Titel: | Ueber Abscheidung des Eisens aus Rohsodalaugen; von Ferd. Hurter in Widnes (England). |
Autor: | Ferdinand Hurter |
Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 56 |
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Ueber Abscheidung des Eisens aus Rohsodalaugen;
von Ferd. Hurter in
Widnes (England).
Hurter, über Abscheidung des Eisens aus Rohsodalaugen.
Eine natürliche Folge der Concurrenz, welche die Ammoniaksoda der Leblanc-Soda
gemacht hat, ist das Bestreben, die Leblanc-Soda in jeder Beziehung der Ammoniaksoda
gleichwerthig zu machen. Die nach Leblanc's Proceſs dargestellte Soda ist gewöhnlich
von gelblicher Farbe, während die Ammoniaksoda rein weiſs ist. Neben einem hohen
Gehalt an Natron verlangen die Käufer jetzt auch eine weiſse Farbe der Soda.
Unter allen Verunreinigungen der Soda, welche in einem guten Muster höchstens 2 bis 3
Proc. ausmachen, steht das Eisenoxyd als färbende Substanz oben an. Unter Umständen
ist die Färbekraft des Eisens so groſs, daſs einige Tausendstel Procent dem Auge
direct wahrnehmbar sind; die gelbe Farbe wird erkannt, auch ohne eine weiſse
Substanz zum Vergleich anzuwenden. Je reiner eine Soda sonst ist, desto stärker
tritt die Farbe eines gleich groſsen Eisengehaltes auf. Eine gewöhnliche calcinirte
Soda, viel Kieselsäure enthaltend, kann bei 0,03 Proc. Eisen ebenso weiſs sein als
eine raffinirte Soda (refined alkali) mit nur 0,003
Proc. Eisen. Bei diesem Sachverhalt muſste natürlich die Aufmerksamkeit der
Techniker hauptsächlich auf das Eisen fallen und es hat denn auch an Arbeiten über
Entfernung von Eisensulfid und Ferrocyannatrium nicht gemangelt.Vgl. Lunge: Handbuch der Soda-Industrie, Bd. 2
S. 428.
Das Eisen kann in Sodalaugen in vier verschiedenen Formen auftreten, nämlich als
Eisensulfid, Eisencarbonat, Eisensäure und Ferrocyannatrium.
Das Eisensulfid wird nur dann in Lösungen von Natriumcarbonat vorkommen, wenn
dieselben Natriumsulfid enthalten. Das Eisensulfid setzt sich aus solchen Lösungen,
wie längst bekannt, bei längerem Stehen von selbst und zwar ganz vollständig ab. Das
Absetzen wird nicht beschleunigt durch Zusatz von Bicarbonat, wie irrig angenommen
wird, wohl aber durch Zusatz von dichtem Eisensulfid, welches die in Lösung,
wahrscheinlich nur in höchst feiner Vertheilung, enthaltene Menge von Eisensulfid
mit niederreiſst.
Als Eisencarbonat kommt das Eisen vor in Lösungen, welche entweder durch Oxydation
oder durch Entschweflung mittels eines Metalloxydes, z.B. Zinkoxyd, von
Schwefelnatrium befreit und nachher mit Kohlensäure behandelt worden sind. Eine
Bicarbonat enthaltende Lösung von kohlensaurem Natron löst Eisenoxyd in
beträchtlicher Menge. Die Lösung ist nicht wie diejenige des Eisensulfides gefärbt,
sondern vollständig farblos und setzt das Eisen auch nach langer Zeit nicht ab.
Zusatz von kaustischem Natron entfernt sofort und vollständig das Eisen aus einer
solchen Lösung.
Als Eisensäure kommt das Eisen bisweilen in geschmolzenem kaustischem Natron vor.
Dies ist aber nur bei fehlerhafter Arbeit möglich.
In Rohsodalaugen, wie sie aus der Laugerei kommen, kann nur Eisensulfid und
Ferrocyannatrium vorhanden sein. Weil das Eisensulfid sich mit der Zeit von selbst
abscheidet, so reducirt sich die Aufgabe, möglichst von Eisen freie Soda aus solchen
Laugen darzustellen, eigentlich auf die Zerstörung des Ferrocyannatriums. Die Anzahl
der zur Zersetzung oder Abscheidung dieses Salzes sich darbietenden Methoden ist sehr beschränkt und
man hat sich daher Mühe gegeben, die Entstehung von Cyannatrium in der Schmelze zu
verhindern (vgl. 1879 231 337. 232 529). Die Resultate aller Bemühungen, die Bildung
des Cyannatriums in der Schmelze (und damit diejenige von Ferrocyannatrium in der
Lauge) zu verhindern, sind aber nur mittelmäſsige geblieben und es hat sich das am
meisten verbreitete Verfahren, der Pechiney-Weldon-Proceſs, damit begnügen müssen,
das in den Laugen vorkommende Ferrocyannatrium auf 0,2 bis 0,3 Th. auf 100 Th.
Natron (Na2O) zu reduciren, und erreicht dies, wie
die von Jurisch veröffentlichten Analysen beweisen, nur
dadurch, daſs beträchtliche Mengen unzersetzten Sulfates in der Schmelze
bleiben.
Man ist deshalb genöthigt, wenn man aus Rohsodalaugen direct eisenfreie SodaDer Name eisenfreie Soda soll hier Soda bezeichnen, welche weniger als oder
höchstens 0,001 Proc. Eisen enthält. darstellen will, sich nach
Mitteln umzusehen, welche eine Zersetzung des Ferrocyannatriums in der Lauge selbst
gestatten. Ein in dieser Richtung gemachter Vorschlag ist derjenige von Williamson (Englisches Patent Nr. 3214 vom 6. December
1866)Vgl. Lunge: Handbuch der Soda-Industrie, Bd. 2
S. 429 und 430.. Hiernach soll man die Rohsodalauge direct, wie
sie von der Laugerei kommt, in einem gewöhnlichen Dampfkessel auf 155° erhitzen. Der
dabei stattfindende Druck wird zu 5at,5 angegeben.
Dies rührt wohl daher, daſs der Kessel mit Luft gefüllt ist; denn sonst würde einer
auf 155° erhitzten Sodalauga ein Druck von blos etwa 4at zukommen.
Nach den im Folgenden mitgetheilten Erfahrungen ist es ganz unglaublich, daſs bei
dieser Temperatur eine vollständige Zersetzung des Ferrocyannatriums stattfand. Ich
glaube im Gegentheil, daſs dieses Verfahren aufgegeben worden ist, weil der Zweck
nicht vollständig erreicht wurde. Nach Lunge's
Privatnachrichten soll die sich abscheidende Kruste und die Kostspieligkeit des
Verfahrens zum Verlassen desselben bewogen haben. Die sich bildende Kruste ist
allerdings eine Schwierigkeit. Auf die Frage Lunge's,
ob sich die Bildung der Kruste und die damit zusammenhängende Zerstörung des Kessels
nicht vermeiden lieſse, muſs ich antworten: ganz gewiſs läſst sie sich vermeiden,
wenn man die Ursache der Krustenbildung erkannt hat.
Ich versuchte zunächst, ob eine Rothlauge (Mutterlauge von Rohsoda), auf 155°
erhitzt, wirklich das Eisen des Ferrocyannatriums ausscheide. Ich fand, daſs dies
bei 180° der Fall ist, nicht aber bei 155°. Das Eisen schied sich als Schwefeleisen
aus. Eine weitere Untersuchung ergab, daſs sämmtliches vorhandene Ferrocyan in
Sulfocyan umgewandelt wurde. Es muſste also eine Schwefel Verbindung mitgewirkt
haben. Daſs diese Schwefelverbindung Natriumthiosulfat sei, lieſs sich voraussehen,
und die angestellten Versuche bewiesen, daſs nur das Natriumthiosulfat diese
Umwandlung in Rohsodalaugen bewirken kann. Erhitzt man Lösungen, welche Polysulfide des
Natriums enthalten, mit einem Ferrocyansalz, so bildet sich Sulfocyannatrium bei
Temperaturen, welche je nach dem angewendeten Polysulfide von 128 bis 140°
schwanken. Am leichtesten wirkt Natriumpentasulfid. In der Rohsodalauge ist man
jedoch gänzlich auf Natriumthiosulfat angewiesen.
Erhitzt man eine Lösung von Natriumthiosulfat mit Ferrocyankalium im geschlossenen
Rohr auf 180°, so findet eine eigenthümliche Zersetzung statt. Es scheidet sich ein
grünlich grauer Niederschlag ab, welcher die Zusammensetzung KFeCy3 hat. Der Rest, genau die Hälfte des Cyans, findet
sich als Sulfocyankalium in Lösung. Die Zersetzung findet nach folgender Gleichung
statt: K4FeCy6 +
3Na2S2O3 = KFeCy3 + 3KCyS +
3Na2SO3. Enthält
aber die Lösung kohlensaures Natron, so zersetzt sich das Ferrocyan vollständig,
indem das Eisen als Oxydul sich ausscheidet, nach folgender Gleichung: Na4FeCy6 + 6Na2S2O3 + 2Na2CO3 + H2O = 6NaCyS +
6Na2SO3 +
2NaHCO3 + FeO.
Ist zufällig auch Natriummonosulfid vorhanden, so scheidet sich das Eisen gar nicht
aus, sondern bleibt als Eisensulfid in Lösung, aus welcher es erst nach längerem
Stehen sich absetzt. Nach obiger Gleichung müſste man auf je 1 Mol. Ferrocyannatrium
mindestens 6 Mol. Natriumthiosulfat anwenden, um die vollständige Zersetzung eines
Molecüls Ferrocyannatrium zu bewirken. In der Praxis reichen jedoch 5 Molecüle aus –
ein Umstand, der mich anfänglich auf eine falsche Zersetzungsgleichung führte. Es
geht nämlich neben der eben beschriebenen Zersetzung des Ferrocyannatriums noch eine
andere vor sich, welche einen Theil desselben ohne Mitwirkung von Thiosulfat
verschwinden läſst. Es spaltet sich ein Theil des Cyans in Ammoniak und Ameisensäure
bezieh. ameisensaures Natrium, so daſs die Gleichung, welche die in den Laugen
vorgehende Reaction am genauesten (jedoch nicht unter allen Umständen) darstellt,
die folgende ist: Na4FeCy6 + 5Na2S2O3 + 2NaCO3 + 3H2O = 5NaCyS + 5Na2SO3 + NaCHO2 + NH3 + 2NaHCO3 + FeO.In einem später genauer zu beschreibenden Versuche ergab sich z.B., daſs aus
einer mit Ueberschuſs von Thiosulfat und Natriumcarbonat erhitzten Menge
Ferrocyannatrium sich gebildet hatten auf 1 Mol. Ferrocyannatrium:4,98Mol. Natriumsulfit,4,78Mol. Natriumsulfocyanid,0,97Mol. Ammoniak.
Diese Reaction bildet nun die Grundlage des von mir in Gemeinschaft mit E. Carey und H. Gaskell
ausgearbeiteten Verfahrens (* D. R. P. Kl. 75 Nr. 10572 vom 30. Januar 1880),
Rohsodalaugen von Ferrocyannatrium zu befreien. Das Verfahren selbst könnte ich nun
sofort systematisch so, wie es jetzt ausgeführt wird, beschreiben. Da jedoch dabei
auf manche Punkte vom Leser vielleicht nicht das gehörige Gewicht gelegt würde, so
ziehe ich vor, die Geschichte des ersten Versuchsapparates kurz zu geben.
Einer Temperatur von 180° entspricht ein absoluter Dampfdruck von
10at. Bedenkt man die zerstörende Wirkung,
welche Natriumsulfid auf die Nieten und Fugen eines gewöhnlichen Dampfkessels
ausübt, so wird man leicht die Gefahr einsehen, welche die Verwendung eines solchen
Dampfkessels mit sich brächte. Zudem würde ein solcher Kessel eine abgesetzte Arbeit
bedingen, welche mit Brennstoffverschwendung begleitet sein müſste. Ich schlug
deshalb sofort ein Schlangenrohr vor, welches in einem passenden Ofen liegend die
durchpassirende Lauge auf 180° erhitzen und worin der nöthige Druck durch ein
belastetes Ventil erhalten werden sollte. Eine Pumpe muſste die Flüssigkeit
fortwährend gegen diesen Druck einpressen.
Wir stellten zunächst einen kleineren Apparat auf. Das eiserne
Schlangenrohr von 5cm Weite und 30m Länge war in einem Ofen so angeordnet, daſs die
Lauge von unten nach oben floſs, während die Feuergase von oben nach unten ihren Weg
nahmen. Eine kleine Pumpe drückte die Lauge in das Schlangenrohr. Auf dem Wege von
der Pumpe zum Ofen waren ein Manometer und ein Luftkessel angebracht, um die
Druckschwankungen etwas auszugleichen und heftige Stöſse zu vermindern. Am Austritt
des Rohres war ein Thermometer angebracht. Nach dem Austritt aus dem Ofen ging die
Lauge, noch immer unter Druck, durch ein zweites Schlangen röhr, welches als
Kühlschlange benutzt wurde. Die Kühlschlange war von Rohsoda lange umspült und so
diese vorgewärmt, ehe sie in die Pumpe eintrat. Weil es schwierig ist, heiſse
Flüssigkeiten anzusaugen, war die Pumpe so tief gelegt, daſs die heiſse Lauge von
selbst den Pumpenstiefel füllte und Druck genug hatte, das Ventil zu öffnen. Die
Kühlschlange selbst endigte in einem ganz gewöhnlichen gehörig belasteten
Sicherheitsventil. Gerade vor dem Sicherheitsventil befand sich noch ein Manometer,
um den Druck am Anfange und Ende des Apparates vergleichen zu können.
Die erste Erfahrung, welche wir mit diesem Apparate machten, war
folgende. Die eintretende oxydirte Lauge war wasserhell. So lange die Temperatur der
austretenden Lauge 175° nicht erreichte, kam die Lauge auch ganz klar am Ende der
Kühlschlange wieder zum Vorschein und das Ferrocyannatrium war auch nicht zerstört;
sobald aber 180° erreicht war, kam die Lauge dunkelgrün und im auffallenden Lichte
ganz schwarz zum Vorschein. Es muſs also die Temperatur von
nahe 180° eingehalten werden, wenn man auf vollständige Umwandlung des
Ferrocyannatriums rechnen will. Diese Erfahrung haben wir seither immer
bestätigt gefunden, und weil es etwas schwierig ist, diese Temperatur einzuhalten,
haben wir diesem Umstände in der Construction der späteren Apparate Rechnung
getragen. Der Erfolg, sobald die nöthige Temperatur festgehalten, war aber derart,
daſs die sämmtlichen ziemlich bedeutenden Schwierigkeiten, die sich darboten, uns
nicht abhielten, das Verfahren auszuarbeiten.
Die erste Schwierigkeit war die Dichtung der Fugen des Apparates;
doch diese war von weniger Bedeutung und wurde später durch Anwendung der
Armstrong'schen Flansche mit Asbestdichtung gehoben. Eine viel bedeutendere
Schwierigkeit war die fortwährende Verstopfung der Röhren. Der zum Durchpressen
nöthige Druck wuchs rasch auf 30at, manchmal so
schnell, daſs man nicht vorbeugen konnte und die Röhren platzten. (Die angewendeten
Röhren waren ganz gewöhnliche schmiedeiserne Dampfröhren.) Die Untersuchung der die
Röhren verstopfenden Kruste, welche steinhart war, ergab, daſs dieselbe
hauptsächlich aus Natriumcarbonat (Na2CO3 + H2O)
bestand.
Dies führte auf die Idee, daſs im Schlangenrohr an einigen Stellen
die Lauge zum Kochen käme und durch Verdampfen Sodasalz absetzte. Um dies zu
vermeiden, wurde der Arbeitsdruck auf 14at erhöht;
die Verstopfung wurde aber hierdurch nicht verhindert. Es blieb nun nur noch der
Schluſs übrig, daſs Natriumcarbonat bei 180° in Wasser weniger löslich sei als bei
100°. Ein einschlagender Versuch ergab, daſs 100 Th. Wasser bei 175° nur etwa 40 Th.
Natriumcarbonat lösten. Durch Anwendung von Laugen von nur etwa 1,24 bis 1,25
Volumgewicht wurde nun die Schwierigkeit gehoben, aber nicht auf die Dauer. Nach
einigen Wochen waren die Röhren wieder verstopft. Die verstopfende Substanz war aber
nicht Natriumcarbonat, sondern Natriumaluminiumsilicat, und während die frühere
Verstopfung vorwiegend am Austrittrohr stattfand, waren es jetzt mehr die mittleren
Partien der Schlange, welche sich verstopft hatten.
Nach diesen Versuchen wurde die Aufstellung eines gröſseren Apparates in Hand
genommen, welcher die Laugen von wöchentlich 100t
Soda von Ferrocyan reinigen sollte. Ich will mich jetzt zur Beschreibung dieses
Apparates und seiner Leistung wenden.
(Schluſs folgt.)