Titel: | Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian. |
Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 430 |
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Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian.
Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian.
Dubrunfaut (1850 117 139)
machte bereits den Vorschlag, Zucker aus der Melasse mittels Strontian oder Baryt
abzuscheiden, und Stammer (1862 163 225. 1863 167 136. 207) zeigte, daſs bei
der Verarbeitung der Melasse mittels Strontian ein erheblich reineres Produkt
erzielt werde als mittels Kalk, glaubte aber, daſs das Verfahren wegen der
schwierigen Beschaffung des Strontians aussichtslos sei, während die
Zuckerraffinerie in Dessau Strontianit mit Erfolg verwendete (vgl. 1877 225 108); ihr Verfahren wurde aber nicht bekannt.
Inzwischen hatte Jünemann (Organ für Rübenzucker – Industrie in Oesterreich, 1881 S. 705) am 20.
September 1866 die Verarbeitung der Melasse mittels Strontiumhydrat patentirt
erhalten. Die siedend heiſse Melasse wurde in eine siedende Strontianlösung gegeben,
der Niederschlag mit kochendem Wasser gewaschen, das gereinigte Saccharat mit
Kohlensäure zerlegt. – A. Drevermann in Berlin (D. R.
P. Kl. 89 Nr. 7592 vom 8. März 1879) machte dann den Vorschlag, statt der Fällung
eines basischen Kalksaccharates aus spirituöser Lösung in entsprechender Weise
Strontian oder Baryt anzuwenden (vgl. Wagner's
Jahresbericht, 1879 S. 742. 1881 S. 705.)
C. Scheibler in Berlin (D. R. P. Kl. 89 Nr. 15385 vom
24. Juli 1880) läſst zunächst die Melasse mit Wasser verdünnen, und zwar hängt der
Grad dieser Verdünnung von der Zusammensetzung und dem Zuckergehalt der Lösungen,
sowie hauptsächlich von der nöthigen Menge des anzuwendenden Aetzstrontianes ab.
Letzterer wird in Ueberschuſs angewendet und zwar in solchem Verhältniſs, daſs auf 1
Molecül des vorhandenen Zuckers 3 Mol. Strontian kommen.
Die erhaltene Lösung wird nun bis zum Siedepunkt erhitzt, wobei alsbald die
Ausscheidung des Strontiumsaccharates erfolgt. Beschleunigt und vermehrt wird diese
Ausscheidung, wenn man gespannten Dampf anwendet, die Lösung also mehr oder weniger
über 100° hinaus unter Umrühren erhitzt. Das Strontiumsaccharat scheidet sich
hierbei als ein schweres, sandiges Pulver aus, welches nicht, wie das entsprechende
Calciumsaccharat, eine gelatinöse und voluminöse Beschaffenheit hat, sondern dicht
ist, sich aus der Lösung rasch absetzt und sich leicht abfiltriren läſst.
Die Abscheidung des aus den Lösungen gefällten Strontiumzuckers, während die Lösungen
noch siedend heiſs sind, geschieht am besten mit Filterpressen, in welche man die
heiſse Masse unter Dampfdruck hineintreibt. Das von der Nichtzuckerlauge befreite
Strontiumsaccharat kann nun, im Wasser vertheilt, mit Kohlensäure zerlegt werden,
wobei unlösliches kohlensaures Strontium entsteht und der Zucker frei wird. Man
trennt dann beide abermals mittels Filterpressen und bringt die Zuckerlösung in
bekannter Art zur Krystallisation. Man kann jedoch aus dem Strontiumsaccharat
vorher einen Theil des Strontiums als Strontiumhydrat in krystallisirter Form
abscheiden und für sich gewinnen, so daſs man nur den Rest durch Kohlensäure von dem
Zucker auszuscheiden hat. Das Strontiumsaccharat ist nämlich eine nur in der
Siedehitze beständige Verbindung, welche in Berührung mit Wasser und bei sinkender
Temperatur allmählich in ein weniger basisches Saccharat und in frei werdendes
Strontiumhydrat zerfällt. Wenn man daher das gewonnene Saccharat in warmem Wasser
vertheilt und allmählich erkalten läſst, so krystallisiren an den Gefäſswänden
namhafte Mengen von Strontiumhydrat aus, von welchen die Lauge zur weiteren
Verarbeitung abgelassen werden kann.
Die bei der beschriebenen Gewinnung des Strontiumsaccharats abfallenden Laugen,
welche nahezu den gesammten Nichtzucker der verarbeiteten Melassen u. dgl.
enthalten, lassen den überschüssig angewendeten Aetzstrontian beim Erkalten unter
Abhaltung der atmosphärischen Kohlensäure wieder als Strontiumhydrat
auskrystallisiren, der dann bei einer nachfolgenden Operation wieder direkt
verwendet werden kann. Zuletzt werden sie dann ebenfalls mit Kohlensäure saturirt,
um den noch gelösten Strontian als kohlensaures Strontium zu gewinnen, welches durch
Glühen wieder in Aetzstrontian übergeführt wird.
Man kann das Strontiumsaccharat auch zum Scheiden des Rübensaftes benutzen.
Nach ferneren Mittheilungen Scheibler's in seiner
Zeitschrift, 1882 Bd. 8 S. 2 geschieht in der nach seinem Verfahren arbeitenden
Zuckerraffinerie Rositz bei Altenburg die Fällung des Zuckers als schweres,
sandiges, sich leicht absetzendes Strontiumsaccharat in offenen Pfannen, welche mit
einem Rührwerk und am Boden mit einer offenen Dampfschlange versehen sind. Von der
10- bis 13procentigen Strontianlösung wird eine bestimmte Menge unter fortwährendem
Kochen durch Zugabe krystallisirten Strontiumhydrates in den Pfannen auf eine
Concentration von etwa 20 bis 25 Proc. gebracht. Alsdann gibt man ungefähr die
Hälfte der zu verarbeitenden Melasse zu, verstärkt das Kochen, fügt demnächst unter
fortdauerndem Umrühren das noch fehlende Strontiumhydrat zu, um nach geschehener
Auflösung desselben die andere Hälfte der Melasse ebenfalls einzutragen und
schlieſslich noch durch weiteren Zusatz von Strontiumhydrat die Alkalität der
Flüssigkeit auf 12 bis 14 Proc. zu bringen. Wenn man bei dieser Reaction auf 1 Th.
Zucker der Melasse ungefähr 2,5 Th. SrO2H2.8H2O, d. i. auf 1
Aeq. Zucker der Melasse etwas mehr als 3 Aeq. Strontiumhydrat verbraucht hat, so ist
der Zucker der Melasse so vollständig als Strontiumsaccharat ausgefällt, daſs die
davon abfiltrirten Nichtzuckerlaugen bei der Polarisation nur noch 0,3 bis 0,8 Proc.
Zucker zeigen. Die Art, das Strontiumhydrat und die Melasse in zwei und mehr
Fraktionen statt auf einmal in die Fällungspfannen einzutragen, hat den Vortheil,
daſs alsdann die ganze Reaction sich in einer viel geringeren Gesammtmenge von
Flüssigkeit, also in einer bedeutend concentrirteren Lösung vollziehen läſst. Das
frisch gefällte Strontiumsaccharat hat die Neigung, beim Stehenlassen rasch und
vollständig zu Boden zu sinken, so daſs die überstehende dunkelbraune Mutterlauge,
welche fast die gesammten Nichtzuckerstoffe enthält, völlig klar erscheint.
Innerhalb dieser Mutterlauge zeigt das abgesetzte Saccharat eine hellbraune Färbung;
im abfiltrirten und ausgewaschenen Zustande ist es dagegen nur strohgelb bis fast
weiſs.
Die Fällungspfannen der Rositzer Zuckerfabrik sind so groſs, daſs sie leicht bis zu
300k Melasse in einer Operation zu verarbeiten
gestatten. Zur Verdünnung dieser Melasse werden bis etwas über 3l der erwähnten Strontianlösung für 1k Melasse aufgewendet und der überdies
erforderliche Aetzstrontian in der Form krystallisirten Salzes zugegeben.
Nach dem Fertigkochen der Masse gelangt dieselbe zur Trennung des gefällten
Saccharates von der Nichtzuckerlauge durch den geöffneten Ablaſshahn in eine
Zulaufrinne und aus dieser auf die einzelnen etwas tiefer gelegenen Absaugefilter.
Diese haben die Gestalt eines halben hohlen Cylinders, sind aus Eisen construirt und
in der Richtung der Längsachse um eine gewisse Gröſse drehbar. Die offene Seite
derselben ist mit guſseisernen durchlochten Platten verschlossen, worauf ein
Drahtgeflecht von der Gröſse der ganzen Siebfläche lagert, über welchem ein
Filtertuch aus starker Leinwand ausgespannt ist. Die ganze Siebfläche ist von einem
aufgesetzten Rahmen oder Rand von gewisser Höhe umgeben, welcher am äuſseren Umfange
durch zahlreiche Klemmschrauben an den Cylinder festgeschraubt wird und zugleich das
Filtertuch einklemmt. Der Hohlraum unterhalb dieser Siebfläche steht durch eine mit
einem Absperrhahn versehene Rohrleitung mit der Luftpumpe in Verbindung, so daſs
dieser Hohlraum mehr oder weniger luftleer gepumpt werden kann. Auſserdem ist dieser
Raum noch mit einem Luftzulaſshahn, sowie in seinem tiefsten Theile mit einem Hahn
zum Ablassen der Flüssigkeit versehen.
Zur Trennung des Saccharates aus der gekochten Masse läſst man letztere aus der
erwähnten Zulaufrinne durch Lüftung des Stöpsels auf die horizontal gestellte
Siebfläche eines Absaugefilters bis nahe zum Rande des das Filter umgebenden Rahmens
laufen, während man gleichzeitig den Hahn zur Luftpumpe öffnet. Alsbald dringt in
Folge der Wirkung der Luftleere die braune Nichtzuckerlauge durch das Sieb in den
Hohlraum des Cylinders, während das Saccharat auf dem Leinwandfilter zurückbleibt.
Erscheint dieses an seiner Oberfläche trocken, so wird der Hahn zur Luftpumpe
abgestellt und der Luftzulaſshahn, sowie demnächst der Ablaufhahn am tiefsten Punkte
geöffnet, worauf die abgesaugte Nichtzuckerlauge in die untere dafür bestimmte Rinne
abflieſst und aus derselben in besondere Krystallisationsgefäſse zum
Auskrystallisiren des Strontianüberschusses sich ergieſst. Zum Auswaschen des auf der
Filterleinwand abgelagerten Saccharates liegt oberhalb der Absaugefilter eine Rinne,
aus welcher die erforderliche kochend heiſse Waschflüssigkeit durch Oeffnen eines
Kegelventiles auf das Saccharat gelangt. Diese Waschflüssigkeit, welche entweder aus
heiſsem Wasser, oder zweckmäſsiger aus einer sehr heiſsen 10procentigen
Strontianlösung besteht, wird nun durch das Saccharat und die Filterleinwand
hindurch in den Hohlraum des Absaugecylinders abgesaugt. Die hierbei entfallende
Decklauge, welche in die dafür bestimmte Ablaufrinne und aus derselben in ein
Montejus flieſst, wird wieder an Stelle der 10procentigen Strontianlauge in die
Kochpfannen geleitet; sie enthält 10 bis 12 Proc. Strontian und 0,2 bis 0,7 Proc.
Zucker, welche also nicht verloren gehen, da die Lauge in den Rundbetrieb
zurückkehrt.
Das auf dem Absaugefilter zurückgebliebene Saccharat ist meist nach 1 maliger
Waschung rein. Ist eine herausgehobene Probe des Filterkuchens nicht schwach
strohgelb bis weiſs, sondern zeigt braune Streifen von noch vorhandener brauner
Nichtzuckerlauge, so wird eine zweite Decke gegeben. Bei den Arbeiten in dieser
Station sind die Massen und Decklaugen so heiſs wie möglich zu halten und darf die
Masse zumal in der Zufluſsrinne nicht zu lange stehen, oder gar darin erkalten. Das
auf den Absaugefiltern hinterbleibende reine Saccharat wird mit flachen
Holzschaufeln in einzelnen Stücken von dem Filtertuche abgehoben, was leicht zu
bewirken ist, und in länglich flache, viereckige Kasten eingelegt, welche an beiden
Enden mit Handgriffen zum Zu- und Abtragen versehen sind. Ehe die Saccharatstücke in
die Kasten eingelegt werden, gibt man etwas Wasser in letztere, um Boden und Wände
derselben anzufeuchten, damit das Saccharat nicht anhaftet. Nach Einfüllung des
Saccharates, welches höchstens die halbe Höhe der Kasten einnehmen soll, wird
dasselbe mit kalt gesättigter d.h. etwa 2procentiger Strontianlösung übergössen, bis
es davon möglichst überdeckt ist. Die so beschickten Kasten werden nun je nach den
Umständen in der Zahl von 30 bis 60 Stück auf besonders dazu construirte Wagen in
Reihen neben und über einander gestellt und die beladenen Wagen auf Schienen in die
Kanäle des Kühlhauses geschoben.
(Schluſs folgt.)