| Titel: | Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian. | 
| Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 465 | 
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                        Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian.
                        (Schluſs des Berichtes S. 430 d. Bd.)
                        Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian.
                        
                     
                        
                           Das Kühlhaus besteht aus längeren Kanälen, welche im Winter leicht kühl zu erhalten
                              									sind, indem man kalte Luft einströmen läſst, welche möglichst trocken sein soll, um
                              									die Verdunstung des Wassers und damit die Wärmebindung zu fördern. Für den
                              									Sommerbetrieb sind Vorrichtungen zu einer künstlichen Abkühlung der Kanäle zu
                              									treffen. Die geeignetste Temperatur für die Kühlkammern ist die von +10° und
                              									darunter, höchstens aber etwa 12° anzusehen.
                           Die erforderliche Zeitdauer für die völlige Zerlegung des Saccharates in
                              									Strontiankrystalle und Strontian haltige Zuckerlösung schwankt mit der Temperatur
                              									des Kühlhauses; im günstigsten Falle beträgt sie 24 bis 36 Stunden, im weniger
                              									günstigen Falle bis zu 72 Stunden. Bei guter Kühlung ist die Zerlegung der
                              									Saccharatmasse eine vollständige und man findet alsdann die in der Flüssigkeit
                              									vorhandenen Massen, ohne äuſsere Formänderung in ein zusammenhängendes Haufwerk von
                              									krystallisirtem Strontianhydrat umgewandelt, welches durchtränkt ist von der
                              									Strontian haltigen Zuckerlösung. Die Strontianmenge, welche man so in
                              									krystallisirter Form für eine neue Operation wieder gewinnt, beträgt ungefähr die
                              									Hälfte der ursprünglich im Saccharat vorhandenen; unter günstigen
                              									Abkühlungsverhältnissen krystallisirt jedoch mehr als die Hälfte des Strontians aus,
                              									so daſs in der Flüssigkeit auf 1 Aeq. Zucker weniger als 1 Aeq. Strontian sich
                              									vorfindet.
                           Nachdem die Saccharatmasse im Kühlhause zerlegt ist, werden die Kasten auf einem
                              									Roste umgekippt und entleert, welcher auf einem oben offenen, durch einen 20 bis
                              										30cm unter seiner Oberkante befindlichen
                              									Siebboden in zwei Theile getheilten Behälter befestigt ist. Auf dem Siebe bleiben
                              									die Strontiankrystalle zurück, während die Strontian haltige Zuckerlösung
                              									durchflieſst. Letztere wird durch eine mit einem Ablaſshahn versehene Rohrleitung
                              									zur Saturation abgeführt, die Krystalle dagegen, welche noch eine gröſsere Menge der
                              									Zuckerlösung einschlieſsen, werden auf dem Siebe mit kaltem Wasser abgespritzt. Um
                              									nicht zu viel Waschwasser aufwenden zu müssen, wodurch gleichzeitig ein Theil der
                              									Krystalle aufgelöst werden würde, werden die nur leicht abgewaschenen Krystalle
                              									zuletzt in eine mit einem Regulator versehene Schleuder übergeführt, hier nochmals
                              									ein wenig gedeckt, um dann möglichst trocken geschleudert zu werden. Die
                              									abgeschleuderte Flüssigkeit vereinigt sich mit den zuerst gewonnenen Lösungen, um
                              									zur nächsten Station abzuflieſsen. Die aus der Schleuder hervorgehenden
                              									Strontiankrystalle gehen sofort wieder an Stelle frischen Salzes in den Betrieb,
                              									indem sie zur Fällung des Saccharates aus Melasse in die Kochpfannen gelangen.
                           
                           Die Kasten, welche das zerlegte Saccharat enthielten, werden nach ihrer Entleerung
                              									ausgekratzt und gut abgewaschen, um sofort wieder zur Füllung mit frischem Saccharat
                              									verwendet zu werden. Das Abwaschen geschieht in einem besonderen Behälter mit Wasser
                              									oder Absüſswasser, welches durch eine Dampfschlange erhitzt werden kann. Von Zeit zu
                              									Zeit wird dieses Abwaschwasser ebenfalls zur folgenden Station abgelassen. Bei
                              									dieser Arbeit ist besonders zu beachten, daſs das Abwaschen der Krystalle niemals
                              									mit warmem Wasser geschehe, weil in solchem die Krystalle löslicher sind als in
                              									kaltem Wasser und man die folgende Station der Saturation unnöthig entsprechend
                              									belasten würde. Auch ist darauf zu sehen, daſs man zum Abwaschen der
                              									Strontiankrystalle auf dem Siebe und in der Schleuder nicht zu viel Abspritz- und
                              									Deckwasser verwendet, um den Zuckersaft nicht unnöthig zu verdünnen. Je nach der
                              									aufgewendeten Wassermenge schwankt die Dichtigkeit des gewonnenen Saftes, wie er zur
                              									nächsten Station abgeht, zwischen 10 bis 15° Brix.
                           Der Strontian haltige Zuckersaft, einschlieſslich der Waschwässer und der
                              									Deckflüssigkeit aus den Schleudern geht zunächst zur 1. Saturation. Die Kohlensäure
                              									dazu entstammt den Strontianit-Brennöfen und gelangt nach ihrer Abkühlung und dem
                              									Waschen in die Saturationsgefäſse. Diese besitzen eine offene Dampf- und
                              									Kohlensäureschlange und Dampfschaumrohr, auſserdem aber noch ein Rührwerk, welches
                              									verhindern soll, daſs der bei der Saturation entstehende kohlensaure Strontian sich
                              									am Gefäſsboden absetzt.
                           Die Saturation selbst wird in der Weise ausgeführt, daſs man den zu behandelnden Saft
                              									zunächst auf etwa 60° erhitzt, dann das Dampfventil schlieſst und mit dem Einleiten
                              									der Kohlensäure beginnt. Letzteres wird fortgesetzt, bis nur noch eine Alkalinität
                              									des Saftes von 0,04 bis 0,06 Strontian (SrO) vorhanden ist. Nach vollendeter
                              									Saturation wird dann kurze Zeit aufgekocht und der Saft nebst Niederschlag von
                              									Strontiumcarbonat zur Abscheidung des letzteren durch die mit Absüſsvorrichtung
                              									versehenen Filterpressen getrieben. Die Säfte filtriren leicht und klar und das
                              									Absüſsen geschieht am besten mit heiſsem Wasser, welches aus einem besonderen
                              									Druckgefäſs durch die Filterpreſskuchen getrieben wird. Der filtrirte Saft geht zur
                              									2. Saturation, während die Absüſswässer nach ihrer Abkühlung zum Abwaschen der
                              									Strontiankrystalle des zersetzten Saccharates verwendet werden.
                           In den Gefäſsen für die 2. Saturation wird der Filterpressensaft mit Kohlensäure bis
                              									zur völligen Ausfällung des sämmtlichen Strontians behandelt; zuletzt wird dann
                              									stark aufgekocht, um etwa gebildeten doppeltkohlensauren Strontian zu zerlegen. Von
                              									der 2. Saturation geht der Saft durch eine oberhalb der Filtersaftkasten stehende
                              									Filterpresse, um dann in diesen Saftkasten und von da weiter nach den
                              									Dünnsaft-Kohlefiltern zu gelangen. Die aus den Filterpressen hervorgehenden
                              									Schlammmassen von
                              									kohlensaurem Strontium bilden nach dem Abdämpfen feste Kuchen von schwach gelblicher
                              									bis weiſser Farbe. Sie werden zu Ziegel verarbeitet und wieder zu Aetzstrontium
                              									gebrannt.
                           Der nach der 2. Saturation aus den Filterpressen hervorgehende Dünnsaft geht aus dem
                              									Dünnsaftkasten zur Dünnsaft-Kohlefiltration, dann in die Verdampfapparate zur
                              									Dicksaftfiltration und schlieſslich ins Vacuum zur Verkochung auf Füllmasse. Streng
                              									genommen hat also das Strontianverfahren, soweit es als eine neue Methode der
                              									Zuckerfabrikation in Betracht kommt, nach der 2. Saturation sein Ende erreicht,
                              									indem es von da ab in allen übrigen Stationen den herkömmlichen bekannten Verlauf
                              									der Raffinationsarbeiten nimmt.
                           Die von dem Strontiumsaccharat abgesaugte Nichtzuckerlauge, welche aus dem
                              									Absaugefilter durch eine Rinne in Krystallisirkasten abflieſst, setzt nach der
                              									Abkühlung in diesen den überschüssig gelösten Strontian in Gestalt braun gefärbter
                              									Krystalle SrO2H2.8H2O ab. Diese Krystalle kehren wieder
                              									in den Rundbetrieb zurück, während die Mutterlauge zur Gewinnung des darin noch
                              									enthaltenen Strontians mit Kohlensäure gefällt wird. Die Saturation der Strontian
                              									haltigen Nichtzuckerlaugen bietet in so fern eine gewisse Schwierigkeit, als nicht
                              									aller Strontian darin in der Form von Aetzstrontium oder Strontiumhydrat vorhanden
                              									ist, sondern ein gewisser Theil des Strontiums sich an schwache organische Säure
                              									gebunden findet, welcher von der Kohlensäure nur sehr allmählich als SrCO3 gefällt wird. Die Abscheidung des kohlensauren
                              									Strontiums geht daher etwas träge vor sich, läſst sich aber beschleunigen, wenn man
                              									den zu saturirenden Nichtzuckerlaugen vorher eine geringe Menge einer Lösung von
                              									kohlensaurem Kali oder Natron bezieh. eine Auflösung von Schlempekohle, falls man
                              									solche selbst darstellt, zusetzt. Die Trennung des ausgeschiedenen kohlensauren
                              									Strontiums von der Nichtzuckerlauge kann bewirkt werden durch Absitzenlassen, durch
                              									Filterpressen oder durch Schleudern. Der gewonnene braune Schlamm dient zur
                              									Herstellung von Ziegeln, welche durch Brennen wieder in Aetzstrontian übergeführt
                              									werden.
                           Die von ihrem Strontiangehalt befreite Nichtzuckerlauge kann als Dünger verwendet
                              									oder auf Schlempekohle, mit oder ohne Gewinnung der flüchtigen Produkte der
                              									trockenen Destillation derselben, verarbeitet werden.
                           Der Strontianit erfordert zu seiner Ueberführung in kaustischen Strontian die
                              									Aufwendung einer intensiveren Glühhitze, als sie der Kalk verlangt, verliert aber
                              									dann seine Kohlensäure vollständig. Das Glühen des in gröſseren Stücken vorhandenen
                              									Minerals kann entweder in Rundöfen mit direkter Feuerung, oder in Kammeröfen mit
                              									Gasfeuerung geschehen. Von letzteren bewähren sich namentlich die Mendheim'schen (vgl. 1879 234 * 42). Die in diesen Oefen aus dem kohlensauren Strontium frei
                              									werdende Kohlensäure wird in bekannter Weise zu den Zwecken der Saturation abgesaugt. Die
                              									Beschickung der Oefen geschieht in der Weise, daſs man den in derberen Stücken
                              									vorhandenen Strontianit zuerst als untere Schichten in die Glühkammern einstellt und
                              									dann erst den in Form von Ziegeln zu brennenden Strontian als obere Schichten
                              									darüber lagert.
                           Die Ziegel werden zum gröſseren Theil aus dem aus einer Kugelmühle zu Pulver
                              									verwandelten Abfall des Minerals und dem aus der 1. und 2. Saturation herrührenden
                              									weiſsen Strontianschlamm, zum kleineren Theil aus dem bei der 3. Saturation
                              									entfallenden braunen Schlamm hergestellt. Dies geschieht in der Weise, daſs man die
                              									Massen mit Binde- und Reductionsmitteln, wie Theer, Kohlenpulver, Sägespänen u. dgl.
                              									– zu einer plastischen Masse verarbeitet, diese zu Ziegeln formt und letztere in
                              									Trockengestellen lufttrocken werden läſst, um sie dann in die Oefen einzustellen.
                              									Die Ziegel aus braunem Strontian werden hierbei als oberste Schichten auf die
                              									weiſsen Ziegel gelagert, da dieselben erfahrungsgemäſs, in Folge eines ihnen oft
                              									innewohnenden Gehaltes an Salzen, sehr leicht schmelzen und dadurch leicht die
                              									Gaszuführungskanäle an der Ofensohle versetzen können.
                           Das gebrannte Material wird in den sogen. Löschkasten der ersten Auslaugebatterie
                              									gebracht und durch Zugabe von Wasser oder einer dünnen Strontianlösung gelöscht. Da
                              									jedoch eine möglichst concentrirte, mindestens 30procentige Lösung erhalten werden
                              									soll, so genügt bei der nicht leichten Löslichkeit des Strontiumhydrates der
                              									einfache Löschprozeſs, welcher unter stetem Umrühren vorgenommen werden muſs,
                              									hierbei nicht. Es dient vielmehr der Löschkasten auſser dem Löschen hauptsächlich
                              									dazu, ein Zerfallen der gebrannten Massen unter Abscheidung schlecht gebrannter
                              									Stücke oder fremder Beimengungen herbeizuführen. Letztere bleiben beim Ablassen der
                              									milchweiſsen Flüssigkeit am Boden des Löschkastens liegen und werden in den unter
                              									der Batterie befindlichen Kasten geschafft. Die milchweiſse Flüssigkeit, welche u.a.
                              									viel aufgeschlämmtes Strontiumhydrat, SrO2H2, enthält, flieſst zur Batterie, welche aus 4
                              									terrassenförmig über einander stehenden Behältern besteht, die zur Erleichterung der
                              									Rundarbeit am tiefsten Punkte mit einem Druckgefäſs versehen sind, welches die
                              									Flüssigkeit des untersten Behälters wieder in den oberen schafft. Die Behälter sind
                              									mit einer offenen liegenden Dampfschlange am Boden versehen und haben ferner an der
                              									Seite einen Ablaufhahn nach dem nächstniedrig gelegenen Behälter bezieh. nach dem
                              									Druckgefäſs. Dieser Ablaufhahn ist nach innen mit einem Heberrohr verbunden, damit
                              									nur die durch Absetzen geklärten Flüssigkeiten aus dem einen nach dem anderen
                              									Behälter ablaufen. Ferner befindet sich am Boden eines jeden Behälters ein
                              									Ablaufstutzen mit Konusverschluſs, durch welchen die nicht gelösten Bestandtheile
                              									der aus dem Löschkasten abgelaufenen Flüssigkeit nach einem groſsen, unter der
                              									ganzen Batterie liegenden Kasten abgeführt werden.
                           
                           Nachdem nun aus dem Löschkästen die erste Flüssigkeit in den oberen Batteriebehälter
                              									abgelassen ist, wird dieselbe unter beständiger Dampfeinströmung und Rühren mit
                              									eisernen Krücken gekocht und damit unter dauerndem weiterem Zugeben aus dem
                              									Löschkasten so lange fortgefahren, bis der Behälter gefüllt ist. Man läſst dann
                              									abstehen, die geklärte Flüssigkeit in den nächstfolgenden Behälter laufen, wobei sie
                              									zur Verstärkung ihres Gehaltes aus dem Löschkasten noch durch die obere, über der
                              									Batterie liegenden Rinne eine weitere Zufuhr erhält. Dieses Verfahren nimmt seinen
                              									Verlauf als Rundgang in der Batterie, bis eine möglichst gesättigte Lösung erzielt
                              									ist, was bei stetem Kochen und fleiſsigem Umrühren im 3. oder 4. Behälter dann der
                              									Fall ist. Zuletzt wird die klare Lösung dann so heiſs als möglich nach den
                              									Krystallisirgefäſsen abgelassen, woselbst sich die Krystalle SrO2H2.8H2O ausscheiden.
                           Die Rückstände aus den Batteriebehältern sondern nach einigem Stehen in dem Kasten
                              									unter der Batterie noch eine geringprocentige Lauge ab, welche theils im
                              									Löschkasten, theils in der Fabrik Verwendung findet. Der weiſse, sehr steife
                              									Rückstand selbst aber wird nach einigem Liegen zu Ziegel verarbeitet, welche in
                              									besondere Ofenkammern eingestellt werden. Die daraus gebrannte Rückstandmasse kommt
                              									in einer zweiten Batterie, der Rückstandbatterie, zum Löschen und Auflösen, in ganz
                              									entsprechender Weise wie die erste Masse. Doch zeigt die erhaltene stärkste Lauge
                              									selten über etwa 15 Proc. Gehalt. In diesem Falle geht sie ebenfalls nach den
                              									Krystallisirgefäſsen zur Abkühlung ab; hat sie weniger, so wird sie entweder zum
                              									Löschen in der ersten Batterie, oder in der Fabrik zum Decken u. dgl. benutzt. Der
                              									bei dieser Arbeit zuletzt entfallende Rückstand, welcher nur noch sehr wenig
                              									Strontian enthält, geht als Abfall aus der Fabrik; die aus demselben schlieſslich
                              									noch austretende schwache Lauge wird wieder zum Löschen verwendet.
                           Ueber die Zusammensetzung des Strontiumsaccharates,
                              									welches sich beim Kochen von Rohrzucker mit Strontianlösung in dem Verhältnis von 1
                              									Mol. C12H22O11 auf etwas mehr als 3 Mol. SrO2H2 bildet, hat H. Landolt Versuche gemacht, um festzustellen, ob dem
                              									so entstehenden Niederschlag die Formel C12H22O11.3SrO oder C12H22O11.2SrO zukommt. Es ergibt sich daraus mit
                              									Bestimmtheit, daſs der beim Kochen einer Zuckerlösung mit Strontiumhydrat
                              									entstehende Niederschlag, selbst wenn mehr als 3 Mol. Strontian auf 1 Mol. Zucker
                              									genommen werden, immer die Zusammensetzung C12H22O11.SrO besitzt
                              										(Zeitschrift des deutschen Vereins für
                                 										Rübenzuckerindustrie, 1882 S. 325). – P.
                                 										Degener (Daselbst S. 328) gelangte zu demselben Resultate.
                           
                              
                                 (Nachtrag folgt.)