Titel: | Warocqué's Fahrkunst auf Steinkohlengrube Hostenbach. |
Autor: | S–l. |
Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 348 |
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Warocqué's Fahrkunst auf Steinkohlengrube
Hostenbach.
Warocqué's Fahrkunst auf Steinkohlengrube Hostenbach.
Die im J. 1872 auf der Steinkohlengrube Hostenbach im Oberbergamtsbezirk Bonn
aufgestellte Fahrkunst ist nach dem bekannten System Warocqué gebaut, welches, wie später auch Lorimier (1880 236 455) es anwendete, mittelbar die Gestänge bewegt und
zwar dadurch, daſs zwischen die durch Dampf in Gang gesetzte Umtriebsmaschine und
das Gestänge ein hydraulischer Balancier eingeschaltet ist.
Die Einrichtung in Hostenbach, bezüglich deren Einzelheiten auf den betreffenden
Aufsatz in der Preuſsischen Zeitschrift für Berg-, Hütten-
und Salinenwesen, 1880 * S. 342 verwiesen wird, ist in ihren Umrissen die,
daſs die Kolbenstangen der beiden Dampfcylinder im oberen Theile durch ein starkes
Querstück vereinigt sind, an welches gleichzeitig der Druckkolben des hydraulischen
Balancier angeschlossen ist. Die Steuerung der ohne Expansion und Condensation
wirkenden Dampfmaschine erfolgt durch Ventile, welche der Maschinist durch 4 Hebel
mit Hand öffnet und schlieſst, und zwar wird der Zeitpunkt jedes nöthigen
Ventilwechsels dadurch angezeigt, daſs an den Mönchskolben des hydraulischen
Balancier angebrachte, sogen. Trompeten über eisernen Stangen gleiten, an denen
weiſse Marken angebracht sind. Durch das wechselseitige Oeffnen und Schlieſsen der
Ventile, sowie in Folge des Trägheitsmomentes entstehen zwischen den einzelnen
Anhüben Pausen von 1 bis 2 Secunden Dauer, welche indeſs der Maschinist nach
Belieben verlängern kann, wenn er nach Schlieſsung des einen Ventiles nicht sofort
das andere öffnet.
In dem die beiden Cylinder des hydraulischen Balancier, dessen Kolbenhub 4m beträgt, verbindenden Unterstück ist eine
Drosselklappe eingeschaltet, die bei horizontaler Stellung das Wasser ungehindert
durchgehen läſst, dagegen um 90° gedreht nur eine Minimalöffnung übrig läſst, so
daſs durch verschiedene Stellung ein langsamerer oder schnellerer als der
gewöhnliche Gang der Maschine (4 Doppelhübe in der Minnte) herbeigeführt werden
kann. Eine solche Verstellbarkeit der Drosselklappe erweist sich besonders dann als
nothwendig, wenn beim Einfahren der Mannschaft das Gewicht der auftretenden Arbeiter
allein sämmtliche Reibungswiderstände überwindet, sonach die Nothwendigkeit, den
Dampf zur Maschinenbewegung zu benutzen, entfällt. – Die Füllung der hydraulischen
Balancier erfolgt durch eine kleine Dampfpumpe.
An den von den Mönchskolben des mehrgedachten Balancier nach unten gehenden
Kolbenstangen sind die Fangköpfe der Fahrkunst befestigt, an welchen dann je zwei
eiserne Schachtgestänge, die zwischen sich die Bühne tragen und zusammen ein
Fahrkunsttrum darstellen, angehängt sind. Auf jede Fahrbühne treten je 2 Mann
gleichzeitig auf und kann die Fahrung vom Tage bis zur tiefsten Sohle ohne
Unterbrechung erfolgen; nur befinden sich in den Zwischensohlen je zwei feste, 4m von einander entfernte Bühnen und an
entsprechender Stelle am anderen Gestänge noch eine Zwischenbühne angebracht, welche
durch eine hier vorhandene Tafel besonders gekennzeichnet ist.
Die Vorzüge, welche die Mannschaftsförderung auf der Fahrkunst gegenüber der
Seilfahrung in Bezug auf Sicherheit und Zeitersparniſs – letzteres ganz besonders
da, wo Mannschaft in verschiedene Sohlen zu fördern ist – besitzt, sind bekannt
genug, um hier keiner weiteren Erörterung zu bedürfen; wir übergehen daher dieselben
und wollen uns lediglich der Besprechung der oben skizzirten Fahrkunst zuwenden,
deren derzeitige Einrichtung uns wesentlich in dreierlei Richtung nicht unbedeutende
Bedenken aufstoſsen läſst. Das erste derselben richtet sich gegen die Bewegung der
Steuerventile von Hand, das zweite gegen das belgische System überhaupt, das dritte
endlich gegen die Anbringung fester Bühnen in und bei den Zwischensohlen.
Was die Umsteuerung durch mit Hand zu bewegende Hebel betrifft, so
dürften wir wohl kaum einen Widerspruch erfahren, wenn wir solche als etwas
gefährlich bezeichnen, weil hier der regelmäſsige, richtige Gang der Fahrkunst und
die Umsetzung der Bewegung lediglich von der gespanntesten Aufmerksamkeit des
Maschinenwärters abhängt, der z.B. durch zu frühe Umsteuerung im besten Falle
Unordnung im Einfahren hervorrufen, nach Befinden aber auch Unglücksfälle
herbeiführen kann, und wenn seit Ingangsetzung der betreffenden Fahrkunst ein Unfall
bisher nicht vorgekommen ist, so möchten wir dies weniger dem vortrefflichen
Systeme, als der ganz besonderen Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit des
Maschinenwärters zuschreiben, der nur einmal durch einen weniger umsichtigen und gut
geübten Mann ersetzt zu werden braucht, damit das Bedenkliche recht klar vor Augen
geführt werde.
Getheilter werden die Ansichten sein über die Frage, ob deutsches,
ob belgisches System vorzuziehen sei. Das erstere basirt allein auf der
Bewegungsübertragung durch Krummzapfen und Kunstkreuz und besitzt ganz entschieden
den Vortheil, daſs die Geschwindigkeit der Fahrkunst, mit einem Minimum beginnend,
ganz allmählich bis zur halben Hubhöhe wächst, hier das Maximum erreicht und nunmehr
wieder bis zum Minimum nach und nach heruntergeht. Folge hiervon ist, daſs die
Fahrkunst mit einer ziemlich bedeutenden Durchschnittsgeschwindigkeit gehen kann,
ohne in dem Daraufstehenden das Gefühl des Unbehagens zu erzeugen, eben weil die
Schnelligkeit zu- und abnimmt. Allerdings ist für das Uebertreten von einem Gestänge
auf das andere eine Pause der Ruhe nicht vorhanden; dennoch aber beim Hubwechsel die
Bewegung eine so langsame und gleichmäſsige, daſs dadurch der sehr kurze, absolute
Stillstand vollständig ausgeglichen wird. Dem gegenüber bewegt das belgische System
die Gestänge durch direct wirkende Dampfmaschinen, sei es unmittelbar oder mittelbar
durch Einschaltung des hydraulischen Balancier. Das Wesen dieses Systemes bedingt
es, daſs die Geschwindigkeit des Gestänges von Anfang bis Ende des Hubes nahezu ganz
gleichbleibend ist, daſs dagegen im Augenblick der Umsteuerung eine kurze Pause
eintritt, welche für das Uebertreten zu benutzen ist. Jedenfalls gibt ein
plötzliches Anheben wie Stillhalten im Allgemeinen;, ganz besonders aber dem
Neuling, das Gefühl einiger Unsicherheit, erregt dadurch Unruhe und erzeugt eine
unnütze Hast bei Uebertritt auf das andere Gestänge, welche doch mit aller Ruhe zu
erfolgen hat, soll er völlig gefahrlos sein. Dem gegenüber wird, allerdings
hervorgehoben, daſs ja auch die direct wirkende Maschine einen Gang der Kunst
herstellen läſst, analog der Krummzapfenbewegung, wenn nur der Maschinenwärter die
Ventile ganz allmählich öffnet und schlieſst. Gerade darin aber scheint uns der
schwache Punkt des Systemes zu liegen, denn auch in diesem Falle ist die Sicherheit
Vieler wieder lediglich von der Aufmerksamkeit eines einzigen Arbeiters abhängig,
und wer hätte nicht schon die Erfahrung gemacht, daſs auch der geübteste und
zuverlässigste Locomotivführer doch durch ein nicht ganz genau controlirtes Oeffnen
des Dampfzutrittes den Bahnzug in einer Weise in Gang setzt, welche für den
Fahrenden ein höchst unangenehmes Gefühl des Stoſses im Gefolge hat?
Noch weniger empfehlenswerth aber wird unseres Erachtens das
belgische System durch die Abänderungen Warocqué's und
Lorimier's mit eingeschaltetem hydraulischem
Balancier. Die solideste Construction, die sorgfältigste Wartung des letzteren wird
es nie verhindern lassen, daſs durch die Stopfbüchse des Kolbens etwas Wasser
entweicht, und der geringste Abgang an Wasser im Balancier hat im Gefolge, daſs die
Gestänge nicht voll ausheben, demnach ein ungleicher Stand der Bühnen in der
Ruhepause eintritt und das Uebertreten schwierig, ja sogar gefährlich sich
gestaltet. Während des Ganges der Fahrkunst wird das Nachfüllen von Wasser in den
Balancier schwierig; in jedem Fall aber kostet es sehr sorgfältige Arbeit, dasselbe
so genau zu bewirken, daſs immer der normale Stand der Trittbühnen wieder
hergestellt wird. Wenn man aber die Verschiedenartigkeit unter einer, besonders
gröſseren, Belegschaft ins Auge faſst, so ist es doch wohl das Nächstliegende, jede
Vorrichtung, welche die gesammte Mannschaft zu benutzen hat, so einfach und sicher
als irgend thunlich einzurichten, so daſs auch der nicht Ueberlegende, sondern rein
mechanisch Handelnde vollkommen ungefährdet bleibt, und dies wird bei der Fahrkunst
im vollsten Maſse nur dadurch erzielt werden, daſs die Bewegung des Einzelnen auf
derselben eine vollkommen gleichmäſsige, wir möchten sagen, nach wenig Schritten
angewöhnte ist, nicht durch ruckweises Anholen oder Halten, oder gar durch ein Auf-
oder Abwärtssteigen beim Uebertritt unterbrochen wird.
Diese soeben betonte, unseres Erachtens bei der Fahrung der
Mannschaft stets in erste Linie zu stellende Gleichmäſsigkeit der Bewegung ist es
auch, welche vorzugsweise das dritte Bedenken begründet, das gegen die Anbringung
fester Bühnen bei den Zwischensohlen. Der über eine solche Sohle hinweg Fahrende
vermiſst bei jeder derselben, nach der Einrichtung in Hostenbach, 2 mal kurz nach
einander die gewöhnte Fortbewegung nach erfolgtem Uebertritt; er kommt so zu sagen
aus dem Takte und muſs sich in denselben wieder hinein gewöhnen. Wohl wird man uns
einwenden: Der Mangel an festen Bühnen, welche den sie Betretenden Gelegenheit
geben, zu überlegen, daſs sie an der betreffenden Stelle die Fahrkunst zu verlassen
haben, wird, wenn nicht der einzelne Mann immer mit der gespanntesten Aufmerksamkeit
fährt, oft genug verursachen, daſs er das rechtzeitige Abtreten versieht und nun
tiefer fahren muſs, als es erforderlich ist, soll nicht die ganze Fahrordnung
gestört werden. Dieser Einwand entbehrt des nöthigen Gewichtes; denn so gut man für
nöthig erachtet und es ausführbar hält, die bei den festen Bühnen nöthige
Zwischenbühne am anderen Gestänge besonders auffallend zu bezeichnen, ebenso wohl
kann dies mit jeder Bühne geschehen, von welcher auf eine Zwischensohle abzutreten
ist. – Will man aber ganz sicher gehen, nun so ist Abhilfe gegen Versehen einfach
genug. Die ökonomischen Vortheile, welche die Verwendung der Fahrkunst gegenüber den
Fahrten der Grube gewährt, sind so hervorragende, daſs ein kleines Opfer für die
Ordnung wohl gebracht werden kann; man beleuchte also das Füllort jeder
Zwischensohle durch eine Lampe- wird nun der Mann durch den Mangel der bei jeder
guten Fahrkunst auf den einzelnen Tritten anzubringenden Verbarrirung an der
betreffenden Bühne und sonstige Auszeichnung derselben nicht aufmerksam, dann wird
er es doch voraussichtlich durch die regelmäſsige Beleuchtung, und glaubt man auch
hiermit noch nicht genug gethan zu haben, so führe man eine feste Fahrordnung ein,
so daſs die Mannschaft der tiefsten Sohle zuerst einfährt, die der zweittiefsten
Sohle hiernach u.s.w., bis die der obersten Sohle zuletzt die Kunst betritt.
Hierdurch wird das erzielt, daſs selbst, wenn ein Mann das Abtreten im rechten
Augenblicke versieht, nur er allein zu tief fährt, seinen Fehler also beim nächsten
Hub Wechsel sofort verbessern kann, ohne eine Störung der übrigen Mannschaft
hervorzurufen.
S–l.