Titel: | Ueber den Fortschritt und die Entwicklung im Schiffsmaschinenbau. |
Autor: | Whg. |
Fundstelle: | Band 243, Jahrgang 1882, S. 89 |
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Ueber den Fortschritt und die Entwicklung im
Schiffsmaschinenbau.
F. C. Marshall, über den Fortschritt im
Schiffsmaschinenbau.
Ueber diesen Gegenstand erstattete F. C. Marshall auf
der Versammlung der Institution of Mechanical
Engineers zu Newcastle-on-Tyne im
August 1881 einen Bericht, welcher sich hauptsächlich auf den Zeitraum vom J. 1872
bis 1881 und auf die britische Marine bezieht und welchem das Folgende nach Engineering, 1881 Bd. 32 S. 179 entnommen ist.
Der Vergleich einer von F. C. Marshall vorgelegten
Tabelle über Schiffskessel und Schiffsmaschinen mit Angaben, welche i. J. 1872 von
E. J. Bramwell gemacht wurden, zeigt einen
wesentlichen Fortschritt auf diesem Gebiete. Da die Dampfspannungen jetzt viel höher
genommen werden als vor 10 Jahren (durchschnittlich zu 7at), so haben die Kessel für le weniger Heizfläche und fallen die
Dampfcylinder für eine bestimmte Leistung kleiner aus. Der durchschnittliche
Kohlenverbrauch für le und Stunde hat sich von 0k,957 auf 0k,829, d. i. um 13,38 Proc.
vermindert, trotz der jetzt viel schlechteren Kohlen.
Es werden gegenwärtig die folgenden drei Hauptklassen von Compoundmaschinen für
Schiffe verwendet:
1) Die Zweicylindermaschine mit Receiver und zwei einen rechten Winkel bildenden
Kurbeln.
2) Die Woolfsche Maschine, gewöhnlich mit hinter einander liegenden Cylindern (sogen.
Tandem-Form) und einer gemeinschaftlichen Kurbel.
3) Die Dreicylindermaschine mit einem Hochdruckcylinder, einem Receiver und zwei
Niederdruckcylindern und mit drei Kurbeln, welche gleichen Abstand (120°) von
einander haben.
Die gebräuchlichste Form ist die verticale Zweicylinder-Receivermaschine mit im
rechten Winkel stehenden Kurbeln. Sie ist einfach, billig herzustellen, hat
verhältniſsmäſsig wenig bewegliche Theile, ist leicht zu bedienen, auch während des
Betriebes bequem zugänglich und leicht in Stand zu halten.
Die einfache Woolfsche Maschine hat keine groſse Verbreitung gefunden trotz des
Vorzuges, daſs sie nur geringen Raum beansprucht. Dagegen ist die sogen.
Doppel-Tandem-Maschine nächst der erstgenannten die verbreitetste. Sie besteht aus
zwei neben einander aufgestellten Woolf'schen Maschinen, deren Kurbeln einen rechten
Winkel bilden, und ist für die gröſsten transatlantischen Dampfer mit groſsem Erfolg
verwendet worden. In dreifacher Form ist die Woolf'sche Maschine für den groſsen
Dampfer City of Rome ausgeführt worden. Durch eine
solche Nebeneinanderstellung von zwei, drei oder noch mehr Woolf'schen Maschinen
kann eine groſse Gleichförmigkeit im Gange und in den Spannungen hergestellt und das
Gewicht und die Reibung der Kurbelwelle vermindert werden; doch wächst damit auch
die Zahl der einzelnen Theile. Im J. 1861 wurde von Rowan eine Woolfsche Maschine eingeführt, welche mit einem
Hochdruckcylinder und zwei zu beiden Seiten stehenden Niederdruckcylindern
arbeitete; alle drei Kolbenstangen waren an einem Querhaupt befestigt. Diese
Anordnung ist in der bekannten Thurmform als Zwillingsmaschine neuerdings für
Räderdampfer benutzt worden und soll sehr vortheilhafte Resultate ergeben.
Die neueste, auf den transatlantischen Dampfern eingeführte Gattung ist die
Dreicylinder-Receivermaschine mit einem zwischen zwei Niederdruckcylindern stehenden
Hochdruckcylinder und drei um je 120° versetzten Kurbeln. Sie soll sowohl
hinsichtlich des Brennmaterialverbrauches, wie auch bezüglich der Erhaltung
auſserordentlich befriedigende Erfolge aufweisen und scheint für groſse Kräfte sehr
beliebt zu werden.
Die Frage hinsichtlich des relativen Werthes der Expansion in zwei oder mehr
Cylindern gegenüber der Expansion in einem Cylinder, welche eine Zeit lang die
betreffenden Kreise erregte, ist nun als praktisch gelöst zu betrachten. Fast
ausnahmslos hat man jetzt die Compoundmaschine (im weiteren Sinne genommen)
eingeführt.
Die Schiffskessel sind in den J. 1872 bis 1881
wesentlich die gleichen geblieben. Der einseitige Kessel mit zwei, drei und zuweilen
vier Feuerstellen bietet die einfachste Form und wird für Leistungen bis zu 500e (indicirt) allgemein angewendet. Der zweiseitige
Kessel soll um etwa 10 Proc. in den Betriebskosten billiger sein; doch wird er nur
für sehr groſse Schiffe benutzt, da er in der Längsrichtung mehr Raum einnimmt und
mehr Wartung erfordert. Die Schwierigkeit, die Böden dieser Kessel dicht zu halten,
ist jetzt zum groſsen Theil dadurch überwunden, daſs man einen Wasserumlauf
herbeiführte, das Speisewasser oben statt in der Nähe des Bodens einleitete, ferner
durch Anwendung gröſserer Platten, geschweiſster Horizontalnähte, gebohrter
Nietlöcher u. dgl. m. Die Kessel nach dem Locomotivsystem werden einer ganz
besonderen Beachtung empfohlen, da bei ihrer Anwendung ein sehr bedeutendes Gewicht
an todter Last gespart wird; allerdings muſs bei denselben künstlicher Luftzug zu Hilfe genommen werden.
Mit der Benutzung von Stahl zu Schiffskesseln hat der Berichterstatter nur günstige
Erfahrungen gemacht, allerdings bei sehr sorgfältiger Behandlung der Stahlplatten.
Dieselben wurden, ehe sie durch die Walzen gingen, bis zur Dunkelrothglut erwärmt
und ebenso überall da, wo sie irgendwie bearbeitet waren, ausgeglüht, ehe sie an
ihren Platz gebracht wurden. Die Nietlöcher wurden durchweg gebohrt. Hinsichtlich
der Corrosion wird von einem Ingenieur, der eine groſse Zahl von Schiffen zu
überwachen hatte, berichtet, daſs er auch bei einigen der zuerst gebauten
Stahlkessel keine Spur einer Corrosion gefunden habe, obgleich kein Zink o. dgl.
verwendet worden sei. Die Kessel waren nur nach jeder Reise sorgfältig ausgewaschen
und ausgetrocknet und überhaupt sorgfältig behandelt worden. Von anderer Seite
wurden äuſserst befriedigende Resultate mit Zinkeinlagen aufgewiesen, während viele
Ingenieure groſse Noth mit ihren Kesseln haben, mögen sie Zink benutzen oder nicht.
Theilweise mag dies durch Einführung von Luft mit dem Speisewasser erklärt werden,
theilweise auch dadurch, daſs sich nach dem Ausblasen an manchen Stellen Tropfen
sammeln, die erst allmählich trocknen.
Die Ueberhitzung des Dampfes ist trotz ihres unzweifelhaften Werthes auſser Gebrauch
gekommen. Abgesehen davon, daſs sie wegen der jetzt verwendeten höheren Spannungen
weniger nothwendig erscheint, haben hauptsächlich die schnelle Corrosion der
Ueberhitzer und die Beschränkungen, welche in dieser Hinsicht von dem Lloyd und dem Board of
Trade auferlegt wurden, dazu geführt, von der Ueberhitzung abzugehen.
Um den immer mehr gesteigerten Ansprüchen hinsichtlich der Schnelligkeit der Schiffe
nachkommen zu können, wird empfohlen, der Verminderung des verhältniſsmäſsigen
Kessel- und Maschinengewichtes mehr Beachtung als bisher zu schenken. Das
Kesselgewicht ist durch Einführung des Stahles schon um 0,1 vermindert; mehr wird
noch durch Aenderung der Form, Annahme des Locomotivkessels mit künstlichem Zuge,
weitere Steigerung der Dampfspannung u.s.w. erreicht werden. Um das Gewicht der
Maschine herabzuziehen, ist die Umdrehungszahl gröſser zu nehmen und das Material
passend zu wählen; statt der massiven guſseisernen Grundplatten und Säulen sind
Gitterträger und Rahmen zu benutzen. Die Condensatorflächen können im Allgemeinen
viel kleiner genommen werden. Hohle Stahlwellen, wie sie von J. Whitworth und Comp. geliefert werden, sind gleichfalls empfehlenswerth.
Die Propeller erhalten zuweilen zu groſse Durchmesser, da es noch an einer
brauchbaren Formel zur Bestimmung des günstigsten Werthes für denselben fehlt.
Auf diese Weise wird auch in Zukunft die Leistungsfähigkeit der Schiffsmaschinen noch mehr und
mehr gesteigert werden können, wenngleich naturgemäſs mit der gröſseren
Vollkommenheit das Maſs der noch zu erzielenden Verbesserungen immer geringer
wird.
Whg.