Titel: | Ueber Bereitung des Bragabieres; von C. O. Cech. |
Autor: | C. O. Cech |
Fundstelle: | Band 240, Jahrgang 1881, S. 235 |
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Ueber Bereitung des Bragabieres; von C. O.
Cech.
Cech, über Bereitung des Bragabieres.
Seit undenklichen Zeiten wird in Ruſsland aus Getreide (Gerste, Korn, Weizen) und
Hopfen von den Bauern ein Bier erzeugt, welches man Bragabier (Dünn–, Haus- oder
Bauernbier, russisch braga-piwo) nennt. Diese Braga-
oder
Hausbierfabrikation war noch zur Zeit des Heidenthums in ganz Ruſsland und bei den
alten Slaven verbreitet (vgl. Nestor: Der Friedenstraktat
zwischen Russen und Bulgaren vom J. 955). Das Bragabier wird heute
traditionell noch ebenso mit Auſserachtlassung aller Erfahrungen in der Mälzerei und
Brauerei dargestellt, wie seit alten Zeiten, und wer sich davon überzeugen wollte,
was für ein Bier unsere Vorfahren einstens in Ruſsland, Polen, Böhmen und
Deutschland getrunken haben, kann an der Hand dieser Vorschrift ein Product
erhalten, das in Farbe, Geschmack und seinen physiologischen Wirkungen mit dem im
Alterthum gebrauten Biere identisch sein muſs.
Die Bragabierfabrikation Ruſslands belauft sich jährlich auf beiläufig 20 Mill. Wedro
(zu 12l,299), welche keiner Steuer unterliegt.
Nach meinen in dieser Richtung gesammelten Erfahrungen läſst sich die Menge des in
Ruſsland gebrauten Dünnbieres, trotz des Mangels an statistischen Daten, leicht und
nahezu genau bestimmen. Das Bragabier braut in Ruſsland nur die christliche
Bevölkerung russischer und theilweise auch polnischer Nationalität. Das Bragabier
wird in jedem Dorfe und in jedem von einer Familie bewohnten Hause 2mal im Jahre, im
Frühjahre und Herbste, entweder an den beiden Nikolaj-Tagen oder an anderen zwei
Kirchweihfesten des Jahres bereitet. Da die Fabrikation des Bragabieres von den
üblichen Kesseln, Kufen, Bottichen und Fässern abhängt, so ist auch die Menge des
stets auf einmal gebrauten Bieres überall traditionell dieselbe geblieben. Man braut
durchschnittlich für jedes Haus und Familie jährlich 30 Wedro, die während der
wenigen Festtage genossen werden. Eine während des ganzen Jahres als Gewerbe
betriebene Bragabierfabrikation besteht nicht, sondern sie ist als nationales
Hausgewerbe nur auf zwei kurze Zeiträume des Jahres beschränkt.
Die Maſse, deren man sich zur Bereitung des Bragabieres bedient, sind überall
dieselben. Um 25 Wedro Bier zu erhalten, nimmt man auf 1 Kul (Getreidesack) Malz, 1
Pud (40 Pfd.) Malzschrot, 3 Pfund (zu 409g,5)
kultivirten Garten- oder 5 Pfund wilden oder Wald-Hopfen und beiläufig 30 Wedro
Wasser. Sämmtliches Malz wird in eine Holzkufe gethan, dazu wird 1 Pud Malzschrot
zugefügt und darauf 30 Wedro siedendes Wasser gegossen. Das Sieden geschieht auf
offenem Feuer, das Erwärmen aber mittels glühend gemachter Kieselsteine, welche die
Stelle von Dampfschlangen versehen müssen. Zu diesem Behufe werden groſse
Kieselsteine in der Holzglut heiſs gemacht und in die Kufe zur Würze gegeben, welche
man nach und nach erkalten läſst. Während dem wird der Hopfen im Kessel gekocht und
eine zweite Kufe in folgender Weise zubereitet. Ueber einen Trog wird eine Holzkufe
aufgestellt, in deren Boden eine Oeffnung durchgebohrt ist, welche durch einen
senkrecht stehenden Stab dicht verschlossen werden kann. Der Stab wird mit reinem
Stroh umwickelt und solches auch am Boden der Kufe ausgebreitet. Nun wird der
abgebrühte Hopfen auf das Stroh in die Kufe geschüttet und sowohl die dickflüssige
Würze, als auch das siedende Wasser in die Kufe gegossen. Darauf hin wird der
Holzstab herausgezogen und die gehopfte Würze flieſst, durch das Stroh filtrirt, in
den unterstehenden Trog, wird im Kessel abermals erwärmt, noch einige Mal mit dem
Hopfen in Berührung gebracht und so lange filtrirt und erhitzt, bis man eine
hinreichend aromatisch riechende und dünne Flüssigkeit erhalten hat. Hierauf wird 11
Hefe genommen, mit 4 Wedro heiſsen Wassers verdünnt und in die Würze gegossen. Ist
diese nicht hinreichend warm, so werden heiſse Kieselsteine in die Holzkufe
geworfen. Darauf hin wird der Gährbottich mit Stroh- oder Rohrmatten bedeckt und
während 2 Stunden der Gährung überlassen. Dann wird das fertige Bier in Fässer
abgezogen und an einem kühlen Orte der Gährung überlassen, wobei die Hefe durch das
Spundloch entweicht. Nach 2 oder 3 Tagen wird das Spundloch fest zugeschlossen und
mit einem aus Holzasche oder Mehl bereiteten Teig zugeschmiert. Wo es an Fässern
mangelt, dort läſst man das Bier in offenen Bottichen gähren. Wenige Tage danach
wird das noch nicht ausgegohrene, trübe, bittere, an Extract reiche Bier
genossen.
Wird ein Fäſschen solchen Bieres einige Zeit in Heu vergraben und ruhig stehen
gelassen, so pflegt das Bier nicht nur vollkommen geklärt, sondern auch genieſsbarer
zu sein, obwohl es sehr häufig vollkommen sauer wird, oder selbst die Gefäſse bersten.
Durch Aussüſsen der Treber bekommt man noch eine sehr verdünnte Brühe, die vergohren
„Menschutki“ genannt wird. Die Treber sammt dem übrig gebliebenen
Hopfen werden manches Mal dem Vieh verfüttert, gewöhnlich jedoch mit Teig zu Brod
verbacken und dieses dann zur Bereitung von „Kwas“ verwendet.
Früher sammelte man in den Dörfern die bei der Hausbierfabrikation gewonnene Hefe,
welche nach den Städten befördert wurde; seitdem jedoch die Preſshefenfabrikation
überhand genommen hat, findet sich nur selten Nachfrage nach der bei der
Bragabierfabrikation erhaltenen Hefe.
Das Malz wird auf den Dörfern ebenfalls in äuſserst primitiver Weise erzeugt. Die
Gerste wird zuerst in Säcken gequellt, dann auf dem Boden der Scheunen 75mm hoch aufgeschichtet, mit Schilfmatten bedeckt,
mit Händen durchgearbeitet und gewendet, schlieſslich im Backofen oder in der
Getreidedarre getrocknet. Grob geschrotet kommt dieses Malz zur Verwendung.