Titel: | Mülhauser Bestrebungen und Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter. |
Autor: | A. L. |
Fundstelle: | Band 240, Jahrgang 1881, S. 360 |
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Mülhauser Bestrebungen und Vorrichtungen zum
Schutz der Arbeiter.
Mit Abbildungen auf Tafel 30.
Bestrebungen und Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter
In Mülhausen im Elsaſs besteht bekanntlich (vgl. 1871 201 * 195. 1872 204 439. 1874
212 * 292. 1875 216 * 25.
217 * 453. 1880 236 * 466)
in Verbindung mit der
„Société industrielle de Mulhouse“ ein Verein, welcher es sich zur
Aufgabe gemacht hat, so viel als möglich auf Verminderung der Unfälle in
industriellen Anlagen hin zu arbeiten. Ein Inspector überwacht die dem Verein
beigetretenen Fabriken und Werkstätten. Aber damit noch nicht genug; der Verein
veröffentlicht die besten, bewährten Schutzvorrichtungen und gibt zur Belehrung der
Leiter, Werkführer und Arbeiter Vorschriften über die Wartung der Maschinen heraus.
Die Thätigkeit des Vereines erstreckt sich zur Zeit hauptsächlich über Spinnereien
und Webereien, für welche bis jetzt folgende „Vorschriften“ erlassen oder in
Vorbereitung sind. Vorschriften über die Wartung: 1) der Transmission, 2) der
Schlagmaschinen, 3) der Karden, 4) der Strecken und Vorspinnmaschinen, 5) der
Spinnmaschinen. Welche segensreichen Folgen dieses Vorgehen bei allseitiger
Unterstützung haben kann, erhellt am besten aus dem sich über die Zeit vom 1.
September 1879 bis 30. April 1880 erstreckenden Bericht des Inspectors des Vereines,
Ingenieur Wolffhügel, über 27 ihm zur Anzeige gebrachte
Unfälle. Derselbe sagt, daſs von diesen 27 Unfällen 21 hätten vermieden werden
können und zwar 15, wenn die Arbeiter sich streng an die vom Verein herausgegebenen
Vorschriften gebunden hätten; 5, wenn Schutzvorrichtungen vorhanden oder die
vorhandenen vollkommen gewesen wären; 1, wenn die Nachbarin der betroffenen
Arbeiterin sich an die Vorschriften gebunden hätte und die Maschine mit
Schutzvorrichtung versehen war.
Der Mülhauser Gesellschaft gebührt die wohl kaum zu bestreitende Ehre, die erste
ihrer Art zu sein. Das Unternehmen verdient in hohem Grade die Beachtung aller
industriellen Kreise. Es sei gestattet, eine der erlassenen und im Bulletin de Mulhouse, 1881 S. 37 veröffentlichten
Vorschriften hier zu bringen.
Vorschrift für die Wartung der Schlag- und ähnlichen
Maschinen.
Zur Beachtung: Die fast immer sehr
schweren Unfälle an Oeffnern, Schlagmaschinen, Lumpen- und Abfallwölfen rufen, da
sie bei Beobachtung einiger einfachen, leicht zu erfüllenden Vorschriften vermieden
werden können, um so lautere Klagen hervor. Nachstehende Vorschriften werden
Meistern und Arbeitern aufs wärmste zurznr strengen Nachachtung empfohlen, um Unglücksfälle, an deren traurigen
Folgen eine groſse Zahl derselben leidet, in Zukunft zu vermeiden.
Bestimmung 1: Das Schmieren der Oeffner, Schlagmaschinen, Wölfe u.
dgl. hat immer während des Stillstandes der Maschinen zu erfolgen und ist während
des Ganges streng untersagt. Bemerkt ein Arbeiter das Warmlaufen irgend eines
Theiles, so hat er den Meister oder den mit der speciellen Beaufsichtigung betrauten
Arbeiter zu benachrichtigen, welchen allein das Schmieren während des Ganges
zusteht.
Bestimmung 2: Die Maschine darf nicht eher in Gang gesetzt werden,
bis die während des Stillstandes etwa abgenommenen Schutzdeckel über den Zahnrädern
und die anderen vorhandenen Schutzvorrichtungen wieder angebracht sind. – Vor dem
Anstellen einer Schlag – oder ähnlichen Maschine haben sich die Wärter zu
versichern, daſs für keine Person Gefahr vorhanden, und haben, um das Angehen
anzukündigen, laut „Achtung“ oder irgend ein anderes Wort zu rufen.
Bestimmung 3: Während des gewöhnlichen Ganges der Schlagmaschinen
und so lange, als die Flügel nach dem Ausrücken noch
laufen, ist ganz besonders untersagt: 1) Zahnräder und die verschiedenen anderen
Mechanismen zu reinigen; 2) Schutzvorrichtungen zu entfernen; 3) Deckel über den
Schlag-Hügeln und Siebtrommeln, die sich etwa über den Zuführwalzen befindenden
Deckel und die Deckel, durch welche man in das Innere der Siebtrommeln gelangen
kann, zu öffnen; 4) die Staubkammern unter den Schlagflügeln zu reinigen; 5) die
Roste unter den Schlagflügeln mit der Hand zu reinigen; 6) die Druck- oder
Kalanderwalzen zu reinigen.
Alle diese Arbeiten dürfen nur bei völligem Stillstande der
Maschinen, und nachdem die Ausrücker sicher festgestellt sind, vorgenommen werden. –
Um die Maschinen während des Ganges abzustäuben, bediene man sich eines
Handbesens.
Bestimmung 4: Um die Watte um die leere Wickelspille zu legen,
verfahre man folgendermaſsen. Nach Entfernung des vollen Wickels legt man die leere
Spille ein und rückt die Zuführung der Maschine ein. Die Watte rollt man mit der
flachen Hand um die Spille und läſst erst, nachdem dies
geschehen, die Druckwalze nieder.
Bestimmung 5: Es ist streng untersagt, so lange die Schlagflügel
nach dem Ausrücken der Maschine noch laufen, irgend eine Riemenscheibe mit den
Händen zu bremsen, um die Maschine rascher zum völligen Stillstand zu bringen.
Bestimmung 6: Den Arbeitern an den Schlagmaschinen ist streng
verboten, sich mit den Treibriemen zu schaffen zu machen. Arbeiten daran hat nur der
Meister oder der mit Ueberwachung der Riemen und Transmission Betraute
vorzunehmen.
Bestimmung 7: Kein Arbeiter, der nicht an der Schlagmaschine
beschäftigt und auf dieselbe eingelernt ist, darf irgend welche Arbeit daran
vornehmen, wenn nicht etwa ein Unglücksfall oder ein die Sicherheit der Maschine und
Umgebung gefährdender Gang das Ausrücken nothwendig macht.
Bestimmung 8: Das Tragen von nicht eng anliegender Kleidung ist
untersagt, ebenso das Wechseln der Kleidung und das Haarmachen neben der in Gang
befindlichen Maschine.
Bestimmung 9: Den Arbeitern wird empfohlen, dem Meister und Leiter
sogleich Meldung zu machen, wenn eine Störung eintritt, durch welche ein Unfall
herbeigeführt werden kann. Meister und Leiter sind sofort zu rufen, wenn ein Unfall
eintritt, oder etwas Auſsergewöhnliches vorkommt.
Diesen Bestimmungen dürfte kaum noch etwas hinzuzufügen sein.
Dieselben sind auf kleine Blätter gedruckt worden, um sie an die Arbeiter vertheilen
zu können und auf groſse zum Anschlagen in den Arbeitsräumen bestimmte Zettel.
(Aehnliche Vorschriften für verschiedene Spinnereimaschinen u.a. hat der Technische Verein in Augsburg i. J. 1871 erlassen.
D. Red.)
Im Anschluſs hieran enthält das Bulletin 1881 S. 39 einige kurze Berichte über mehrere in Mülhauser
Anlagen verwendete Sicherheitsvorrichtungen. Zunächst sei hier erwähnt eine
Verbesserung des bereits in D. p. J. 1880 236 * 466
besprochenen Sicherheitsapparates für Platt'sche
Selfactoren, welcher ein Ingangsetzen der Maschine nur unter Mithilfe des
Spulenaufsteckers geschehen läſst. Dieser ist dadurch vor Unfällen geschützt, die
zuweilen eintraten, wenn der Spinner den Selfactor einrückte, bevor der zur Vornahme
irgend welcher Arbeiten in die Maschine getretene Aufstecker dieselbe verlassen hat.
Die Stange L (Fig. 1 Taf.
30) steht mit dem Riemengabelhebel in Verbindung. Wird der Riemen auf die
Leerscheibe geworfen, so fällt der Ausschnitt E in die
Krampe S ein und die Klinke G legt sich ein, wodurch es dem Spinner allein unmöglich gemacht wird, die
Maschine einzurücken. Soll dies geschehen, hebt der Aufstecker die Klinke C und dann die Stange L
aus, worauf der Spinner vom vorderen Headstockende aus einrücken kann. Die
beschriebene Einrichtung rührt von P. Baudouin in
Mülhausen her und ist von Wolffhügel nach Fig.
2 und 3 verändert
worden, um die Handhabung der Sicherung während des Justirens des Selfactors,
welches ein häufiges An- und Abstellen nothwendig macht, zu erleichtern. Der
Ausschnitt E sitzt an der Oberseite der Stange L, welche durch die Klinke C während des Stillstandes gesperrt wird. Der Aufstecker hat jetzt nur die Klinke C auszuheben, um das Einrücken möglich zu machen.
Ein weiterer kleiner Bericht behandelt einen selbstthätigen Thürverschluſs für den Fahrschacht eines
Aufzuges, ausgeführt von Ph. J. Biedermann.
Der durch Fig. 4 und
5 Taf. 30 dargestellte Aufzug verbindet 2 Stockwerke mit einander. Der
Verschluſs der unteren Thür ist so angeordnet, daſs dieselbe nur dann geöffnet
werden kann, wenn der Fahrstuhl in tiefster Lage in Ruhe steht. Man denke sich den
Fahrstuhl unten und die Thür P offen, so wird dieselbe
geöffnet gehalten durch den zweiarmigen, hinter den Haken C einfallenden Hebel L. Steigt der Fahrstuhl
auf, so löst nach etwa 20cm Hub die Klinke D den Hebel L aus und die
Thür schlägt unter Wirkung der Feder F zu. Die Klinke
D ist so angebracht, daſs sie bei Niedergang der
Bühne über den Hebel L hinweggleitet. An der Innenseite
der Thür P sitzt ein zweiarmiger Hebel B, welcher beim Zuschlagen der Thür hinter den
Schlieſshaken E einfällt. Ein Oeffnen der Thür ist erst
dann wieder möglich, wenn die Nase H beim Niedergang
des Fahrstuhles den Hebel B ausgehoben hat. Wird das
selbstthätige Schlieſsen der Thür nicht durch irgend welche Einflüsse verhindert, so
ist die untere Einsteigöffnung des Fahrschachtes als völlig gesichert zu betrachten,
vorausgesetzt, daſs während des selbstthätigen Schlusses der Thür keine Person in
deren Bereich ist. Fällt die Thür einigermaſsen gewaltsam zu, so könnte eine von
derselben getroffene Person an oder auf den aufsteigenden Fahrstuhl geworfen und
dadurch ernstlich gefährdet werden. – Der Verschluſs der oberen Einsteigöffnung
geschieht auf die gewöhnliche Weise durch eine vom aufgehenden Fahrstuhl geöffnete,
beim Niedergehen sich selbst schlieſsende Thür Q.
A. L.