wirkung, wenn die Schütze eingeschoben wird. Der Schluſs
der Zangen wird beständig durch die Federn e und e1 bewirkt, das Oeffnen
durch Anschlagen der Hebel m oder m1 an die Arme f bezieh. f1, wenn sich die Hände einander am meisten genähert
haben. Die Einstellung der Arme f oder f1 erfolgt von einer
auf der Welle l aufgekeilten Curvenscheibe aus; die
Welle l läuft, da für jeden Schuſs nur einer der Arme
f, f1 einzustellen
ist, mit halber Geschwindigkeit der Welle H.
Referent sah den Stuhl auf der Pariser Ausstellung 1878 arbeiten und überzeugte sich
von dem ruhigen sicheren Gange. Die Frage nach der erreichbaren Geschwindigkeit
wurde dahin beantwortet, daſs der Stuhl mit den älteren Constructionen völlig
gleichen Schritt halten könne.
Kraftstuhl ohne Schützen. In Grothe's Polytechnischer Zeitung, 1880 S. 307
ist die Beschreibung eines interessanten amerikanischen Webstuhles gegeben, als
dessen Constructeur Dornan aufgeführt wird. Der Betrieb
des Webstuhles erfolgt ohne Schütze: Haken tragen den Schuſs durch das Fach in
ähnlicher Weise, wie bei dem vorstehend beschriebenen Webstuhl von Honegger die Schütze frei, d.h. ohne Berührung des
unteren Kettentheiles, durch das Fach befördert wird.
Die Fig. 14 Taf. 34 zeigt die Lade C mit dem
Rietblatt R im Grundriſs. Auf derselben erhalten zwei
Haken K und L, deren
Gestalt aus Fig. 15
näher hervorgeht, Führung. Beide Haken werden gleichzeitig gegen einander bewegt und
treffen sich in der Mitte der Kette. Der Haken K führt
von rechts her den Schuſsfaden 1 zu und übergibt ihn
dem Haken L, welcher denselben bei dem Auseinandergehen
von K und L durch das Fach
zieht. Wie die Zeichnung erkennen läſst liegen in jedem Fach
zwei Schuſsfaden 1 der Webstuhl ist also nur für eine beschränkte Zahl von
Geweben anwendbar. Der Vorrath an Schuſsfaden befindet sich zur Seite der Lade auf
einer Spule.
Farbenwechsel des Schusses ist auf folgende Weise ermöglicht. Die Schuſsfaden sind
durch die Augen der Heber u (Fig. 16)
gezogen und liegen, wenn nicht gebraucht flach auf der Ladenbahn. Der Heber des
einzutragenden Fadens wird durch die Jacquard- oder Schaftmaschine so weit gehoben,
daſs der Faden in Höhe des Hakens K kommt und von
letzterem bei der Bewegung nach der Stuhlmitte hin gefaſst wird. Es kann auf diese
Weise leicht ein viel gröſserer Schuſswechsel erreicht werden als mit Wechsellade,
da die Heber sehr wenig Raum beanspruchen.
A. L.