Titel: Untersuchungen über das Verhalten des Phosphorbronzedrahtes bei der Beanspruchung durch Zugkräfte; von Professor H. Fischer in Dresden.
Autor: H. Fischer
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 64
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Untersuchungen über das Verhalten des Phosphorbronzedrahtes bei der Beanspruchung durch Zugkräfte; von Professor H. Fischer in Dresden. Mit Abbildungen auf Tafel 7. H. Fischer, über Untersuchungen des Phosphorbronzedrahtes. Verschiedene Aufsätze in dieser und anderen technischen ZeitschriftenVgl. Dingler's polytechnisches Journal, 1882 248 432. 244 408. Elektrotechnische Zeitschrift. 1882 S. 73. 127. 157. Engineering, 1881 Bd. 32 S. 430. 1882 Bd. 33 S. 192. weisen auf die Wichtigkeit hin, welche der Phosphorbronzedraht in der Neuzeit für die Anlegung von Telephonleitungen erlangt hat. Die Verfasser suchen die Zweckmäſsigkeit dieses Materials für genannten Zweck durch Zahlen zu belegen, welche auf Versuchen zur Ermittelung der elektrischen Leitungsfähigkeit und der Widerstandsfähigkeit gegen Zugkräfte basiren. Daſs hierbei auch gegentheilige Meinungen und Anschauungen Ausdruck finden, ist natürlich und erklärlich, da die Untersuchungen der einzelnen Beobachter an verschiedenen Versuchsobjekten zur Ausführung gelangten, denen eine völlige Materialgleichheit wohl kaum zugestanden werden kann. Die Unsicherheit der erhaltenen Resultate wird aber, wenigstens in Bezug auf die Festigkeitsuntersuchung, wesentlich noch durch den Umstand erhöht, daſs selbst bei ein und demselben Material, je nach der physikalischen Beschaffenheit desselben, wesentlich abweichende Ergebnisse erzielt werden. Der Einfluſs des Arbeitsverfahrens, welches bei der Herstellung des Versuchsstückes Anwendung fand, ist in dieser Hinsicht allseitig bekannt. Im Folgenden sollen die Ergebnisse einer Untersuchung von Phosphorbronzedrähten aus der Fabrik von Lazare Weiller zu Angoulême in Frankreich zur Kenntniſs gebracht werden, welche geeignet sein dürften, die wesentlichen Aenderungen der Festigkeits- und Elasticitätsverhältnisse durch das bei der Vorrichtung der Versuchsobjecte beobachtete Arbeitsverfahren anschaulich zu machen. Das Versuchsmaterial wurde mir auf specielles Ansuchen durch den Vertreter der genannten Fabrik, Hrn. J. B. Grief in Wien, mit dankenswertester Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt. Die Untersuchung erstreckte sich auf 10 Drahtproben. Fünf derselben waren durch Ausglühen nach dem Ziehen erweicht; den übrigen waren durch verschieden oftes Passiren eines Drahtzuges verschiedene Härtegrade ertheilt worden. Die Beobachtungen wurden mit Hilfe eines selbstregistrirenden Zerreiſsapparates nach Reusch (1880 235 * 414) des mechanisch-technologischen Laboratoriums der Dresdner technischen Hochschule durchgeführt. Die mit diesem Apparat erhaltenen Diagramme geben den Zusammenhang der Streckungen mit den dieselben erzeugenden Belastungen in jedem Augenblick des Versuches an und somit ein getreues Bild der während der Beanspruchung auftretenden Erscheinungen. Die gröſste Abscisse repräsentirt die Strecke, um welche sich das Versuchsstück bei dem Eintritt des Bruches verlängert hat, also die Bruchdehnung δ; die zu dieser gehörende Ordinate miſst die für Herbeiführung des Bruches nöthige Belastung p. Die Diagrammordinaten wachsen stetig von Null bis p, während gleichzeitig die Abscissen (Dehnungen) von Null bis S zunehmen. Der Verlauf der Curve charakterisirt das der Untersuchung unterworfene Material. Fig. 1 Taf. 7 zeigt die wesentliche Verschiedenheit des Curvenlaufes für ausgeglühten und durch Ziehen hart gewordenen Phosphorbronzedraht von 0mm,42 Durchmesser und 324 bezieh. 800mm Länge. Die Curve I, dem geglühten Draht angehörend, steigt im Anfang der Belastung in Folge der Starrheit des Materials rasch bis e und wendet sich dann gegen die Abscissenachse, dieser in einem langen Zuge folgend. Der Curvenzug II, bei der Untersuchung des harten Drahtes erhalten, zeigt nur eine rasche Steigung und endet schlieſslich bei kleiner Abscisse und groſser Ordinate an der Bruchgrenze. Der Eintritt der Richtungsänderung bei Curve I bezeichnet den Beginn des Flieſsens der Materialtheilchen. Vor demselben ist die Streckung eine rein elastische, nach deren Aufhören der Draht unter Wirkung der inneren Kräfte seine ursprüngliche Länge wieder annimmt. Im weiteren Verlauf tritt eine gegenseitige Verschiebung der benachbarten Materialtheilchen, das Flieſsen derselben, ein. In Folge dessen erfährt der Draht eine bleibende Längenänderung bei gleichzeitiger Querschnittsverminderung, welche auch nach Wegnahme der äuſseren Kraft nicht wieder vollständig verschwindet und die ihren gröſsten Werth an der Bruchgrenze erreicht. Da bis zum Eintritt des Flieſsens die Längenänderungen rein elastische sind, so fällt derselbe mit der Elasticitätsgrenze des Materials zusammen. Zwischen Elasticitäts- und Bruchgrenze erleidet das auf Zug beanspruchte Material sowohl bleibende, als elastische Dehnung, deren Gröſse durch mehrfache Entlastungen während des Versuches bestimmt werden kann. Innerhalb der Elasticitätsgrenze ist für eine bestimmte Beanspruchung das Verhältnis der elastischen Dehnung δe zu der bleibenden Dehnung δb, da die letztere gleich Null, unendlich groſs. Dasselbe nimmt aber nach Ueberschreitung dieser Grenze rasch ab und erreicht an der Bruchgrenze den kleinsten Werth, wie dies der Curvenzug mno in Fig. 3 zeigt. Hierbei ist: \frac{\delta_e}{\delta_b}=f\,(\delta_e+\delta_b)=f\,(\delta) also als Funktion der den Belastungen äquivalenten Gesammtdehnungen eingetragen. In derselben Figur ist ferner OEP1 P eine Copie des Originaldiagrammes, das bei der Belastung eines ausgeglühten Phosphorbronzedrahtes von 5m,482 Anfangslänge und 0mm,67 Dicke erhalten wurde. Die Curve OEP1 stellt nur den ersten, in unmittelbarer Nähe der Elasticitätsgrenze liegenden Theil des Gesammtdiagrammes dar; letzteres würde, bei einer an anderer Stelle beobachteten mittleren Bruchdehnung des ausgeglühten Phosphorbronzedrahtes von δ = 55,3 Proc., eine Länge von 3m,032 besitzen. Der Curvenzug EP, welcher die Elasticitätsgrenze mit der Bruchgrenze verbindet und der Figur zu Folge annähernd geradlinig verläuft, endet an letzterer in einem Abstand von der Abscissenachse welcher einer Bruchbelastung von etwa 11000g entspricht. Während der Aufzeichnung dieses Diagrammes wurden behufs Ermittelung der Lage der Elasticitätsgrenze mehrfach Entlastungen vorgenommen. Hierbei folgte der Schreibstift des Zerreiſsapparates den Linien abc, a1 b1 c1...... und kehrte dann bei erneuter Belastung auf dem Wege cde, c1 d1 e1.... wieder zurück. Der Abstand des Schnittpunktes c der Entlastungslinie mit der Abscissenachse von der durch den betreffenden Endpunkt der Diagrammcurve auf die genannte Achse gefällten Normalen eh ist das Maſs des elastischen Theiles der Dehnung Oh, welche der Draht durch die Belastung bis e erlitt. Trägt man die Werthe ch der elastischen Dehnung, die bei verschiedenen Entlastungen erhalten wurden, als Funktion der Belastungen auf, welche zu ihrer Erzeugung erforderlich waren, so erhält man den in Fig. 3 gezeichneten Curvenzug EFG, welcher Aufschluſs über das elastische Verhalten des Drahtes bei Beanspruchungen zwischen der Elasticitäts- und Bruchgrenze gibt und die Diagrammcurve bei E schneidet. In diesem Schnittpunkt ist die bleibende Dehnung Null, es stellt derselbe somit auf der Diagrammcurve die Lage der Elasticitätsgrenze fest. Die Fläche OEFGQ = Fe repräsentirt den elastischen Theil der gesammten Formänderung im Verlauf der Beanspruchung, die Fläche EFGP = Fb gibt in ihrer Gestalt ein Bild und in ihrer Gröſse ein Maſs für das Auftreten der unelastischen Formänderungen während der allmählichen Belastung bis zur Bruchgrenze. Das Verhältniſs: \varepsilon=F_e\,:\,F_b stellt somit das elastische Verhalten oder den Elasticitätsgrad des untersuchten Drahtes dar. Ist e groſs, sind also die elastischen Formänderungen vorherrschend, so ist der Draht stark elastisch. Für einen bis zum Eintritt des Bruches vollständig elastischen Körper würde Fb = Null, daher e = ∞ sein; Fe = Null, also ε = Null charakterisirt dagegen einen bis zum Eintritt des Bruches vollständig unelastischen Körper. Eine anderweite Charakteristik des Drahtes wird durch die Gröſse der gesammten Streckung gewonnen, welche derselbe bei dem Eintritt des Bruches erfahren hat. Ein geringer Betrag der Bruchdehnung charakterisirt den Draht als spröd, ein erheblicher als zäh und es stellt somit die Zahl: Z=100\,\delta\,:\,l, d. i. die Gesammtdehnung S des Probestückes, ausgedrückt in Procent der Anfangslänge l, den Zähigkeitsgrad des Materials dar. Der Draht, oder allgemein jeder Körper, ist zäh elastisch oder spröd elastisch, je nachdem eine gröſse oder kleine Zähigkeit mit starker Elasticität gepaart ist. Entscheidend ist hierfür die Gröſse des bleibenden beziehentlich elastischen Theiles der Gesammtdehnung an der Bruchgrenze. Zäh- beziehungsweise spröd-elastische Körper zeigen Vorherrschen des elastischen Theiles δe gegenüber dem bleibenden Theil δb der Gesammtstreckung, bei zähen, beziehentlich spröden wenig elastischen Körpern waltet das Gegentheil ob. Beispiele für diese Körperzustände sind: Vulkanisirter Kautschuck (zäh elastisch) Z = 558% δe = 95% δb =   5% von δ Feuchtes Fichtenholz (spröd elastisch) Z =     0,757 δe = 84 δb = 16 Geglühter Phosphorbronzedraht (zäh,    wenig elastisch) Z =   55,3 δe =   1 δb = 99 Alluminiumdraht (spröd, wenig elas-    tisch) Z=     6,5 δe =   3 δb = 97 Besitzt ein Körper die Eigenschaft unter der Einwirkung äuſserer Kräfte mit Sicherheit bleibende Deformationen von gröſserem Betrage anzunehmen, wie feuchter Thon, Wachs, glühendes Schmiedeisen u. dgl. so nennt man denselben bildsam. Die Bildsamkeit ist um so gröſser, je kleiner die Kraft ist, welche die ersten bleibenden Formänderungen erzeugt (abhängig von der Lage der Elasticitätsgrenze und damit vom Tragmodul des Materials), je geringer der nach dem Aufhören der Kraftwirkung wieder verschwindende Theil der Gesammtdeformation ist (abhängig von dem Elasticitätsgrad) und je gröſser die Formänderung überhaupt ohne Lösung des Zusammenhanges der kleinsten Theile sein kann, d.h. allgemein, je weniger elastisch und je zäher der Körper ist. Der einem Körper eigene Grad von Bildsamkeit kann somit proportional dem Zähigkeitsgrad Z und umgekehrt proportional dem Elasticitätsgrad ε und Tragmodul Tl gesetzt und daher durch den Quotienten: B=Z\,:\,\varepsilon T_l zum Ausdruck gebracht werden. Die häufig schwierige Bestimmung des Querschnittes vom Versuchsstück läſst es zweckmäſsig erscheinen, den Tragmodul T nicht durch die gewöhnlich übliche Belastung auf die Flächeneinheit auszudrücken, sondern nach Analogie der Reiſslänge durch diejenige Länge des Versuchsstückes in Kilometer, deren Gewicht eine Streckung des Stückes bis zur Elasticitätsgrenze herbeiführen würde. Zur Unterscheidung ist für denselben die Bezeichnung Tl gewählt. Bestimmte Zahlenwerthe, welche die Grenzen festsetzen, innerhalb deren ein Körper zäh, spröd, bildsam oder elastisch genannt wird, müssen durch Untersuchung einer gröſseren Zahl solcher Körper ermittelt werden, denen die Technik die betreffenden Eigenschaften zuerkennt. Natürlich gelten diese Betrachtungen vor der Hand nur für Zugbeanspruchungen; anderweite Versuche scheinen jedoch darauf hinzudeuten, daſs dieselben auch für Druck- und Schubbeanspruchungen Gültigkeit behalten. Für den vorliegenden geglühten Phosphorbronzedraht stellt sich: Z=\frac{100\delta}{l}=55,3\,\%,\ \varepsilon=\frac{F_e}{F_b}=0,014,\ T_l=1^{km},37,\ B=\frac{Z}{\varepsilon\,T}=2765 Die Entlastungslinie abc (Fig. 3) und die neue Belastungslinie cde fallen vor und in unmittelbarer Nähe der Elastizitätsgrenze selbst bei der vorliegenden groſsen Länge des Versuchsstückes zusammen, weichen aber um so mehr von einander ab, je weiter entfernt von der Elasticitätsgrenze die Entlastung bewirkt wurde. Die Entlastungscurve ist stets convex gegen die Abcissenachse, während die neue Belastungscurve dieser Achse die concave Seite zukehrt. Das Abweichen der Curve gegen den Coordinatenursprung hin ist die Folge der Elasticität des Materials. Die Erklärung für die convexe Gestalt der Entlastungscurve dürfte vielleicht in dem Umstand zu suchen sein, daſs die Körpermolecüle, welche durch die spannende Kraft in Bewegung gesetzt wurden, einen Theil der aufgewendeten Arbeit in Form lebendiger Kraft in sich aufgenommen haben. Diese wird bei der Entlastung die Arbeitsfähigkeit der abnehmenden äuſseren Kraft unterstützen und dazu beitragen, daſs die innere Reibung des Körpers überwunden und die bereits vorhandene Bewegung der kleinsten Theile (das Flieſsen) noch weiterhin unterhalten wird (NachwirkungsdeformationVgl. Dr. P. Schmidt: Ueber die innere Reibung fester Körper. (Breslau 1880. Verlag von A. Gosohorsky.)). An der Elasticitätsgrenze geht die Entlastungslinie durch den Coordinatenursprung O. Die mehrfachen, sich folgenden Entlastungen deuten auf eine Aenderung der Constitution des Versuchsstückes hin, sobald die Elasticitätsgrenze überschritten, also das Flieſsen der kleinsten Materialtheilchen eingetreten ist. Diese Aenderung gibt sich durch die Erhöhung der Elasticitätsgrenze deutlich kund. Bei dem ausgeglühten Phosphorbronzedraht, welcher das Diagramm Fig. 3 lieferte, wird z.B. nach Ausweis des Diagrammes die Elasticitätsgrenze bei einer Belastung von p' = 4500g und einer Dehnung Δ = 1/914 l erreicht. Es tritt jedoch bei demselben Draht das Flieſsen erst bei einer Belastung p1 = 6100g und einer Längenänderung Δ1 = 1/623 l ein, wenn nach einer Reckung um 49mm eine Entlastung und neue Belastung erfolgte. Der Schnittpunkt der nach Analogie der Curve EFG construirten neuen Curve efg, für welche der Coordinatenanfang bei c liegt, mit der neuen Belastungslinie cde gibt im Diagramm die Lage der neuen Elasticitätsgrenze ziemlich sicher an. Dieselbe fällt mit dem Schnittpunkt der Curven abc, cde zusammenDie Lage dieses Punktes wird durch die Länge der Beobachtungszeit beeinfluſst, da bekanntlich erst in längeren Zeiträumen, nach Tagen, Wochen, ja selbst Monaten, die in ihrer gegenseitigen Lage gestörten Molecüle eines Körpers den anfänglichen oder einen neuen Gleichgewichtszustand erreichen. Bei genügend dauernder Ruhe nach der Entlastung würde die neue Belastungscurve in Folge der elastischen Nachwirkung jedenfalls wieder durch den Anfang der Entlastungscurve oder in dessen Nähe vorübergehen. Hiermit ist auf eine den vorliegenden Untersuchungen anhaftende Ungenauigkeit hingewiesen, der zu Folge die elastischen Aenderungen der Drahtlänge um ein geringes zu klein erhalten wurden. Da diese Arbeit jedoch schon in Folge der zur Untersuchung benutzten Hilfsmittel nicht den Anspruch auf höchste wissenschaftliche Genauigkeit erheben kann, vielmehr zur Aufklärung der technischen Eigenschaften des untersuchten Materials beizutragen bestimmt ist, so wurde von dem voraussichtlich erst nach Tagen oder Wochen merkbaren Einfluſs der Zeit abgesehen und die Be- und Entlastungen zwar langsam (sekundliche Geschwindigkeit des Schreibstiftes etwa 0mm,3), aber in unmittelbarer Folge auf einander vorgenommen., so daſs von diesem aus das erneute Flieſsen der Materialtheilchen beginnt, was sich durch die raschere Ablenkung der Curve nach rechts zu erkennen gibt. Das Flieſsen tritt im vorliegenden Fall also bereits bei einer geringeren Belastung wieder ein, als die bei dem Beginn des Entlastens vorhandene war. Der Schnittpunkt c auf der Abscissenachse ist der Anfangspunkt einer neuen Diagrammcurve, welche ein gleichstarker geglühter Draht liefern würde, wenn man denselben vor der Untersuchung durch die Belastung p1 auf die Länge (l + Oc) streckte. Der Flächeninhalt des vor dem Entlastungspunkte liegenden Diagrammtheiles repräsentirt die Arbeitsgröſse, welche auf die Zustandsänderung des Drahtes verwendet wurde. Die Erkenntniſs, daſs bei genügender Dauer des Versuches die neue Belastungscurve wieder durch den Entlastungspunkt gehen, oder sich in unmittelbarer Nähe an die alte Spannungscurve anschlieſsen wird, führt zu einer Deutung der Curve EFG. Da durch dieselbe die bei einer gewissen Spannung erreichte elastische Dehnung als Abhängige dieser Spannung dargestellt ist und da diese elastische Dehnung die Streckung an der Elastizitätsgrenze eines Drahtes bedeutet, welcher durch die betreffende Spannung aus einem Anfangszustand in einen neuen (gespannten) Zustand übergeführt wurde, so erhellt, daſs der Verlauf der Curve EFG das Gesetz der Veränderung der Elasticitätsgrenze während der bis zum Bruch erfolgten Belastung des Drahtes darstellt. Ich nenne diese Curve daher die Grenzcurve der vollkommenen Elasticität oder kurz die Elasticitätscurve. Das Hauptdiagramm gibt hierbei gleichzeitig die mechanische Arbeit an, welche für eine beabsichtigte Erhöhung der Elasticitätsgrenze aufgewendet werden muſs. Die Erhöhung der Elasticitätsgrenze nach Eintritt des Flieſsens der Molecüle weist darauf hin, daſs mit der Erreichung der ersten Elasticitätsgrenze die elastische Kraft des Materials noch nicht völlig erschöpft ist. Dies zeigt deutlich der Lauf der Curve EFG Fig. 3. Nach jeder Entlastung oberhalb der ersten Elasticitätsgrenze zeigt das Versuchsstück ein anderes Verhalten als ursprünglich, was jedenfalls durch die während des Flieſsens eingetretene Umlagerung der Molecüle bedingt ist. Für das so aus dem ursprünglichen hervorgegangene neue Versuchsobject, dessen Gewicht das gleiche geblieben, das den Längen- und Querschnittsdimensionen nach dagegen ein anderes geworden ist, hat dem Diagramm zu Folge die bleibende Dehnung gegenüber der zugehörigen elastischen Dehnung einen kleineren Werth als vorher. Die bleibende Dehnung nimmt um so mehr ab auf Kosten der elastischen, je stärker das Stück bereits gestreckt wurde, je näher der Entlastungspunkt also der Bruchgrenze liegt. Könnte die letzte Entlastung unmittelbar an der Bruchgrenze, aber noch vor Eintritt des Bruches bewirkt werden, so müſste den angestellten Betrachtungen zu Folge die neue Belastungslinie durch die Bruchgrenze gehen und hierbei natürlich der Bruch im Moment des Erreichens dieser Grenze stattfinden. Das durch die Belastung bis dicht an die Bruchgrenze gestreckte Versuchsstück wird demnach nur elastische Formänderung zeigen, dasselbe ist ein vollkommen elastischer Körper geworden. Die Gröſse dieser elastischen Formänderung drückt daher gleichzeitig die Gröſse der Elasticität aus, welche dem anfänglichen Versuchsstück überhaupt zukam; denn das durch die Belastung und Streckung aus diesem hervorgegangene neue Versuchsstück ist seinem Gewicht, also seiner Materialsubstanz nach völlig das gleiche geblieben. Ist diese Auffassung richtig, so ist der Ausdruck Elasticitätsgrenze für den Punkt, von welchem aus bei der Belastung das durch bleibende Streckung wahrnehmbare Flieſsen der Materialtheilchen beginnt, nicht zulässig, da die Untersuchung lehrte, daſs die gesammte Elasticität des Versuchsstückes erst bei dem Eintritt des Bruches erschöpft ist. Die Bruchgrenze bezeichnet daher ebenso die Elasticitätsgrenze, wie sie die Flieſsgrenze darstellt. Hiermit wird dann natürlich auch der Begriff Erhöhung der Elasticitätsgrenze hinfällig. Bereits WertheimVgl. Poggendorff's Annalen, 1848 Ergänzungsband 2 S. 1 ff. hat durch Versuche nachgewiesen, daſs eine Elasticitätsgrenze in dem gewöhnlich gebräuchlichen Sinne nicht besteht, daſs vielmehr schon am Beginn der Belastung bleibende, wenn auch schwer meſsbare Längenänderungen eintreten. Für die Untersuchung des vorliegenden Drahtes ist von dieser Anschauung ein weiterer Gebrauch nicht gemacht, vielmehr dem praktischen Bedürfniſs entsprechend dem Begriff Elasticitätsgrenze die gegenwärtig allgemein übliche Deutung beigelegt. Die Fläche, welche von der Abscissenachse, der Ordinate an der Bruchgrenze und der durch die Bruchgrenze gehenden letzten Belastungslinie eingeschlossen wird, ist nach Vorigem als Maſs der Arbeit anzusehen, welche auf die gesammte elastische Formänderung des Versuchsstückes verwendet wurde, und es drückt demzufolge die Differenz der ganzen Diagrammfläche und dieser Fläche die Arbeit aus, welche die bleibende Formänderung des Stückes erforderte. Beide Arbeitsgröſsen, bezogen auf die Gewichtseinheit (1g), geben daher die Arbeitsmodel Ae und Ab für elastische und bleibende Formänderung des Probestückes an. Ihre Summe ist gleich dem Gesammtarbeitsmodul A. Wie durch einfache Zugkräfte eine Erhöhung der Elasticitätsgrenze eintritt, so ist dies auch und zwar in erhöhtem Maſse der Fall, wenn zu der Zugkraft noch eine den Körper verdichtende Druckkraft hinzutritt. Die Zunahme der Härte, Sprödigkeit und Elasticität des Drahtes bei dem Durchlaufen der Ziehlöcher ist allgemein bekannt und wird durch die im Folgenden bemerkten weiteren Versuche mit Phosphorbronzedraht von neuem bestätigt. Der für den zuletzt besprochenen Versuch benutzte Draht wurde durch Glühen wieder erweicht und hierauf in 7 Passagen von 0,67 auf 0mm,42 Dicke ausgezogen. Die hierzu aufgewendete mechanische Arbeit betrug speciellen Messungen zu Folge etwa 22mk für 1g Draht. Das bei der Belastung des Drahtes bis zum Eintritt des Bruches erhaltene Diagramm zeigt Fig. 2. Auch hier wurden während des Versuches mehrere Entlastungen vorgenommen. Vor allem wird, gegenüber dem vorigen Versuch, die beobachtete geringe Bruchdehnung auffallen, die hier nur δ = 42mm oder Z = (42 × 100) : 5575 = 0,753 Procent der Anfangslänge (l = 5m,575) betrug, während dieselbe bei dem ausgeglühten Draht zu 55,3 Proc. im Durchschnitt gefunden wurde. Die Elasticitätscurve EG Tabelle I. Phosphorbronzedraht. Textabbildung Bd. 245, S. 72 Bezeichnung der Proben; Geglühter Draht; Hartgezogener Draht; Arbeit für 1g =; Mittel aus 1 bis 5; Mittel aus 6, 7; Mittel aus 8, 9, 10; Anfangslänge 1 mm; Anfangsdicke dmm; Querschnitt fqmm; Gewicht der Probe gg; Länge für 1g λmm; Belastung an Elasticitätsgrenze; Bruchbelastung; Tragmodul; in km Drahtlänge 1; Elasticitätsmodul; in km Drahtlänge 2; Bruchmodul auf 1qmm; Dehnungen an der Elasticitätsgrenze Δ; in Millimeter; „ Bruchth. von l; „ Proc. von l; „ Proc. von δ; Gesammtdehnung an der Bruchgrenze δ; in Millimeter; in % v. l, Z =; 55,34; Elastische Dehnung an der Bruchgrenze δ e in Procent von δ; Bleibende Dehnung an der Bruchgrenze δ b in Procent von δ; Arbeitsmodul 5; Diagrammcharakteristik 6 η; Elasticitätsgrad ε; Bildsamkeitsgrad B Anmerkungen zu Tabelle I. 1 Länge eines Drahtstückes, dessen Gewicht die Beanspruchung eines Drahtes von gleichem Einheitsgewicht (Gewicht für die Länge 1) bis zur Elasticitätsgrenze bewirken würde. 2 Länge eines Drahtstückes, dessen Gewicht einen Draht von gleichem Einheitsgewicht um seine Anfangslänge vollkommen elastisch zu strecken vermöchte. (Längenmodul genannt in Dr. Bohn's Ergebnisse physikalischer Forschung. Leipzig 1878. W. Engelmann.) 3 Länge eines Drahtes, welcher senkrecht herabhängend, durch sein Eigengewicht abreiſsen würde. 4 Mittelwerth aus den Versuchen 2, 3 und 4. 5 Zum Zerreiſsen von 1g Draht aufzuwendende mechanische Arbeit. 6 Verhältnis der Diagrammfläche zu der durch Bruchdehnung und Bruchbelastung bestimmten Rechteckfläche. Dasselbe gibt ein allgemeines Bild des Diagrammes. Für eine den Dehnungen proportionale Zunahme der Belastungen ist die Diagrammfläche ein Dreieck, daher η = 0,5. Ist η > 0,5, so wendet die Diagrammcurve der Abscissenachse die concave, ist η < 0,5, die convexe Seite zu. schneidet die Diagrammcurve an der die Belastung p' = 6250g anzeigenden Stelle und theilt im Anschluſs an die Diagrammcurve die Fläche OPQ in zwei Theile Fe und Fb, deren Gröſsenverhältniſs von demjenigen der gleichen Flächen bei dem vorigen Versuch schon nach dem Augenschein wesentlich verschieden ist; die Ausmessung liefert: e = Fe : Fb = 36 und, da ferner Tl = 5km,05 beträgt, so folgt B = Z : εTl = 0,004. Durch das Ziehen ist somit, gegenüber dem geglühten Draht, die Zähigkeit um (55,3 – 0,753) 100 : 55,3 = 98,6 Proc. vermindert, dafür das elastische Verhalten etwa auf das 2600 fache gesteigert worden. Analoge Ergebnisse lieferte ein dritter Versuch mit einem 757mm langen Phosphorbronzedraht, welcher vom geglühten Zustand ausgehend ohne ferneres Glühen in 16 Durchzügen von 1mm,02 Anfangsdicke auf 0mm,42 Enddicke unter einem Arbeitsaufwand von etwa 51mk für 1g Draht ausgezogen wurde. Es fand sich: Z= 1,4 Proc., ε = 16, Tl = 6km,43, B = 0,014. Die Herabminderung der Zähigkeit geht mit einer Erhöhung der Festigkeit Hand in Hand. Sowohl der Tragmodul, als der Bruchmodul wird erhöht. Während beim: ausgeglühten Draht. Tl = 1,37km P = 33k/qmm betrug, fand sich beim: schwach gezogenen Draht T1 = 5,05 P = 62,0 stark gezogenen Draht Tl = 6,43 P = 97,2 Gegenüber den Erfahrungen, welche von anderen Beobachtern bei der Untersuchung von Kupfer und Kupferlegirungen im geglühten und bearbeiteten Zustand gewonnen wurdenVgl. Weisbach; Ingenieur- und Maschinenmechanik, 4. Auflage. Bd. 1 S. 369. Mousson: Die Physik, Bd. 1. Allgemeine und Molecularphysik S. 203., muſs die Abnahme des Elasticitätsmoduls bei Steigerung des allgemeinen elastischen Verhaltens der Versuchsstücke auffallen. Derselbe stellte sich für die drei betrachteten Drahtsorten zu: E = 11647k, E = 10904k, E = 8780k auf 1qmm heraus. Diese Abnahme ist durch die beobachteten Dehnungsverhältnisse an der Elasticitätsgrenze bedingt. Diese letztere, durch Procent der Anfangslänge ausgedrückt, trat bei folgenden Streckungen ein: Δ = 0,109 Proc. Δ = 0,413 Proc. Δ = 0,594 Proc. Eine vollständige Uebersicht über sämmtliche gewonnenen Versuchswerthe enthält vorstehende Tabelle I. Dieselbe zeigt deutlich, welchen beträchtlichen Einfluſs die Bearbeitung auf die Festigkeitseigenschaften der Phosphorbronze hat und wie unsicher und unstatthaft daher der Vergleich von Versuchsresultaten dann ist, wenn nicht gleichzeitig die Herstellung der Versuchsstücke mit in Betracht gezogen wird. Durch Verdünnung des Drahtes auf etwa 0,4 der anfänglichen Dicke wächst die zum Zerreiſsen erforderliche Kraft auf das dreifache und es steht auſser Zweifel, daſs diese Bruchbelastung bei demselben Draht durch dessen weitere Verdichtung auf dem Drahtzug ohne zwischeninne erfolgendes Ausglühen auch noch weiter steigerungsfähig ist. Bei Telephonleitungen kommt es im Allgemeinen weniger auf groſse Biegfähigkeit des Drahtes an; dagegen ist eine groſse Festigkeit erwünscht, um mit möglichst dünnen Drähten möglichst groſse Entfernungen überspannen zu können. Es wird daher mit Rücksicht auf Haltbarkeit und geringes Einsenken des frei gespannten Drahtes zweckmäſsig sein, möglichst hart gezogenen Draht zu verwenden, vorausgesetzt, daſs die Leitungsfälligkeit hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Im Anschluſs an diese Betrachtungen sind in Tabelle II noch die Ergebnisse der Untersuchung von ausgeglühtem Silicium-Kupferdraht der Firma Lazare Weiller mitgetheilt, welche erkennen lassen, daſs dieses Metall in seinen Festigkeitseigenschaften der Phosphorbronze namentlich in Bezug auf Dehnbarkeit nachstellt, daſs es aber immerhin als ein festes und zähes Metall zu bezeichnen ist: Tabelle II. Geglühter Silicium-Kupferdraht. Bezeichnung der Probe 1 2 3 4 5 Mittelaus1 bis 5 Anfangslänge lmm 106 183 185 230 258 Anfangsdicke dmm 0,96 0,85 0,85 0,85 0,85 Querschnitt fqmm 0,724 0,567 0,567 0,567 0,567 Gewicht der Probe gg 0,675 0,934 0,950 1,192 1,326 Bruchbelastung pg 20500 16500 16800 16900 16750 Bruchmodul für 1qmm; Pk 28,3 29,1 29,6 29,8 29,5 29,3 Reiſslänge Rkm 3,29 3,23 3,27 3,26 3,27 3,26 Gesammtdehnung    an Bruchgrenze in Millim. δ =in % von l; Z = 28,426,8 48,526,5 4524,3 6427,8 7629,5 27,0 Elastische Dehnung an der Bruch-    grenze δe in % von δ 0,6 0,8 0,7 Bleibende Dehnung an der Bruch-    grenze δb in % von δ 99,4 99,2 99,3 Arbeitsmodul Amk 0,695 0,718 0,655 0,765 0,814 0,729 Diagrammcharakteristik η 0,813 0,831 0,818 0,837 0,847 0,829 Anhang. Zur Ermittelung der auf das Ziehen des Drahtes verwendeten mechanischen Arbeit fand ebenfalls der Zerreiſsapparat von Reusch Anwendung. Der zu ziehende Draht wurde, nachdem er bereits ein Stück durch das betreffende Loch des Zieheisens von Hand geführt war, in der Klemme des Apparates eingespannt und vollends durch das Ziehloch gezogen. Die hierfür erforderliche Federspannung, die anfänglich stieg, dann bei dem Beginn der Drahtbewegung rasch um einen kleinen Betrag sank, im Uebrigen aber nahezu constant blieb, wurde durch das gleichzeitig aufgenommene Diagramm angezeigt. Dieselbe fand sich für die einzelnen Ziehlöcher, deren Verdünnungsfaktor zwischen 0,852 und 0,982 schwankte und im Mittel 0,914 betrug, in Folge dieser Verschiedenheit und der verschiedenen Glätte der Ziehlöcher ebenfalls sehr verschieden. Die nahezu constante Gröſse der Zugkraft innerhalb eines jeden Versuches gestattet, die für die Erzeugung von 1m Draht erforderliche mechanische Arbeit L1mk direkt anzugeben. Aus dem Gewicht gg von 1m des gezogenen Drahtes folgt dann die für das Ausziehen von 1g Draht in einem Ziehloch erforderliche mechanische Arbeit zu L == L1 : g. Bei einer Verdünnung des Drahtes von 1,02 auf 0mm,42, die in 14 Durchgängen erfolgte, schwankte L zwischen 1 und 6mk und betrug im Mittel 3mk,2. Auf analoge Weise wurde die Reibung des Drahtes im Ziehloch annähernd bestimmt, indem die Kraft zum Durchziehen des vorher von Hand zweimal durch das gleiche Ziehloch geführten Drahtes ermittelt wurde. Hiernach beträgt die zur Ueberwindung der Reibung des Drahtes im Ziehloch nothwendige mechanische Arbeit für 1g Draht im Mittel etwa 24 Procent der gesammten für das Durchziehen aufgewendeten Arbeit. Die sekundliche Zuggeschwindigkeit betrug während der Versuche etwa 3mm. Fig. 4 gibt als Beispiel die Diagramme wieder, welche bei dem Ziehen von 1mm,02 starkem geglühtem, bezieh. 0mm,74 starkem bereits hartgezogenem Phosphorbronzedraht erhalten wurden. Für ersteres gelten folgende Werthe: Verdünnungsfaktor = 0,970 Länge des Drahtes nach dem Durchgang des Ziehloches = 169mm Gewicht des Draht Stückes = 1g,16 Gewicht für 1m Draht = 6g,87 Mittlere Gesammtzugkraft = 6k,75 Mittlere Zugkraft zur Ueberwindung der Reibung = 2k,00 Mechanische Arbeit zur Erzeugung von 1m Drahtlänge = 6mk,75 Arbeit zur Ueberwindung der Reibung für 1m Drahtlänge = 2mk,00 Arbeit zur Erzeugung von 1g Draht = 0mk,983 Reibungsarbeit bezogen auf 1g Draht = 0mk,291 Antheil der Reibungsarbeit an der Gesammtarbeit = 29,7 Proc.

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