Titel: | Zur Wahl der Dampfkessel-Bauarten. |
Autor: | Whg. |
Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 245 |
Download: | XML |
Zur Wahl der Dampfkessel-Bauarten.
Mit Abbildungen.
Rochow, zur Wahl der Dampfkessel-Bauarten.
Unter diesem Titel veröffentlicht Ingenieur Rochow in
Offenbach a. M. im Gewerbeblatt für das Groſsherzogthum
Hessen, 1881 S. 105 einige beachtenswerthe Thatsachen über die
Reparaturbedürftigkeit der verschiedenen Dampfkesselarten. Sehr werthvoll ist
zunächst die folgende statistische Tabelle, welche die Zahl der Dampfkessel, welche
in den letzten 6 Jahren
dem Offenbacher Dampfkessel-Ueberwachungsverein angehörten, sowie die Zahlen der
gröſseren Reparaturen und den beziehungsweisen Procentsatz angibt. Die Kessel sind
in die folgenden 5 Gruppen eingetheilt: 1) Kessel mit Siederohren (Vorwärmer) und
Zwischenfeuerung. – 2) Walzen-, Flammrohr- und
Siederohrkessel mit Unterfeuerung. – 3) Flammrohrkessel
mit Innenfeuerung. – 4) Feststehende Röhrenkessel. 5)
Locomobilkessel auf Rädern.
Jahr
Kesselzahlim Ganzen
1
2
3
4
5
Anzahl
Repara-turen
Anzahl
Repara-turen
Anzahl
Repara-turen
Anzahl
Repara-turen
Anzahl
Repara-turen
im Ganzen
in Proc.
im Ganzen
in Proc.
im Ganzen
in Proc.
im Ganzen
in Proc.
im Ganzen
in Proc.
1875
379
201
27
13,4
73
6
8,2
48
3
6,2
29
–
–
19
3
15,7
1876
462
218
24
11,0
82
7
8,5
59
2
3,3
50
–
–
24
1
4,1
1877
528
253
25
9,8
92
6
6,5
62
2
3,2
65
4
6,1
32
2
6,2
1878
540
236
15
5,9
86
4
4,6
66
–
0
71
–
–
24
1
4,2
1879
566
265
21
7,9
92
11
11,9
76
4
5,2
79
3
3,7
37
2
5,4
1880
623
255
34
13,3
93
3
3,2
89
4
4,4
84
1
1,1
48
2
4,1
Im Mittel
10,2
7,1
3,7
1,8
6,6
Die Tabelle zeigt, daſs die gewöhnlichen einfachen
Vorwärmkessel mit Zwischenfeuerung, welche wohl nicht in Hessen allein noch sehr
beliebt sind, den bei weiten gröſsten Procentsatz an Reparaturen aufweisen,
während die immer noch mit vielen Vorurtheilen betrachteten Röhrenkessel der
wenigsten Ausbesserungen bedurften. Nähere Angaben über die Art der
Röhrenkessel fehlen leider.
Als Ursachen der Reparaturen, besonders bei den unter 1 genannten Kesseln, werden die
folgenden aufgeführt: a) Die unteren Theile der Kessel sind an den mit Mauerwerk in
Berührung stehenden Flächen durch Feuchtigkeit angerostet. Diesem Uebelstand kann
durch Einlegen von Bleiplatten, Glas o. dgl. zwischen Kessel und Mauerwerk
abgeholfen werden. – b) Die im letzten Feuerkanal liegenden Siederohre (Vorwärmer)
sind theils durchweg, theils an den Nieten Verbindungen von auſsen angerostet. – c)
An den kälteren Theilen, besonders in den Siederohren (Vorwärmern) in der Nähe der
Speisewasser-Einführung sind die Kessel innerhalb in Form kleiner Grübchen
angerostet.
Diese beiden Miſsstände werden von dem Berichterstatter, wohl nicht mit Unrecht,
hauptsächlich dem bei Vorwärmkesseln immer angewendeten und so sehr gerühmten
Gegenstromprincip zur Last gelegt. Die im letzten Feuerzuge liegenden Kesseltheile,
in welche das kalte Speisewasser eingeführt wird, sind häufig so kühl, daſs die in
den Heizgasen enthaltenen Wasserdämpfe an den Kesselwänden condensiren. Enthalten
die Heizgase dann noch etwas schweflige Säure, so kann das Rosten nicht ausbleiben.
Sind auſserdem die Nietverbindungen im letzten Zugkanal nicht ganz dicht, so ist es leicht
erklärlich, wenn das Blech schon nach zwei Betriebsjahren durchgerostet ist. Die
innere Corrosion, welche in der Form groſserer und kleinerer Grübchen erscheint,
wird darauf zurückgeführt, daſs in den kälteren Kesseltheilen, in welchen das Wasser
nur wenig Bewegung hat, die aus dem Speisewasser bei der Erwärmung ausscheidende
Luft sich in kleinen Bläschen an hervorragende Unebenheiten des Bleches,
vorzugsweise an die Nietköpfe festsetzt und durch ihren Sauerstoffgehalt die
Corrosion herbeiführt (vgl. F. Fischer 1878 230 42).
Textabbildung Bd. 241, S. 247
Um diesen unter b und c
genannten Uebelständen abzuhelfen, wird die zuerst von Prof. v. Reiche angegebene Einmauerung empfohlen, welche mit einigen
Aenderungen, die sich als zweckmäſsig herausgestellt haben, hier dargestellt ist.
Durch diese Einmauerung, bei welcher die in Zickzackwindungen geführten Feuer gase
zum gleichzeitigen Bestreichen des Hauptkessels und des Vorwärmers gezwungen werden,
soll der groſse Unterschied in der Temperatur des Wassers im Hauptkessel und im
Vorwärmer ausgeglichen, die Dampfbildung im letzteren befördert und dadurch eine
lebhaftere Bewegung des Wassers herbeigeführt werden. Es wird in diesem Falle auch
der im letzten Feuerzuge liegende Theil des Vorwärmers nicht so kalt sein, daſs sich
die Wasserdämpfe der Heizgase an ihm niederschlagen könnten. Bei einer gröſseren
Anzahl Kessel, welche in den letzten Jahren nach der erwähnten Methode eingemauert
wurden, soll sich dieselbe sehr gut bewährt haben; das Anrosten des Bleches hat bei
denselben vollständig aufgehört.
Endlich d) die Feuertafeln (über dem Rost) bei Kesseln mit Zwischen- und
Unterfeuerung zeigen Ausbauchungen, Risse und Blasen. Dies erklärt der Referent
dadurch, daſs die lebhafte Dampfentwickelung über der Feuertafel eine ebenso
lebhafte Strömung des Wassers dahin veranlaſst, so daſs sich dort Schlamm,
Kesselsteinsplitter, Fett u. dgl. in Klumpen anhäufen und den Zutritt des Wassers
zum Bleche verhindern. Es wird deshalb empfohlen, den Rost mindestens 60cm von dem Kessel entfernt zu legen, unter Hinweis
darauf, daſs es in Amerika üblich ist, bei ähnlichen Kesselarten den Abstand zwischen
Kessel und Rost 1m und darüber zu nehmen. Daſs die
beliebten Kessel mit Zwischenfeuerung auch keine gröſsere Sicherheit gegen
Explosionsgefahr gewähren als andere, hat eine im September 1879 in Oppenheim an
einem solchen Kessel in Folge von Wassermangel stattgefundene Explosion von neuem
bewiesen.
Angesichts dieser Thatsachen dürfte es rathsam sein, bei der Wahl der Dampfkessel
neben dem ökonomischen Betrieb auch die Dauerhaftigkeit der Kessel mehr als bisher
ins Auge zu fassen, da eine einzige gröſsere Reparatur oft mehr kostet, als in
Jahren an Kohlen gespart sein mag. Ganz besonders dürften die Angaben Veranlassung
geben, den noch so viel geschmähten Röhrenkesseln, wie auch den Flammrohrkesseln mit
Innenfeuerung mehr Beachtung als bisher zu schenken.
Whg.