Titel: | Neue Anwendung der Elektrolyse in der Färberei und Druckerei; von Prof. F. Goppelsroeder. |
Autor: | Friedrich Goppelsroeder [GND] |
Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 226 |
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Neue Anwendung der Elektrolyse in der Färberei
und Druckerei; von Prof. F. Goppelsroeder.
Goppelroeder's Anwendung der Elektrolyse in der
Färberei.
Seit meinen früheren Berichten über Bildung von Farbstoffen auf elektrolytischem Wege
(vgl. 1876 221 75. 1877 223
317. 634. 224 92. 209. 439) habe ich meine Untersuchungen
fortgesetzt. In der heutigen hier folgenden Mittheilung handelt es sich um die
Anwendung des galvanischen Stromes: 1) Zur gleichzeitigen Bildung und Fixation von
Farbstoffen auf den verschiedenen Fasern. 2) a) Zur Zerstörung der auf den Zeugen
fixirten Farbstoffe und zu der dadurch hervorgerufenen Produktion von weiſsen
Zeichnungen auf Uenifond; b) ebenfalls zur Zerstörung der auf den Zeugen fixirten
Farbstoffe, aber zu der dadurch bewerkstelligten gleichzeitigen Herstellung von
Zeichnungen in neuen Färbungen auf Uenifond. 3) Zur Verhinderung der Oxydation der
Farben während ihres Aufdruckes. 4) Zur Herstellung der unter dem Namen Küpen
bekannten Lösungen der reducirten oder hydrogenirten Farbstoffe (Indigküpe,
Anilinschwarzküpe u. dgl.).
1) Um auf Zeug oder Papier beispielsweise Anilinschwarz gleichzeitig zu bilden und zu
fixiren, tränke ich dieselben mit der wässerigen Lösung eines Anilinsalzes, bisher
vorzugsweise mit der des Chlorhydrates. Alsdann lege ich dieselben auf eine auf
einer isolirenden Kautschuk- oder Glasscheibe ruhenden Metallplatte, welche durch
die nachfolgende Reaction nicht angegriffen wird und mit dem einen Pole einer
galvanischen Batterie oder der kleinen Dynamomaschine in Verbindung steht, deren ich
mich seit einiger Zeit zu meinen Versuchen bediene. Hierauf lege ich auf das feuchte
Zeug oder Papier eine zweite Metallplatte, welche die wieder zu gebende erhabene
Zeichnung oder Schrift trägt und mit dem anderen Pole in Verbindung steht. Indem ich
den nöthigen Druck gebe und gleichzeitig den Strom durchgehen lasse, erhalte ich die
schwarze Copie der Zeichnung. Je nach der Leitungsfähigkeit der Lösung des
angewendeten Anilinsalzes, je nach der Säure des Salzes, dem Verdickungsmittel, der
Temperatur und der Stärke des Stromes brauche ich für die vollständige Erzeugung des
Schwarz bloſs einige Sekunden bis höchstens 1 Minute. Ich habe Medaillen und Münzen copirt,
deren Gepräge so scharf wie nur möglich erhalten wurde. Natürlich zeigen sich auch
auf der Copie alle Stellen der Münze oder Medaille, welche mit der Zeit abgenutzt
worden waren.
Man kann sehr leicht und rasch mit einem Stifte von nicht angreifbarem Metalle oder
von leitender Kohle, welche die eine der Elektroden bilden, auf Zeug oder Papier
schreiben, welche mit der Lösung des Anilinsalzes getränkt worden sind und auf einer
die andere Elektrode bildenden Metallplatte ruhen. Da, wo der Stift unter leisem
Drucke das Zeug oder Papier berührt, geht der Strom durch und bildet sich das
Schwarz. Man kann so fast mit gleicher Schnelligkeit wie auf die gewöhnliche Art
schreiben oder zeichnen. Schrift und Zeichnung sind aber nicht nur wie gewöhnlich
mechanisch, sondern chemisch fixirt, weil das Anilinschwarz im Entstehen selbst auf
der Faser niedergeschlagen wurde. Durch unvollständige Entwickelung erhält man bloſs
die Zwischenstufe zwischen Anilin und Schwarz, nämlich das mit dem Namen Emeraldin bezeichnete Grün, oder auch ein Gemisch von
Schwarz und Grün.
In einer Reihe von Versuchen habe ich der Lösung des Anilinsalzes, um die
vollständige Entwickelung des Schwarz zu erleichtern, Stoffe zugesetzt, welche durch
ihre Elektrolyse zur Entstehung eines energischen Oxydationsmittels Anlaſs geben.
Solche Zusatzmittel sind aber nicht nöthig- die Elektrolyse des Wassers und des
Anilinsalzes genügt.
Hinsichtlich der Art des Verdickungsmittels, welches man zu der die Farbe erzeugenden
Lösung beifügen muſs, damit die Zeichnung oder Schrift so scharf wie möglich und
ohne das geringste Flieſsen ausfällt, bin ich mit Versuchen beschäftigt. Bis dahin
haben mir Traganthgummi, Fischleim, Gelatine und Stärkekleister in den verschiedenen
Fällen die besten Resultate gegeben. Ich studire auch den Einfluſs der Natur der
Elektroden, den Einfluſs der Temperatur, der Concentration und der Reaction der der
Elektrolyse unterworfenen Lösung, ferner den Einfluſs des Druckes, der Stromstärke
und anderer Punkte, welche ich heute noch nicht im Einzelnen ausführen kann.
Was die Stellung der nicht zeichnenden oder nicht schreibenden Elektrode betrifft, so
kann sie verschiedener Art sein. So kann man zum Beispiele bei der Copie einer
Medaille entweder das mit Anilinsalz getränkte Zeug auf ein sehr dünnes, die eine
Elektrode bildendes und auf einer elastischen isolirenden Kautschukplatte ruhendes
Platinblech legen, oder man kann das getränkte Zeug direkt auf die Kautschukplatte
und die Platinelektrode auf das Zeug so nahe wie möglich neben die andere durch die
zu copirende Medaille gebildete Elektrode legen.
Ich bin überzeugt, daſs diese elektrochemische Methode sich anwenden lieſse, um in
den Bleichereien, Färbereien und Druckereien die Stücke in echter schwarzer oder
sonstiger Farbe zu zeichnen, welche den verschiedenen Operationen der Bleicherei, Färberei und
Druckerei widerstehen würde. Ebenso könnte man in den Zollstätten, sowie im Handel
u.s.w. auf höchst einfache und dauerhafte Art stempeln. Ich habe zu meinen
bisherigen Versuchen einen sehr einfachen Stempel construirt, mit welchem das
Stempeln ohne vorher bereitete Farbe, nur mit Hilfe des Stromes und zum Beispiele
eines Anilinsalzes, geschieht.
Um eine die Zeichnung als Gravüre enthaltende Kupferplatte zu den besprochenen
Copirversuchen zu verwenden, gedachte ich die nicht vertieften Theile der Platte mit
einem den Strom nicht leitenden Firniſs zu überziehen, dann auf diese die eine
Elektrode bildende sogenannte „Plancheplatte“ das getränkte Zeug und hierüber
noch eine zweite nicht gravirte, die andere Elektrode bildende Platte zu legen; oder
auch mit einer Farbwalze die vertieften Stellen mit der genügend verdickten Lösung
des Anilinsalzes zu füllen und die Oberfläche der Platte mit einer Rakel von der
Farbe zu befreien. Im Uebrigen wird verfahren, wie ich es schon beschrieben habe.
Will man nicht bloſs schwarze Zeichnungen auf Zeug darstellen, sondern Stränge oder
Zeuge, z.B. Ueni-Anilinschwarz färben, so muſs man die Faser zuerst für den Strom
leitend machen, indem man auf ihr beispielsweise eine sehr dünne Metallschicht
niederschlägt. Taucht man sie hernach als positive Elektrode in die Lösung des
Anilinsalzes und in diese noch die negative Platinelektrode, so findet
Deshydrogenation des Anilins, d.h. Bildung des Schwarz auf der Faser und im
Augenblicke seiner Entstehung dessen vollkommene Fixation auf der Faser statt.
2) Aehnlich wie für die gleichzeitige Entwickelung und Fixirung der Farben kann man
auch für das Wegätzen oder Rongiren von auf Zeugen fixirten Farben, z.B. des
Türkischroth oder Indigblau, vorgehen. Man tränkt hierzu das gefärbte Zeug mit einer
Lösung von Salpeter, Kochsalz oder Chloraluminium, indem man sonst die gleichen
Anordnungen trifft. Am positiven Pole bildet sich beim Durchgehen des Stromes im
ersten Falle Salpetersäure, in den beiden letzteren Fällen Chlor. Beide greifen die
Farbe an und bleichen sie durch Umwandlung in weiſse Oxydationsprodukte. Wählt man
Salze, woraus durch die Elektrolyse Basen frei werden, welche die Rolle von Beizen
spielen, so kann man durch ein nachheriges Färbebad neue Färbungen an den geätzten
Stellen hervorbringen.
Es ist auch möglich, daſs gewisse aus den Salzen frei gewordenen Oxyde oder daſs
gewisse höhere Oxyde, welche daraus durch die Wirkung des elektrolytischen
Sauerstoffes entstehen, Färbungen erzeugen. Ich hoffe bald Mittheilungen darüber
machen zu können, wie sich die Lösungen der verschiedenen Salze in Gegenwart der
Fasern unter dem Einflüsse des Stromes verhalten, um dadurch zu entscheiden, ob es
praktisch möglich sein würde, einerseits auf galvanischem Wege zu beizen und
andererseits durch Oxyde Färbungen hervorzurufen.
Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, daſs ich mit Versuchen beschäftigt bin, um nicht
nur auf den Fasern auf galvanischem Wege Oxyde, welche die Rolle von Beizen spielen,
sondern zu gleicher Zeit Farbstoffe nieder zu schlagen,
welche mit den Oxyden Lacke bilden. Auf diese Weise hoffe ich auf den Fasern auch
die sogenannten adjectiven Farbstoffe fixiren zu können, welche der Beizen, d.h. der
Zwischenglieder zwischen ihnen und der Faser, bedürfen; so z.B. die Farbstoffe des
Krapps und seiner Derivate, ferner künstliches Alizarin, Purpurin u. dgl., sowie die
anderen natürlichen Farbstoffe.
Ich habe auf eine ganz andere Art zu gleicher Zeit geätzt und eine neue Färbung an
Stelle der verschwundenen hervorgerufen. Hat man beispielsweise türkischroth oder
indigblau gefärbtes Zeug mit salzsaurem Anilin getränkt, so wird überall da, wo der
Strom durchgeht, nicht nur die Farbe weggeätzt, sondern zugleich auch Anilinschwarz
gebildet, welches im Augenblicke seiner Entstehung sich auf dem Zeuge solid fixirt.
So bilden sich schwarze Zeichnungen oder Schriftzüge oder Stempelabdrücke auf
türkischrothem oder indigblauem Grunde.
Wie das Anilin verhalten sich bei den unter 1 und 2 beschriebenen Versuchen alle
anderen aromatischen Verbindungen, aus welchen ebenso leicht wie aus Anilin Farben
entwickelt werden können. Man kann daher verschiedenerlei Färbungen auf
elektrolytischem Wege hervorrufen.
3) Bis dahin sprach ich von Versuchen, in welchen die positive Elektrode die Wirkung
ausübt. Ich komme nun auf einige Fälle, wo die negative Elektrode die Hauptrolle
spielt.
Zuerst ist es möglich, auf die Fasern schwere und edle Metalle nieder zu schlagen,
von welchen bekanntlich mehrere seit langer Zeit eine Anwendung als Farben in der
Druckerei gefunden haben. Man braucht nur das Zeug mit der hinlänglich verdickten
Lösung des Salzes eines solchen Metalles zu tränken und die negative Elektrode
wirken zu lassen, um gleichzeitige Ausscheidung und Fixation des Metalles zu
beobachten. Das Metall wird nicht nur mechanisch., wie bei den gebräuchlichen
Verfahren, fixirt.
Man kann ferner die Oxydation der Farben während ihres Aufdruckes verhüten, indem man
z.B. in den Farbetrog der Druckwalze die negative Elektrode einer Säule oder einer
kleinen Dynamomaschine eintaucht und indem man den Inhalt dieses Haupttroges, sei es
durch eine Wand aus Pergamentpapier, sei es durch eine Platte von porösem Thone oder
durch eine einfache Röhre mit einem zweiten sehr kleinen secundären Behälter in
leitende Verbindung bringt, der dieselbe Farbe oder eine beliebige leitende
Flüssigkeit enthält, in welche die positive Elektrode eintaucht. Es ist der am
negativen Pole in der Druckfarbe entwickelte Wasserstoff, welcher ihre Oxydation
verhindert. Eine Reihe von Farbe erzeugenden Mischungen oxydiren sich sehr schnell
und bieten deshalb gewisse Schwierigkeiten in der Druckerei, beispielsweise das Solidblau, dann die
durch Mischen von Propiolsäure und Natriumxanthogenat erhaltene, sowie die für
Anilinschwarz-Erzeugung angewendeten Gemische.
4) Endlich kann man den Strom zur Bereitung der Küpen des Indigblau, Anilinschwarz
u.s.w. verwenden, indem man sich des am negativen Pol entstehenden Wasserstoffes
bedient. Man gelangt dadurch ganz ebenso gut zur Reduction des Farbstoffes wie durch
die Einwirkung gewöhnlicher Reductionsmittel: Eisenvitriol, Zink, Hydrosulfit,
Glucose u.s.w.
Für die basischen Küpen wendet man am besten als Lösungsmittel, z.B. des Indigweiſs,
die Alkalien und für die sauren Küpen die Schwefelsäure an. Wenn dann die Küpen
bereitet sind, kann man am besten ihre Oxydation dadurch verhindern, daſs man die
negative Elektrode eines schwachen ununterbrochenen Stromes auf sie einwirken läſst.
Natürlich muſs eine so vollständig wie mögliche (Trennung der beiden Elektroden
beobachtet werden, was sich jedoch ziemlich leicht bewerkstelligen läſst.Ich habe obige Thatsachen auch der Mülhauser
Industriegesellschaft mitgetheilt und eine darauf bezügliche
Abhandlung der Elektrotechnischen Gesellschaft
zu Frankfurt a. M. eingesendet. Beiden Vereinen sowie auch der Redaction
dieses Journals habe ich Muster vorgelegt.
Indem ich schlieſse, kann ich nicht umhin einen freilich noch durch keinen Versuch
bestätigten Gedanken auszusprechen: „Es möchten sich nämlich die oben
beschriebenen Thatsachen zum Hervorrufen von Zeichen und zum Schreiben auf
gröſsere Entfernungen hin in der Telegraphie und Telephonie verwenden
lassen.“
Mülhausen i. E., 10. Juli 1882.