Titel: | Ueber das Celluloid; von Fr. Böckmann. |
Autor: | Fr. Böckmann |
Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 62 |
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Ueber das Celluloid; von Fr. Böckmann.
Böckmann, über das Celluloid.
Das Celluloid (vgl. 1880 235 203. 468) ist, abgesehen von seinen anderen zahlreichen
Verwendungen, namentlich für Schmuckwaaren, sowie für die Herstellung von Kämmen und
künstlichen Zahngebissen von Wichtigkeit geworden. Eine nähere Kenntniſs der
Eigenschaften dieses merkwürdigen Stoffes erschien mir deshalb um so mehr von
Interesse, als derselbe in Zukunft vielleicht noch dazu berufen ist, in der Technik
eine Rolle zu spielen.
Ehe ich die vorläufigen Resultate meiner Untersuchung mittheile, mögen hier noch
einige kurze Angaben über die Fabrikation des Celluloids Platz finden.Vgl. meine Broschüre: Das Celluloid (Wien 1880.
A. Hartleben),
sowie die speciell für Zahnärzte berechnete Broschüre von Zahnarzt H. Hamecher (Berlin 1880. Denicke's Verlag). Zu seiner
Herstellung wird Pyroxylin entweder unter Druck mit schmelzendem Kampher, oder mit
einer alkoholischen Lösung von Kampher behandelt, oder man läſst auf das Pyroxylin
eine Mischung von Kampher mit Aether-Alkohol bezieh. Methylalkohol einwirken.
Letztere beiden Methoden werden gegenwärtig vorzugsweise angewendet, das
Aether-Alkohol-Verfahren von der Celluloidfabrik von Magnus
und Comp. in Berlin, das Methylalkohol-Verfahren von der Celluloidfabrik zu
Stains bei Paris. Die Fabrik zu Stains stellt unbestritten das beste Celluloid
unseres Continentes her. Lebhafte transparente Farben und angenehme Verarbeitung
sind seine Vorzüge, welche den um 1/4 bis ⅓ höheren Preis reichlich aufwiegen.
Das Celluloid wird gewöhnlich in Platten von etwa 30 × 75cm Fläche oder in Form runder Stäbe von 1m Länge verarbeitet. Das rohe Celluloid besitzt blonde Hornfarbe.
Gewöhnlich jedoch wird dasselbe in gefärbtem Zustande verarbeitet und ist
gegenwärtig die Korallen-Imitation entschieden am beliebtesten. Nicht nur das
ungefärbte, sondern auch das gefärbte Celluloid besitzt in nicht unbedeutendem Maſse die Eigenschaft,
durchscheinend zu sein. Gegenstände, welche beispielsweise hinter eine roth gefärbte
Celluloidplatte von 4mm
Dicke gehalten werden, sind in ihren Umrissen auf der vorderen Seite noch sehr
deutlich erkennbar.
Erwähnt sei hier noch, daſs eine der gröſsten Celluloidfabriken, sowie ein Hauptsitz
der Celluloid-Waarenfabrikation zu Newark in New-Jersey ist. In Deutschland bestehen
meines Wissens nur zwei Celluloidfabriken, die oben schon genannte Fabrik in Berlin,
sowie in Mannheim eine Filialfabrik der Fabrik zu Stains, welche sich hauptsächlich
mit der Herstellung von Frisir- und Aufsteckkämmen beschäftigt.
Für meine Untersuchung stand mir Celluloid der Fabrik zu Stains in Platten- und
Stabform, sowie Celluloidplatten einer (mir nicht näher bekannten) Celluloidfabrik
zu London zur Verfügung. Sämmtliche Proben waren korallenroth gefärbt.
Mit Ausnahme der Ermittlung des specifischen Gewichtes und des Verhaltens des
Celluloids gegen höhere Temperatur habe ich für sämmtliche andere analytische
Operationen stets geraspeltes Celluloid angewendet. Die
von der Feile in das geraspelte Celluloid etwa übergehenden Eisenflitter wurden mit
einem Magnet ausgelesen. Die Wägungen des Celluloids müssen rasch oder zwischen
Uhrgläsern vorgenommen werden, da dasselbe in fein vertheiltem Zustande schnell
Feuchtigkeit absorbirt. Das geraspelte Celluloid läſst natürlich die chemischen
Stoffe weit schneller und vollständiger auf sich einwirken als das Celluloid in
Stückform.
1) Verhalten des Celluloids bei höherer Temperatur.
Weder durch Wärme, wie sie durch directes Erhitzen hervorgebracht wird, noch durch
Stoſs, Schlag oder Reibung kann das Celluloid zur Explosion gebracht werden; es
läſst sich nur durch Körper entzünden, welche selbst brennen. Glimmende Körper
bringen das Celluloid ebenfalls nur zum Glimmen. Wirkt eine concentrirte
Wärmequelle, wie z.B. Lampenlicht, auf das Celluloid ein, so entzündet sich dasselbe
in einer Entfernung von etwa 20cm von der oberen
Cylinderöffnung, d.h. in demselben Abstand, in welchem auch Papier sich unter
Entwicklung von Rauchwolken zu bräunen beginnt. Bläst man die Flamme von brennendem
Celluloid aus, so glimmt dasselbe weiter fort, indem der Kampher unter Entwicklung
starker Rauchwolken abdestillirt, während das Pyroxylin eine unvollständige
Selbstverbrennung auf Kosten des eigenen Sauerstoffgehaltes erleidet. Ein Theil des
Kohlenstoffes des Pyroxylins bleibt unverbrannt in Form eines feinen gitterförmigen
Kohlenskeletts zurück, welches jedoch theilweise verascht. Man kann an derartigem
glimmendem Celluloid deutlich folgende Zonen unterscheiden: Eine sehr schmale
schmelzende Zone, aus welcher der Kampher abdestillirt, und hinter derselben eine
breite Kohlenzone, inmitten welcher sich ein rothglühender Fleck befindet. Derselbe
verbreitet sich durch Anblasen rasch über den gröſsten Theil der Kohlenzone, indem er dieselbe
gleichzeitig verascht. Durch Abschlagen des glimmenden Theiles kann man dem
Weiterglimmen sofort Einhalt thun. Die Stelle des Celluloids, an welcher sich der
abgeschlagene glimmende Theil befand, markirt sich durch eine scharf abgeschnittene
Linie. Sowohl das Celluloid von Stains wie das von London zeigten dieses
Weiterglimmen nach dem Ausblasen der Flamme. Ich will jedoch bemerken, daſs ich auch
schon Celluloid von mir unbekannter Herkunft unter den Händen hatte, welches dieses
Weiterglimmen nicht zeigte. Erhitzt man Celluloid im Platintiegel bei aufgelegtem
Deckel, so entweichen starke, graugelb gefärbte Rauchwolken, Tiegeldeckel und
Tiegelwand bedecken sich mit einem Sublimat von den Anlaſsfarben des Stahles,
während auf dem Boden des Tiegels ein äuſserst zartes Kohlenskelett von der
ursprünglichen Form des Celluloids sich vorfindet. Wirft man Celluloid in eine
glühende Platinschale, so schlägt sofort die Flamme aus derselben, weil nun die
entweichenden Gase und Kampherdämpfe entzündet werden. Das zurückbleibende
Kohlenskelett glimmt fort bis zur völligen Veraschung. Die Aschenmenge, welche man
bei dem Verbrennen erhält, schwankt nur sehr unbedeutend bei dem Celluloid
verschiedener Herkunft. Ich erhielt bei der Veraschung folgende Zahlen:
Platten-Celluloid von Stains
1,0652g1,3110
gaben„
0,0168g0,0202
oder„
1,581,54
Proc. Asche „ „
Stab-Celluloid von Stains
1,31291,5186
gaben„
0,01810,0200
oder„
1,371,31
Proc. Asche „ „
Platten-Celluloid von London
1,31103,0182
gaben„
0,02860,0640
oder„
2,182,12
Proc. Asche „ „
Die Eigenschaft des Celluloids, durch Eintauchen in kochendes Wasser oder durch
Erwärmen in mit Dampf geheizten Wärmeplatten plastisch zu werden und sich alsdann in
jede beliebige Form bringen sowie mit anderen Celluloidplatten und mit eingelegten
Metalltheilchen verbinden zu lassen, darf ich wohl um so mehr als allgemein bekannt
voraussetzen, als hierauf die Verwendung des Celluloids zu Schmuckwaaren, zur
Herstellung von Zahngebissen, von Aufsteckkämmen u.s.w. beruht.
2) Das specifische Gewicht zeigt, ebenso wie der
Aschengehalt, nur unbedeutende Differenzen bei dem Celluloid verschiedener Fabriken.
Diese Unterschiede erklären sich durch die wechselnde Zusammensetzung des Celluloids
verschiedener Abkunft, sowie durch die mehr oder weniger starke Pressung, welche
dasselbe erfuhr.
Platten-Celluloid von Stains:
Sp. G. = 1,3543 und 1,3512,
Mittel = 1,3527.
Stab-Celluloid von Stains:
Sp. G. = 1,3112 und 1,3094,
Mittel = 1,3103.
Platten-Celluloid von London:
Sp. G. = 1,3928 und 1,3924,
Mittel = 1,3926.
3) Verhalten des Celluloids gegen Aether. Beim Erwärmen
des Celluloids mit Aether (am Rückfluſskühler) geht der ganze Kamphergehalt in
Lösung und kann durch Filtration von dem Pyroxylin und den Aschenbestandtheilen
getrennt werden. Zur analytischen Bestimmung des Pyroxylins auf diesem Wege bringt
man am besten das geraspelte Celluloid auf ein bei 100° getrocknetes Filter und
wäscht es auf demselben mit erwärmtem Aether aus. Man gieſst hierauf die abfiltrirte
Aetherlösung nach abermaligem Erwärmen 2mal auf das Filter zurück und erneuert den
Aether etwa 3mal, so daſs im Ganzen das Celluloid ungefähr 12mal mit Aether
ausgewaschen wird. Dies genügt vollkommen zur quantitativen Extraction des
Kamphers.
I) 0g,1879 Stab-Celluloid von
Stains gaben nach dieser Methode 0g,1263 oder
67,21 Proc. in Aether unlöslichen Rückstand, welcher 0g,0043 oder 2,28 Proc. Asche hinterlieſs. Es verbleiben also 64,93 Proc.
Pyroxylin.
II) 0g,3058 Stab-Celluloid
(ebenfalls von Stains) gaben 0g,2051 oder 67,07
Proc. Rückstand und letzterer lieferte 0g,0068
oder 2,22 Proc. Asche. Es bleiben also noch 64,85 Proc. Pyroxylin.
Als Mittel beider Bestimmungen ergibt sich für das Celluloid von
Stains folgende Zusammensetzung:
Pyroxylin
64,89
Kampher
32,86
Asche
2,25
––––––
100,00.
0g,2392 Platten Celluloid von
London lieſsen 0g,1847 oder 77,21 Proc. in Aether
unlöslichen Rückstand. Derselbe gab 0g,0084 oder
3,51 Proc. Asche. Es bleiben also noch 73,70 Proc. Pyroxylin, entsprechend:
Pyroxylin
73,70
Kampher
22,79
Asche
3,51
––––––
100,00.
Wie man sieht, ist bei dem Celluloid von Stains das Verhältniſs von Pyroxylin zu
Kampher etwa wie 1 zu 2, beim Londoner Celluloid wie 1 zu etwas über 3.
4) Verhalten gegen absoluten Alkohol. Wird geraspeltes
Celluloid mit absolutem Alkohol am Rückfluſskühler mehrere Stunden gekocht, so wird
die Flüssigkeit allmählich etwas dickflüssig und auf Wasserzusatz scheidet sich in
Lösung gegangenes Pyroxylin in Form einer Gallerte aus. Dieselbe hinterläſst beim
Eindampfen auf dem Wasserbade einen beträchtlichen Rückstand von Pyroxylin.
0g,8365 geraspeltes
Stab-Celluloid von Stains, mit 60g absolutem
Alkohol 3 Stunden am Rückfluſskühler gekocht, gaben 0g,2956 oder 35,33 Proc. in Alkohol lösliches Pyroxylin. Ein zweiter
Versuch ergab 39,07 Proc. in Alkohol lösliches Pyroxylin.
0g,4831 Londoner
Platten-Celluloid hinterlieſsen 0g,1781 oder 36,86
Proc. in Alkohol lösliches Pyroxylin.
Die auf den ersten Augenblick überraschende Thatsache, daſs das Pyroxylin des
Celluloids in absolutem Alkohol theilweise löslich ist, erklärt sich einfach
dadurch, daſs das Pyroxylin sich löst in einer alkoholischen Lösung von Kampher bei
gleichzeitiger Anwendung von Druck. Es wird also bei diesem Versuche zuerst der
Kampher des Celluloids in Alkohol gelöst und es genügt alsdann der schwache Druck,
wie er bei Anwendung eines Rückfluſskühlers vorhanden ist, um eine theilweise Lösung
des Pyroxylins herbeizuführen.
5) Verhalten gegen Aether-Alkohol. Geraspeltes Celluloid
löst sich in Aether-Alkohol (mit Ausnahme der hierin unlöslichen Aschen- und
Farbstoffbestandtheile) schon bei gewöhnlicher Temperatur vollkommen auf.
Etwa 0g,3 Celluloid werden in
einem Kolben mit einer Mischung von 18g Aether,
3g Alkohol und 1g WasserEin geringer Wasserzusatz bewirkt, daſs das Pyroxylin in einer festeren, für
die analytische Bestimmung geeigneteren, nicht klebrigen Form ausgefällt
wird. derart übergossen, daſs man die Flüssigkeit langsam an der
Kolbenwandung hinabflieſsen läſst. Ein rasches directes Herabgieſsen der Flüssigkeit
auf die Substanz bewirkt leicht ein Ankleben der Celluloidtheilchen an einander und
an die Kolbenwandung und verhindert auf diese Weise die vollständige Lösung. Man hat
sich überhaupt beim Arbeiten mit Celluloidlösungen stets daran zu erinnern, daſs
dieselben ähnliche Eigenschaften wie ein rasch trocknender und kittartig anklebender
Firniſs besitzen.
Das mit der Aether-Alkohol-Mischung übergossene Celluloid läſst
man über Nacht im zugekorkten Kolben stehen und bringt alsdann die aufgequollene
Masse durch gelindes Schwenken des Kolbens leicht in Lösung. Man gieſst die
Flüssigkeit, ohne von dem Farbstoff abzufiltriren, direct in 150 bis 200cc Wasser, wodurch das Pyroxylin in dichten,
weiſsen Flocken sich wieder ausscheidet. Unter öfterem Umrühren läſst man das
Becherglas unbedeckt einige Stunden stehen, bis der gröſste Theil des Aethers
verdunstet ist. Vorher ist eine vollständige Ausfällung des Pyroxylins nicht zu
erreichen; es scheidet sich vielmehr beim Filtriren noch theilweise in der
Trichterröhre oder im Filtrat aus. Nach Ablauf einiger Stunden hat sich das
Pyroxylin meist in Form einer einzigen zusammenhängenden Haut auf der Oberfläche der
Flüssigkeit angesammelt. Man filtrirt nun auf ein bei 100° getrocknetes Filter und
wäscht wiederholt mit warmem Aether aus.
I) 0g,6831 Stab-Celluloid
von Stains gaben (nach Abzug der Asche) 0g,4408 oder 64,52 Proc. Pyroxylin,
II) 0g,3665 desselben
lieferten 0g,2355 oder 64,25 Proc.
Pyroxylin,
III) 0g,1959 desselben gaben
0g,1319 oder 67,33 Proc. Pyroxylin.
Wie man also sieht, eignet sich diese Methode keineswegs zu einer genauen
analytischen Bestimmung des Pyroxylingehaltes des Celluloids und ist in dieser
Hinsicht die Extraction mit Aether bei weitem vorzuziehen.
6) Verhalten gegen Holzgeist. Derselbe übt auf Celluloid
dieselbe Wirkung wie Aether. Man gibt auch hier das geraspelte Celluloid zweckmäſsig
auf ein bei 100° getrocknetes Filter und wäscht wiederholt mit heiſsem Holzgeist
aus. Ich erhielt hierbei zu hohe Zahlen für das Pyroxylin, was mit daran liegen mag,
daſs ich nicht chemisch reinen Methylalkohol anwendete.
I) 0g,2763 Stab-Celluloid
von Stains lieſsen 0g,2058 oder 74,48 Proc. in
Holzgeist unlöslichen Rückstand. Derselbe gab 0g,0057 oder 2,06 Proc. Asche. Somit bleiben für das Pyroxylin 72,42
Proc.
II) 0g,3251 Platten-Celluloid
von London gaben 0g,2633 oder 80,99 Proc.
Filterrückstand und dieser lieferte 0g,0072
oder 2,21 Proc. Asche. Es bleiben also noch 78,78 Proc. Pyroxylin.
Soviel jedoch geht wohl auch aus diesen um einige Procent zu hohen Zahlenresultaten
hervor, daſs der Methylalkohol ebenso wie der Aether den Kamphergehalt des
Celluloids in Lösung überführt und auf diese Weise von dem zurückbleibenden
Pyroxylin trennt.
7) Verhalten gegen Natronlauge. Das Celluloid ist
ziemlich leicht löslich in concentrirter kochender wässeriger Natronlauge. Die
Lösung färbt sich zuerst hellgelb, dann braun. Ein geringer Theil des Celluloids
bleibt ungelöst. Der Kampher verflüchtigt sich beim Auflösen des Celluloids und
scheidet sich an einem auf den Kochkolben gesetzten Trichter krystallinisch ab. Die
mit Flieſspapier getrockneten Krystalle zeigen den Schmelzpunkt des Kamphers
(175°).
8) Verhalten gegen Salpetersäure. Celluloid löst sich
rasch in warmer Salpetersäure, welche auf 1 Vol. concentrirter Säure nicht mehr als
1,5 Vol. Wasser enthält. Kampher verflüchtigt sich auch hier und wurde an seinem
Schmelzpunkt als solcher erkannt. Es verbleibt ein etwa 0,5 Proc. betragender, in
Salpetersäure unlöslicher Rückstand. Das Filtrat hinterläſst einen rothgelben
Trockenrückstand, dessen Menge je nach der Concentration und der Dauer der
Einwirkung der Salpetersäure wechselt. Ich fand in verschiedenen Analysen 10 bis 35
Proc. Trockenrückstand und etwa 1,7 Proc. Glührückstand im Filtrate der
salpetersauren Lösung des Celluloids.
9) Verhalten gegen Essigsäure. Mit concentrirter
Essigsäure am Rückfluſskühler behandelt, löst sich geraspeltes Celluloid rasch auf.
Aus der erhaltenen Lösung fällt auf Wasserzusatz neben Kampher das Pyroxylin wieder
aus. Man dampft die mit Wasser gefällte Flüssigkeit in einer Platinschale im
Wasserbade wiederholt unter erneutem Wasserzusatz ein und filtrirt alsdann, nachdem
der Kampher und der gröſste Theil der Essigsäure verjagt ist, auf ein bei 100°
getrocknetes Filter ab. Die erhaltenen Zahlen fallen jedoch etwas zu hoch aus.
0g,4286 Stab-Celluloid von
Stains gaben 0g,3057 oder 71,32 Procent durch
Wasser ausgefällten Niederschlag. Derselbe hinterlieſs 0g,0873 oder 2,03 Proc. Asche. Es bleiben also 69,29 Proc. für das
Pyroxylin.
10) Verhalten gegen Schwefelsäure. In mäſsig verdünnter
und erwärmter Schwefelsäure löst sich das Celluloid auf. Durch concentrirte warme
Schwefelsäure wird es völlig verkohlt.
11) Sonstige bemerkenswerte Eigenschaften des
Celluloids. Das Celluloid enthält noch eingeschlossenes Gas (wahrscheinlich
Luft), welches beim Behandeln des Celluloids mit verschiedenen Reagentien, sowie
beim Einlegen desselben in kaltes Wasser besonders aus frischen Schnittflächen in
zahlreichen Blasen entweicht.
Für die Verarbeitung und den Gebrauch des Celluloids (namentlich auch zu künstlichen
Zahngebissen) ist seine Eigenschaft des Werfens unangenehm. Es bleiben nämlich die
Celluloidplatten, wie sie aus den Kalanderwalzen und den Pressen herauskommen, nicht
vollkommen eben, sondern sie ziehen sich an den beiden Enden in die Höhe, eine
Eigenschaft, welche zu ihrer Erklärung ganz unnöthigerweise den Scharfsinn der
Zahnärzte herausgefordert hat. Die Erscheinung läſst sich vielmehr sehr einfach
dadurch erklären, daſs an den beiden Enden der Platte die stärkste Verdunstung des Aether-Alkohols,
Methylalkohols oder Wassers und demgemäſs in der Mitte die gröſste Ansammlung dieser
Flüssigkeiten stattfindet. Die nach aufwärts entweichenden Flüssigkeitsdämpfe üben
aber einen gewissen Druck auf die im nassen Zustande noch sehr plastische Masse aus,
der demgemäſs an den beiden Enden der Platte stärker sein muſs als in der Mitte. In
Folge dessen werden die Enden der Platte nach aufwärts gebogen.
Der rothe Farbstoff des gefärbten Celluloids wird beim Erwärmen violett, dann schwarz
und beim Erkalten wieder roth. Mit Salzsäure entwickelt er unter Bleichung Chlor,
ist also Mennige.
Schluſsfolgerungen. Die von mir untersuchten
Celluloidsorten enthalten keine Schieſsbaumwolle (Cellulosehexanitrat), sondern nur
Collodiumpyroxyline. Beweis hierfür ist die völlige Löslichkeit des Celluloids in
Aether-Alkohol bei gewöhnlicher Temperatur. – Das Celluloid ist keine chemische Verbindung im engeren Sinne des Wortes. Für
diese Annahme spricht das Verhalten des Celluloids gegen Aether und Methylalkohol,
sowie auch das Verhalten von glimmendem Celluloid. Ich glaube vielmehr, daſs das
Celluloid eine seinem Charakter nach dem Leder ähnliche Verbindung ist.
Schlieſslich sage ich auch an dieser Stelle meinen Dank den HH. Schreiner und Sievers, Hartgummi- und
Celluloidwaaren-Fabrikanten in Offenbach a. M., für die freundliche Ueberlassung von
Celluloidproben, sowie Hrn. Handels-Chemiker Dr. Mertens in Cöthen für die Bereitwilligkeit, mit welcher er mich diese
Untersuchung in seinem Laboratorium ausführen lieſs.
Cöthen, im September 1880.