Titel: | C. A. Caflisch's Differential-Zählwerk; von Emil Vezmar. |
Autor: | Emil Vezmar |
Fundstelle: | Band 239, Jahrgang 1881, S. 429 |
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C. A. Caflisch's Differential-Zählwerk; von Emil
Vezmar.
Mit Abbildungen auf Tafel 36.
Vezmar, über Caflisch's Differentialzählwerk.
Das von C. A. Caflisch, Director der J. J. Rieter'schen
Fabriken in Winterthur, construirte Differentialzählwerk hat im Principe mit der
englischen Construction des Differentialräderwerkes bei Spindelbänken Aehnlichkeit;
bei ersterem ist aber die Combination der Räder und die ganze Anordnung eine andere,
sehr sinnreiche, und man erkennt nur schwer die Verwandtschaft dieser beiden
Mechanismen.
Das Gehäuse dieses in Fig. 1 bis
4 Taf. 36 in ½ n. Gr. dargestellten Differentialzählwerkes besteht aus
einer runden verticalen Scheibe a, welche zwei
concentrische Zargen c und d trägt und mittels der horizontalen Platte b
auf den Cylinderbaum einer Streckmaschine oder einer Spindelbank angeschraubt wird.
Die äuſsere Zarge c dient zum Verschlüsse des
Räderwerkes und zur Führung der an ihrer Innenfläche mit zwei im Durchmesser
ungleich groſsen Zahnkränzen B und D versehenen Radfelge e. Die innere Zarge dient als
Drehzapfen für die an ihrer äuſseren Fläche mit zwei im Durchmesser ungleich groſsen
Zahnkränzen C und E
versehene Felge f. Zwischen den Zahnkränzen B und C und in die Zähne
derselben eingreifend ist an dem inneren Ende der Welle g das Antriebsrädchen A gelagert. Am äuſseren
Ende derselben Welle sitzt ein messingenes Wurmrad HHHJ, welches von einer am Ende eines Streckwerkscylinders sitzenden Schraube,
dessen Touren gezählt
werden sollen, angetrieben wird. Zwischen den Zahnkränzen D und E befindet sich das kleine Stirnrad F, welches mit versenktem Nietenkopf an der
Blechscheibe h drehbar angebracht ist. Diese Scheibe
trägt an der äuſseren Fläche ein rundes, in 100 gleiche Theile getheiltes
Zifferblatt.
Das Zählwerk ist vorn durch eine convexe Scheibe mit aufgebogenem Rande verschlossen.
Behufs solider Führung der Zählscheibe ist zwischen dieselbe und die
Verschluſskapsel ein offener, federnder Ring aus Draht eingelegt. Die Zahnkränze c und d sind aus Guſseisen
und die Kolben A und F aus
Tombak; letztere sind in ihren Dimensionen ganz gleich. Um das Zählwerk im Groſsen
herzustellen, wird Façondraht vom Querschnitte der beiden Räder A und F wie Triebstahl für
Uhrwerke durch Zieheisen gezogen, von welchem man dann auf einer Revolver-Drehbank
die nöthigen Räder abschneidet. Die Welle g des
Getriebes A ist mit demselben ein Stück.
Bei der Untersuchung über das vorliegende Zählwerk gilt mit Rücksicht au/ die
schematische Figur 4
folgende Bezeichnung:
Es bezeichnen: r0, r5, r1, r2, r3 und r4 die Radien der Räder und Zahnkränze A, F, B, C, D bezieh. E;
ebenso seien der Reihe nach z0, z5, z1, z2, z3 und z4 die Zähnezahl dieser
Räder und Zahnkränze; ferner bezeichne t die Theilung
der Räder A, B, C und T
die Theilung der Räder D, E und F; dann seien V und v die Geschwindigkeiten der Theilkreise der Zahnkränze D bezieh. E und r0 sei die Geschwindigkeit eines Punktes des
Theilkreises des Stirnrädchens A; endlich bezeichne
n0 die minutliche Umdrehungszahl des
Antriebrädchens A und n
die minutliche Umdrehungszahl der Zählscheibe.
Rotirt das Antriebrädchen A, so wird
die Felge e mit den Zahnkränzen B und D in derselben, die Felge f mit den Zahnkränzen C
und E in der entgegengesetzten Richtung gedreht. Die
Geschwindigkeiten der Theilkreise der Zahnkränze B und
C sind jener des Theilkreises des Kolbens A gleich. Die Theilkreise der Zahnkränze D und E rotiren aber mit
unter einander verschiedenen Geschwindigkeiten, welche sich folgendermaſsen
berechnen:
Es verhält sich nämlich V:v_0=r_3:r_1 und
v:v_0=r_4:r_2, woraus folgt:
V=\frac{r_3}{r_1}\,v_0 . . . .
(1) und v=\frac{r_4}{r_2}\,v_0 . . . . (2)
Berücksichtigt man ferner die Relationen:
\frac{r_3}{r_1}=\frac{Tz_3}{tz_1} und \frac{r_4}{r_2}=\frac{Tz_4}{tz_2}
und setzt diese Werthe in die Gleichungen (1) und (2)
ein, so erhält man:
V=\frac{Tz_3}{tz_1}\,v_0=\frac{z_3}{z_1}\,\left(\frac{T}{t}\,v_0\right)
. . .
(3) und v=\frac{Tz_4}{tz_2}\,v_0=\frac{z_4}{z_2}\,\left(\frac{T}{t}\,v_0\right)
. . . (4)
Die Ausdrücke für die Geschwindigkeiten haben also den Factor
\frac{T}{t}\,v_0 gemeinschaftlich. Das Verhältniſs dieser
beiden Geschwindigkeiten hängt somit lediglich von der Gröſse der Quotienten
\frac{z_3}{z_1} und \frac{z_4}{z_2}
ab.
Im vorliegenden Falle ist:
\frac{z_3}{z_1}=\frac{56}{59}>\frac{z_4}{z_2}=\frac{37}{39}
und folglich ist auch V>v. Das Rad F
wird also von zwei den Theilkreis desselben tangirenden, entgegengesetzt wirkenden
und an den Enden eines Durchmessers angreifenden Kräften getrieben, deren
Geschwindigkeiten ungleich sind. Es wird sich in Folge dessen das Rad F nicht nur um seine Achse drehen, sondern auch, wie
dies später
umständlicher erwiesen wird, im Kreise um den Mittelpunkt O des ganzen Systemes bewegen. Da nun die Differenz zwischen V und v sehr klein ist und
bei Reibungsrädern beliebig klein gedacht werden kann, so leuchtet ein, daſs die
Umsetzung ins Langsame vom Antriebrädchen A auf die
Zählscheibe eine sehr groſse sein wird.
Zur Ermittelung der Geschwindigkeit der Achse des Rades F um den Mittelpunkt O sei
die Aufgabe in 3 Fälle aufgelöst: 1) Man denke sich den Zahnkranz B beseitigt, so zwar daſs der Zahnkranz D bei der Drehung des Rades A in Ruhe verbleibt. Wird nun der Kolben A in
einer der Uhrzeigerbewegung entgegengesetzten Richtung gedreht, so werden sich die
beiden Zahnkränze C und E
um den Mittelpunkt O in positivem Sinne bewegen. Weil
nun der Zahnkranz E mit dem Rade F im Eingriffe steht, so wälzt sich das letztere an der
Innenfläche des durch den Zahnkranz D gebildeten
Theilcylinders ab. Die Geschwindigkeit des Mittelpunktes des Rades F um den Punkt O sei mit
c1 bezeichnet.
2) Angenommen, der Zahnkranz C sei
entfernt, so daſs der Zahnkranz E bei der Drehung des
Kolbens A in Ruhe verbleibt. Wird nun der letztere im
negativen Sinne gedreht, so werden die beiden Zahnkränze B und D um den Mittelpunkt O in demselben Sinne rotiren und vermöge des Eingriffes
des Zahnkranzes D in das Rad F wird sich dieses an der Auſsenfläche des durch den Zahnkranz E gebildeten Theilcylinders abwälzen. Die
Geschwindigkeit des Mittelpunktes des Rades F um den
Mittelpunkt O heiſse c2.
3) Stelle man sich vor, daſs die beiden Bewegungen, welche im 1.
und 2. Falle einzeln behandelt wurden, jetzt gleichzeitig stattfinden. Bei dieser
combinirten Bewegung wird nun der Zahnkranz E das
Bestreben haben, das Rad F mit der Geschwindigkeit c1 nach rechts, der
Zahnkranz D das Bestreben, das Rad F mit der Geschwindigkeit c2 nach links zu bewegen. Da nun diese
beiden Geschwindigkeiten auf einen Punkt und zwar in entgegengesetzter Richtung
wirken, so ist ihre Resultirende gleich der Differenz der Geschwindigkeiten c2 und c1, d.h.
c=c_2-c_1 . . . . . . . (5)
Im vorgedachten ersten Falle bewegt sich der Zahnkranz D nicht, weil der Zahnkranz B fehlt; der Zahnkranz E rotirt mit der
Umfangsgeschwindigkeit v im positiven Sinne. Denkt man
sich für einen Augenblick auch den Zahnkranz D
beseitigt, das Rad E mit F
zusammenfallend und den Mittelpunkt des letzteren mit der Geschwindigkeit c1 um den Mittelpunkt
O herumgeführt, so bewegen sich die Punkte α und β mit verschiedenen
Geschwindigkeiten, welche mit cα und cβ bezeichnet sein mögen. Da α und β in Durchschnitten des Theilkreises des Kolbens F mit dem radialen Strahle Oo liegen, so berechnen sich ihre Geschwindigkeiten folgendermaſsen. Es
verhält sich:
c_{\alpha}:c_1=r_4:\frac{r_3+r_4}{2}
und c_{\beta}:c_1=r_3:\frac{r_3+r_4}{2} woraus folgt:
c_{\alpha}=\frac{2\,r_4}{r_3+r_4}\,c_1
. . . (6) und c_{\beta}=\frac{2\,r_3}{r_3+r_4} . . .
(7)
Denkt man sich die Radfelge D wieder
verzahnt und die Achse des Rades F um den Punkt O wieder mit der Geschwindigkeit c1 herumgeführt, so
wird sich dasselbe mit der Peripheriegeschwindigkeit cp um seine eigene Achse drehen. Diese
Geschwindigkeit ist im Punkte β der Geschwindigkeit
cβ gleich und entgegengesetzt, im Punkte
α addirt sie sich zu der Geschwindigkeit cα und gibt die
Peripheriegeschwindigkeit des Zahnkranzes E, welche
gleich v ist. Es ist somit:
c_p=c_{\beta} . . . . (8) und
c_{\alpha}+c_p=v . . . . (9)
Setzt man in die letzte Gleichung die Werthe für cα und cp aus den Gleichungen
(6) bis (8) ein, so hat man schlieſslich 2c1 = v oder:
c_1=\frac{v}{2} . . . . . . . (10)
Im zweiten Falle bewegen sich die Zahnkränze C und E nicht; der
Zahnkranz D rotirt mit der Peripheriegeschwindigkeit
V im negativen Sinne. Durch eine ganz ähnliche Entwicklung-
findet man auch hier für die Geschwindigkeit c2 die Gleichung:
c_2=\frac{V}{2} . . . . . . . (11)
Substituirt man die Werthe für a, und c2 in der Gleichung (5), so hat
man:
c=1/2\,(V-v) . . . . . (12)
Bekanntlich ist:
60\,v_0=2\,r_0\pi\,n_0=t\,z_0\,n_0
und
60\,c=2\,\frac{r_3+r_4}{2}\,\pi\,n=\frac{T\,(z_3+z_4)}{2}\,n.
Hieraus folgt:
v_0=\frac{t\,z0\,n_0}{60} und
c=\frac{T\,(z_3+z_4)}{2\times 60}\,n.
Setzt man die Werthe für c
und v0, dann die
Ausdrücke für V und v aus
(3) und (4) in die Gleichung (12) ein, so erhält man nach entsprechender
Umwandlung:
n=n_0\,\frac{z_0}{z_3+z_4}\,\left(\frac{z_3}{z_1}-\frac{z_4}{z_2}\right)
. . . . (13)
als den Ausdruck für die Tourenzahl der Zählscheibe,
wenn das Antriebrädchen A in derselben Zeit n0 Umdrehungen
macht.
Für die numerische Berechnung der Umsetzungszahl muſs man die
letzte Formel folgendermaſsen umgestalten:
n=\frac{n_0\,z_0\,(z_3\,z_2-z_4\,z_1)}{z_1\,z_2\,(z_3+z_4)}
. . . . . (14)
Das vorliegende Zählwerk hat folgende Zähnezahlen:
z_0=9,\ z_1=59,\ z_2=39,\ z_3=56,\ z_4=37 und
z_5=9. Mit Zugrundelegung dieser Zahlen ergibt sich
z_2\,z_3=2184 und z_1\,z_4=2183, folglich
z_2\,z_3-z_1\,z_4=1.
Substituirt man auch die anderen Zähnezahlen in der Gleichung
(14), so hat man n=\frac{n_0}{23777}. Ist n=1
dreht sich die Zählscheibe einmal um ihre Achse, so ist die Tourenzahl des Wurmrades
H, welches 33 Zähne hat:
n_0=23777. Dies ist diejenige Zahl, mit welcher der
Vorspinnmeister bei der Berechnung des Lohnes der Arbeiterinnen zu thun hat, wobei
er das Zählwerk selbst gar nicht zu verstehen braucht.
Für die Berechnung der Zähnezahlen der beiden Räder A und F müssen folgende
Relationen stattfinden: z_0=1/2\,(z_1-z_2) und
z_3=1/2\,(z_3-z_4). Nach diesen Formeln ist
z_0=10 und z_5=9,5.
Da bei dem ausgeführten Differentialzählwerke das Zahnrad F 9 Zähne und der Antriebkolben A gleichfalls nur 9 Zähne hat, so müssen die gegebenen Theilungen auf
einer kürzeren Peripherie aufgetragen und somit die Durchmesser dieser Räder kleiner
genommen werden. In Folge dessen berührt namentlich der Theilkreis des Kolbens A die Theilkreise der Zahnkränze B und C nicht. Diese
Ungenauigkeit ist aber in diesem Falle ohne Belang. Da die Theilung der Getriebe A und F auch gleich sein
kann, so macht man dieselben gleich groſs und stellt sie aus demselben Façondrahte
her.