Titel: | Verfahren zur Gewinnung des Glycerins aus den Unterlaugen der Seifenfabrikation. |
Fundstelle: | Band 243, Jahrgang 1882, S. 330 |
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Verfahren zur Gewinnung des Glycerins aus den
Unterlaugen der Seifenfabrikation.
Flemming's Gewinnung des Glycerins aus
Seifen-Unterlaugen.
H. Flemming in Kalk bei Köln (* D. R. P. Kl. 23 Nr.
13953 vom 9. December 1880) empfiehlt zu diesem Zweck, die Unterlauge der Dialyse zu
unterwerfen. Verfasser macht in einer längeren Abhandlung im Seifenfabrikant, 1881 S. 110, 293 und 362 darauf aufmerksam, daſs allein
aus 4 Fabriken der Stadt Neuwied jährlich etwa 1500t Unterlauge abflieſsen, welche etwa 75t
Glycerin im Werthe von 150000 M. enthalten. Der Glyceringehalt der Unterlauge
schwankt nach vorliegenden Analysen zwischen 0,92 und 7,8 Proc. Um dieses Glycerin
durch Destillation gewinnen zu können, ist es nöthig, das Kochsalz zu entfernen, und
dieses geschieht am besten durch Osmosirung der Laugen.
Die Laugen werden zunächst mittels Dampfheizung in passenden Pfannen abgedampft, bis
die Lauge mindestens 20 Proc. Glycerin enthält. Von den 4 Laugen, deren Analysen
hier folgen:
Spec. Gew.
1,291
1,266
1,35
1,34
Asche
23,8
21,7
23,7
20,7
Glycerin
21,2
29,0
41,9
48,3,
stammte die erste aus einer Fabrik, welche mit kaustischer
Soda arbeitet und von vorn herein eine sehr concentrirte Unterlauge (24 bis 25° B.)
gewinnt Die zweite Lauge ist nach des Fabrikanten Angabe lediglich aus Palmkernöl
gewonnen und liefert den Beweis, daſs dieser Rohstoff auch in Bezug auf
Glyceringehalt werthvoll ist. Die dritte und vierte Lauge stammen von Seifen, welche
nur aus Talg gesotten sind; der hohe Sodagehalt gestattete ein Eindampfen auf fast
36° B. Wenn eine Lauge viel Soda enthält, so läſst sie sich weit stärker eindampfen
als eine mit viel Kochsalz, weil die erstere in heiſsem Wasser löslicher ist als das
letztere, weshalb auch beim Abkühlen der eingedampften Lauge durch Krystallisation
fast nur Soda und wenig Kochsalz ausgeschieden werden. Durch die beim Eindampfen
erzielte gröſsere Concentration wird gleichzeitig ein an Glycerin sehr reiches
Product gewonnen. Die concentrirte Lauge wird nun mit Schwefelsäure neutralisirt.
Man kann zwar auch eine stark Soda haltige Lauge osmosiren, denn das kohlensaure
Natrium diffundirt sehr rasch; aber bei der jetzigen Einrichtung der Osmoseapparate
erscheint dieses Verfahren nicht empfehlenswerth, da in dem Osmosewasser durch das
aufgenommene kohlensaure Natrium Niederschläge von kohlensaurem Kalk entstehen,
welche sich in den Kammern des Apparates ablagern, so daſs die Thätigkeit desselben
beeinträchtigt wird.
Die geringen Mengen von schwefelsaurem Natrium, welche die Lauge in Lösung behält,
lassen sich durch Eindampfen fast vollständig ausscheiden und der dann noch verbleibende Rest bildet bei
der Destillation kein Hinderniſs, weil die schwefelsauren Salze ihrer geringen
Flüchtigkeit wegen durch überhitzten Wasserdampf nicht mit fortgerissen werden. Die
Menge der zur Neutralisation erforderlichen Säure und des dabei entstehenden
Niederschlages von Sulfat richtet sich selbstverständlich nach dem Gehalt der Lauge
an kohlensaurem Natrium. In einer groſsen Anzahl eingedampfter Laugen schwankte der
Sodagehalt zwischen 12,9 und 1,9 Proc.; in Laugen, welche nicht mit Salz, sondern
mit Soda ausgesalzen waren, stieg er aber bis auf 31 Proc. Die Schwefelsäure wählt
man so concentrirt als möglich, um die Lauge nicht unnöthig zu verdünnen. Wo der
Preis der Säure sich durch die Zufuhr hoch stellt, empfiehlt es sich, 66grädige zu
verwenden; da, wo dies nicht der Fall ist, erscheint 60grädige vortheilhafter. Da es
wegen der starken Kohlensäureentwicklung schwierig ist, eine ganz neutrale Lauge zu
erzielen, so thut man besser, Schwefelsäure in geringem Ueberschuſs zuzusetzen und
diesen nach beendigter Ausfällung und Krystallisation mit etwas gelöschtem oder
gebranntem Kalk abzustumpfen, bevor man wieder eindampft. Die Lauge muſs nun
abermals eingedampft werden, und zwar sollte dies, wenn irgend möglich, stets mit
Dampf geschehen.
Die Gestehungskosten der concentrirten Lauge mit 4,50 M. für 100k angenommen, stellen sich die der zugerichteten
Lauge folgendermaſsen:
200k concentrirte Lauge zu
4,50 M.
=
9,00 M.
24 60°-Schwefelsäure zu 7 M.
=
1,70
Kalk
=
0,10
Eindampfen von 100k Lauge
nebst Arbeitslohn und Unkosten
=
0,50
–––––––––––––––––
Zusammen
11,30 M.
Der Bedarf an Schwefelsäure ist weit höher eingesetzt, als er meist sein wird; bei
Lauge gewöhnlicher Qualität sind nur 6 bis 8k auf
200k erforderlich. Beim Ausfällen des
schwefelsauren Natrons und dem nachfolgenden Eindampfen wird mechanisch etwas
Glycerin mit fortgerissen und man erhält deshalb nicht die theoretische Ausbeute aus
einer concentrirten Lauge von bekanntem Glyceringehalt. Indeſs haben zahlreiche
Analysen, von denen einige hier folgen, den Beweis geliefert, daſs der
Glyceringehalt einer richtig zubereiteten Lauge nie unter 40 Proc. bleibt:
I
II
III
IV
V
VI
Glycerin
40,2
47,9
48,8
56,2
58,9
66,7
Asche
14,5
16,5
15,8
13,4
12,9
12,8
Spec. Gew.
1,29
1,28
1,274
1,263
1,265
1,297.
Wenn man also den Gestehungspreis von 100k
zugerichteter Lauge rund zu 12 M. bei einem Minimalgehalt von 40 Proc. Glycerin
annimmt, so kostet in diesem Zustande 1k Glycerin
30 Pf.
Wenn die neutralisirte Lauge wieder auf eine Concentration von 1,28 bis 1,29 eingedampft ist,
so liefert sie beim Erkalten noch einen Krystallanschuſs von schwefelsaurem Natron
und Kochsalz und ist sodann zur Osmosirung fertig. Es gelingt, durch die Osmose den
Aschengehalt der Unterlauge so weit herunter zu drücken, daſs dieselbe, wenn sie den
Osmoseapparat verlassen hat und wieder möglichst stark eingedampft worden ist, für
sich allein oder mit Rohglycerin aus Stearinsäurefabriken destillirt werden kann.
Der Verlust bei der Destillation ist ein geringer und das erzielte Product von einer
Reinheit, welche den Anforderungen der Dynamitfabriken genügt. Es enthält, wenn auf
1,26 sp. G. eingedampft, also wasserfrei, nie wägbare Mengen von Kochsalz und gibt
bei der Nitrirung eine durchaus befriedigende Ausbeute an Nitroglycerin. Ein groſser
Vorzug, welchen bei der Osmose die zugerichteten Unterlaugen vor der Melasse haben,
ist der, daſs sie das Pergamentpapier nicht angreifen. Während bei der
Melassenosmose das Pergamentpapier im günstigsten Falle 12 Tage lang zu gebrauchen
ist, war bei der Laugenosmose dasselbe nach 6 monatlichem Betrieb noch durchaus wohl
erhalten. Der Hauptgrund dafür liegt darin, daſs in der Unterlauge Kalksalze
gänzlich fehlen, weshalb auch das daraus durch Destillation gewonnene Glycerin stets
frei von Kalk ist – eine Eigenschaft, welche man bei dem Glycerin aus
Stearinsäurefabriken oft nur durch 2malige Destillation zu erzielen vermag.
Die Kosten der Osmose nimmt man in den Zuckerfabriken zu 1,60 M. für das Osmosiren
von 100k Melasse an; hiervon beträgt der Verbrauch
an Pergamentpapier ⅙. In Rücksicht auf den eben erwähnten geringen Papierverschleiſs
erscheint es jedenfalls nicht zu niedrig gegriffen, wenn man die Kosten der
Osmosirung von 100k Lauge gleichfalls mit 1,60 M.
veranschlagt. Es kommt hierzu, daſs zur Laugenosmose weniger Wasser erforderlich ist
als zur Melassenosmose. Man hat etwa 300k Wasser
zu verdampfen, um 100k osmosirte Unterlauge zu
erhalten. Die Lauge zeigt nach der Osmose und dem Eindampfen einen Glyceringehalt
von 60 bis 70 Proc., hat aber am Gewicht etwa 50 Proc. verloren. Wenn 100k zugerichtete Lauge 12 M. kosten, so ergibt sich
folgende Berechnung:
200k zugerichtete
Lauge
24,00 M.
Osmosiren derselben
3,20
Eindampfen von 300k Wasser
einschl. aller Kosten
1,50
––––––––
28,70 M.
oder rund 30 M. Es kosten also 100k osmosirte Lauge mit einem Minimalglyceringehalt von 60 Proc. 30 M. oder
1k Glycerin 50 Pf.
In das Osmosewasser geht ziemlich viel Glycerin über, so daſs es bei heutigen Preisen
sehr gut lohnt, dasselbe einzudampfen; bei einem Versuche gaben etwa 1400k Osmosewasser 23k Lauge, welche 16k reines Glycerin
enthielten. Das Eindampfen der 1400k kostet 7 M.,
und daraus stellt
sich 1k Glycerin auf etwa 44 Pf. In Folge dieser
Ausnutzung des Osmosewassers entsteht durch den ganzen Proceſs kein irgend
nennenswerther Glycerinverlust. Das so erhaltene Product steht zwar hinsichtlich
seiner industriellen Verwendbarkeit wegen seines Salzgehaltes dem Rohglycerin der
Stearinsäurefabriken nach, kostet aber auch gegenwärtig noch nicht den vierten Theil
wie jenes, da ein geringes holländisches Destillationsrohglycerin von 25° B., dessen
Analyse einen Glyceringehalt von 63 Proc. ergab, heute 140 M. für 100k kostet; es stellt sich also darin 1k Glycerin auf 2,22 M., während es aus Unterlauge
in ziemlich gleicher Reinheit zu 50 Pf. dargestellt werden kann.
Der Vorschlag, nur Fettsäuren bei der Seifenfabrikation zu verarbeiten und zu diesem
Zwecke vorher die Neutralfette in Autoclaven zu zersetzen, verspricht nach Flemming wenig Erfolg.