Titel: | Die Sicherheitsvorkehrungen an dem Accumulator der hydraulischen Anlage zu Marseille. |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 121 |
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Die Sicherheitsvorkehrungen an dem Accumulator
der hydraulischen Anlage zu Marseille.
Mit Abbildungen auf Tafel 8.
Sicherheitsvorkehrungen für die Marseiller
Accumulatoranlage.
Der bekannte englische Ingenieur William Armstrong
machte es sich vor ungefähr 25 Jahren zur Aufgabe, die hydraulische Kraft auf groſse
Entfernungen zu übertragen und gleichzeitig zur Bethätigung mehrerer Erahne und
andere Hebevorrichtungen zu verwerthen (vgl. 1857 145 *
245. 1859 153 * 169). Die Unmöglichkeit, Wasserbehälter
in solch groſsen Höhen anzulegen, als es der mit Rücksicht auf eine entsprechende
Leistungsfähigkeit der Apparate erforderliche groſse Druck bedingt haben würde,
führte Armstrong dahin, einen Hilfsapparat zu
construiren, der diese Behälter ersetzen sollte und welchen er mit dem Namen Accumulator oder Kräftesammler bezeichnet hat.
Die nach diesem System ausgeführten hydraulischen Apparate haben sich in England bei
den verschiedenen Hafen-, Eisenbahn- und Industrieanlagen schnell verbreitet; in
Frankreich finden wir, wie H. Schemfil in der Wochenschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und
Architektenvereins, 1882 S. 223 berichtet, die erste bedeutende Anwendung
dieses Systemes in der Maschinerie der Compagnie des Docks
et Entrepôts in Marseille, wo dieselbe seit ungefähr 20 Jahren mit der
gröſsten Regelmäſsigkeit arbeitet. Es werden daselbst gegenwärtig 47 Krahne, 24
Elevatoren, 2 hydraulische Pressen und 3 Drehbrücken im Gewichte von 400 bis 700t, welche unter einander durch eine
Druckwasserleitung von 8000m Länge verbunden sind,
von einem Accumulator versorgt, über welchen nachstehend einige Mittheilungen folgen
sollen.
Der Accumulator besteht aus 4 Hauptbestandtheilen: 1) Aus einer Grundplatte aus
Guſseisen mit einem Röhrenstück und Flanschen, mittels welcher der Accumulator mit
dem Gesammtröhrennetze verbunden wird; 2) einem senkrecht stehenden guſseisernen
Cylinder, dessen innerer Durchmesser 0m,454 und
der äuſsere 0m,574 hat, welcher unten mit der
Grundplatte verbunden ist und an dessen oberem Ende sich eine Verdichtung befindet;
3) einem ebenfalls aus Guſseisen hergestellten Brahma'schen Pumpenkolben, dessen
Durchmesser 0m,432, dessen Hub 5m ist und der an seinem oberen Ende ein starkes
Querstück trägt, an welchem ein ringförmiger Blechkasten aufgehängt ist; 4) einem
Kasten aus Eisenblech, dessen Querschnitt ringförmig ist und dessen äuſserer
Durchmesser 3m,121, der innere dagegen 0m,943 miſst, bei einer Höhe von 5m,753. – Der Kolben verdrängt somit ein Volumen
von 735l; das Gewicht desselben, sowie des im
Blechkasten untergebrachten Ballastes beträgt 78693k, so daſs der Druck des Kolbens auf das im Cylinder enthaltene Wasser
53k,716 auf 1qc beträgt.
In unmittelbarer Nähe des Accumulators befindet sich eine horizontale Dampfmaschine
von 120e, welche zwei ebenfalls horizontale
Druckpumpen bewegt, die das ganze Röhrennetz sowie den Accumulator mit Druckwasser
versorgen. Vorsichtshalber wurden in dem Maschinenhause zwei solcher Dampfmaschinen
und zwei Accumulatoren aufgestellt, um im Falle eines Gebrechens der einen
Maschinerie sofort die andere in Betrieb setzen und auf diese Weise jede
Betriebsstörung in den Docks u.s.w. vermeiden zu können.
Denken wir uns den Accumulator am unteren Ende seines Hubes; sobald die Druckpumpen
zu arbeiten beginnen, werden sie vorerst das ganze Röhrennetz füllen, und sobald
dies voll ist, wird das Wasser auf den Kolben der Accumulatorpresse wirken und
denselben heben. In Folge des Kolben- und des Belastungsgewichtes befindet sich
nunmehr das Wasser unter einem Druck von 52at.
Wenn nun die Druckpumpen regelmäſsig arbeiten, so können die verschiedenen
Hilfsmaschinen in Betrieb gesetzt werden. In den Hafenanlagen, Frachtenbahnhöfen,
Niederlagen u. dgl. sind aber immer diese letzteren weit von einander und von dem
Accumulator entfernt, daſs es unmöglich ist, den Maschinenwärter von jeder In- oder
Auſserbetriebsetzung zu verständigen; es muſste also ein Mittel gefunden werden,
welches den Accumulator bei seinem Auf- und Absteigen den Gang der Dampfmaschine
selbstthätig regulirt und zwar so, daſs die Dampfmaschine stehen bleibt, wenn mit
keinem der einzelnen Apparate gearbeitet wird, und sich wieder in Bewegung setzt,
sobald eine oder mehrere der zerstreut liegenden Werkzeuge in Arbeit treten.
Dieses Resultat wurde auf folgende höchst einfache Weise erreicht: Der Accumulator
befindet sich meistentheils zwischen dem Heiz- und Maschinenhause, so daſs die
Dampfzuströmungsleitung durch den Accumulatorenthurm geht; in dieser Leitung und
ungefähr gegenüber der Hauptachse der Presse befindet sich eine Klappe O (Fig. 1 Taf.
8), die sich um eine horizontale Achse dreht und von auſsen an einen Hebel befestigt
ist. Das freie Ende desselben beschreibt einen Bogen AB, dessen Sehne gleich 1m ist. Befindet
sich dieser Hebel in der Stellung OA, so ist die
Klappe geschlossen, während in der Lage OB die
Dampfzuströmung zur Maschine vollkommen frei ist. Die Bewegung dieses Hebels
geschieht durch einen Sicherheitskolben E und durch den
Belastungskasten des Accumulators.
Die Vorrichtung des Sicherheitskolbens (Fig. 2 und
3 Taf. 8) besteht aus einem Röhrenstück Q
von 0m,416 Länge und 0m,152 Durchmesser, das in dem Accumulatorenthurme an die Hauptdruckleitung
angeschraubt wird; auf der oberen Seite dieses Röhrenstückes befindet sich eine
Verdichtung mit dem fraglichen Sicherheitskolben aus Bronze, dessen Durchmesser 0m,038 und dessen Querschnitt 0qm,001134 hat. Das untere Ende dieses kleinen
Kolbens taucht in das Druckwasser, während das obere Ende ein Gestell mit drei
Kettenrollen trägt; unterhalb der Leitung und beiläufig in der senkrechten Achse des
Kolbens sind ebenfalls drei solcher Rollen befestigt. Eine Kette von 10mm Durchmesser schlingt sich um das so gebildete
Flaschenzugsystem herum, nachdem sie zuvor an einem Punkte des Röhrenstückes Q befestigt wurde. Durch die Kette versechsfacht sich
der Hub des Kolbens, so daſs dieser nur ⅙ der Länge der Sehne AB, also 0m,167
zu sein braucht. Das Druckwasser übt auf den Kolben einen Druck aus = 0m,001134 × 53,716 = 609k. Der Zug in der Flaschenzugkette ist somit = ⅙ ×
609 = 101k,5 und, wenn man hiervon die
Reibungswiderstände des Systemes abzieht, welche ungefähr 30 Procent des gesammten
Kraftaufwandes betragen, so stellt sich dieser Zug auf 71k.
Ist nun AB der von dem Klappenhebel beschriebene
Bogen, A bis E die Kette
des Sicherheitskolbens, welche auf den Hebel den Zug von 71k ausübt, um die Dampfzuströmungsklappe O offen zu halten, n das
Verbindungsglied einer zweiten Kette mn, die sich
um die Rolle m schlingt, senkrecht neben dem
Belastungskasten des Accumulators absteigt, an dem unteren Ende ein Gegengewicht P1 (18k) trägt und gleichfalls auf den Klappenhebel
wirkt, so steht dieser Hebel unter der Einwirkung von P1 = 18k
+ P2 = 71k, zusammen von 89k. Der Accumulatorkasten trägt einen kleinen Ansatz M, welcher das Gewicht P1 in einer Hubhöhe von 3m,70 aufhebt, so daſs dann nunmehr das Gewicht P2 = 71k auf den Klappenhebel wirkt. Wird nun dieser
Hebel mit einem Gewicht P = 82k belastet, so bleibt trotzdem die Zuströmung
offen und zwar so lange, als die beiden Gewichte P2 und P1 zusammen wirken.
Wenn nun die Druckpumpen arbeiten und der Accumulator in Folge eines geringeren
Wasserverbrauches sich hebt, so wird, da diese Pumpen stets dieselbe Wassermenge
liefern, bei einem Hube von 3m,70 des Accumulators
das Gewicht P1 = 18k mit gehoben werden und es wirkt somit nunmehr
das Gewicht P2 = 71k, welches kleiner ist als das Gewicht des Hebels
P = 82k; unter
dem Einfluſs der Differenz P1 – P2 wird sich
nothwendigerweise die Zuströmungsklappe O theilweise
schlieſsen müssen und die Umdrehungsanzahl des Dampfmotors wird sich proportional zu
der auſser Dienst gesetzten Anzahl von Hilfswerkzeugen vermindern; nach einem
weiteren Hube des Accumulators von 1m ist die
Klappe O vollkommen geschlossen und steht die Maschine
gänzlich still.
Wird der eine oder der andere Hilfsapparat wieder in Betrieb gesetzt und Druckwasser
verbraucht, so sinkt augenblicklich der Kolben des Accumulators und mit dem
Blechkasten das Gewicht P1, welches nach und nach frei wird; die Dampfmaschine und mit ihr die
Druckpumpen fangen wieder ihre Arbeit an..
Es könnte sich wohl auch ereignen, daſs sämmtliche Krahne und Hilfsapparate, welche
mit dem Druckwasser des Accumulators betrieben werden, auf einmal und plötzlich
still stehen, und es müſsten demzufolge auch der Dampfmotor und die Pumpen zu arbeiten aufhören;
aber durch die Trägheit des Schwungrades kann die Maschine immerhin noch einige
Umdrehungen machen und der Accumulatorkolben würde aus seinem Preſscylinder
herausgestoſsen werden; um dies zu vermeiden, wurde an dem Blechkasten eine Kette
befestigt, welche, sobald der Accumulator einen Hub von 4m,70 gemacht und die Zuströmungsklappe O vollständig geschlossen ist, ein Sicherheitsventil
öffnet, durch welches sich das durch die Pumpen während der letzten Umdrehungen des
Schwungrades gelieferte Wasser entfernt und in die Vorrathsbehälter
zurückflieſst.
Es muſs hier auch noch bemerkt werden, daſs der Widerstand der Pumpen gegen den Druck
des Accumulatorkolbens (53,716 k/qc) hinreichend groſs ist, um die Rotationsträgheit
des Schwungrades zu neutralisiren; sonst würde ja die Maschine selbst, wenn die
Zuströmungsklappe geschlossen ist, noch eine bedeutende Anzahl von Umdrehungen
machen. Es kann sich aber weiter der Fall ereignen, daſs in Folge eines
Röhrenbruches der Druckwasserleitung der Accumulator anstatt zu steigen, sich rasch
senken würde; aber auch in diesem Falle verhindert der Sicherheitskolben jede
Beschädigung des Accumulators und bewirkt den Stillstand der Dampfmaschine, welche
unter solchen Bedingungen mit auſserordentlicher Geschwindigkeit arbeiten würde, da
sie keinen nennenswerthen Widerstand zu überwinden hat. Wir haben vorhin dargethan,
daſs der Zug auf die Kette A bis E gleich 71k ist.
Sobald aber ein Röhrenbruch stattgefunden hat, ist das in der Leitung und in dem
Röhrenstück Q des Sicherheitskolbens befindliche Wasser
nicht mehr unter Druck, folglich ist die Kraft P1 = 0 und das Gewicht P2 = 18k wirkt allein auf das Gegengewicht P = 82k des
Klappenhebels, so daſs sich die Dampfzuströmungsklappe unter dem Einflüsse dieses
letzteren schlieſsen muſs und die Maschine zum Stillstande zwingt.
Auſser dem neben der Dampfmaschine befindlichen Accumulator befinden sich an den
Enden der Druckwasserleitung noch weitere 3 Accumulatoren, die jedoch um etwa
3000k weniger belastet sind als die
Hauptaccumulatoren, aber weder Sicherheitskolben, noch Sicherheitsventil besitzen;
der Austritt des Kolbens aus der Presse wird durch ein hinreichend starkes
Holzgerüst oberhalb der Belastungskasten verhindert. Die Erfahrung hat nämlich
gezeigt, daſs durch diese Hilfsaccumulatoren die Druckverluste am Ende der Leitung
um 40 Proc. geringer sind. In Folge der geringeren Belastung befinden sich die
Hilfsaccumulatoren stets am oberen Ende ihres Hubes und der Druck in jedem Punkte
der Leitung ist so ziemlich gleichförmig, wenn nur eine geringe Anzahl von
Hilfsapparaten arbeiten und die entfernt gelegenen Accumulatoren am oberen Ende
ihres Hubes bleiben; sind aber 30 bis 40 Apparate im Betrieb, so vermindert sich der
Druck vom Hauptaccumulator angefangen, wo er immer unverändert auf 53k,716 bleibt, bis zu den entfernteren, wo er auf
49k fällt. In diesem Falle haben sich auch
diese letzteren gesenkt.
Diese Differenz hat natürlicherweise ihren Grund in den einzelnen Druckverlusten,
welche durch die Reibung des Wassers in der Leitung, die Verengerungen der
Ausfluſsöffnungen und die Röhrenkrümmungen entstehen.
Die Gesammtlänge der Druckwasserleitung der Docks und Niederlagen von Marseille
beträgt, wie oben erwähnt, etwa 8000m und ist aus
guſseisernen 2m,75 langen Röhren zusammengesetzt,
deren innerer Durchmesser 0m,127, der äuſsere 0m,172 miſst; dieselben werden senkrecht gegossen
und vor ihrer Verwendung auf 200at erprobt. In
Entfernungen von 300 bis 400m sind in der
Hauptleitung Compensationsröhren eingelegt, welche einerseits die durch den
Temperaturwechsel entstehenden Längendifferenzen ausgleichen und andererseits dazu
dienen, um die Erneuerung eines schadhaft gewordenen Rohres zu erleichtern.
Nachdem das Druckwasser in dem Apparate gedient hat, geht es unter einem Drucke von
ungefähr 4at durch eine eigene Leitung in die
Maschinerie zurück, um von Neuem durch die Pumpen unter den Accumulator getrieben zu
werden. (In kalten Gegenden ist es nothwendig, im Winter dem Druckwasser bis zu 10
Proc. Chlormagnesia hinzuzufügen.)