Titel: | Die Maschinenanlage des Wasserwerkes Darmstadt. |
Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 351 |
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Die Maschinenanlage des Wasserwerkes
Darmstadt.
Die Maschinenanlage des Wasserwerkes Darmstadt.
Ueber die Maschinenanlage des Darmstädter Wasserwerkes hielt kürzlich Alb. Huber, Ingenieur der Firma G. Kuhn in Stuttgart-Berg, welche die Ausführung übernommen hatte, einen
Vortrag im Württembergischen Bezirksverein deutscher Ingenieure, dessen
wesentlichster Inhalt allgemeinere Beachtung verdient und deshalb in Nachstehendem
wiedergegeben ist.
Die Maschinenfabrik G. Kuhn übernahm nach den
Ergebnissen der Vorverhandlung die Erbauung zweier vollständig von einander
unabhängigen Dampfpumpwerke, von denen jedes bei 30 Umgängen in der Minute in 22
Stunden 2200cbm Wasser auf eine gesammte
Widerstandshöhe von 120m liefern sollte. Das
Nutzwasser war bei einer maximalen Saughöhe von 6m,5 durch sechs etwa 300m von der
Pumpstation entfernte Filterbrunnen dem Grundwasserstrome der rechtsseitigen
Rheinebene zu entnehmen und durch eine etwa 10km
lange Druckleitung von 375 und 500mm lichter Weite
nach dem Hochreservoir zu fördern. Den Kohlenbedarf sicherte G. Kuhn mit 1k,4 Nuſskohle aus der Zeche
Vollmond für 1e effectiv und Stunde zu oder mit
anderen Worten: mit 1k dieser Kohle 193600l Wasser Im hoch zu heben, die Anheizkohlen nicht
mitgerechnet.
Maschinenanlage. In dem 17m,75 langen und 10m,5 breiten
Maschinenhause, dessen Sohle im Grundwasser liegend der wasserdichten Herstellung
groſse Schwierigkelten entgegenstellte, weshalb auch für die Fundamente eine gröſste
Tiefe von nur 1m,3 gestattet war, ist zunächst der
groſse Saugwindkessel von reichlich 2cbm
angeordnet. Das aus den 6 Tiefbrunnen angesaugte Wasser strömt demselben durch eine
650mm weite Leitung zu und wird von hier aus
durch zwei getrennte Leitungen von 255mm lichter
Weite nach den Pumpen vertheilt.
Sodann sind parallel der Gebäudelängsachse die beiden genau gleich groſsen,
symmetrisch angeordneten, direkt und doppelt wirkenden Plungerpumpen aufgestellt,
deren wesentliche
Anordnung folgende ist: Ein kräftiger Hohlguſsbalken, welcher das Fundament seiner
ganzen Länge nach faſst und zugleich den Vertikalkräften wirksam begegnet, trägt
angegossen das Kurbelwellenlager und die Rundführung, an deren Flansche sich
concentrisch eingepaſst der Dampfcylinder von 460mm Durchmesser und 920mm Hub ansetzt;
derselbe ist behufs freier Ausdehnung durch die Wärme nicht unmittelbar auf dem
Fundamente festgeschraubt, sondern in einer Schlittenführung verschiebbar; er ist
mit Dampfmantel versehen und auch die Cylinderdeckel sind geheizt.
Die Steuerung, wohl die einfachste Präcisionsschiebersteuerung, ist nach Guhrauer's System; sie liefert tadellose Diagramme
selbst bei den höchsten Tourenzahlen. Ihre Wirkungsweise kann als bekannt
vorausgesetzt werden (vgl. Krause 1874 212 * 360. Guhrauer 1881 239 * 169); nur sei bemerkt, daſs, wenn beim
Schieberanstoſs keine Rückwirkung auf den Regulator erfolgen und die für
Condensationsmaschinen unerläſsliche, wenigstens scheinbare Nullfüllung zur
Verhütung des Durchgehens der Maschine beim Leergange erreicht werden soll, die
Steigung der schraubenförmigen Anstoſsfläche auf der Expansionsschieberstange gering
und die Schieberverschiebung bedeutend wird, weshalb die Drehung der
Expansionsschieberstange etwa ¾ Umdrehung betragen muſs. Ein gewöhnlicher
Pendelregulator mit gekreuzten Armen besorgt in durchaus befriedigender Weise den
Eingriff in die Expansion. Zur Verhütung groſser schädlicher Räume und
Zapfenreibungen werden die Schieber von einer durch Stirnräder betriebenen
besonderen Steuerwelle aus gezogen.
Die Condensationspumpe, welche von einer auf der hinteren Seite der Kurbelwelle
aufgesteckten Kurbelscheibe aus betrieben wird, liefert durchschnittlich 92 Proc.
Vacuum. Ein hier eingeschaltetes Wechselventil dient zum Zwecke des Arbeitens ohne
Condensation. Die specifischen Pressungen der Zapfen und der auf einander gleitenden
Flächen sind gering; sie betragen für den Kurbel- und Kreuzkopfzapfen 60k, für das Kurbelwellenlager unter
Berücksichtigung des Schwungradgewichtes 15k, für
das Kreuzkopfgleitstück 2k. Zwischen Dampfmaschine
und Pumpe ist ein Zwischenstück eingeschaltet, welches endgültig deren gegenseitige
Entfernung fixirt; eine direkte Verbindung in der Cylinderachse der Maschine hat
sich nach früheren Ausführungen als nicht nöthig erwiesen.
Durch Wahl der Ringventile, deren treffliche Wirkungsweise sich schon bei einer
anderen Ausführung (Eſslingen 1876) erprobt hatte, ergab sich die ganz eigenartige
Pumpenconstruction. Sie besteht nämlich aus einem Guſskörper, worin die Saugventile
sitzen, anschlieſsend an das vorerwähnte Zwischenstück, und in welchen das
Zulaufrohr von dem groſsen Saugwindkessel derart einmündet, daſs sich in
unmittelbarer Nähe der Saugventile noch ein sehr wirksamer kleinerer Saugwindkessel
bildet; ferner aus den beiden Druckventilgehäusen mit dem sie achsial
durchdringenden Kolbenkörper, an welchen die Stopfbüchsengehäuse concentrisch
angepaſst und angeschraubt sind. Diese Anordnung gestattet ein jederzeit leichtes
Auswechseln der Stopfbüchsenfutter.
Der Plungerkolben, aus besonders hartem Guſs und möglichst leicht, hat 210mm Durchmesser und ist mit seiner Kolbenstange
verflanscht; die Kolbenstange ihrerseits ist mit der Dampfkolbenstange in leicht
löslicher Muffenverbindung.
Die Ventile bestehen aus je 3 Etagen und gestatten bei einer Erhebung von 6mm einen freien Durchgangsquerschnitt von 450qc was bei 32 Umgängen in der Minute der Maschine
einer Wassergeschwindigkeit von 0m,66 in der
Sekunde entspricht. Die sämmtlich genau gleich groſsen, gleich schweren und
ausbalancirten guſseisernen Ventilringe mit 15mm
breiten Sitzflächen sind mit Leder, die Ventilsitze mit Metall besetzt. Der
Auflagedruck beträgt bei 10at,4 Widerstandshöhe
30k/qc. Sie
haben bis jetzt etwa 5000000 Hübe gemacht, ohne daſs eine Beschädigung des
Lederbesatzes zu gewahren ist. Die Druckventile können nach oben, die Saugventile
zur Seite aus den Ventilgehäusen herausgenommen werden. Möglichst nahe und
symmetrisch zu den beiden Ventilgehäusen ist unter Einschaltung je einer
Rückschlagklappe der Druckwindkessel angeordnet. Derselbe ist aus Schmiedeisen mit
guſseisernem Ansatzstück, auf 25at amtlich
geprüpft und für 0at,125 Druckschwankung
berechnet. Selbstredend sind die Pumpen ausgerüstet mit den nöthigen Schiebern an
Saug- und Druck
Windkesseln, den Luftsaug- und Ventilkörper-Entlüftungsventilen, sowie den
Sicherheits- und Ablaſsventilen.
Im Maschinenhause befindet sich schlieſslich noch eine Dampfpumpe zum Entwässern der
Fundamentgruben, sowie zum Fortschaffen des Abwassers der Pumpen.
Kesselanlage. Das Kesselhaus von 13m Länge und 11m,5 Breite nimmt 3 Feuerrohrkessel auf von je 49qm Heizfläche, für 6at,5 Ueberdruck
gebaut, jeder ausreichend zum Betrieb einer Maschine. Sie haben je 1680mm Durchmesser bei 6m,700 Länge und enthalten je 2 Feuerröhren von 630mm Durchmesser mit je 4 Gallowayröhren. Ferner ist
über den Kesseln ein Röhrenvorwärmer von 11qm
Heizfläche und aus je 8 guſseisernen Röhren von je 175mm lichter Weite und 2900mm Länge
bestehend derart in die Rauchzüge und in die Speisewasserleitung eingeschaltet, daſs
er jederzeit in oder auſser Thätigkeit gesetzt werden kann, ohne den sonstigen
Betrieb zu stören. Die Rostfläche des Planrostes beträgt 0qm,9.
Im Vorplatze der Kessel ist unterirdisch ein Speisewasserbehälter aus Eisenblech
aufgestellt, eine guſseiserne Wärmschlange enthaltend, durch welche das aus den
Condensationswasserableitern der Maschinen abgehende Wasser abflieſst und das
Speisewasser erwärmt wird. Der Röhrenvorwärmer und die Wärmschlange erhöhen die
Temperatur des Speisewassers um etwa 50°. Zur Kesselspeisung ist an jeder Maschine
eine Speisepumpe angebracht, welche mittels Gegenkurbel vom Condensatorkurbelzapfen
aus betrieben wird und aus dem Warmwasserbehälter das Speisewasser durch den
Röhrenvorwärmer oder mit Umgehung desselben direkt in die Kessel fördert. Als
Reservespeisevorrichtung dient eine Abzweigung von der Hochdruckleitung, welche mit
der Speisewasserleitung durch eine geeignete Verschluſsvorrichtung in Verbindung
steht. Der runde Kamin hat Im Durchmesser und 30m
Höhe. Die Verbrennung muſs als rauchfrei bezeichnet werden.
Die ausgeführte Anlage wurde nun den eingehendsten Untersuchungen unterworfen.
Zunächst handelte es sich um eine Bestimmung des Volumeneffectes der Pumpen. Zu
diesem Zwecke wurde (am 8. Februar 1881) das Stadtrohrnetz von der Hochdruckleitung
abgesperrt und genau 4 Stunden lang mit beiden Pumpen in die eine Hälfte der
Hochreservoire gepumpt. In dieser Zeit hatten die Pumpen zusammen 15486 Touren
gemacht, was einer theoretischen Leistung von 919cbm,218 entspricht. Im Hochbehälter hatte das Wasser in dieser Zeit um
156cm,43 zugenommen und, da 1cm Höhe nach genauen vorausgegangenen Ausmessungen
5cbm,675 entspricht, so waren demselben in
dieser Zeit 887cbm,74 Wasser zugeflossen. Da das
Speisewasser der Hochdruckleitung entnommen wurde, so ist die äquivalente Menge von
3cbm,68 noch zu addiren, ebenso der nach
früheren Versuchen bestimmte Wasserverlust der Druckleitung, an welcher sich 30
Schieber und 21 Hähne befinden, mit minutlich 4l,233 oder mit 1cbm,16 in 4 Stunden. Es sind
somit 892cbm,436 als dem Reservoir zugeflossen in
Rechnung zu bringen und ergibt sich hieraus ein Nutzeffect der Pumpen von 97,08
Proc. Dieser Nutzeffect wurde den sich hier anreihenden Versuchen über den
Kohlenverbrauch zu Grunde gelegt. Im Mittel betrug nun bei den betreffenden
10tägigen Versuchen (Müller und G. Kuhn):
Versuchsdauer
9 Stdn.
Kesselspannung
6at
Condensationsvacuum
92 Proc.
Gesammte Widerstandshöhe
99m,176
Tourenzahl in der Minute
32,12
Sekundlich geförderte Wassermenge
30cbm,224
Effective Pferdekraft
40e,1
Stündlicher Wasserverbrauch für 1e und Stunde
10k,2
Stündlicher Kohlenverbrauch für 1e und Stunde
1k,28
Schlackengehalt der Kohle
7,5 Proc.
Es wurden mit 1k Kohle
210937l 1m
hoch gehoben, also 9 Proc. mehr als garantirt (193600l), ungeachtet dessen, daſs Förderkohle mit einem Grubenpreise von 65 Pf.
für 100k zur Verwendung kam, während
vertragsmäſsig Stückkohlen mit einem Grubenpreise von 95 Pf. hätten gebrannt werden
dürfen.
Unter effectiver Leistung war zu verstehen: die wirklich geförderte sekundliche
Wassermenge in Kilogramm, multiplicirt mit dem Manometerstande des Druckwindkessels
während des Ganges der Maschine, vermehrt um den Höhenunterschied des Wasserstandes
im Druckwindkessel und in den Brunnen während der Dauer des Versuches, ausgedrückt
in Meter, und dividirt durch 75.
Bei der 2. Versuchsreihe (Grahn, Hobrecht und Schäffer) hatten die Pumpen in 22 Stunden 84891 Touren
gemacht, was einer theoretischen Leistung von 5039cbm entspricht. Hierbei war das Reservoir vom Stadtrohrnetze nicht
abgesperrt und es wies nach Beendigung des Versuches einen Inhalt von 3986cbm auf. Der Wasserverbrauch der Stadt während
dieser Zeit wurde von der Betriebsleitung zu 800cbm angegeben und kamen somit bei der Effectsbestimmung 4786cbm als wirklich geförderte Wassermenge in
Rechnung, was einem Wirkungsgrade der Pumpen von 95 Proc. entspricht (gegenüber dem
früher genauer ermittelten von 97,08 Proc). Die gesammte Widerstandshöhe betrug, da
beide Maschinen gleichzeitig in Betrieb waren, 104m,38 und die effective Leistung beider Maschinen zusammen 84e,1. Die während der Versuchszeit abgenommenen
Diagramme wurden der Berechnung unterzogen und ergaben bei einem mittleren Drucke
von 0k,738 unter der atmosphärischen Linie und bei
1k,705 über derselben, also bei einer
mittleren Spannung von 2k,443 bei 32 Touren der
Maschinen eine indicirte Leistung von 104e,34,
woraus sich ein Nutzeffekt der Maschinenanlage von 80,6 Proc. ergibt, was nach
Ausspruch der Experten als ein sehr befriedigendes Resultat bezeichnet werden muſs.
Unter Einsetzung des thatsächlichen Volumeneffectes der Pumpen von 97,08 (statt 95)
Proc. erhöht sich dieser Wirkungsgrad auf etwa 82,4 Proc.
Der Kohlenverbrauch für diesen Versuch stellte sich auf 1k,37 der vorerwähnten Förderkohle einschlieſslich der Schlacken und der
Kohlen zum Anheizen, während G. Kuhn 1k,4 Stückkohlen garantirt hatte, ohne die Kohlen
zum Anheizen.
Ein interessantes Nebenresultat sei hier noch angeführt: Wie vorhin erwähnt, betrug
die indicirte Leistung für beide Maschinen zusammen 104e,34, somit für eine Maschine 52e,17,
die effective Leistung für eine Maschine 44e,1;
ferner wurde die Leergangsarbeit der Maschine mit angehängtem Plungerkolben mit 6,9
Ni ermittelt,
woraus sich somit eine Zusatzreibung von 1,17 Ni berechnet. Die Leergangsarbeit der Maschine ohne
Plungerkolben betrug 4Ni und somit die Reibungsarbeit des Plungerkolbens 2,9 Ni.
Bei diesen soeben beschriebenen Versuchen wurden die Kessel von Leuten bedient, die
noch nie an stationären Kesseln gefeuert hatten, während bei dem nun folgenden von
der Betriebsleitung (Oberingenieur O. Smreker)
ausgeführten dritten Versuche eine Art Concurrenzheizen stattfand zwischen Heizern,
welche sich um die Stelle bewarben. Die Versuchsperiode wurde zunächst in zwei
Theile getheilt: vom 10. bis 19. August 1881 arbeiteten beide Maschinen je 22
Stunden täglich und wurden im Mittel etwa 4800cbm,
also 20 Proc. mehr als die garantirte Wassermenge gefördert (hierbei waren 4000cbm in 22 Stunden zu Grunde gelegt, während G. Kuhn der Generalunternehmung Aird und Marc in Berlin 4400cbm
garantiren muſste); vom 20. August bis 3. September arbeiteten die beiden Maschinen
nur noch täglich 21 Stunden und wurden dabei im Mittel 4560cbm, also 11,5 Proc. mehr als die vorgeschriebene
Wassermenge gefördert. Der Kohlenverbrauch betrug im Mittel für die ganze
Versuchsperiode, abzüglich der zum jeweiligen Anheizen erforderlichen Kohlen, etwa
1k,15 für 1e
effectiv und Stunde.
Durch dieses Resultat, ein Betriebsresultat im wahren
Sinne des Wortes, ist somit festgestellt worden, daſs mit 1k Kohle 234800l
Wasser Im hoch gehoben werden, also 21 Proc. mehr als garantirt, und zwar mit einer
Kohle, die der vertragsmäſsig ausbedungenen Kohle qualitativ bedeutend
nachsteht.
Diese schönen Resultate der Darmstädter Wasserwerksanlage sind um so
beachtenswerther, wenn man die einfachen Mittel in
Betracht zieht, mit welchen sie erzielt wurden: mit einer einfachen Planrost-Innenfeuerung und mit einer. Anfachen Schieberdampfmaschine. Es erhält dadurch die Ansicht,
daſs der Flachschieber denn doch das einfachste
Dampfvertheilungsorgan ist, enien neuen schlagenden Beleg. Ausgerüstet mit genügend
groſsen Auflageflächen und einer wirksamen Schmiervorrichtung ist der Flachschieber
nicht bloſs das einfachste, sondern auch das dauerhafteste und somit das
zweckmäſsigste Dampfvertheilungsorgan; denn die Befürchtungen betreffs der groſsen
Schieberreibungsarbeiten erweisen sich durch die Erfahrung als übertrieben. (Nach
der Wochenschrift des Vereins deutscher Ingenieure,
1882 S. 236.)