Titel: | Elektrische Normaluhr von H. Grau in Kassel. |
Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 450 |
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Elektrische Normaluhr von H. Grau in
Kassel.
Mit Abbildungen.
Grau's elektrische Normaluhr.
Bei der in der Ausstellung zu Frankfurt 1881 vorgeführten, durch Elektricität
getriebenen Uhr hat H. Grau in Kassel (*D. R. P. Kl. 83
Nr. 13289 vom 29. Juli 1880) die Aufgabe, ein frei
schwingendes Pendel mit constantem Antriebe herzustellen, zu lösen
gestrebt.
Am oberen Ende des zwischen dem Zifferblatt und der oberen Platte schwingenden
Pendels, dicht unter der Aufhängefeder, ist ein starker Messingreif befestigt, um
dessen Mittelpunkt das Pendel sich dreht. In die vordere Flachseite dieses Ringes
ist eine Rinne eingedreht, in welche ein bis zur Hälfte mit reinem Quecksilber
gefülltes, luftdicht verschlossenes Glasrohr eingelegt ist. Zu beiden Seiten dieses
Glasrohres ist einige Millimeter oberhalb des Quecksilberspiegels ein Platindraht in
solcher Weise durch die Wand des Glases gesteckt, daſs beide Drähte während der
Mittellage des Pendels in das Quecksilber eingetaucht sind (vgl. Fig. 1). Schwingt das Pendel aber ein wenig nach
links, so tritt der links befindliche Platinstift aus dem Quecksilber heraus,
wogegen jedoch der rechts angebrachte Draht auch bei einer Pendelschwingung nach
rechts das Quecksilber nicht verläſst, sondern stets in dasselbe eingetaucht bleibt.
Die Pendelfeder besteht aus zwei isolirt mit einander verbundenen Stahlfederchen,
wovon das eine mit dem positiven, das andere mit dem negativen Pol der Batterie,
sowie auch ein jedes mit einem der erwähnten Platindrähte verbunden ist.
Fig. 1., Bd. 245, S. 449
Bei jeder Pendelschwingung nach rechts muſs, weil beide Drähte in das Quecksilber
eingetaucht sind, ein elektrischer Strom von der Batterie aus stattfinden. Dieser
nun umkreist einen unterhalb des Werkes befestigten Elektromagnet, welcher seinen
Anker anzieht, wodurch alsdann mittels einfacher Hebelvorrichtung ein Sperrrad um
einen Zahn vorwärts geschoben wird, welches mittels der gewöhnlichen
Räderübertragung die Zeiger treibt. Das Laufwerk ist so berechnet, daſs der
Sekundenzeiger jedesmal, wenn der Anker angezogen wird, um 6° vorwärts gerückt wird, und da dies bei jeder
ganzen Schwingung einmal stattfindet, so springt der Zeiger von Sekunde zu Sekunde
weiter, trotzdem das Pendel ein Halbsekundenpendel ist.
Auf solche Weise treibt also das Pendel mit Hilfe des elektrischen Stromes das
Räderwerk, ohne mit demselben in direkte Berührung zu treten. Dem Oxydiren der
Pendelfeder ist durch Vernickelung derselben vorgebeugt; ob aber die Elasticität
derselben auch durch den elektrischen Strom beeinträchtigt wird, müssen wir
vorläufig dahingestellt sein lassen, ebenso auch, in welcher Weise die Reibung des
Quecksilbers an den Wänden des Glasrohres unter Umständen auf die Schwingungen des
Pendels einwirkt.
Abweichend von der mit so groſsem Beifall aufgenommenen Anordnung der Hipp'schen Uhren (vgl. 1879 234 * 375), in denen das Pendel durch sanftes Anziehen eines
Elektromagnetes den nöthigen Antrieb erhält, wurde von Grau eine Vorkehrung getroffen, um dem Pendel alle Minuten durch einen
fallenden Körper die verloren gegangene Kraft wieder zu ertheilen. Es ist zu diesem
Zwecke auf der Welle des Sekundenrades auf der Strecke zwischen dem Zifferblatt und
der Platte ein hufeisenförmig gebogener Hebel fest angebracht. Zwischen den
Schenkeln dieses Hebels bewegt sich leicht drehend ein Arm, an dessen äuſserem Ende
ein sichelartiger Metallreifen befestigt ist, welch letzterer an seinem vorderen
Ende einen parallel zur Radachse stehenden Stift e
trägt, während der andere Endpunkt durch ein kleines Gewicht beschwert ist. Dieser
Gewichtshebel wird mittels des hufeisenförmigen Mitnehmers von dem Sekundenrad
gehoben und zwar so weit, bis der Schwerpunkt desselben ihn nöthigt, nach rechts
hinüber herunterzufallen. Hierbei ergreift der kleine Arm a einen in der Pendelstange befestigten Stift b, wodurch das Pendel alsdann mit neuem Antrieb nach links getrieben wird.
Dieser Vorgang findet, wie leicht einzusehen ist, alle Minuten einmal statt und
während der übrigen Zeit schwingt das Pendel frei. Um nun zu verhüten, daſs der
Impulshebel, wenn zur Unzeit fallend, dem Pendel einen Gegenstoſs gibt, ist auf der
Pendelstange die Ansatzfläche dc angebracht, auf
welcher derselbe mittels des Stiftes e in solchem Falle
so lange ruht, bis die Bewegung des Pendels ihm gestattet herunterzufallen. Da nun
aber der Augenblick des Fallens des Antriebhebels sehr von Zufälligkeiten abhängt,
sich der genaue Zeitpunkt desselben auch nie bestimmt feststellen läſst, so wird das
Pendel je nach dem Fallen des Gewichthebels bald einen längeren oder kürzeren
Widerstand, der durch das längere oder kürzere Aufliegen des Stiftes auf der
Ruhefläche hervorgerufen wird, zu bewältigen haben. Wir sehen hier also ein Pendel,
das wohl constanten Antrieb erhält, aber zu verschiedenen Zeiten auch verschiedenen
Widerstand überwinden muſs.
Auſser der Aufgabe, die Zeiger zu treiben und das Pendel in seinen Schwingungen zu
erhalten, hat das Laufwerk dieser Normaluhr den Zweck, die in den Stromkreis
eingeschalteten Zeigerwerke mittels des galvanischen Stromes zu treiben. Zu diesem
Behufe greift das Sekundenrad in ein Rad, welches die doppelte Zahnzahl hat;
dasselbe dreht sich demnach in 2 Minuten 1mal um seine Achse, welche an ihrem nach
hinten verlängerten Zapfen die combinirte Contact- und Commutatorvorrichtung trägt.
Diese besteht zunächst aus einem Hartgummi-Querstück a
(Fig. 2), welches fest und unbeweglich mit dem
Zapfen genannter Welle verbunden ist. Mit dieser Welle dreht sich das Querstück
innerhalb einer kreisförmigen Ausdrehung eines auf der Platte festgeschraubten
Klobens b aus Hartgummi. Das sich drehende Querstück
a ist oben mit den Messingplatten e und f bekleidet, die
ihrerseits durch die Contactfedern g und h und die Drähte B mit den
Polen der Linienbatterie verbunden sind. Die kreisrunden Ansätze des Querstückes a tragen die Contactfedern, deren eine in Fig. 3 im Augenblick des Contactes dargestellt ist.
Auf der linken Seite der isolirenden Hartgummi-Unterlage b sind 5 Liniencontacte m bis q angebracht, während zur Rechten der Contact für die
Erdleitung E befindlich ist.
Fig. 2., Bd. 245, S. 451
Fig. 3., Bd. 245, S. 451
Wie bei der Drehung des Querstückes in der von dem Pfeil angedeuteten Richtung sowohl
die Stromwendung, als auch die Contacte herbeigeführt werden, ist leicht zu
verstehen.
Diese elektrische Uhr besitzt namentlich den Vortheil, daſs der nie ganz
gleichmäſsige Strom nicht direkt auf das Pendel einwirkt; trotzdem beabsichtigt der
Erfinder nicht, dieselbe als Normaluhr in die Praxis einzuführen, da er für solchen
Zweck einen guten Gewichtsregulator für zweckmäſsiger hält. (Nach der Zeitschrift für angewandte Elektricitätslehre, 1881 S.
442.)