Titel: | Ueber Arbeitsübertragung durch Elektricität. |
Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 233 |
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Ueber Arbeitsübertragung durch Elektricität.
(Schluſs des Berichtes S. 193 d. Bd.)
Deprez, über Arbeitsübertragung durch Elektricität.
Magneto- und dynamo-elektrische
Maschinen.
Wenn sich im Wirkungsfelde eines Magnetpoles ein Leitungsdraht bewegt, so wird
derselbe während der ganzen Zeit der Bewegung von einem elektrischen Strom
durchlaufen und umgekehrt, wenn der Leitungsdraht von einem Strom durchlaufen wird,
so nimmt er die Bewegung an, welche jener entgegengesetzt ist, die man ihm ertheilen
müſste, um durch die Wirkung des Magnetes einen gleich gerichteten Strom zu
erhalten. Dies ist die Erscheinung der Induktion, auf deren Ausnutzung zur Erzielung
eines continuirlichen Stromes die Induktionsmaschinen beruhen, welche an Stelle
einer Batterie als Stromquelle dienen. Wenn hierbei gewöhnliche Magnete oder durch
einen besonderen Strom erregte Elektromagnete verwendet werden, heiſst die Maschine,
wie bekannt, eine magneto-elektrische; werden aber die verwendeten Elektromagnete
durch den erzeugten Strom selbst erregt – wie bei den neueren Maschinen von Gramme und Siemens –, so
heiſsen sie dynamoelektrische Maschinen und es wird also hierbei der Strom, welcher
den weichen Eisenkern zu einem (kräftigeren) Magnet macht, durch die Bewegung der
Maschine selbst erst erzeugt und bis auf ein bestimmtes Maſs gesteigert, nach dessen
Erreichung die Maschine einen continuirlichen Strom liefert, während anfänglich nur
der in den Elektromagnetkernen vorhandene remanente Magnetismus wirkt.
Die elektromotorische Kraft einer solchen Maschine ist proportional der Intensität
des magnetischen Feldes, proportional der Peripheriegeschwindigkeit des rotirenden
Leiters und der Länge desselben. Ein von einer Batterie herrührender Strom fügt sich
mit seinem Zeichen zu dem Maschinenstrom einfach hinzu, kann also auch ausgeglichen
werden, wenn der Maschinenstrom jenem der Batterie entgegengesetzt ist. Dieselbe
Maschine kann als Elektromotor verwendet werden, in welchem Falle der hinein
gesendete Strom die Induktionswirkung auf das magnetische Feld ausübt und den Anker
in Rotation versetzt, entgegengesetzt jener, welche einen gleich gerichteten Strom
induciren würde.Deprez bezeichnet den inducirenden Elektromagnet
als „Induktor,“ was richtiger ist, als
die sonst übliche Bezeichnung des rotirenden Leiters als
Induktor.
Legt man an einen Elektromotor ein Bremsdynamometer, entsprechend einem bestimmten
Kraftmoment und einer bestimmten Arbeit für eine Umdrehung, an und miſst man durch
ein Galvanometer die Stärke des angewendeten Stromes, so zeigt sich, daſs die
Bewegung erst beginnt, wenn die Stärke des Stromes durch entsprechende Vermehrung
der Elemente eine bestimmte Gröſse erlangt hat. Sobald aber einmal die Bewegung eingeleitet ist, so
hat die weitere Vermehrung der hinter einander verbundenen Elemente keine
Vergröſserung der Stromstärke, sondern nur eine Vermehrung der elektromotorischen
Kraft und hiermit der Geschwindigkeit des Ankers zur Folge, während der Ausschlag
des Galvanometers ungeändert bleibt, weil der Zuwachs an elektromotorischer Kraft
durch die inducirte entgegengesetzte elektromotorische Kraft, welche der
Geschwindigkeit proportional ist, behoben wird, also die zur Erzeugung der
Stromstärke verbleibende elektromotorische Kraft E – e
ungeändert bleibt. Die Arbeit in der Sekunde ist dann der Geschwindigkeit oder der
inducirten elektromotorischen Kraft e(iλ) proportional. Deshalb wird auch das zum Antrieb
einer elektrodynamischen Maschine erforderliche Kraftmoment nur dem magnetischen
Felde und der Stärke des herzustellenden Stromes proportional, dagegen von der
Geschwindigkeit ganz unabhängig sein müssen. Nur die Betriebsarbeit in der Sekunde,
welche das Produkt aus dem Kraftmoment mit der Winkelgeschwindigkeit ist, muſs
dieser Geschwindigkeit proportional sein, während die erreichte Gröſse des
magnetischen Feldes und der Stromstärke sich dann nicht mehr ändert, sobald
dieselben ihren Maximalwerth erreicht haben, bei welchem eben der äuſsere Widerstand
überwunden wird.
Die Sache ist genau dieselbe wie bei dem Beharrungszustand einer
jeden Maschine. Das Kraftmoment des Wassers im Wasserrade ist im Beharrungszustande
genau gleich dem Kraftmoment des nützlichen und schädlichen Widerstandes- der
mittlere Dampfüberdruck ist im Beharrungszustand genau gleich dem mittleren auf den
Kolben reducirten Gesammtwiderstand und sowohl beim Wasserrad, wie bei der
Dampfmaschine ändert sich mit der Vermehrung der motorischen Substanz in der Sekunde
nur die Beharrungsgeschwindigkeit, nicht aber der Druck des Wassers oder Dampfes auf
den Receptor, welcher nur allein vom Widerstand abhängig ist. Die Arbeit in der
Sekunde ist hierbei der Geschwindigkeit, somit der Menge der motorischen Substanz
gerade ebenso proportional, wie die verfügbare Arbeit der Gramme'schen Maschine der Geschwindigkeit und der damit im direkten
Verhältniſs stehenden elektromotorischen Kraft E
proportional ist, während die Arbeit für eine Umdrehung in allen Fällen dieselbe
bleibt.
Sind zwei ganz gleiche solche Maschinen vorhanden, eine primäre Maschine (machine génératrice), welche durch irgend einen Motor
betrieben wird und den erzeugten Strom der sekundären Maschine (machine réceptrice) zusendet, welche mechanische Arbeit
verrichtet, so wird bei dem Ingangsetzen der ersteren und bei der allmählichen
Steigerung ihrer Geschwindigkeit sich sowohl die elektromotorische Kraft, wie die
Stärke des Stromes steigern bis zu dem Augenblicke, wo die entfernte sekundäre
Maschine ihre Bewegung beginnt (wobei der inducirte Gegenstrom der primären Maschine
eine bestimmte, von der Länge und dem Querschnitte der Leitung und von dem
Kraftmoment an der sekundären Maschine abhängige bestimmte Gröſse erreicht hat). Von
da ab ändert sich die Stromstärke J (nach Clausius J – i) nicht mehr, indem die Geschwindigkeit
der sekundären Maschine genau um eben so viel wächst wie jene der primären Maschine,
so daſs die Differenz der Geschwindigkeiten und damit die Differenz E – e zwischen der
positiven elektromotorischen Kraft E und der inducirten
oder negativen elektromotorischen Kraft e, folglich
auch die Differenz der positiven Stromstärke E : R und
der negativen Stromstärke e : R, somit die verbleibende
Stromstärke J = (E – e) :
R (oder J – i)
constant bleibt. Die Arbeit der einen und der anderen Maschine ist das Produkt aus
der Arbeit für eine Umdrehung mit der Anzahl der Umdrehungen in der Zeiteinheit;
also steht der Wirkungsgrad a im Verhältniſs der
Umdrehungszahlen, deren Unterschied constant ist. Je gröſser daher die
Umdrehungszahlen sind, desto gröſser ist der Wirkungsgrad. Der Fall ist genau so,
als ob die beiden Maschinen durch einen Riemen verbunden wären, welcher derart
gleitet, daſs immer derselbe Unterschied der Umfangsgeschwindigkeiten der beiden
Riemenscheiben vorhanden ist.
Numerische AnwendungenZuerst veröffentlicht in der Lumière éléctrique,
1881 Bd. 4 S. 246 bezieh. in. dem Berichte über die 3. Sitzung der 3.
Sektion des Pariser elektrischen Kongresses vom J. 1881..
Es sei nach Deprez für eine Gramme'sche Maschine, Modell C:
Die Anzahl der Umdrehungen in der
Minute
=
1200
Stromstärke in Ampere
=
81,22
Elektromotorische Kraft in
Volt
=
69,9
Verbrauchte Arbeit in 1
Sekunde
=
579mk
Arbeit für eine Umdrehung
=
29mk
Widerstand
des
feststehenden Schenkels in Ohm
=
0,15
„
„
rotirenden Ankers in Ohm
=
0,06
Nehmen wir nun an, daſs wir dem Draht des Schenkels und des Ankers
einen Querschnitt geben gleich 1/50 des früheren, so kann bei Verwendung gleicher
Materialmenge die Länge 50 mal so groſs sein. Wegen 50facher Länge und 1/50 Querschnitt
wird dann der Widerstand 2500 mal gröſser als früher, nämlich:
Widerstand
des
Schenkels in Ohm
375
„
„
Ankers in Ohm
150
––––
Zusammen
525.
Sind nun 2 solche Maschinen an den Endpunkten einer
Telegraphenleitung mit gewöhnlichem galvanisirtem Eisendraht von 4mm Stärke angebracht und von 50km Länge, dessen Widerstand 9 Ohm für 1km beträgt, so ergibt sich der gesammte
Widerstand, wie folgt:
Primäre Maschine
525
Leitung 50 × 9 =
450
Sekundäre Maschine
525
––––
Zusammen Ohm
1500.
In Folge der Aenderung des Drahtquerschnittes und dessen Länge
ändert sich aber auch die Stromstärke, und zwar behält das magnetische Feld seine
Gröſse unverändert bei, wenn das Produkt aus der Zahl der Windungen mit der
Stromstärke ungeändert bleibt, gleiche Materiallänge des Drahtes vorausgesetzt.
Wegen der 50 fachen Länge ist die Anzahl der Windungen 50 mal so groſs, folglich die
Stromstärke nur 81,22 : 50 = 1,624 Ampère und die elektromotorische Kraft = 1,624 ×
1500 = 2437 Volt. Bei 1200 Umdrehungen in der Minute wäre aber die elektromotorische
Kraft in Folge der 50mal gröſseren Anzahl der Windungen des Drahtes des Ankers um
denselben auch 50 mal so groſs als ursprünglich, nämlich = 50 × 69,9 = 3495 Volt;
folglich benöthigen wir zu obigen 2437 Volt nur (2437 : 3495) × 1200 = 835
Umdrehungen in der Minute. Bei dieser Geschwindigkeit ist die zu verrichtende Arbeit
in der Sekunde:
\frac{E\,J}{g}=\frac{2437\,\times\,1,624}{9,81} oder auch
=\frac{835\,\times\,29}{60}=403^{mk}
bei welcher die Bewegung an der sekundären Maschine
eben beginnt, also der Wirkungsgrad noch Null ist.
Bei der sekundären Maschine beträgt die Arbeit für eine Umdrehung
ebenfalls 29mk wie bei der primären Maschine, bei
1,624 Ampère Stromstärke. Soll dieselbe also 10e
oder 750mk in der Sekunde entwickeln, so muſs sie
(750 : 29) Umdrehungen in der Sekunde oder (750 × 60) : 29 = 1552 Umdrehungen in der
Minute machen, während die primäre Maschine 1552 + 835 = 2387 minutliche Umgänge
machen muſs, wobei sie eine Betriebsarbeit von (2387 × 29) : 60 = 1154mk in der Sekunde = 15e,4 benöthigt.
Der Wirkungsgrad ist = (10 : 15,4) gleich dem Verhältniſs der
Tourenzahlen 1552 : 2387 = 0,65 und ist dies auch gleich dem Verhältniſs der
elektromotorischen Kräfte e : E, deren Differenz E – e = 2437 ist.
Daher folgt aus
E-\frac{1552}{2387}\,E
=
2437
der Werth von
E
=
6964 Volt
also
e
=
4527 Volt
folglich
E : R = 6964 : 1500
=
4,643
und
e : R = 4527 :
1500
=
3,019
–––––––
Die Differenz ist
J = (E – e) : R
=
1,624.
Die von der primären Maschine verbrauchte Arbeit ist also zur
Controle der früheren Bestimmung:
T_a=\frac{E\,J}{g}=\frac{6964\,\times\,1,624}{9,81}=1153. Der
Unterschied der
absoluten Arbeit in der Sekunde
=
1153mk
und der an der sekundären Maschine
indicirten Arbeit (Deprez sagtnur „travail développé par la machine
réceptrice“)
=
750
––––––
beträgt
403mk
und muſs in Wärme übergegangen sein, und zwar ist die
entwickelte Wärmemenge gemessen nach Meterkilogramm:
T\,c=R\,\frac{J^2}{g}=R\,\frac{{\overline{1,624}}^2}{9,81}=0,2688\,R
daher in der primären Maschine
= 525 × 0,2688
=
141mk
= 0,332c
in der sekundären desgl.
=
141
= 0,332
in der Leitung
= 450 × 0,2688
=
121
= 0,286
–––––––––––––––
Summe
=
403mk
= 0,950c.
„Man sieht,“ sagt Deprez, „daſs es möglich
ist, mit zwei identischen Maschinen, Modell 6l, eine Nutzarbeit von 10e auf 50km Entfernung mittels eines gewöhnlichen
Telegraphendrahtes zu übertragen, wobei die Betriebskraft ungefähr 16e betragen muſs. Der Wirkungsgrad wäre in
Wirklichkeit etwas geringer, in Folge von Arbeitsverlusten durch Nebenströme,
welche in den bewegten metallischen Massen der zwei Maschinen entstehen, und
durch Reibungen, Vibrationen u. dgl., welche mit der groſsen Geschwindigkeit
verbunden sind.“
„Die elektromotorische Kraft der primären Maschine von 6952 Volt ist gleich jener
von 6400 Daniell-Elementen. Es ist gewiſs, daſs diese Spannung eine sehr
sorgfaltige Isolirung erfordern würde, welche aber keine unübersteigliche
Schwierigkeit darbietet, weil man bei Sprengungen schon seit langer Zeit dahin
gekommen ist, auf mehrere Kilometer Entfernung den Funken einer
Induktionsrolle zu übertragen, deren Spannung noch weit höher ist als 7000
Volt.“
Dagegen bemerkt A. v. Waltenhofen in den Abhandlungen der kgl. böhmischen Gesellschaft der
Wissenschaften, 1876 Folge 6 Bd. 8, daſs man bei Einschaltung eines
Ruhmkorff von 3cm Schlagweite in Prag keine Spur eines Funkens mehr in Pardubitz
(105km) nachweisen konnte, obwohl die
elektrische Zündung bis Wien (410km)
möglich war.
Bei der elektrischen Kraftübertragung entsteht die Schwierigkeit, eine gröſsere Zahl
von sekundären Maschinen zu bethätigen, welche jede nach Belieben auſser oder in
Gang gesetzt werden soll. Die primären Maschinen benöthigen daher einer
selbstthätigen Regulirung für variablen Widerstand, wobei sie selbst entweder auf
Spannung (hinter einander), oder auf Stromstärke (neben einander) verbunden sein
können. Im ersteren Falle würden sämmtliche sekundären Maschinen in demselben Strom
eingeschaltet sein; im letzteren würden getrennte Ströme von den Polen der
Generatormaschinen an die einzelnen Sekundärmaschinen ausgesendet. In jenem Falle
benöthigt man einen Regulator, welcher die Stromstärke constant erhält, im anderen
einen Regulator, der die Potentialdifferenz am Ausgangsorte constant erhält. In den
meisten Fällen wird die Nebeneinanderverbindung der primären Maschinen wegen
leichterer Regulirung vorzuziehen sein.
Der nun folgende Theil der Abhandlung von Deprez ist
streng wissenschaftlichen Inhaltes und überschreitet den Rahmen dieses Journals.
Gust. Schmidt.