Titel: Ueber die Entphosphorung des Roheisens.
Fundstelle: Band 243, Jahrgang 1882, S. 42
Download: XML
Ueber die Entphosphorung des Roheisens. Mit Abbildungen auf Tafel 5. Ueber die Entphosphorung des Roheisens. Wie auf der Versammlung des Iron and Steel Institute am 11. October 1881 zu London von S. G. Thomas hervorgehoben wurde, sind augenblicklich 36 Bessemerbirnen im Betrieb, 30 im Bau, ausschlieſslich für den basischen Proceſs.Die Patente von S. G. Thomas haben nach Kupelwieser folgende Werke erworben: Die Angleur-Stahlwerke, die Eisenwerke in Ars an der Mosel, die Athus-Werke, die Burbacher Gesellschaft, der Bochumer Verein, die Chatillon- und Commentry-Gesellschaft, die Denain-Werke, Dietrich in Niederbronn, die Dillinger Gesellschaft, die Dortmunder Werke, die Gutehoffnungshütte, der Hoerder Verein, die Ilseder Hütte, das Hüttenwerk in Kladno, in Longwy, die Maximilian-Hütte, die Gesellschaft von Montataire, die Hütte zu Ougree, Phönix in Ruhrort, Rothe Erde bei Aachen, die Rheinischen Stahlwerke, Schneider in Creuzot, Schneider und de Wendel in Joeuf, Stumm in Neunkirchen, die Gesellschaft von St. Chamond, die Société de Nord et de l'Est, die Teplitzer, Warschauer, De Wendel'schen Werke, die Witkowitzer Hütte u.a. Nach den auf derselben Versammlung gemachten Mittheilungen von P. Kupelwieser ist die verhältniſsmäſsig geringe Dauerhaftigkeit des feuerfesten Futters unbestritten der wunde Punkt des Processes. Ungeachtet aller zahlreichen Versuche, welche mit anderen Materialien in einigen Fällen mit guten Resultaten gemacht worden sind, gebrauchen die Werke, soweit bekannt, noch die ursprünglich von Thomas vorgeschlagenen basischen Ziegel oder die Mischung von gebranntem Kalk oder Theer. Auf manchen Werken werden gemahlene basische Ziegel mit 5 bis 10 Proc. Theer sowohl für das Futter, als auch für Nachbesserungen angewendet. Basische Düsen sind, soweit bekannt, obschon man dieselben an manchen Orten erzeugt und versucht hat, jetzt nicht in ständigem Gebrauche. Als Birnenböden werden solche gebraucht, bei denen um eiserne Rundstäbe herum, welche die Windöffnungen bilden sollen, die Masse gestampft wird, oder der Düsenboden, in welchem gewöhnliche feuerfeste Düsen eingesetzt sind und der übrige Boden entweder mit basischen Ziegeln, oder mit gestampfter Masse ausgefüllt ist. Der auswechselbare Boden von Holley (1881 239 * 465) ist in nahezu allen basischen Betrieben im Gebrauch. Derselbe dürfte in neuen Werken mit groſsem Vortheile angewendet werden. Sowohl bei zum basischen Processe umzubauenden vorhandenen Bessern er werken, als auch bei neuen ist es wünschenswerth, daſs die Gieſsgrube etwas von den Bessemerbirnen entfernt liegt, um genügenden Raum zum Einbringen der basischen Zuschläge und zum Fortschaffen der diesem Processe eigenthümlichen groſsen Menge von Schlacken an denselben zu haben. Deshalb wird gewöhnlich die Gieſspfanne durch eine mechanische Vorrichtung oder eine kleine Locomotive aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Birne zu einer getrennten Gieſsgrube gebracht, wo das Gieſsen, Putzen und das Herausnehmen der Guſsblöcke geschieht. Die Kosten des basischen Processes werden wahrscheinlich immer etwas höher sein als die des sauren; jedoch wird das zu ersterem verwendete Roheisen wenigstens so viel billiger bleiben, um die höheren Kosten aufzuwiegen. Dagegen ist der basische Proceſs mit Rücksicht auf die Qualität seiner Producte nicht allein dem sauren gleich, sondern sogar überlegen. Schon bei den ersten Versuchen mit dem basischen Proceſs, welche vor 2 Jahren in Witkowitz angestellt wurden, erkannte man, daſs der Hauptwerth des neuen Verfahrens für die Hütte nicht darin liege, daſs sie, wie anderwärts, einen billigeren Stahl herstellen könne, sondern darin, daſs sie mit den vorhandenen Materialien ein Product zu erzielen im Stande wäre, welches in Bezug auf seine Reinheit sich mit den berühmten Qualitäten der Steierischen Werke messen könne. Da das vorhandene, vor 15 Jahren erbaute Bessemerwerk sich nicht zu einem schnellen Betriebe des basischen Processes eignete, so wurde anfangs die Aufmerksamkeit nur auf die Herstellung von Bessemerfluſseisen für Bleche gerichtet; als jedoch im März 1881 die beiden Birnen der neuen speciell für das Thomas-Gilchrist-Verfahren erbauten Anlage in Betrieb kamen, wurde die Nachfrage nach dem basischen weichen Fluſseisen so groſs, daſs man sich entschied, die neue Anlage einzig zur Herstellung von entphosphortem weichem Metall und die alte zur Herstellung von Schienenstahl nach dem alten Bessemerproceſs zu betreiben. Bei dem Ausbau der neuen Anlage durch zwei weitere Bessemerbirnen an Stelle der kleinen alten besteht die Absicht, nichts anderes als basischen Stahl zu machen. Witkowitzer Fluſseisen des basischen Processes hat sich bewährt zur Herstellung von Kesselblechen, von denen viele Tausend dem Röhrenwalzwerke von Huldschinsky und Söhne in Gleiwitz zur Fabrikation von geschweiſsten Locomotivröhren geliefert sind und den aus dem besten schwedischen Material gewalzten gleich befunden wurden. Besonders bemerkenswerth sind jene Versuche, bei welchen durch einen Rohrausweiter die absolute Festigkeit der Schweifsstelle gezeigt wurde, wobei ohne Riſs an derselben eine weite Ausdehnung von 9 bis 17mm bei einem ursprünglichen Durchmesser von 48mm entsprechend einer Ausdehnung von 20 bis 36 Procent des Materials an dem Umfang erreicht wurde. Die Röhren können mit groſser Leichtigkeit kalt oder warm umgebörtelt und ohne zu reiſsen gebogen werden. Die Leichtigkeit, mit welcher entphosphortes Eisen schweiſst, ist daraus zu erkennen, daſs die Scherabschnitte paketirt und zu Rundeisen ausgewalzt werden, welches ein vorzügliches Nieteisen gibt. Wenn die Blechabfälle mit Luppeneisen paketirt und zu Blechen ausgewalzt werden, so erhält man Schweiſseisenbleche, welche in Bezug auf Zugfestigkeit und Ausdehnung die besten Bleche dieser Art übertreffen. Dünne Bleche aus entphosphortem Eisen werden zur Fabrikation von gestanzter Waare verwendet. Die elektrische Leistungsfähigkeit des basischen Eisens übertrifft die des schwedischen. Die nachfolgenden Tabellen und Analysen geben eine Vorstellung von dem verwendeten Rohmaterial und dem hieraus gewonnenen Producte: Festigkeitsproben. 1) Mäſsig harterSchienenstahl 2) Härtere Sorte fürBleche, Achsen, Winkel-und Nieteisen 3) Weichstes Eisen fürTelegraphendrahtund Stanzwaare Zugfestigkeit 58,4 bis 63,1 45 bis 50     36 bis 39k/qmm Contraction 51,5 bis 36,9 64 bis 55 77 bis 72% Dehnung 20    bis 20,5 25 bis 20 37 bis 33% Zusammensetzung des Stahles. Stahl Nr. 1 2 3 Kohlenstoff 0,45 0,19 0,06 Mangan 0,34 0,30 Silicium Spur Spur 0,00 Phosphor 0,04 0,04 0,02 Schwefel 0,06 0,04 0,03 Kupfer 0,07 0,20 Zusammensetzung des verwendeten Roheisens. Silicium         0,54 0,11 0,62 Mangan 1,00 1,16 1,38 Phosphor 1,95 3,46 2,00 Schwefel 0,23 0,09 0,08 Kupfer 0,06 0,20 0,09 Zusammensetzung der gebrauchten wiederkohlenden Zuschläge. 1) Spiegel,0,6 Proc. vomRoheisen 2) Graues Bessemer-roheisenWovon 7,5 Proc. verwendet wurde, anstatt des Spiegels für Schienenstahl, wenn die Beschickung über 1 Proc. Mangan enthält. Ferro-mangan mit 2verwendet biszu 0,6 Proc. Silicium   0,18 1,43 Mangan 13,80 2,51 73 Phosphor   0,11 0,15 Der bei Stahl Nr. 2 gegebene Zuschlag betrug 1 Proc. von 50procentigem Ferromangan. Die Schlacke, welche in den Hochöfen verhüttet wird, um den Phosphorgehalt des Roheisens zu erhöhen und um als Fluſsmittel zu dienen, hatte folgende Zusammensetzung: Vor dem Zusätze Kieselsäure   7,00 4,75 Eisenoxydul 17,44 18,04 Thonerde Spur Spur Manganoxydul   3,33 4,70 Kalk 53,32 50,06 Magnesia   0,78 0,76 Phosphorsäure 16,83 22,00 Phosphor   7,30 9,54 Schwefel   0,72 Um einen genügend heiſsen Stahl zu erhalten, soll in der Regel die Summe des Siliciums und des Phosphors im Roheisen mindestens 2,5 Proc. betragen. Es ist aber auch Roheisen, welches von dieser Regel bedeutend abweicht, vortheilhaft verhüttet worden. Zur Ausfütterung sind mit Kalkstein ebenso wie mit Dolomit gute Resultate erzielt worden. Kupelwieser ist jedoch der Meinung, daſs das Futtermaterial nur einen geringen Gehalt an Kieselsäure haben darf; dasjenige von Witkowitz ist aus Kalkstein hergestellt, welcher 1 bis 1,5 Proc. Kieselsäure enthält. Die Ziegel, welche in Witkowitz gebraucht werden, um die Birnen auszukleiden und die Böden zu machen, bestehen vornehmlich aus Kalk mit ein wenig Magnesia und ungefähr 2,5 bis 3 Proc. Kieselsäure. Die aus diesen Ziegeln hergestellten Böden halten 30 und mehr Hitzen aus, wenn die Düsen nach 5 bis 8 Hitzen ausgewechselt werden und um dieselben neues basisches Material eingebracht worden ist. Zu diesem Zwecke wird der Boden vom Birnenkessel getrennt. Das Abnehmen der Böden, das Ausbrechen der alten Düsen, das Einsetzen der neuen und das Einstampfen von neuem Material um dieselben herum dauert 1 bis 3 Stunden, so daſs der in Stand gesetzte Boden nach dieser kurzen Unterbrechung wieder gebraucht werden kann. Die Düsen sind aus saurem Material hergestellt und halten 5 bis 8 Hitzen aus. Die gänzliche Erneuerung der Böden findet statt, nachdem dieselben im Durchschnitt 5 oder 6 mal ausgebessert worden sind. 6 Böden sind für einen ununterbrochenen Betrieb von 150 bis 200 Hitzen genügend, oder für so viele Hitzen, wie 2 Birnen gewöhnlich ohne Erneuerung des Futters aushalten. Es folgt hieraus, daſs für sehr groſse Productionen 4 Birnen beim basischen Processe nothwendig sind. Es hat sich herausgestellt, daſs der Abbrand beim basischen Proceſs von 15 bis zu 17 Proc. wechselt; es tritt der gröſsere Verlust dann ein, wenn eine sehr weiche gute Qualität erblasen wird. Da der höhere Abbrand in diesem Falle verhältniſsmäſsig unwichtig ist, so ist es üblich, mehr Kalk zu verwenden, als wirklich nothwendig ist. Für Schienenstahl wird weniger Kalk gebraucht und es ist der Abbrand, da das Nachblasen kürzer ist, geringer. Die seit dem Frühjahr 1881 in Betrieb gesetzte Anlage ist in Fig. 9 und 10 Taf. 5 veranschaulicht. Die beiden Birnen C, zu beiden Seiten des Cupolofens A, sind eiförmig und von vollkommen symmetrischer Gestalt mit der Oeffnung an der Spitze, wenn sie vertical stehen. Senkrecht über dem Munde ist ein beweglicher Kamin K, um die aus der Birne emporsteigenden Verbrennungsproducte zu entfernen. Die Anlage ist so eingerichtet, daſs die Birnen auf beiden Seiten ihren Inhalt ausgieſsen können. Es ist erwiesen, daſs die Seite, auf welcher bei geneigter Lage der Birne das Metall nach dem Nachblasen liegt, durch die Anhäufung der feuerfesten basischen Schlacke beständig enger wird, während die obere Seite der Birne einer bedeutenden Abnutzung unterliegt. Bei dem abwechselnden Gebrauche der beiden Seiten sichert man sich eine gröſsere Dauerhaftigkeit des Futters, während der Schlund vollkommen rein bleibt. Diese Einrichtung hat ihrem Zweck vollständig entsprochen. Wegen dieser Eigenthümlichkeit der Construction ist eine doppelt wirkende Dampfmaschine zum Drehen der Birnen gewählt; es sind 2 Wendemaschinen m, Aufzug n und Gieſsvorrichtungen g vorhanden. Jede Birne hat eine lange Gieſsgrube auf jeder ihrer beiden Seiten in der Richtung ihrer Achse. Auf der Kante der Gruben liegen Schienen, welche die an den entgegengesetzten Seiten liegenden Gruben mit einander verbinden. Anstatt mittels eines Drehkrahnes wird die Gieſspfanne, welche auf einem Wagen ruht, durch Heben und Senken des Geleises, auf welchem derselbe läuft, in die Stellung gebracht, welche zum Eingieſsen des Metalles nothwendig ist. Zu diesem Zwecke befindet sich unter der Birne ein hydraulischer Kolben, welcher oben ein Kreuzstück trägt, auf dem die Enden der beiden Geleise ruhen, welche von den beiden Gieſsgruben hier zusammenlaufen, ohne jedoch mit einander verbunden zu sein. Ein jedes dieser Geleise ist auf 6m Entfernung von jeder Seite der Birne auf starken Trägern befestigt. Während nun die Enden des Geleises, welche unter der Birne sich befinden, mittels des Kolbens gehoben werden, ruhen die anderen Enden auf 6m von der Birne entfernten Zapfen und nimmt das Geleise eine geneigte Stellung an. Auf diese Weise wird der Wagen mit der Gieſspfanne unter den Mund der Birne durch die Aufwärtsbewegung des Geleises gebracht, wenn dieselbe geleert werden soll. Wird das schräge Geleise beim Drehen der Birne gesenkt, so wird die Gieſspfanne nicht allein gesenkt, sondern bewegt sich noch in horizontaler Richtung, um ihre Stellung unter dem Schlünde der Birne zu behalten, bis die Entleerung derselben beendigt ist. Das Fortnehmen und Einsetzen der auswechselbaren Böden, welche sich auf dem über dem Kolben stehenden Wagen befinden, geschieht durch dieselbe Vorrichtung; es stehen alsdann je zwei Räder des Wagens in gleicher Entfernung vom Mittelpunkte auf einem jeden beweglichen Geleise. Auf diesem unter der Birne herlaufenden Geleise bewegen sich besondere Wagen, welche zur Aufnahme der vor dem Spiegeleisenzusatze herausgeworfenen Schlacke bestimmt sind, und es wird die Schlacke unmittelbar von hier zum Hochofen zur weiteren Verwendung befördert. Die Gieſspfanne läuft vorwärts und rückwärts, die Schlacke wird fortgeschafft, der Guſsblock wird geputzt und schlieſslich die Auswechslung der Böden bewerkstelligt; dies Alles geschieht auf demselben Geleise und versieht eine kleine 10e-Locomotive diesen ganzen Betrieb. Die Darstellung des sehr weichen Eisens wird einigermaſsen schwierig und verhältniſsmäſsig kostspielig gemacht durch die Unruhe beim Gieſsen der weichsten Qualitäten. Die während des Abkühlens in den Gieſsformen stattfindende heftige Gasentwicklung verursacht bis jetzt selbst beim sorgfältigsten Gieſsen beträchtlichen Verlust an schlechten Köpfen. Dieser Abfall vergröſsert, obgleich er ein ausgezeichnetes reines Material für den Siemens-Martin-Proceſs ist, den Verlust bei Herstellung dieser weichsten Qualitäten erheblich.

Tafeln

Tafel Tafel 5
Tafel 5