Titel: | Kraftübertragung durch Luftverdünnung. |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 59 |
Download: | XML |
Kraftübertragung durch
Luftverdünnung.
Petin und Totin's Kraftübertragung durch
Luftverdünnung.
Zu den bisher für den Betrieb von Kleinmotoren benutzten Leitungen von Wasser, Gas,
gepreſster Luft und Elektricität ist neuerdings noch eine weitere hinzugekommen, die
Leitung von verdünnter Luft. Der zu Grunde liegende
Gedanke ist alt. Schon Papin hat in seinen i. J. 1688
zu Leipzig herausgegebenen Acta eruditorum, sowie in
einem späteren i. J. 1694 in Cassel erschienenen Werke auf die Anwendung des
Luftdruckes zum Betriebe von Motoren aufmerksam gemacht. Er wies sogar darauf hin,
daſs man unter Benutzung eines solchen Motors und einer verhältniſsmäſsig engen
Röhre, aus welcher man andauernd die Luft auspumpe, eine Uebertragung von Arbeitskraft von einem Punkte nach einem beliebig
entfernten Orte vornehmen könne.
A. L. Petit und V. Tatin in
Paris wollen nun diese Art der Kraftübertragung zur Vertheilung von Arbeitsleistung für die Zwecke des Kleinbetriebes
verwerthen und haben zunächst eine Versuchsanlage eingerichtet. Dieselbe besteht
nach dem Portefeuille économique des machines, 1882 S.
100 aus einer Luftpumpe, welche in einem Gebäude am Boulevard Voltaire aufgestellt
ist, einem Versuchssaal, einer Röhrenleitung von 600m Länge und den in einem Hause der Avenue Parmentier aufgestellten
Motoren. Die Pressung in den Röhren, welche einen Durchmesser von 60mm haben, beträgt etwa 0at,25. Die Verbindung der letzteren ist mittels
Kautschuk hergestellt, welcher sich gut bewährt haben soll. Die Röhren sind in den
Cloaken untergebracht, also bequem zugänglich. Die Motoren sind einfache Maschinen
mit schwingendem Cylinder. Ihr Sockel bildet einen Windkessel, in welchen die Luft,
nachdem sie im Cylinder arbeitsverrichtend expandirt ist, eintritt. Die Maschinen
arbeiten mit ⅜ Füllung, die kleinsten geben eine Leistung von 3 bis 5mk. Die Geschwindigkeit kann regulirt werden durch
die Stellung eines Hahnes, durch welchen die Luft in den Cylinder eintritt. Das Abstellen der
Maschine wird durch Schlieſsen dieses Hahnes bewirkt. Die getriebenen
Arbeitsmaschinen sind kleine Drehbänke für Holz und Metall, Bohrmaschinen,
Fleischhackmaschinen, Nähmaschinen u.s.w. Auſser den Vorzügen, welche auch den Gas-
und Wasserkraftmaschinen eigen sind, daſs nämlich der Motor in jedem Augenblick
angelassen und abgestellt werden kann, keiner besondern Bedienung bedarf u. dgl.,
haben diese Luftdruckmaschinen noch den Vortheil, daſs sie zugleich als Ventilatoren
wirken und die verdorbene Luft aus den Arbeitsräumen fortschaffen. Dagegen wird der
Betrieb wegen der unvermeidlichen groſsen Verluste nicht billig kommen. Die
Luftpumpen wie die Motoren fallen ferner wegen der geringen Pressungsdifferenz
unverhältniſsmäſsig groſs aus. Es bleibt abzuwarten, ob die Pariser Unternehmer
Erfolge erzielen werden.