Titel: | Ueber Neuerungen an Fangvorrichtungen. |
Autor: | S–l. |
Fundstelle: | Band 241, Jahrgang 1881, S. 265 |
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Ueber Neuerungen an
Fangvorrichtungen.
Mit Abbildungen auf Tafel 21.
Ueber Neuerungen an Fangvorrichtungen.
Um auch in denjenigen Schächten, in welchen nach dem Vorgange von
englischen und belgischen Gruben sowie von St. Etienne die Leitung für die
Schachtfördergefäſse nicht aus hölzernen oder eisernen Bäumen oder Schienen, sondern
lediglich aus angespannten Drahtseilen hergestellt ist,
bei eintretenden Brüchen der Förderseile ein Fortgehen der Gestelle zu verhüten, hat
Heinr. Solfrian in Beerendorf bei Bochum (* D. R.
P. Kl. 5 Nr. 4048 vom 26. Juli 1879) eine Fangvorrichtung construirt, welche in Fig.
1 und 2 Taf. 21
veranschaulicht ist und deren Wirkung folgende sein soll: Mittels der Spiralfedern
e, e1 wird das
durch die Zugstange m mit dem oberen Gerüsttheil in
Verbindung stehende Stück d1, sobald ein Seilbruch stattfindet und dadurch der Querbalken c nicht mehr nach oben gezogen wird, nach abwärts
gedrückt und mit ihm die daran und am Rahmen b des
Fördergerüstes in Gelenken beweglichen Hebel f. An
ihren Enden bilden diese Hebel spitze Winkel mit etwas Abrundung und tragen hier je
einen das Führungsseil umschlieſsenden Bügel i sowie
eine offene Gabel k. Erhalten nun die Hebel in Folge ihres Niederganges
eine horizontale Stellung, so werden die Gabeln k die
Führungsseile nach auſsen drücken, die Bügel i dagegen
sie nach innen ziehen, so daſs in den Seilen kurze Bogen entstehen, welche das
Weitergehen des Gerüstes hindern. Natürlich wird eine solche Seilbiegung auch dann
eintreten, wenn das Gerüst auf Fangböcken o. dgl. sich aufsetzt, was an der
Hängebank und auf den Füllörtern häufig geschieht, so daſs an diesen Punkten eine
sehr schnelle Abnutzung der Führungsseile stattfinden würde. Um dies aber zu
vermeiden, sind unten am Gerüst die Winkelhebel no,
welche nur bis zum Punkte q Spielraum haben,
angebracht. Beim Aufsetzen des Gerüstes werden die Arme n in die Höhe gedrückt, dadurch o unter das
Stück d1 geschoben und
so dessen Herabgehen, damit auch die Wirkung der ganzen Vorrichtung verhindert.F. Nitzsch stellt in seiner preisgekrönten
Abhandlung über „Fangvorrichtungen an Bergwerksförderungen“ (Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des
Gewerbfleiſses, * 1879) S. 363 die Zweckmäſsigkeit der
Drahtseilleitung im Allgemeinen sowie des Abfangens der fallenden Förderlast
durch dieselbe sehr in Frage; auch die oben beschriebene Vorrichtung zeigt
wieder, eine wie starke Inanspruchnahme der Seilleitung unvermeidlich ist,
sei es nun dadurch, daſs das Fördergestell nach Einklemmen der Seile noch
ein Stück niedergleitet, oder daſs es festgehalten auch die gesammte
fallende Last plötzlich der Tragfähigkeit der Seilleitung aufbürdet, welche
nicht wie andere Leitungen durch vielfache Befestigungen eine erhöhte
Widerstandsfähigkeit erhalten kann.
Um der Anwendung der bei den meisten Fangvorrichtungen üblichen
Federn ein Ziel zu setzen und das Eingreifen jener im Falle Seilbruches mit
gröſserer Sicherheit herbeizuführen, will M. Busse in
Breslau (* D. R. P. Kl. 5 Nr. 6727 vom 30. August 1879) für die Fördergerüste ein Nebenseil anbringen, welches sich auf mit der
Seilscheibe verbundener besonderer Trommel auf-, bezieh. abwickelt; das Ende dieses
Nebenseiles würde derart durch Ketten, Hebel u.s.w. mit der Fangvorrichtung
verbunden werden, daſs durch ein schärferes Anziehen jenes Seiles das Eingreifen der
Fangvorrichtung herbeigeführt wird. Hat man beispielsweise eine durch Keilpressung
wirkende Fangvorrichtung, so wird der Vorgang nach Busse folgender sein: Das Nebenseil zieht, wenn bei aufwärts gehendem
Gerüste der Seilbruch erfolgt, weil Seilscheibe und Nebenseil-Korb sich weiter
drehen, die Keile an, welche das fallende Gerüst erfassen und gegen die Leitbäume
pressen; beim Abwärtsfördern sollen beim Seilbruch die Keile ihre
Bewegungsgeschwindigkeit beibehalten, während das abgerissene, mit gröſserer
Geschwindigkeit fallende Gerüst sie erfaſst und somit die Vorrichtung in Wirksamkeit
setzt. – Hiernach ist die durch das Nebenseil auf die Fangvorrichtung wirkende Kraft
lediglich die Trägheit der im Umgang befindlichen Seilscheibe und des damit
verbundenen Korbes; wie weit solche in der Praxis ausreicht, würden ausgedehnte
Versuche erst erweisen
müssen; jedenfalls aber läſst die Möglichkeit des Falles, daſs beispielsweise bei
aufgehendem Gerüst der Seilbruch zwischen Seilscheibe und Korb eintritt, demnach
jene nicht in ihrer gehabten Bewegungsrichtung beharren läſst, sondern ihr eine
entgegengesetzte plötzlich mittheilt, die Frage aufwerfen, ob nicht der Korb für das
Nebenseil seine Bewegung unabhängig von der Seilscheibe erhalten könne.
Im Anschluſs sei hier auf ein in erster Linie
für den bergmännischen Techniker besonders interessantes und werthvolles Werkchen
hingewiesen, auf die in den Verhandlungen des Vereines zur
Beförderung des Gewerbfleiſses, 1879 * S. 345 bis 406 veröffentlichte
preisgekrönte Abhandlung von F. Nitzsch: Ueber
Fangvorrichtungen an Bergwerksförderungen. – Der Verfasser unterzieht
zunächst die Förderung im Allgemeinen und deren Einwirkung auf Seil und Fördergerüst
einer theoretischen Betrachtung, bespricht hierauf die Erfordernisse der
Fangvorrichtungen, die Mittel, denselben zu genügen, und mannigfache Verstöſse gegen
die Sicherheit ihrer Wirkung, wobei auch verschiedene werthvolle Winke über
Anwendung verschiedener Principien und die mögliche vollkommenere Ausnutzung
derselben gegeben werden, und schlieſst hieran die Beschreibung von 75 verschiedenen
Fangvorrichtungen, in nachstehend kurz skizzirter Weise gruppirt:
1) Fangvorrichtungen, welche sofortiges Aufhalten des sich selbst
überlassenen Gestelles durch Vorschieben von Riegeln oder Haken auf besonders dazu
angebrachte Knaggen, Fahrtsprossen, Zahnstangen oder Sitze in den Leitungen bewirken
(Princip Büttgenbach).
2a) Vorrichtungen mit
beweglichen Fangklauen, welche ihren Stützpunkt in der Leitung des Gestelles,
bezieh. in besonders angebrachten Fangbäumen (vgl. Machecourt's Apparat) suchen und das frei gewordene Gestell mit
gemildertem Stoſse auffangen (Princip Machecourt,
Fontaine). – 2b) Die Vorrichtungen von
Calow und Jaquet,
welche Klauen mit zwei horizontal über einander liegenden, keiligen Schneiden führen
und so den Uebergang bilden zu Gruppe 3.
3) Vorrichtungen, welche mit stumpfen, aber mit mehreren
horizontalen, parallel über einander sitzenden, bald mehr, bald weniger keiligen
Schneiden besetzte Flächenklauen führen, deren oberste Schneide immer den ersten
Angriff in die Leitung macht. Die gezahnten Flächen sind theils gerade, vertical
stehende (Princip Libotte, Schönemann), theils
kreissectorenförmig gerundete (Princip White und Grant).
4) Vorrichtungen, bei welchen Keile sich zwischen die Innenflächen
der Leitungen und die Wandungen des Gestelles, oder zwischen die Seitenflächen der
Leitungen und besondere Ansätze am Gestell klemmen und durch erzeugte Reibung
letzteres zum Stillstand bringen (Princip Fourdrinier).
5) Vorrichtungen, welche mittels der an Hebelarmen angebrachten
Klemmen, Klemmschuhe, scharfkantigen Backen die aus hölzernen Bäumen oder
Drahtseilen bestehenden Leitungen zwischen sich klemmen, ohne Rücksicht auf die
diesem Verfahren nothwendige Begrenzung (Aytoum, Kneissel,
King u.a.)
6) Hieran endlich schlieſsen sich noch die Fangvorrichtungen von
Sparre, Eichenauer, Eickhoff und Reinhold Ardelt sowie Hoppe, welche, wenn auch auf verschiedene Weise, doch sämmtlich den Zweck
verfolgen, die Bewegung des fallenden Gerüstes zu bremsen, also allmählich zu
verzögern und nach und nach in die Ruhelage überzuführen.
Eine zweite Arbeit über denselben Gegenstand:
Beschreibung, Theorie und Wirkungsweise der
Fangvorrichtungen an Aufzügen und Fördereinrichtungen der Bergwerke von Maiſs in Berlin, bringt die Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1879 * Nr. 41 ff. Verfasser beschreibt
zunächst 56 verschiedene Fangvorrichtungen, welche er, wie uns scheint, weniger
glücklich und praktisch als Nitzsch folgendermaſsen
gruppirt:
1) Vorrichtungen, welche mit Einschnitten versehene Leitungen
erfordern.
2) Solche, welche mit dem fangenden Theil auf der inneren Seite
der Leitbäume (bezieh. besonderer Fangbäume) wirken.
3) Vorrichtungen mit Wirkung auf die Innenfläche der Leitbäume,
wobei der fangende Theil ein Keil ist.
4) Vorrichtungen, bei welchen Keile auf die Seitenflächen der
Leitbäume wirken.
5) Apparate mit excentrischen Scheiben.
6) Apparate, bei welchen die fangenden Vorrichtungen nicht mehr
volle excentrische Scheiben sind, sondern ein Theil derselben als Klaue verwendet
wird.
7) Vorrichtungen zum Fangen des Gestelles bei Drahtseilleitungen
und eisernen Leitbäumen.
An diese Aufzählung bezieh. Beschreibung schlieſst sich dann die
Besprechung der Theorie der Fangvorrichtungen und ihrer Wirkungsweise an.
Unter dem Titel: Kritik der Fangvorrichtungen an Förderkörben veröffentlicht Selbach in Oberhausen eine umfangreiche, höchst
verdienstliche Arbeit in der Zeitschrift für das Berg-,
Hütten- und Salinenwesen im preuſsischen Staate,
1880 * S. 1 bis 78, auf welche wir ganz besonders aufmerksam machen. Referent
betrachtet diese Arbeit vor Allem deshalb als der allgemeinsten Berücksichtigung
sowie eines eingehenden Studiums werth, weil sie nicht allein die hervorragendsten
der bereits bestehenden Fangvorrichtungen einer eingehenden Kritik unterzieht,
sondern auch sich bemüht, auf rechnerischer Grundlage die Erfordernisse
festzustellen, welche an eine gute Fangvorrichtung zu stellen sind, weil sie
besonders auch die Hauptmomente feststellt, welche bei Construction neuer
Vorrichtungen in erster Linie im Auge zu behalten sind, soll wirklich etwas
Rationelles geschaffen werden; gleichzeitig ist bei den Untersuchungen der Art des
Materials für Seile, Leitungen und Fangvorrichtung ihres Einflusses auf Construction
und Dimensionirung gedacht.
Groſser Werth ist darauf zu legen, daſs der Verfasser wohl als der
Erste vor Allem Rücksicht darauf nimmt, welche Anforderungen an eine Fangvorrichtung
zu stellen sind, welche ein mit Mannschaft besetztes Gerüst vor dem Sturze zu
bewahren bestimmt ist, daſs er daher nicht allein die Höhe in Betracht zieht, auf
welche ein Mensch, ohne ernstliche Nachtheile zu erfahren, fallen kann, sondern auch
mehrfach den Druck berechnet, welchen ein auf dem Gerüst befindlicher Mensch bei
verschiedenen Weisen der Arretirung des Gerüstes zu ertragen haben würde.
Als Haupterforderniſs einer zweckmäſsigen Fangvorrichtung
bezeichnet Selbach daſs dieselbe ihre Wirksamkeit so
schnell beginne, daſs das besonders gefahrvolle – weil jener entgegen wirkende –
Schleudern des gerissenen Seiles und dessen Schleifenbildung erst beginnt, wenn
mindestens das Bremsen des Förderkorbes bereits begonnen hat.
Es folgen weiter Untersuchungen, welche der Verfasser mit
Rücksicht auf Einwirkung des Luftwiderstandes, auf den Einfluſs von Gewichten auf
die Bewegung des Fangapparates, auf die verschiedenen Arten der Arretirung, auf die
Wirkungen des nachstürzenden Seiles u.s.w. anstellt. Die Schluſsworte des Verfassers
lauten: „Den vorstehenden Aufsatz überblickend, komme ich zu der Ansicht: 1) daſs
für die jetzigen Fördergeschwindigkeiten nur noch allmählich abfangende
Fangvorrichtungen passen und daſs unter diesen diejenigen mit Bremsbacken die
besten sind – abgesehen von der Köpe'schen und der amerikanischen
Pendelsicherheits-Vorrichtung; – 2) daſs den Motor derselben eine fremde Kraft
bilden muſs, welche mit der Schwerkraft, dem
Luftwiderstand und der Reibung nichts zu thun hat; – 3) daſs, abgesehen
von sonstigen Vortheilen, im Interesse eines schnellen Angriffes der Fänger
unbedingt eiserne oder stählerne Leitschienen zu wählen sind.“
S–l.