Titel: | Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian. |
Fundstelle: | Band 245, Jahrgang 1882, S. 506 |
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Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian.
(Nachtrag zum Berichte S. 430 und 465 d. Bd.)
Die Verarbeitung von Melasse mittels Strontian.
Nach ferneren Mittheilungen von C. Scheibler in Berlin
(D. R. P. Nr. 19 339 vom 14. Februar 1882) hat sich gezeigt, daſs man bei der
Trennung der in dem abgekühlten Saccharat enthaltenen Strontiankrystalle von der
Zuckerlösung durch Waschen auf einem Siebe und durch Abschleudern einerseits eine
nicht unbedeutende Menge der Strontiankrystalle, H2SrO9.8H2O, als solche verliert, die dann unnöthig in kohlensaures Strontium
übergeführt werden müssen, andererseits viel Waschwasser aufzuwenden hat, welches
den Zuckersaft ungebührlich verdünnt und weiterhin gröſsere Verdampfungskosten
verursacht, daſs ferner dieser Vorgang unvermeidliche Verluste an Strontian sowohl,
wie an Zuckerlösung durch Verspritzen, Verschütten o. dgl. zur Folge haben, die
Hände der Arbeiter der ätzenden Wirkung der Zuckerstrontianlaugen dauernd ausgesetzt
sind, so daſs diese Arbeitstellen überhaupt die unsaubersten der ganzen Fabrikation
sind. Diese Mängel werden vermieden, wenn man das in der Siedehitze gefällte
Saccharat in zusammenhängenden Massen für sich ohne
Wasserzugabe erkalten läſst und diese Massen alsdann in geeigneten Kasten mit
Siebböden einer systematischen Auslaugung unterwirft.
Das Strontiansaccharat, wie es aus den Melassen erhalten wird, enthält nach
genügender Reinigung durch Auswaschen mit Strontianlösung im Durchschnitt 18 bis 19
Proc. Strontiumoxyd, 27 bis 28 Proc. Zucker und 55 bis 53 freies und gebundenes
Wasser, einschlieſslich geringer Mengen Strontiumearbonat, Salze, Farbstoffe o. dgl.
Die Wassermenge in diesem Rohsaccharat ist mehr als ausreichend, um mit dem
vorhandenen Strontiumoxyd Krystalle des Hydrates H2SrO2.8H2O
zu bilden. Man kann nämlich obige Zusammensetzung zu der nachfolgenden umrechnen,
welche erkennen läſst, daſs das Wasser im Ueberschusse ist:
Strontiumhydrat H2SrO2.8H2O
46
bis
49
Proc.
Zucker
27
„
28
Freies Wasser o. dgl.
27
„
23
Die Wassermenge ist aber noch um so mehr im Ueberschusse
vorhanden, als sich bei der Abkühlung des Saccharates nicht sämmtliches
Strontiumoxyd, sondern nur ein Theil desselben in krystallisirtes Strontiumhydrat
verwandelt, während ein anderer Theil mit dem Zucker ein lösliches Saccharat
bildet.
Scheibler hat nun gefunden, daſs das reine
Strontiumsaccharat C12H22O11.2SrO.xH2O, nach seiner vollkommenen Abkühlung
sich gegen Wasser derart verhält, daſs ein Zweidrittel-Saccharat in Lösung geht,
indem es sich nach folgender Gleichung zerlegt:
3C12H22O11.SrO + xH2O = 4H2SrO2.8H2O
+ 3C12H22O11.2SrO + (x – 9)H2O.
Das in compacten Massen von den Absaugefiltern entnommene Saccharat besteht nach der
Abkühlung aus einem zwar lockeren, aber fest zusammenhängenden Haufwerk mit einander
verwachsener Krystalle von H2SrO2.8H2O, welches wie
ein Schwamm von einer concentrirten Lösung des Zweidrittel-Saccharates innig
durchtränkt ist.
Das aus den Melassen oder Syrupen abgeschiedene Rohsaccharat überläſst man nun nach
seiner Entnahme von den Absaugefiltern (Nutschen) oder aus den Filterpressen,
Schleudern o. dgl. der Abkühlung ohne jeglichen Wasserzusatz und laugt es nach etwa
24 Stunden in einer Reihe geeigneter Auslaugeapparate mit kaltem Wasser in
systematischer Weise so aus, daſs das Wasser in dasjenige Auslaugegefäſs, welches in
der Auswaschung am weitesten vorgeschritten ist, eintritt, während die entstehenden
Lösungen der Reihe nach von einem Auslaugegefäſs zum anderen übertreten, um aus dem
letzten Gefäſs der Reihe, welches kurz vorher mit ausgekühltem Saccharat frisch
gefüllt war, in der Form einer Zweidrittel-Saccharatlösung abzuflieſsen. Zu dieser
Auslaugung nach dem Gegenstromprinzip kann man irgend eines der Systeme bekannter
offener oder geschlossener Auslaugeapparate benutzen, wie sie bei der Maceration,
Diffusion, Elution o. dgl. in Anwendung sind. Man kann diese Apparate so füllen,
daſs man Kasten mit Siebböden einsetzt, in welche man das abgekühlte Saccharat
einlegt; man kann aber auch das zerbröckelte Saccharat wie bei der Elution in
Elutoren einfüllen, um es auszulaugen. Wählt man Einsatzkasten mit Siebböden, so
kann es auch zur besseren Raumausnutzung zweckmäſsig sein, dem auszulaugenden
Saccharat eine bestimmte Form, z.B. die von Ziegeln o. dgl., zu geben. Dies
geschieht leicht mit Hilfe einer Ziegelmaschine, in welche man das von den
Absaugefiltern entnommene, noch warme Saccharat einträgt. Die so erhaltenen Ziegel
läſst man dann erkalten und füllt damit die Einsatzkasten. Man kann aber auch aus
dem den Absaugefiltern entnommenen, noch warmen und plastischen Saccharat mittels
besonderer Formen segmentartige Blöcke herstellen, welche nach ihrer Auskühlung in
Centrifugen eingesetzt, dieselben genau ausfüllen und hier ausgeschleudert und mit
Wasser bis zur Erschöpfung an löslichem Saccharat ausgedeckt werden. Immer erhält
man einerseits eine Lösung, welche auf 1 Mol. Zucker annähernd stets ⅔ Mol.
Strontiumoxyd enthält, während andererseits 1,5 Mol. des ursprünglich vorhandenen
Strontiumoxydes als Krystalle, H2SrO2.8H2O, in der Form
der angewendeten Stücke oder Ziegel als zusammenhängende Massen in den
Auslaugegefäſsen zurückbleiben.
Aus der erhaltenen Lösung des Zweidrittel-Saccharates, welche eine hohe Concentration
(meist 23 bis 25° Brix entsprechend) besitzt, scheidet sich nach längerem Stehen
Strontianmonosaccharat in Form weiſser, blumenkohlartig wachsender Massengebilde
aus. Dieses Monosaccharat bildet sich auch häufig neben den Strontiankrystallen bei
der früher erörterten alten Methode der Saccharatzerlegung. Seine Bildung tritt bei
geregeltem Verlaufe
der Auslaugung in der Auslaugebatterie nicht ein, wohl aber dann, wenn auf irgend
welchem Anlaſs die Batterie längere Zeit sich selbst überlassen bleibt. Das
Monosaccharat zeigt sich alsdann in denjenigen Auslaugegefäſsen, welche die
concentrirte Lösung des Zweidrittel-Saccharates enthalten. Da es unter Umständen die
Leitungsröhren von einem Auslaugegefäſs zum andern verstopfen könnte, so umgeht man
bei Betriebstockungen seine Entstehung dadurch, daſs man die concentrirten Laugen
aus den betreffenden Gefäſsen durch Verdrängung mit dünneren Laugen oder durch
Wasser herausschafft. Im Uebrigen löst sich das weiſse Monosaccharat, falls es sich
einmal gebildet haben sollte, bei fortschreitender Auslaugung in den nachfolgenden
dünneren Laugen allmählich wieder auf.