Titel: | Elektrische Controle der Fahrgeschwindigkeiten der Eisenbahnzüge. |
Fundstelle: | Band 242, Jahrgang 1881, S. 422 |
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Elektrische Controle der Fahrgeschwindigkeiten
der Eisenbahnzüge.
Mit Abbildungen auf Tafel 35.
Schellens' Fahrcontrole für Eisenbahnzüge.
Zur Beschaffung eines aus mehreren eisenbahntechnischen Gründen wünschenswerthen
zuverlässigen und genauen Nachweises über die Fahrgeschwindigkeiten der
Eisenbahnzüge namentlich auf Strecken mit starkem Gefälle hat man – so weit es sich
um Einrichtungen handelt, welche nicht auf die Anwendung von rein mechanischen
Mitteln allein, sondern auf die Mitbenutzung der Elektricität berechnet sind – zwei
wesentlich verschiedene Wege eingeschlagen. Entweder man hat den Zug befähigt, nach
dem Durchlaufen gewisser Streckentheile ein elektrisches Signal nach einer
Bahnstation zu geben, damit in letzterer aus dem zeitlichen bez. räumlichen Abstande
dieser Signale auf die Zeit geschlossen werden könne, welche der Zug zum Durchlaufen
der Streckentheile verbraucht hat, oder man hat auf dem Zuge einen Controlapparat
aufgestellt, welcher auf einem Papierstreifen neben den Zeitmarken die einzelnen
Umdrehungen eines Wagenrades notirt. Die letzteren EinrichtungenUeber die Versuche, welche mit dem in diese Klasse gehörigen
Zuggeschwindigkeitsmesser von Claudius auf der
österreichischen Südbahn angestellt worden sind, berichtete die Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und
Architektenvereines. 1865 S. 6. Vgl. auch Heusinger's Organ für Eisenbahnwesen,
1865 S. 174. sind in Anlage und Unterhaltung billiger als die
ersteren und übertreffen dieselben auch in ihrer Leistung in so fern, als die von
ihnen notirten Ereignisse der Zeit nach viel enger an einander liegen und man deshalb weit mehr
Aussicht hat, nicht blos die mittlere Geschwindigkeit auf einer längeren Wegstrecke
zu erfahren, sondern bei etwaigen Unfällen auch noch über den dem Unfälle
vorausgehenden und für die Beurtheilung der Ursachen des Unfalles gerade überaus
wichtigen letzten Theil der Fahrt genaue Auskunft zu erhalten. Früher und häufiger
aber hat man zu Einrichtungen der ersten Art gegriffen. Ueber den ältesten Vorschlag
der Art, welcher von dem belgischen Ingenieur Mauſs
ausgegangen ist, wurde der französischen Akademie am 11. August 1845 (vgl. Comptes rendus, Bd. 21 S. 388) Mittheilung gemacht.
Durchgeführt wurde eine derartige Anlage zuerst von Steinheil im Sommer 1846 auf der Bahnstrecke München-Nannhofen. Eine
Beschreibung dieser Anlage findet sich in den Abhandlungen der 2. Klasse der kgl.
bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 5 Abth. 3 S. 825 ff.
Seitdem sind noch verschiedene andere Anlagen zu dem genannten Zwecke gemacht worden;
zu diesen gehört jene auf der badischen Schwarzwaldbahn, deren eingehendere
Beschreibung sich in der Elektrotechnischen
Zeitschrift, 1881 S. 236 findet. Diese i. J. 1874 durch A. Schell, Inspector bei der Generaldirection der
groſsherzoglich badischen Staatseisenbahnen, auf der 35km,6 langen Bahnstrecke Hausach-Sommerau ausgeführte Controleinrichtung
besteht der Hauptsache nach darin, daſs neben dem Geleise der zu controlirenden
Bahnstrecke, an den Grefällbrüchen der Stationen anfangend, auf den 1km betragenden Unterabtheilungen der 6
Gefällstrecken Radtaster oder Radcontacte aufgestellt worden sind, welche sämmtlich
durch eine Leitung (Controlleitung) mit dem auf der nächst abwärts gelegenen
Bahnstation aufgestellten Hipp'schen Controlapparate verbunden sind. Der
Controlapparat sowie jeder Radtaster ist an Erde gelegt und der über letztere
eilende Zug stellt durch Niederdrücken der Taster Vorrichtung die leitende
Verbindung der an der oberen Station der betreffenden Gefällsstrecken isolirten
Leitung mit der Erde her und veranlaſst so das Niederschreiben eines Zeichens auf
dem Controlapparate, welcher einen Papierstreifen mit gleichförmiger Geschwindigkeit
ablaufen läſst und dessen Ablaufsgeschwindigkeit durch eine Hipp'sche elektrische
Uhr (vgl. 1879 234 * 375) regulirt wird.
Aehnliche Einrichtungen haben noch eine gröſsere Anzahl anderer Eisenbahnen getroffen
und namentlich die Bergisch-Märkische Bahn hat mehrere Hunderte von Radtastern
aufgestellt. Auf dieser Bahn Wurden anfänglich ähnliche Radtaster verwendet wie auf
der Schwarz-Waldbahn; dieselben erlitten aber bei dem starken Verkehr auf dieser
Bahn eine ungeheure Abnutzung und deshalb wurden hier ganz umfassende Untersuchungen
und Versuche darüber angestellt, auf welche eise eine dem Verschleiſs nicht
ausgesetzte, sichere und stationäre elektrische Contactvorrichtung construirt werden
könnte, durch welche der
Uebergang von Eisenbahnfahrzeugen über die betreffende Geleisestelle genau
registrirt würde. Principiell war dabei festzuhalten, daſs das Markiren einer jeden
Achse auf dem Papierstreifen der Controluhr nirgends verlangt wird, daher unnöthig
ist.
Hierbei stellte sich heraus, daſs weder die Form des Radtasters, noch die des
Schienencontactes von der auf amerikanischen Bahnen vielfach verwendeten FormVgl. Zetzsche's Handbuch der elektrischen
Telegraphier Bd. 4 S. 632. eine befriedigende
Construction zulassen, und es blieb nichts übrig, als die Bewegungen der Schiene auf
eine abseits angebrachte Contactvorrichtung zu übertragen. Mittels vortrefflich
gearbeiteter Geleise-Indicatoren wurden sämmtliche Schienenbewegungen bei
Vorüberfahrt von Zügen an vielen Stellen und unter stets wechselnden Bedingungen
untersucht. Die Ergebnisse aus den erhaltenen Curven führten nun den
Telegrapheninspector der Rheinischen Eisenbahn Schellens zur Construction der nachfolgenden, nach der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1881 S. 368
beschriebenen Contactvorrichtung.Schellens betreibt übrigens die Apparate mit
Relais. Die Telegraphenbauanstalt von Wiesenthal und
Comp. in Aachen hat die Herstellung dieser Apparate
übernommen.
Ein zweiarmiger Eisenhebel B (Fig. 1 Taf.
35) ist mit seinem kürzeren Ende zwischen zwei Unterschwellungen unter die
Eisenbahnschiene S geschoben und auf dem
Doppel-T-Träger D mittels eines Lagers C befestigt. Das andere Ende des Hebels steht mit einer
Schnur d1 in
Verbindung, welche, über die Schnurrolle F geführt, an
dem Ende d2 das Gewicht
G trägt. Die Schnurrolle F (Fig. 2 und
3) sitzt fest auf einer Stahlachse H, welche
sich in Achslagern der Grundplatte P und der darauf
befestigten Brücke W dreht. Lose auf der Achse H der Schnurrolle F
befindet sich der Contacthebel J, welcher durch eine
regulirbare Feder N mit einer gewissen Kraft an eine
Schleiffläche der Schnurrolle angedrückt wird. Dieser Hebel trägt an seinem freien
Ende eine mit Platinplättchen besetzte Neusilberfeder Q, an welcher unten eine Messingkugel M befestigt
ist. Unterhalb der Schnurrolle sind auf derselben Grundplatte zwei Stellstifte L1 und L2 angebracht, wodurch
die Bewegung des Contacthebels J eng begrenzt wird.
Noch weiter unten sind auf dem Apparatbrett, auf welchem der ganze Contact
angebracht ist, zwei verstellbare Platincontactschrauben L1 und L2 vorhanden, welche so eingestellt werden, daſs die
Platinplättchen der Coutacthebelfeder Q in der Ruhelage
nicht anliegen können, vielmehr um 1 bis 2mm
entfernt stehen.
Das Apparatbrett P des Contactes ist an aufrecht
stehenden und an dem Doppel-T-Träger D fest
angenieteten T-Eisen befestigt. Die ganze Contactvorrichtung ist durch einen
eisernen Kasten geschützt.
Bei Vorüberfahrt eines Eisenbahnzuges wird die Schiene S
derart durchgebogen oder
erschüttert, daſs die dadurch entstehende Bewegung des Eisenhebels B genügt, um ohne Rücksicht darauf, ob das Geleise
durch Unterstopfungsarbeiten oder Senkungen seine ursprüngliche Lage verändert hat,
Bewegungen der Schnurrolle F um eine gewisse Gröſse
hervorzubringen. Diese Bewegungen übertragen sich durch die Reibung auf den
Contacthebel J innerhalb der Grenzen, welche demselben
durch die Stellschrauben K1, und K2
gestellt sind, während die Schnurrolle F selbst nach
Ueberwindung der Reibung des Hebels in ihrer Bewegung nicht beschränkt ist. Die
begrenzte Bewegung des Contacthebels zwischen den Stellschrauben L1 und L2 veranlaſst nun die
mit dem Kugelgewicht M beschwerte Contacthebelfeder Q, bei jedem Anschlage des Hebels in der erhaltenen
Richtung bis zur Herstellung eines sicheren Contactes mit den Platincontactschrauben
L1 und L2 weiter zu gehen.
Die elektrische Leitung ist einerseits durch die Grundplatte des Contacthebels mit
der Erde E, andererseits durch die
Platincontactschrauben L1 und L2 mit
der Telegraphenlinie L verbunden, so daſs durch die
Bewegung des Hebels der Strom geschlossen wird.
Diese durchaus unverschleiſsbare und nicht wandelbare Construction besitzt noch den
Vorzug, daſs dieselbe ganz unabhängig von den Höhenunterschieden in der Geleiselage
ist, daſs die Contactvorrichtung mit dem benöthigten, ganz geringen Anstoſs
unbedingt richtig arbeitet, einerlei, ob die Bewegungen der Schiene groſs oder klein
sind, und daſs jede Störung durch äuſsere, zufällige Hindernisse ausgeschlossen ist.
Das Arbeiten im Betriebe läſst nichts zu wünschen übrig. Der einzige Einwand,
welcher von dem Maschinenpersonal erhoben werden kann, daſs es nämlich
wünschenswerth sei, wenn der Locomotivführer die Vorrichtung des Nachts bemerken
könne, um sein Fahren von Kilometer zu Kilometer danach einzurichten, läſst sich
durch das Anstreichen des Schutzkastens mit leuchtender Farbe oder durch ein
anzubringendes Glockensignal beseitigen.
Die Einschaltung der Apparate erfolgt so wie auf der Schwarzwaldbahn. Die Contacte
sind in Entfernungen von je 1km von einander
angebracht. Die Controluhr besteht aus einem Morsefarbschreiber, bei welchem die
Papierführung durch ein Uhrwerk derart regulirt ist, daſs der Streifen genau 40 oder
50mm in der Minute macht. Die Bewegung des
Streifens wird auf 0mm,25 genau garantirt; diese
Schwankung ist gegenstandslos, da die Fahrdifferenzen von ⅓ bis ¼ Secunde nicht in
Berechnung gezogen werden können. Der Uebergang der Züge über die Contactvorrichtung
markirt sich auf dem Streifen als kurzer Strich und aus der Entfernung der
Strichanfänge läſst sich mit jedem Maſsstabe bequem feststellen, mit welcher
Geschwindigkeit der Zug die Strecke durchfahren hat.