Titel: | Feuerlose Strassenbahn-Locomotive. |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 308 |
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Feuerlose Straſsenbahn-Locomotive.
Mit Abbildungen auf Tafel 22.
Feuerlose Straſsenbahn-Locomotive.
Ein Hauptübelstand des Locomotivbetriebes auf Straſsenbahnen liegt bekanntlich in dem
Auswerfen von Rauch und Funken. Durch Benutzung von Kokes als Brennmaterial läſst
sich allerdings der Rauch fast vollständig vermeiden; doch wird der Betrieb dadurch
kostspielig. Sehr zweckmäſsig erscheinen daher in dieser Hinsicht die feuerlosen
Locomotiven, welche zuerst i. J. 1872 von Dr. Lamm in
New-Orleans eingeführt und später von Todd und von L. Francq in Paris verbessert wurden (vgl. 1875 217 513 und 1877 226 429).
Seit einiger Zeit baut auch die Locomotivfabrik Hohenzollern
in Düsseldorf (Director G. Lentz) derartige Maschinen
für Straſsenbahnen auf Java. Dieselben unterscheiden sich von gewöhnlichen kleinen
Locomotiven hauptsächlich durch die Construction des Kessels, welcher, ohne
Feuerbüchse und Heizröhren ausgeführt, nur einen Behälter für Wasser und Dampf
bildet. Er wird für den Betrieb etwa zu ¾ mit Wasser gefüllt und in dieses wird
Dampf von 17at Spannung aus einem groſsen
feststehenden Kessel hineingeleitet. Der Dampf condensirt unter Wärmeabgabe an das
Wasser so lange, bis dieses eine Temperatur von fast 200° (17at entsprechend) erreicht und somit einen
erheblichen Vorrath von Wärme in sich aufgespeichert hat. Diese Wärme bewirkt dann
eine allmähliche Verdampfung, während unter stetig abnehmender Spannung (bis auf 2
bis 3at) auf der Fahrt Dampf aus dem Kessel
entnommen wird.
In Fig.
7 und 8 Taf. 22
ist nach Engineering, 1882 Bd. 34 S. 208 eine solche
Locomotive in Längs- und Querschnitt dargestellt. Der Kessel ist mit einer dicken
Filzbekleidung umgeben, doch so, daſs zwischen ihr und dem Kesselblech eine
Luftschicht bleibt. Hierdurch soll ein so wirksamer Schutz gegen Wärmeverluste
erreicht werden, daſs, wenn der Kessel am Abend „geladen“ wird, die Spannung
am folgenden Morgen (nach 8 Stunden) nur um 2 bis 4at gesunken ist. Der gespannte Heizdampf wird durch das Rohr e eingeführt. An dem Einströmventil v ist eine Kupplung zur schnellen und bequemen
Befestigung eines biegsamen Rohres angebracht. Der Betriebsdampf strömt durch s in eine Drossel Vorrichtung (Druckreducirventil),
welche auf eine beliebige Spannung eingestellt werden kann, und hierauf in einem
weiten Rohre a durch den Kessel hindurch, wobei er mehr
oder weniger überhitzt wird. Der Abdampf wird für gewöhnlich ins Freie geleitet; wo
dies sehr lästig werden sollte, wird er mittels freiliegender Röhren condensirt. Der
Kessel hat einen Wasserinhalt von etwa 2100l und
ruht auf zwei Querträgern, welche die Hauptlängsträger verbinden. Diese wie die
Cylinder liegen innerhalb der Räder. Die vier Räder sind gekuppelt.
Während die Spannung im Kessel von 15at auf 3at herabgeht, gibt jedes Liter des überhitzten
Wassers etwa 64c ab, wobei es fast genau 1500mk nutzbar liefern soll. Der ganze aufgespeicherte
Arbeitsvorrath beträgt demnach bei dem angegebenen Inhalt 1500 × 2100 = 3150000mk. Ist nun das Gewicht der betriebsfähigen
Maschine 9l,5, das der angehängten Wagen 12t und kann der durchschnittliche Zug widerstand
bei 15km Fahrgeschwindigkeit auf horizontaler
Strecke zu 12k für 1t gerechnet werden, so würde die Maschine 3150000 : (9,5 + 12) 12 =
12200m, also etwas über 12km weit laufen, ehe die Spannung auf 3at gesunken ist. Hätte jedoch die Bahn eine
Steigung von 1 : 50, so kämen für jede Tonne noch 20k Widerstand hinzu und die Maschine würde dann nur 3150000 : (9,5 + 12)
(12 + 20) = 4600m, also noch nicht 5km weit kommen. Hiernach sind die Zwischenräume zu
bestimmen, in welchen auf längeren Strecken die stationären Kessel, welche den Heizdampf
liefern, aufgestellt sein müssen. Dabei wird es immer zweckmäſsig sein, die Kessel
an den tiefer gelegenen Punkten der Bahn anzubringen, damit die Maschinen beim
Ansteigen mit hoch gespanntem Dampf arbeiten können. Auf Gefällen genügen die
geringeren Spannungen. Zum „Laden“ eines Locomotivkessels ist eine Zeit von
20 bis 30 Minuten (zwischen Ankunft und Abfahrt gerechnet) nöthig.
Die Vortheile des Betriebes mit feuerlosen Locomotiven sind sehr wesentliche: Die
Maschine braucht kein Brennmaterial mitzuschleppen, der Kessel wird auſserordentlich
geschont, Reparaturen werden viel weniger nöthig sein und alle Belästigungen durch
Rauch und Funken sind vermieden, sowie jede Feuersgefahr ausgeschlossen ist. Die
stationären Kessel können mit jedem beliebigen Brennmaterial geheizt werden und
erfordern viel weniger Heizer, als wenn die Locomotiven gefeuert würden. Die
Anlagekosten werden allerdings durch die Einrichtung der Füllstationen bedeutend
erhöht; dennoch soll der Betrieb mit feuerlosen Locomotiven im Ganzen billiger
kommen als mit den gewöhnlichen Locomotiven. In Frankreich sind die feuerlosen
Locomotiven nach Francq's System von der Compagnie Continentale d'Exploitation des Locomotives sans
Foyer in Paris schon auf mehreren Linien, z.B. in Lille und in Marly,
eingeführt. Sehr geeignet würden dieselben u.a. auch für Bergwerke sein.