Titel: | Ueber die Anwendung von Baeyer's künstlichem Indigo. |
Autor: | Lauber, Hauſsmann |
Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 302 |
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Ueber die Anwendung von Baeyer's künstlichem
Indigo.
H. Schmid, über Anwendung von Baeyer's künstlichem
Indigo.
Im Bulletin de Rotten, 1881 S. 325 bespricht H. Schmid die Anwendung des von A. Baeyer entdeckten künstlichen Indigos (vgl. 1881 239 402. 495). Wegen der historischen Einleitung verweisen wir auf die
Originalarbeit.
Die Orthonitrophenylpropiolsäure wird in Form einer gelblichen Paste mit 25 Proc.
Trockengehalt in den Handel gebracht. Ein schwaches Reductionsmittel in alkalischer
Lösung genügt bei einer Temperatur von 31°, um das Blau gut fixirt auf dem Gewebe
entstehen zu lassen.
Die ursprünglich von der Badischen Anilin- und
Sodafabrik angegebene Vorschrift lautet: 40g Propiolsäure in Teigform werden mit 10g
fein gepulvertem Borax
in 70g Stärkeverdickung eingerührt und kurz vor
dem Druck 15g xanthogensaures Natron zugegeben,
welches sich in dem Gemenge sehr leicht löst. Nach dem Druck wird getrocknet und in
der warmen trockenen Hänge verhängt; je nach der Temperatur entwickelt sich die
Farbe mehr oder weniger schnell; auch genügt nach Angabe Schmid's ein einziger Durchsang in dem Mather und
Platt'schen Continue-Fixirungsapparat, während in der kalten Hänge 48
Stunden nothwendig sind.
Trotz kräftigen Waschens hängt der Waare ein höchst unangenehmer, an Mercaptan
erinnernder Geruch an; um diesen weg zu bringen, soll man die Stücke mit einer
kochenden Lösung von 10g krystallisirter Soda im
Liter Wasser einige Zeit lang behandeln, oder sie durch kochendes Wasser
ziehen.Auch durch eine mehrmalige Passage durch den Mather
und Platt'schen Anilinschwarz-Kessel kann dieser Zweck erreicht
werden.Ref. Man seift bei 30 bis 40° unter
Vermeidung höherer Temperatur.
Will man zur Erreichung hellerer Töne die oben angegebene Farbe verwenden, so muſs
das Xanthogenat auf die Weise vermehrt werden, daſs man mit einer Verdickung
versetzt, welche im Liter 100g xanthogensaures
Natron enthält; die Boraxmenge ist berechnet, um das neutrale Natriumsalz der
Orthonitrophenylpropiolsäure zu bilden. An seiner Stelle kann man die äquivalente
Menge Soda oder essigsaures Natron anwenden; ein Ueberschuſs von Alkali vermindert
die Löslichkeit der Alkalisalze der Orthophenylpropiolsäure. Kaustische Alkalien im
geringsten Ueberschuſs sind gefährlich und führen in Folge Bildung von Isatin
Verluste herbei.
Die Stärkeverdickung kann nach Belieben durch Traganth ersetzt werden; gebrannte
Stärke und Senegalgummi schwächen die Farbe, abgesehen davon, daſs Borax erstere zum
Coaguliren bringt. Bei einem Preis von 44 M. für 1k Propiolsäure in Teigform von 25 Proc. Trockengehalt kostet unter der
Voraussetzung, daſs der Uebergang in Indigblau theoretisch und ohne Verlust vor sich
geht, 1k des letzteren auf dem Gewebe fixirt
gegenwärtig 70,40 M. Es ist jedoch anzunehmen, daſs sekundäre Reactionen (Bildung
von Isatin) die Ausbeute verringern und der Preis in diesem Verhältniſs vermehrt
wird, 1l der oben angegebenen Druckfarbe, welche
ein ziemlich dunkles Blau liefert, kommt auf 4 M. zu stehen.
So geistreich die Wahl des xanthogensauren Natrons als Reductionsmittel vom
chemischen Standpunkt aus ist, so unglücklich ist sie in gewissen anderen
Beziehungen. Das Xanthogenat gestattet die Desoxydation der Nitrophenylpropiolsäure
ohne Beihilfe einer hohen Temperatur oder von Dampf, ja letzteres ist sogar
schädlich. Die gewöhnlichen Reductionsmittel, welche seine Mitwirkung nöthig haben,
liefern schlechte Resultate: es bildet sich Orthonitrophenylacetylen oder Isatin anstatt
Indigblau.Der gröſste Uebelstand, welcher die Anwendung der schönen Baeyer'schen Erfindung auf ein
verhältniſsmäſsig geringes Mais im Kattundruck beschränkt, ist der, daſs der
künstliche Indigo längerem oder stärkerem Dämpfen nicht widersteht, wodurch
seine Combinirung mit anderen Dampffarben nahezu unmöglich wird.Ref.
Das xanthogensaure Natron entsteht durch Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auf eine
alkoholische Lösung von Natronhydrat; es kommt in Form eines gelblichen
krystallinischen Pulvers (zu 1,60 M. für 1k) in
den Handel, besitzt aber einen unangenehmen Geruch. Seine hauptsächlichsten
Zersetzungsprodukte sind Kohlensäure, Alkohol, Schwefelwasserstoff. Die
Nitrophenylpropiolsäure findet sich also der Einwirkung dieser schwachen Reduction
ausgesetzt, welche man in der Chemie so oft anwendet, indem man aromatische
Nitroverbindungen in alkoholischer oder alkoholisch-ammoniakalischer Lösung einem
Schwefelwasserstoffstrom aussetzt. Nun hat die Chemie zwar andere Stoffe von
ähnlicher Wirkung zur Verfügung, so den Sulfoharnstoff, welcher sich unter dem
Einfluſs von Alkali in Ammoniak, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff zersetzt. Das
xanthogensaure Natron ist aber allen Stoffen sowohl in Bezug auf den Preis, als die
schöne Reaction vorzuziehen.
H. Schmid hat die Wirkung des Sulfoharnstoffes an Stelle
des xanthogensauren Natrons versucht und zwar in denselben Verhältnissen. Zur
Hervorbringung der Reaction braucht man jedoch eine höhere Temperatur (50°), was den
Vortheil bietet, daſs sich die Druckfarbe besser hält. Ein anderer groſser Vortheil
ist die Abwesenheit jedes schlechten Geruches. Leider steht der Anwendung des
Sulfoharnstoffes sein groſser Preis entgegen; doch dürfte auch diesem Uebelstande
abgeholfen werden, sobald sich die Industrie seiner Herstellung bemächtigt.
Leider ist die Wirkung des xanthogensauren Natrons nur zu sehr zuverlässig und
verhindert daher vollkommen die Aufbewahrung der Druckfarbe. Schon nach einigen
Stunden, namentlich im Sommer, bemerkt man eine Veränderung der Farbe; eine den
Morgen nach ihrer Herstellung gedruckte Farbe ist um mehr als ⅓ geschwächt. Man ist
also gezwungen, die Farbe kurz vor dem Gebrauch und gerade so viel herzustellen, als
man verdrucken will. Um diesem Uebelstand abzuhelfen, kann man das Gewebe mit
xanthogensaurem Natron klotzen, wobei nach Schmid's
Ansicht für 1l Bad 200 bis 300g nothwendig sind.Die Referenten erhielten mit 100g im Liter
sehr gute Resultate.
Was nun das mit Hilfe der Propiolsäure erhaltene Blau anlangt, so ist es lebhafter
als das durch Färben mit natürlichem Indigo hervorgebrachte und es widersteht sogar
stärker Reibungen und Seifen als das durch Färben erhaltene Indigblau, welches sich
besonders bei dunklen Tönen häufig zum Theil nur mechanisch an der Oberfläche
befindet und leicht abfallt. Das neue künstliche Blau läſst sich leicht mit
Anilinschwarz, Cachou,
überhaupt mit allen in Folge von Oxydation entstehenden Farben combiniren. Auch mit
Dampffarben ist dies der Fall; nur muſs man zuerst das Blau sich vollständig
entwickeln lassen und die Waare ja nicht bei Druck dämpfen. Wegen seiner
reducirenden Wirkung läſst sich das xanthogensaure Natron auch als Reserve unter
Anilinschwarz anwenden. Eine Farbe bestehend aus: 60 Gummi Senegal (1k für 1l), 20
Pfeifenerde (800g für 1l), 10 xanthogensaurem Natron und 10 Wasser
reservirt auch das stärkste Anilin schwarz. Die im Schwarz enthaltene Säure setzt
die Xanthogensäure in Freiheit, die sich leicht in Alkohol und Schwefelkohlenstoff
umsetzt und so zwei stark reducirende Stoffe hervorbringt. Schmid wendete diese Reaction an, um Indigblau unter Anilinschwarz zu
reserviren. Das Blau reservirt schon wegen seiner Alkalität und Reductionsfähigkeit
das Schwarz für sich selbst; nur verliert es dadurch die Fähigkeit, sich zur
ursprünglichen Nuance zu entwickeln. Druckt man über das oben angegebene Propiolblau
Anilinschwarz, so erhält man an den Berührungsstellen der beiden Farben ein helles
Blau, während das übrige das Schwarz nicht berührende Blau die gewöhnliche dunkle
Tönung gibt. Setzt man nun zu 1l Propiolsäureblau
weitere 100g xanthogensaures Natron, so reservirt
letzteres das Schwarz vollständig. Eine Vermehrung von xanthogensaurem Natron in dem
Blau beschleunigt seine Entwickelung beträchtlich und sie übt keinerlei Einfluſs auf
das Endresultat aus; nur vermindert sich die Haltbarkeit der Druckfarbe im selben
Verhältniſs, als man das xanthogensaure Natron darin vermehrt.
Die Eigenschaften des xanthogensauren Natrons, Kupfersalze unter Bildung von
xanthogensaurem Kupfer gelb zu fallen, gestattet die Herstellung eines gemischten
Grün. Fügt man nämlich zum Propiolblau einen mehr oder weniger groſsen Ueberschuſs
von xanthogensaurem Natron und führt nach der vollständigen Entwickelung des Blau
durch Kupferlösung, so erhält man in Folge der Mischung des Gelb mit dem Blau mehr
oder weniger ins Blau spielendes Grün. Das mit xanthogensaurem KupferWie H. Schmid angibt, kann das xanthogensaure
Kupfer an Stelle des Kupferrhodanürs (White
paste) und an Stelle des Schwefelkupfers im Anilinschwarz verwendet
werden. erzeugte Gelb widersteht Säuren und verdünnten Alkalien.
Die auf die beschriebene Weise hergestellten Grün ertragen energisches Reifen; das
Gelb ist sehr rein und lebhaft und in seinen hellen Tönen dem Cadmiumgelb
ähnlich.
Lauber und Hauſsmann.