Titel: | Ueber Neuerungen in der Soda-Industrie. |
Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 392 |
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Ueber Neuerungen in der
Soda-Industrie.
(Fortsetzung des Berichtes S. 47 d.
Bd.)
Ueber Neuerungen in der Soda-Industrie.
Die Bestimmung des Schwefels in den
Schwefelkiesen bespricht im Anschluſs an die früheren Mittheilungen (1880
235 471) G. Lunge in der Zeitschrift für analytische Chemie, 1880 S. 419. Die Versuche bestätigten
zunächst die der nassen Aufschlieſsung nach Fresenius
anhaftenden Fehlerquellen: Löslichkeit des schwefelsauren Bariums in freier
Salzsäure und in Eisenchlorid und Mitreiſsen von Eisenoxyd in irgend welcher Form in
den Niederschlag; letzteres wurde vermieden nur bei Zusatz von so viel starker
Salzsäure, daſs eine erhebliche Menge von Bariumsulfat aufgelöst wurde, welche man
allerdings durch Neutralisation der Waschwasser, aber eben erst durch eine besondere
Operation – und vielleicht doch nicht ganz vollständig – wieder gewinnen konnte. Was
die Löslichkeit des Bariumsulfates in der sehr geringen Menge freier Salzsäure
betrifft, welche bei den gewöhnlichen Versuchen angewendet wurde, so scheinen die
Versuche zu ergeben, daſs dieser Betrag äuſserst gering ist und sicher innerhalb der
sonstigen Versuchsfehler fällt; auſserdem ist ja bei keiner Methode der
Schwefelbestimmung, auch
nicht bei der neuesten von Fresenius (1878 227 97), ein
Ansäuern zu vermeiden, weshalb man wohl diesen Fehler wird als unvermeidlich
betrachten müssen. Ferner zeigen die mitgetheilten Versuche, daſs kein merklicher
Fehler entsteht, wenn man nach der Fällung nur so lange wartet, bis der Niederschlag
sich gut abgesetzt hat, wozu bei siedend heiſser Fällung 15 bis 20 Minuten genügen,
ehe man decantirt und weiter auswäscht. Allerdings ist es nicht zu empfehlen, nach
Zusatz des Chlorbariums das Becherglas noch über der Lampe zu lassen, weil dann,
auſser bei groſsem Säureüberschuſs, den man ja nicht anwenden soll, sofort fest
anhaftende braune Eisenflecken am Glase entstehen.
Sobald die klare Lösung im Kochen ist, nimmt man sie von der Lampe und setzt die
inzwischen ebenfalls im Probircylinder siedend heiſs gemachte Chlorbariumlösuug zu,
rührt um und läſst noch 15 bis 20, höchstens 30 Minuten stehen, bis die überstehende
Flüssigkeit völlig klar geworden ist; dann wird möglichst klar decantirt, auf den
Niederschlag inzwischen siedend gemachtes Wasser gegossen und schon nach 2 bis 3
Miauten, da die Flüssigkeit sich jetzt sofort klärt, wieder abgegossen u.s.f.; eine
Nachfällung in den Filtraten, die man ja immerhin der Sicherheit wegen aufbewahren
kann, stellt sich gar nicht, oder doch nicht in merklichem Maſse ein, wenn das
Filtrirpapier dicht genug war. Nur ein einziges Mal wurde eine erhebliche
Nachfällung im ersten Filtrate, nämlich 17mg,3
BaSO4, erhalten, als absichtlich schon 2 Minuten
nach Zusatz des Chlorbariums decantirt wurde, während die Flüssigkeit noch ganz mit
herumschwebenden feinen Theilchen erfüllt war; hier entstand in dem (anfangs klaren)
Filtrate schon nach wenigen Minuten eine Trübung, während dies beim späteren
Auswaschen nicht der Fall war, auch wenn man schon nach 2 Minuten decantirte. Es ist
also der Sicherheit wegen zu empfehlen, vor dem ersten Decantiren etwas länger zu
warten, bis eben die Flüssigkeit sich völlig geklärt hat; aber 20 Minuten genügen in
jedem Falle. Es ist zwar bekannt, daſs, wenn nur Spuren von Schwefelsäure anwesend
sind, bei Zusatz von Chlorbarium erst nach mehreren Stunden eine leichte Trübung
entsteht; aber dieser Fall ist eben verschieden von dem, wo gleich anfangs ein
maſsenhafter Niederschlag gebildet wird, welcher die anfangs unmerklich feinen
Theilchen mit einhüllt und vollständig zu Boden reiſst.
Um nun die bei Gegenwart von Eisenchlorid angestellten Versuche mit denen von Fresenius vergleichen zu können, bei welchen Eisen
abwesend ist, wurde die mäſsig warme Flüssigkeit mit Ammoniak in nicht zu groſsem
Ueberschusse versetzt, nach etwa 10 Minuten filtrirt und auf dem Filter mit
siedendem Wasser gründlichst ausgewaschen, bis eine Probe des Filtrates, mit
Chlorbarium versetzt, auch nach einiger Zeit keine Trübung zeigte. Vom Decantiren
wurde wegen des groſsen Flüssigkeitsvolumens abgesehen; doch war das völlige
Auswaschen in ½ Stunde beendet. Die ganze Operation ist mithin durchaus keine langwierige und
umständliche zu nennen und wäre selbst für technische Laboratorien ganz gut zu
empfehlen, wenn sie überhaupt nöthig wäre. Man könnte freilich einwenden, daſs das
Eisenoxydhydrat auch bei der beschriebenen Art des Auswaschens noch etwas
Schwefelsäure zurückhalten könnte. Es wurde deshalb jedesmal getrocknet, mit reiner Soda im Platintiegel geschmolzen, die
Schmelze mit heiſsem Wasser behandelt, das Filtrat mit Salzsäure eben angesäuert,
mit Chlorbarium versetzt und 24 Stunden stehen gelassen; dabei zeigt sich nie auch
nur die geringste Trübung, so daſs obiger Einwurf ausgeschlossen und eine ähnliche
Controle in Zukunft als unnöthig anzusehen ist. Die vereinigten Filtrate, deren
Volumen insgesammt beinahe 200cc betrug, wurden
mit Salzsäure ganz schwach angesäuert, zum Kochen erhitzt, mit heiſser
Chlorbariumlösung gefällt, durch mehrmaliges Decantiren und zuletzt auf dem Filter
ausgewaschen. Sämmtliche Versuche ergaben aber, daſs die unläugbar vorhandenen
Fehler bei Gegenwart von Eisenchlorid einander fast ganz ausgleichen und das
Endresultat ein, wenigstens für die Zwecke der Fabriken und Hütten, hinreichend
brauchbares ist. Immerhin läſst es sich aber nicht verkennen, daſs bei Gegenwart von
Eisenchlorid die Abweichungen der Einzelresultate vom Mittel weit erheblicher als in
Eisen freien Lösungen sind, und möchte es sich deshalb da, wo möglichst genaue
Resultate erwünscht sind, doch empfehlen, das Eisenchlorid in der angegebenen Weise
mit Ammoniak auszufällen und den Niederschlag siedend auszuwaschen, was die Zeit der
Analyse höchstens um 1 Stunde verlängern sollte, wenn man richtige Trichter und
Filtrirpapier anwendet.
Dieses Verfahren, selbstredend folgend auf eine nasse Aufschlieſsung, wird sich
besonders da empfehlen, wo man absichtlich auf den Schwefel des Bleiglanzes u.s.w.
keine Rücksicht nehmen will, also z.B. in Schwefelsäurefabriken; durch Schmelzen des
Rückstandes von der nassen Aufschlieſsung von Soda könnte man auch den darin
enthaltenen Schwefel bestimmen, wenn es darauf ankäme. Wo es aber gewünscht wird,
den Gesammtschwefel des Erzes zu bestimmen, unabhängig von der Form, in welcher er
darin vorkommt, da wird man wohl am besten mit der neuen Methode von Fresenius fahren. – Nach einer ferneren Reihe von
Versuchen bleibt der Schwefel des Bleiglanzes oder Schwerspathes bis auf eine höchst
geringe, weit innerhalb der gewöhnlichen Fehlergrenzen liegende Menge im Rückstande
von der nassen Aufschlieſsung; dagegen kann sich vom Schwefel des vorhandenen oder
entstandenen Gypses bis zu 0,5 Proc., berechnet auf 44 bis 48 procentigen Pyrit,
auflösen.
Zur Herstellung von schwefelsaurem
Calcium will R. Powell in Liverpool
(Englisches Patent Nr. 5109 vom 13. December 1879) über gepulverten Aetzkalk,
trockenes Calciumhydrat oder Calciumcarbonat Schwefligsäure leiten. (Vgl. Birnbaum 1880 236 350.)
Zur Herstellung von Sulfat nach O. E. Pohl in Liverpool (Englisches Patent Nr. 5031 vom
9. December 1879) soll man Schwefligsäure und Luft in eine siedende Lösung von
Chlornatrium einleiten.
Ueber Kausticirung von Sodalaugen. Wie K. W. JurischGef. eingesendeter Sonderabdruck aus der Chemischen
Industrie, 1880 S. 377. ausführt, enthält 1t 70procentiger kaustischer Soda im Durchschnitt
etwa 670k Na2O als
NaOH und 30k Na2O
als Na2CO3.
Angenommen nun, die Sodalauge enthielte gar kein kaustisches Natron, so würden die
genannten 670k Na2O zu ihrer Kausticirung 605k,16 CaO
erfordert haben, welche 1080k,64 CaCO3 gebildet hätten. Die mittlere Zusammensetzung
eines guten Kalkbreies, wie er beim Kausticiren sich ergibt, mag angenommen werden
zu:
CaCO3
44,00
CaO
3,00
Na2O
0,75
Wasser
50,00
Sonstige Bestandtheile
2,25
––––––
100,00.
Hiernach würde der für 1t
70procentigen Natrons fallende Kalkbrei enthalten:
CaCO3
1080,64k
CaO
73,68
Na2O
18,42
Wasser
1228,00
Sonstige Bestandtheile
55,26
––––––––
Im Ganzen
2456,00k.
Im Ganzen hätte man also 605,16 + 73,68 oder 678k,84 CaO verbraucht. Da nun guter Kalk im
Durchschnitt 92 Proc. CaO enthält, so würde 1t
70procentiges Aetznatron 738k Kalk erfordern. In
Wirklichkeit aber enthalten alle Sodalaugen, welche zum Kausticiren kommen, schon
kaustisches Natron, und zwar enthält im Durchschnitt auf 100 G.-Th.
Gesammtnatron:
Revolver-Rohsodalauge
20
G.-Th.
Na2O
als
NaOH
Hand-Rohsodalauge
30
„
„
„
„
Rothe Lauge
40
„
„
„
„
Man sollte also beim Kausticiren von Revolver-Rohsodalauge nur
80 Procent von der oben berechneten Kalkmenge, nämlich 590k, beim Kausticiren von Hand-Lauge nur 70 Proc.
oder 517k; endlich beim Kausticiren von sogen.
„rother Lauge“ nur 60 Proc. oder 443k
Kalk für 1t 70procentiges Aetznatron verbrauchen.
Diese niedrigen Zahlen werden aber in der Praxis aus verschiedenen Gründen kaum
jemals erreicht. Bei guter Arbeit kann man rechnen, daſs man im Durchschnitt für
1t 70procentiges Aetznatron 600k Kalk bedarf.
Ein Durchschnittsmuster von gutem Buxton-Kalk, welchen man in Widnes mit Vorliebe
verwendet, im Hoffmann'schen Ringofen gebrannt, vom December 1877, ergab folgende
Analyse:
Wasser
2,868
Sand und in HCl unlösliche Silicate
0,383
Ca2SiO4 in HCl löslich
1,548
FeS
0,013
Fe2S3
0,093
Fe2O3
0,153
Al2O3
0,103
Mn2O3
0,250
CaSO4
0,222
CaO
91,856
CaCO3
1,708
MgO
0,083
––––––
99,280.
Aber man muſs oft schlechteren Kalk benutzen von 86 Proc. CaO
und noch weniger Gehalt. Ferner ist man, namentlich bei zu schwachem Rührwerk oder
bei ungenügender Mischung durch eingeblasenes Gemenge von Dampf und Luft, oft
gezwungen, einen viel gröſseren Ueberschuſs an Kalk anzuwenden, als oben angeführt,
um eine hinreichende Kausticirung zu bewirken. Der Kalkbrei enthält mitunter bis
über 10 Proc. freies CaO. Proben solcher Kalkbreie ergaben folgende Analysen:
April 1873
Mai 1873
Sept. 1877
CaCO3
43,00
40,73
35,882
H2CaO2
11,22
7,77
1,533
HNaCaO2
0,95
7,68
10,465
NaOH
0,20
0,30
3,004
H2O
44,56
43,34
46,380
Fe2O3
–
–
2,115
Al2O3
–
–
0,015
Sand und Kohle
–
–
0,060
––––––––––––––––––––––––––––––
99,93
99,82
99,454
Gesammt-CaO
9,05
10,36
7,265
„ Na2O
0,46
2,71
5,707
„ H2O
47,42
46,02
48,410.
Die Verluste von Alkali und Kalk durch Bildung von Natronkalk werden um so gröſser,
je weniger man die zu kausticirende Lauge verdünnt, und Lauge von 1,100 sp. G. ist
wohl die stärkste Lauge, welche man nach der bisherigen Methode noch erfolgreich
kausticiren kann. Während der Operation wird die Lauge durch condensirten
Wasserdampf bis auf 1,08 bis 1,06 sp. G. verdünnt, mit einem Gehalt von etwa 55g Gesammt-Na2O im
Liter. Von diesen 55g sind jedoch nur etwa 41g für die Fabrikation von Aetznatron nutzbar, da
ungefähr 1/4 als kaustische Salze abgeschieden wird. Da nun 41g Na2O als
fertiges Aetznatron aus 1l kausticirter Lauge
erhalten werden, so sind die 700000g Na2O, welche zu 1l
70procentigem Aetznatron erfordert werden, in 17073l enthalten. Rechnet man dieselben zu 920g Wasser im Liter, so beträgt die Wassermenge, welche man für 1t 70procentiges Aetznatron zu verdampfen hat,
hiernach 15700k, welche einen Aufwand an
Brennmaterial von 3 bis 4t Kohle beanspruchen.
Man hat nun schon zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Stellen versucht,
diese Kohlenverschwendung zu vermeiden, indem man es unternahm, concentrirtere
Sodalaugen zu kausticiren. Alle Versuche in dieser Richtung hatten aber keinen
rechten Erfolg, bis es endlich E. W. Parnell gelang,
einen brauchbaren Proceſs auszuarbeiten (vgl. S. 50 d. Bd.). Die Bildung von
Natronkalk findet nämlich beim Kausticiren einer Lauge von 1,16 bis 1,18 sp. G. (32
bis 36° Twaddle) nicht, oder nur in sehr geringem Maſse statt, wenn man dieselbe
während der Operation einer Temperatur von etwa 140 bis 145° aussetzt. Dies ist
natürlich nur durch gleichzeitig angewendeten Druck zu erreichen. Ob dieser selbst
dabei eine Rolle spielt, ist noch nicht nachgewiesen. Es scheint, daſs der Kalk bei
steigender Temperatur ein wachsendes Bestreben entwickelt, als kohlensaurer Kalk
auszufallen, bis dasselbe bei etwa 145° das Bestreben Natronkalk zu bilden, schon
fast vollständig überwiegt.
Parnell benutzt zum Kausticiren einen horizontal
aufgestellten Kessel von 10m Länge und 2m,1 Durchmesser, dessen beide Enden
halbkugelförmig sind, so daſs der cylindrische Theil 7m,9 lang ist. Der Kessel enthält ein Rührwerk, dessen horizontale Achse
auf zwei Zapfenlagern und an zwei Stellen auf Rollen ruht. Oben hat der Kessel zwei
Trichter mit Beschickungsöffnungen für den Kalk mit geräumigen Käfigen, welche durch
von innen angedrückte Deckel verschlossen werden, ferner Einlaſs- und Ablaſsrohr für
den Dampf. Die Entleerungsöffnung für die kausticirte Lauge sammt dem Kalkbrei
befindet sich am Boden, von wo aus dieselbe nach einem der zwei oder drei
Filterbetten ablaufen kann. Der Kessel ist bis zu einem Druck von 6at geprüft, so daſs er den Operationsdruck von
3at,5 mit aller Sicherheit aushalten kann.
Nach Beschickung des Apparates durch einen der Kalktrichter setzt man das Rührwerk
in Bewegung und verdünnt die Rohsodalauge oder oxydirte rothe Lauge bis zu 35 oder
33° Twaddle doch kommen durch Unaufmerksamkeit der Arbeiter Schwankungen von 30 bis
40° vor. Man füllt den Kessel bis zu etwa ⅔ des Inhaltes an und hat dann eine
Beschickung von etwa 200001. Man erhitzt dieselbe
durch eintretenden Dampf bis nahe zum Kochpunkt und fügt während der Zeit die
nöthige Kalkmenge hinzu. Alsdann läſst man den Dampf kräftiger wirken und schlieſst
die Bodenklappen der Kalktrichter, welche zunächst durch Laufgewichte auf äuſseren
Hebelarmen, bald aber durch den im Innern entstehenden Druck geschlossen gehalten
werden. Parnell läſst den Dampfdruck innerhalb 2 bis 2½
Stunden bis auf 3at,5 steigen, während der Rührer
35 Umdrehungen in der Minute macht. Dadurch ist er in den Stand gesetzt, eine
derartige Beschickung in 4 Stunden fertig zu stellen.
Bei J. Muspratt und Söhne hat man bisher nur mit einem
Versuchsapparat mit flachen Enden gearbeitet, welcher blos etwa 3at Druck ertrug und der kein so kräftiges Rührwerk
hatte, in Folge dessen die Behandlung der Beschickung von derselben Gröſse im
Durchschnitt 6 Stunden
dauerte. Bei Beendigung der Operation öffnet man das Dampfventil und läſst den Dampf
in einen geschlossenen Wasserbehälter übertreten, in welchem sich derselbe
condensirt und dadurch das darin befindliche Wasser vorwärmt, welches zur Verdünnung
der nächsten Beschickung benutzt wird. Nachdem der Dampfdruck auf
Atmosphärenspannung gesunken ist, öffnet man auch die Kalktrichter und läſst den
ganzen Inhalt des Apparates am Boden auf eines der Filterbetten ausflieſsen.
Während der Operation sinkt die Stärke der Lauge gewöhnlich um 3° Tw., so daſs man
nach dem Klären und Abkühlen kaustische Lauge von 32 bis 30° Tw. erhält. Dieselbe
enthält in 1l 115 bis 100g Gesammtnatron, wovon 90 bis 92 Proc. als
kaustisches Natron, die übrigen 10 bis 8 Proc. noch als kohlensaures Natron
vorhanden sind. Es kommen aber auch Beschickungen vor, welche viel schlechter
kausticirt sind. Wenn irgend angänglich, so ist es vortheilhaft, den Kalkbrei im
Kausticirungskessel noch unter demselben Druck sich absetzen zu lassen. Parnell findet, daſs er dadurch den Kausticirungsgrad
bis auf 95 oder 96 Proc. steigern kann. Es scheint, daſs beim Nachlassen des Druckes
und damit sinkender Temperatur eine Rückbildung stattfindet. Man hat dabei nur die
Unannehmlichkeit, den im Rührwerk festgesetzten Kalkbrei nachher aus dem Kessel
schaffen zu müssen. Nimmt man einen Durchschnittsgehalt der kausticirten Lauge von
110g Gesammt Na2O in 1l und davon ¾ als zur Fabrikation
von Aetznatron nutzbar an, so ergibt sich 1l zu
870g Wasser gerechnet, daſs man für 1t 70procentiges Aetznaton gegen früher weniger als
halb so viel Wasser zu verdampfen hat, daſs man also mit 1,5 bis 2t Kohle auskommt. Parnell verbraucht im Ganzen für 1t
70procentiges Aetznatron 4t,75 Kohle, und zwar
2t,3 Mischkohle, 0t,7 Brennkohle und 1t,75 Kohle zum
Eindampfen und Schmelzen. Sein Apparat liefert in der Woche von 6 Tagen 70t 70procentiges Aetznatron aus 35 Beschickungen.
Zu dem Kalkbrei, welcher auf dem Filterbett zurückbleibt, läſst man noch eine oder
zwei andere Chargen flieſsen, ehe man ihn mit Wasser auswäscht. Derselbe enthält in
dem Zustande, wie er aus den Filterkästen entfernt wird, um dann im
Rohsoda-Schmelzprocesse an Stelle des Kalksteines benutzt zu werden, gewöhnlich etwa
50 Proc. Wasser und bei guter Arbeit nur 2 bis 3 Proc. CaO und höchstens bis 2 Proc.
Na2O. Eine Probe von ausnahmsweise gutem
Kalkbrei aus der Desoto Alkali Company in Widnes vom
Juli 1879 ergab folgende Analyse:
CaCO3
43,60
CaO
2,52
Na2O
0,43
Wasser, Sand u. dgl. (Differenz)
53,45
––––––
100,00.
Die weitere Behandlung der Aetznatronlauge findet sofort in den Schmelzkesseln statt.
Man dampft in denselben ein, bis der Siedepunkt auf 121° gestiegen ist. Dieses
Eindampfen geht unter geringerer Schaumbildung von statten als früher, weil die
Cyanverbindungen schon zum Theil während des Kausticirens zerstört sind, also jetzt
nur noch geringe Ammoniakentwicklung stattfinden kann. Darauf fügt man so viel
Chilisalpeter hinzu, daſs nur noch eine Spur von Schwefelnatrium übrig bleibt, und
dampft weiter ein bis zum Siedepunkt 149°. Nun läſst man abkühlen, wobei die sich
ausscheidenden Salze in ein Sieb fallen, welches sich an den Boden des Kessels
anschmiegt. Nachdem die Lauge kalt geworden ist, schöpft man sie von den Salzen ab,
in einen anderen Kessel über zur directen Darstellung der kaustischen Soda. Das Sieb
aber mit den Salzen wird mittels eines Dampfkrahnes aus dem Kessel gehoben,
abtropfen gelassen, mehr oder weniger mit frischer Lauge gewaschen und zur neuen
Beschickung entleert. Die Salze werden auf Sodaasche verararbeitet. Nur selten hält
man die an Sulfat reichen Salze, welche zuerst ausfallen, von den späteren getrennt,
welche wesentlich Na2CO3 und NaCl enthalten. Man zieht es vor, die Operation des Salzausnehmens
nur einmal zu verrichten und dadurch eine 46 bis 49procentige Sodaasche zu erzielen.
Eine Probe solcher Salze, welche im Juli 1879 aus einer Mutterlauge von kalt 84° Tw.
(1,42 sp. G.) gefischt wurden, enthielt folgende Bestandtheile:
Unlösliches
0,10
Na2CO3
31,38
NaOH
17,60
Na2SO4
17,28
Na2SO3
5,63
NaCl
1,92
Wasser (Differenz)
26,09
––––––
100,00.
Ein Muster von Sodaasche, welche durch Calcinirung ähnlicher Salze gewonnen wurde,
die aus einer Mutterlauge von kalt 94° Tw. (1,47 sp. G.) gefallen waren, ergab im
September 1879 folgende Analyse:
Unlösliches (Sand und Fe2O3)
0,206
Na2CO3NaOH
= 47,178 Proc. Na2O
49,39023,600
Na2S
0,098
Na2SO4
10,093
Na2SO3
9,570
Na2S2O3
0
NaCl
4,738
Na4FeCy6
0
Wasser (Differenz)
2,305
–––––––
100,000.
Die groſse Menge dieser Salze, welche bei Parnell's Proceſs fallen, ist nur dann von
keinem Nachtheil, wenn man schwache Sodaasche verkaufen kann. Während des
Kausticirungsprocesses wird der Gehalt der Lauge an Cyanverbindungen beträchtlich
vermindert (s. S. 52 d. Bd.). Nun hat Parnell in dem
Dampf, welcher bei Beendigung der Operation aus dem Apparat entweicht, Ammoniak
gefunden, und dessen Gewinnung vorgeschlagen. Ob sich auf diese Zersetzung von Cyannatrium eine
Fabrikation von Ammoniak wird gründen lassen, muſs die Zukunft lehren (vgl. S. 145
d. Bd.).
Um den mancherlei Nachtheilen oder Unbequemlichkeiten des Parnell'schen Processes aus
dem Wege zu gehen, hat man neuerdings versucht, Sodalaugen von 27° bis 32° Twaddle
ohne Anwendung von Druck zu kausticiren, in offenen Gefäſsen mit sehr lang
anhaltender Mischung durch Einblasen von Dampf und Luft. Obgleich dieses Verfahren
schon in einigen Fabriken in Widnes mit zufriedenstellendem Resultat befolgt wird,
so trägt es doch noch den Charakter des Experimentirens.
Bei der Analyse des Kalkbreies kommt es wesentlich auf
die Bestimmung von CaCO3, CaO und N2O an, während man dann das Wasser und alle übrigen
Bestandtheile zusammen aus der Differenz findet. Nach Parnell wägt man von dem gut gemengten Kalkbrei drei Portionen von je
10g ab und macht damit folgende Bestimmungen:
1) Man titrirt 10g mit Normalsalpetersäure, bis
alle Kalktheilchen gelöst sind und nach dem Kochen die neutrale Lackmusfarbe
hergestellt ist. Es ist empfehlenswerth, den Kalkbrei vorher durch Zusatz und
Erwärmen mit etwas Wasserstoffsuperoxyd von Sulfiden, Sulfiten und Dithioniten zu
befreien. Angenommen, man verbrauche in dieser Probe für die Gesammtbasis Acc Normalsäure. – 2) Man versetzt 10g mit einer reichlichen Menge Chlorammonium und
kaltem Wasser, um das sich bildende Ammoniak ohne Verlust in Lösung zu behalten,
verdünnt nach vollständiger Umsetzung des CaO in CaCl2 zu 500cc, filtrirt 250cc ab und titrirt dieselben mit
Normalsalpetersäure. Durch diese Probe bestimmt man CaO und Na2O. Angenommen, man habe, für die ganzen 10g Kalkbrei berechnet, Bcc Normalsäure verbraucht. – 3) Man dampft 10g mit kohlensaurem Ammoniak wiederholt zur
Trockne, laugt die Masse mit Wasser aus und filtrirt ab. Dabei geht nur Na2O in Lösung. Statt dieses Verfahrens zieht Jurisch vor, 20g
Kalkbrei abzuwägen, mit Kohlensäure zu übersättigen, zu kochen, bis alle
überschüssige Kohlensäure ausgetrieben, zu 500cc
zu verdünnen, 250cc abzufiltriren und das Filtrat
mit Normalsalpetersäure auf Soda zu titriren.
Angenommen, die aus 10g Kalkbrei erhaltene
Sodalösung erfordere Ccc Normalsäure bis zur
Sättigung, so ergibt sich aus diesen drei Bestimmungen, daſs die genannten
Hauptbestandtheile folgende Mengen Normalsäure beanspruchen:
CaCO3 = (A – B)cc, CaO = (B – C)cc und Na2O = Occ.
Da nun 1cc Normalsäure =
0g,062 Na2O
oder = 0g,056 CaO oder = 0g,100 CaCO3 ist
und man 10g Substanz angewendet hat, so ergibt
sich die procentische Zusammensetzung des Kalkbreies zu:
CaCO3
1,00 (A–B)
CaO
0,56 (B–C)
Na2O
0,62 C
Wasser, Sand, Sulfate u. dgl.
Supplement
––––––––––
100,000.
Es mögen nun noch einige Analysen von kausticirten Laugen nebst dem aus ihnen
gefallenen und gewaschenen Kalkbrei folgen:
28. Juli
13. Aug.
3. Nov.
1879
1879
1879
Twaddle der Lauge
31,5
35,5
310
Kausticirungsgrad
90,7
90,0
91,9
Der Kalkbrei:
CaCO3
38,10
30,70
39,85
CaO
5,82
13,66
6,50
Na2O
0,37
0,50
0,19
Wasser u. dgl.
55,71
55,14
53,46
––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
100,00.
J. Wells in Widnes (Englisches Patent Nr. 3803 vom 22.
September 1879) will zur Herstellung der kaustischen
Alkalien die Carbonate mit Kalk lediglich unter starkem Druck, aber ohne
Erwärmen behandeln. In ähnlicher Weise will J. Menzies
in St. Helens (Englisches Patent Nr. 3804 vom 22. September 1879) die
Alkalicarbonatlösung lediglich unter Druck mit Kalk kausticiren, indem er sie
wiederholt durch eine Schicht Kalk hindurchdrückt.