Titel: | Neuere Fortschritte in der Soda-Industrie; von G. Lunge. |
Autor: | Georg Lunge [GND] |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 416 |
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Neuere Fortschritte in der Soda-Industrie; von G. Lunge.
(Fortsetzung der Abhandlung S. 383 d.
Bd.)
Lunge, über neuere Fortschritte in der Soda-Industrie.
In der Sodafabrikation nach Leblanc ist keine
einschneidende Aenderung zu verzeichnen. Die rotirenden
Oefen verbreiten sich immer mehr und würden wenigstens in England die
Handöfen schon ganz verdrängt haben, wenn nicht die schlechten Zeiten so manche Fabrik
von Neueinrichtungen zurückhielten. Man baut die rotirenden Oefen jetzt immer
gröſser und hat in England, namentlich in den Tennant'schen Fabriken, schon über 300t
Wochen verbrauch von Sulfat mit ihnen erreicht. Eine neue Construction von Wigg mit Gasfeuerung scheint keinen groſsen Erfolg
gehabt zu haben.
Die Zerstörung der Cyanverbindungen in der
Rohlauge schien durch das Verfahren von Hurter
endgültig erreicht worden zu sein. Er hat dasselbe selbst in diesem Journale (1881
239 56. 143) ausführlich besprochen und sind hier nur
die neuesten Erfahrungen darüber mitzutheilen. Leider hat sich dieses interessante
Verfahren (Ueberhitzung der Laugen in eisernen Röhren) als zu umständlich und
kostspielig für gewöhnliche Soda erwiesen und lohnt nur für die raffinirte Soda,
welche in England doch der Ammoniaksoda gegenüber kaum aufkommen kann; es ist daher
auch auf die Fabrik von Gaskell, Deacon und Comp.
beschränkt geblieben. Die groſse Schwierigkeit bleibt immer das Auftreten von
Krusten in den Röhren des Ueberhitzers, welche ungefähr folgende Zusammensetzung
zeigen: 40 bis 50 Proc. Natriumsilicat, 30 bis 40 Proc. Natriumcarbonat, 14 bis 17
Proc. Wasser und ein wenig Schwefeleisen. Durch bloſses Carbonisiren der Laugen vor
dem Ueberhitzen läſst sich die Krustenbildung im Ueberhitzer nicht vollständig
beseitigen, wohl aber durch Zusatz einer Auflösung von Bauxit in Aetzlauge (also
unreinem Natriumaluminat) vor Einleitung der Kohlensäure; es wird dann alle
Kieselsäure beim Carbonisiren in Form eines Natrium-Aluminiumsilicates ausgeschieden
bis auf kaum merkliche Spuren, welche in Lösung bleiben. Die Lauge wird darauf
filtrirt, die überschüssige Kohlensäure darin mit Aetzlauge neutralisirt und nun die
Flüssigkeit durch die Röhren des Ueberhitzers gepreſst. Jetzt folgt eine Behandlung
mit Luft, um das Schwefeleisen abzuscheiden, worauf man filtrirt, in Pfannen mit
Unterfeuer concentrirt und zuletzt noch mit einer Dampfschlange eindampft. So erhält
man ein ausgezeichnet weiſses, reines, Wasser haltiges Salz, welches theilweise als
solches verkauft, theilweise calcinirt und als raffinirtes Alkali verkauft,
theilweise zur direkten Bicarbonatfabrikation verwendet wird. Ein Uebelstand ist es,
daſs bei dem geringsten Versehen in den beschriebenen, ziemlich umständlichen
Operationen die Farbe des Salzes doch gelb ausfällt, namentlich wenn die Laugen
Arsen haltig sind.
Die Entschweflung der Laugen nach dem Verfahren
von Parnell ist von Jurisch ausführlich behandelt worden (vgl. 1882 244 71). Die von Jurisch darüber
aufgestellten Ansichten haben sich nicht durchgängigbewährt. Bekanntlich sollte nach
Parnell durch Auflösung von Zink in den Laugen
alles Sulfid, Sulfit und Thiosulfat, also alle nicht vollständig oxydirten Schwefel
Verbindungen beseitigt werden. Schaeppi hat in der Chemiker-Zeitung, 1882 S. 1010 gezeigt, daſs dies nicht
vollständig der Fall
ist, daſs vielmehr Sulfit gar nicht, Thiosulfat nur theilweise zerstört wird. Auch
nach anderweitiger, durchaus competenter Auskunft kann es nicht zweifelhaft sein,
daſs das Sulfit gar nicht, das Thiosulfat in alkalischer Lösung nur theilweise durch
Zink zersetzt wird (Na2S2O3 + Zn = Na2SO3 + ZnS). Für gewöhnliche Sodalaugen
ist das Verfahren jedenfalls zu theuer, da das Zink verloren geht. Bei kaustischer
Soda muſs man bedenken, daſs keinesfalls aller Salpeter, vielmehr nur etwa die
Hälfte des früher gebrauchten erspart wird. Namentlich zeigen sich Schwierigkeiten
bei starkem Schwefelgehalte, z.B. in den rothen Mutterlaugen. Dagegen ist das Parnell'sche Verfahren am Platze für die Fabrikation
von höchstgrädiger, 76procentiger kaustischer Soda (= 128 deutsche Grad), welche für
jeden Grad einen höheren Preis als die 70procentige erzielt und die Mehrkosten
reichlich lohnt. In der That benutzen mehrere westenglische Fabriken das Verfahren
zu diesem Zwecke, während andere – darunter die bekannte Greenbank Alkali Company – 76procentiges Aetznatron nach einem anderen
Verfahren, aber auch mit Benutzung von Zink, darstellen. Daſs man mit Zinkoxyd
dasselbe wie mit metallischem Zink erreiche, oder gar noch besser damit fahre, wie
von Jurisch behauptet worden ist, hat die Erfahrung
widerlegt, was mir von kundigster Seite mitgetheilt wird.
Viel Aufsehen erregte vor einiger Zeit das Verfahren Parnell's zum Kaustisiren von Sodalaugen
unter Hochdruck (vgl. meine Soda-Industrie,
Bd. 2 S. 526, ferner Jurisch 1881 239 397). Groſse Ersparniſs wurde erhofft davon, daſs man Sodalaugen von
1,15 sp. G. kaustisiren könne und zwar bis 96 Proc., während man bei dem
gewöhnlichen Verfahren früher nur mit Sodalaugen von höchstens 1,10 sp. G.
arbeitete. Jetzt hat es sich gezeigt, daſs man auch im offenen Kessel Laugen von
1,15 sp. G. bis 92 Proc. kaustisiren kann, während man bei geschlossenem Kessel auch
nur auf 94 Proc. kommt und die Unbequemlichkeit in den Kauf nehmen muſs, daſs man
während der Operation keinen neuen Kalkzusatz machen kann, also von vorn herein mit
Ueberschuſs an Kalk arbeiten muſs. Es ist hiernach bei Parnell's Verfahren kein groſser Vortheil zu ersehen und ist dasselbe
wieder sehr in den Hintergrund getreten.
Einen wichtigen Beitrag zur Erklärung der Wirkung des
Salpeters in der Fabrikation der kaustischen Soda gibt Parnell im Journal of the
Society of Chemical Industry, 1882 S. 133. Seine Versuche scheinen
allerdings zu beweisen, daſs die bisher allgemeine Annahme, wonach – wenigstens bis
zu einer gewissen Temperaturgrenze – der Salpeter das Schwefelnatrium unter Bildung
von Ammoniak reducirt, unrichtig sein muſs; daſs vielmehr die in der Fabrikation
stets beobachtete Entwickelung von Ammoniak nur von einer Zersetzung der Cyanide
stammen kann. Bei einem Versuche im groſsen Maſsstabe zeigte es sich, daſs beim
Kaustisiren in geschlossenem Dampfkessel unter einem Ueberdrucke von 3at,5, also bei etwa 138°, genau ebenso viel
Ammoniak gebildet wurde, ob man Salpeter zusetzte oder nicht, wonach also das
Ammoniak nur von Cyanverbindungen herkommen konnte. Genauere Versuche wurden im
Laboratorium mit absichtlich gemachten Gemischen von NaOH und Na2S angestellt. Eine Lösung von reiner Soda,
vermischt mit ebenso viel Schwefelnatrium, als gewöhnlicher Sodarohlauge entspricht,
und einer solchen Menge von reinem Kalisalpeter, daſs sie 2mal zur Oxydation des
Na2S in Na2SO4 ausreichen muſste, gab beim Einkochen keine Spur
Ammoniak, obwohl der Siedepunkt schlieſslich auf 250° stieg. Dasselbe Resultat
erfolgte bei Abänderung der Mengen von Na2S und
KNO3 in verschiedenen anderen Versuchen. Weitere
Proben sollten darthun, daſs die oxydirende Wirkung des Salpeters auf das
Schwefelnatrium bei groſsem Ueberschusse von Aetznatron erst bei 182° anfängt und
erst bei 187 bis 193° stürmisch wird. Aber, wie Parnell
selbst bemerkt, diese Versuche sind unsicher, weil der Vorgang durch Titriren von
Proben mit Chamäleonlösung verfolgt wurde, welche nicht allein auf Na2S, sondern auch auf etwa gebildetes NaNO2 einwirken konnte. Daher wurde in einem anderen
Versuche der Natronlauge nur eine Spur Schwefelnatrium, eben genug zur deutlichen
Reaction auf alkalische Bleilösung, zugesetzt, zugleich mit einem Ueberschusse von
Salpeter und unter fortwährendem Probiren mit Blei eingekocht. Die Reaction auf
Sulfid verschwand erst bei 199°.
Es handelt sich ferner darum, wie weit das Resultat durch die Einwirkung der Luft
abgeändert werden könnte, welche im Groſsen bekanntlich zur Bildung von
unterschwefligsaurem Natron (Thiosulfat) führt, aus dem in höherer Temperatur
wiederum Schwefelnatrium regenerirt wird (vielleicht nach der Gleichung: Na2S2O3 + 2NaOH = Na2S +
Na2SO4 + H2O). Es wurde daher zu einer Natronlauge vom
Siedepunkt 138° bei 115° etwas Thiosulfat gesetzt und allmählich höher erhitzt unter
fortwährendem Probiren mit dem Bleireagens. Erst bei 143° zeigte dieses die Bildung
von Sulfid an. Nun wurde Ueberschuſs von Salpeter zugesetzt; aber das Reagens zeigte
fortwährend die Anwesenheit von Sulfid, als die Mischung 1 Stunde auf 138°, dann 1
Stunde auf 149 und schlieſslich ¾ Stunden auf 165° erhitzt wurde. Noch
entscheidender scheint Parnell ein Versuch, wo ihm ein
Gemisch von Natronlauge, Salpeter und ganz wenig Thiosulfat bei 140° die Bildung von
Sulfid ergab, wo also der überschüssige Salpeter dessen Bildung nicht verhindert
hatte. Wenn auch schwefligsaures Salz in Sulfat und Sulfit gespalten wird (etwa
4Na2SO3 = Na2S + 3Na2SO4), so kann dies erst über 288° geschehen, über
welche Temperatur er in Glasgefäſsen nicht gehen konnte. – Der Salpeter scheint aus
dem Sulfid oberhalb 194° hauptsächlich Sulfat zu bilden, aber auch Sulfit, welches
selbst bei 288° nicht leicht höher oxydirt wird.
Diese Laboratoriumsversuche zeigen mithin, daſs im
Kleinen kein Ammoniak durch die Wirkung von Nitrat auf Sulfid in kochender
Natronlauge gebildet
wird, daſs bei Abschluſs von Luft der Salpeter das Sulfid unter 187° nicht merklich
oxydirt und daſs bis 193° keine erhebliche Menge Nitrit gebildet wird. Parnell gibt aber zu, daſs die Resultate in starkem
Widerspruche zu denen stehen, welche man im Groſsen erhält. Hier concentrirt man die
kaustische Lauge meist bis zum Volumengewicht 1,45 oder Siedepunkt 138°, läſst dann
etwas abkühlen, salzt aus und macht nun im Schmelzkessel fertig. Aber es ist
allbekannt, daſs man durch Zusatz von etwas Salpeter unterhalb jener Concentration,
also unter 138°, die Menge des Sulfides bedeutend vermindern kann und daſs sich
dabei Sulfit, nicht Sulfat, als Hauptproduct bildet. Ferner ist es bekannt, daſs in
einem gewissen Stadium der Fabrikation auf den Zusatz von Salpeter unmittelbar eine
Entwicklung von Ammoniak folgt. Parnell kann dies
zunächst nur durch die (recht fragliche und durch keinen Versuch gestützte)
Hypothese erklären, daſs eine Cyanverbindung, vielleicht das Rhodannatrium (von dem
äuſserst wenig vorhanden ist!) als Sauerstoffüberträger von dem Salpeter auf das
Sulfid wirkt, wobei das Cyan gleichzeitig theilweise in Ammoniak und Ameisensäure
gespalten wird.
Ich glaube, daſs dieser Gegenstand noch weitere Untersuchung von anderer Seite
verdient und hoffe diese selbst später ausführen zu können. Namentlich scheint es
mir möglich, daſs das Eisen – sowohl dasjenige der
Gefäſse, als auch dasjenige, welches aus dem Ferrocyannatrium bei seiner Zersetzung
in höherer Temperatur abgespalten werden könnte, – einen reducirenden Einfluſs auf
das Nitrat ausübt und Ammoniak bildet. Zwar würden einige von den Versuchen Parnell's gegen letzteres sprechen (einer war sogar mit
Zusatz von Eisendraht gemacht); aber gerade daſs bekanntlich Eisen in alkalischer
Lösung diese Wirkung besitzt, während Parnell eine
solche in seinem Controlversuch gar nicht fand, beweist, daſs man sich bei seinen
Versuchen in dieser Richtung nicht beruhigen kann.
Die Darstellung von Krystallsoda direkt aus der
Rohlauge, welche in mehreren deutschen Fabriken bekanntlich ausgeübt wird,
scheint in England, wo man allerdings in Bezug auf die Qualität dieses Artikels
gröſsere Ansprüche macht und zugleich durch äuſserst niedrige Preise gehemmt ist,
nicht gelingen zu wollen. Einmal müssen die Laugen entschwefelt werden, was aber für
diesen Zweck sowohl mit Zink, als mit Chlorkalk und vermuthlich auch nach Pauli's Verfahren zu theuer kommt. Merkwürdigerweise
hat man gefunden, daſs das Chlor zuerst alles Thiosulfat oxydirt, ehe das Sulfid
verschwindet. Auſserdem färben sich die Mutterlaugen so sehr durch Bildung von
Ferridcyannatrium u. dgl., daſs sie an Werth stets verlieren.
Bicarbonat wird jetzt nach einem Verfahren von Hurter bei Gaskell, Deacon und
Comp. direkt aus den nach dem S. 417 erwähnten Verfahren erhaltenen weiſsen
Salzen dargestellt, welche etwa 83 Proc. Na2CO3 und 17 Proc. Wasser enthalten. Dieselben werden in
rotirenden Cylindern mit
Kohlensäure behandelt und verwandeln sich dabei unter bedeutender Wärmebindung in
Bicarbonat, Das überschüssige Wasser wird in Circulationsröhren condensirt; die
Operation dauert 6 bis 9 Stunden. Dieses Verfahren ist bisher auf die genannte
Fabrik beschränkt.
Die Fabrikation von Potasche steht heutzutage
besonders in Deutschland in so innigem Zusammenhange mit der Sodafabrikation, daſs
eine kurze Hinweisung auf einen Aufsatz von Spiller in
dem Journal of the Society of Chemical Industry, 1882
S. 128 passend erscheinen möchte, obwohl es sich hier nicht um wirkliche
Fortschritte, sondern nur um vorläufig recht problematische Vorschläge handelt. Spiller deutet darauf hin, daſs gewöhnlicher
Kalifeldspath (Orthoklas) mehr Kali und ganz erheblich mehr Thonerde als Kalialaun
enthalte. Durch Behandlung einer Mischung von Feldspath und Fluſsspath mit
Schwefelsäure entsteht Fluſssäure, welche mit der Kieselsäure Fluorsilicium gibt,
das in Berührung mit Wasser in fein vertheilte Kieselsäure und
Kieselfluorwasserstoffsäure zerfällt (aus dieser könnte man groſsen Nutzen ziehen,
wenn sie billiger wäre, z.B. zur Sodafabrikation!). Durch Anwendung von Kryolith
statt Fluſsspath kann man die lästige Bildung einer groſsen Menge von Gyps vermeiden
und bekommt noch mehr Aluminiumsulfat (das Natron des Kryolithes dürfte aber dabei
kaum zu verwerthen sein). Spiller schlieſst seine
Abhandlung mit der Bemerkung, daſs wie die amerikanischen Potaschen groſsentheils
durch die Staſsfurter Salze verdrängt worden seien, ebenso die letzteren vielleicht
durch britische Kaliquellen verdrängt werden möchten. Damit hat es freilich noch
gute Weile, abgesehen davon, daſs auch in Deutschland Feldspath wahrlich nicht ganz
selten vorkommt.
Das neue Verfahren zur Darstellung des Chlores von
Weldon, welches gestatten soll, das Chlor des
Kochsalzes noch besser als das Deacon'sche auszunutzen,
ist nach den englischen und deutschen Patentbeschreibungen schon bekannt (vgl. 1882
245 * 24). Es wird daher nur von Interesse sein
anzuführen, daſs eine versuchsweise praktische Ausführung desselben in der Fabrik
von Pechiney zu Salindres bevorsteht. Eine Verbesserung
des allbekannten alten Verfahrens von Weldon ist diesem
und Strype patentirt worden. Sie besteht darin, daſs
die in der Salzsäure stets vorhandene Schwefelsäure durch Zusatz von Chlorcalcium
als Gyps niedergeschlagen wird; dies gestattet, die Säure weit besser auszunutzen,
indem man sie nach dem Ablassen aus dem Chlorentwickler nicht, wie gewöhnlich, mit
kohlensaurem Kalk, sondern mit Manganschlamm neutralisirt, was nur einige Minuten
dauert, dann zum Abklären stehen läſst und noch warm in den Oxydirer bringt. Der im
Klärgefäſse sich absetzende Schlamm ist nicht, wie der gewöhnliche, ein Gemenge von
Gyps und überschüssigem kohlensaurem Kalk, durchtränkt mit Manganchlorür, sondern
ist seiner „Basis“ theilweise beraubter Manganschlamm, welchen man direkt in
die Chlorentwickler zurückgibt. Hierdurch wird der Verlust an Mangan auf höchstens 1
Proc. reducirt, während man durch bessere Ausnutzung der Säure etwa 16 Procent mehr
Chlorkalk gewinnt und dabei Arbeitslohn, Dampf, kohlensauren Kalk und Apparatenraum
erspart. Da die Reinigung der Salzsäure nicht eine absolute ist, sondern immer ein
wenig Schwefelsäure zurückbleibt, welche sich allmählich im Manganschlamm als Gyps
anhäuft, so muſs man von Zeit zu Zeit eine Operation der Neutralisation in der sonst
gewöhnlichen Art machen. Dieses Verfahren ist schon seit längerer Zeit mit vollem
Erfolge in der Fabrik zu Wicklow in Betrieb. Die Reinigung findet dort statt, indem
der Salzsäure etwa 20 Vol.-Proc. der Chlorcalciumlösung zugesetzt wird, welche beim
Weldon-Verfahren sonst unbenutzt abflieſst; in der Kälte wird dann fast alle Schwefelsäure als Gyps
gefällt und durch ein einfaches Filter entfernt, so daſs die Operation fast gar
nichts kostet. Mir scheint dieses Verfahren gerade für Deutschland, wo Salzsäure
mehr gilt als in England, groſse Beachtung zu verdienen.
Die Verbesserungen von Pechiney in der Fabrikation von chlorsauren Salzen sind zwar
schon durch sehr kurze Patentbeschreibungen in Deutschland bekannt; aber gröſseres
Licht wird auf sie erst durch einen Vortrag von Weldon
geworfen (Journal of the Society of Chemical Industry,
1882 S. 40). Der bei dem gewöhnlichen Verfahren unvermeidliche Verlust von 15 bis 25
Procent des chlorsauren Kalis in den Mutterlaugen wird dadurch auf höchstens 5 Proc.
vermindert. Die Veranlassung zu Pechiney's Erfindung
gab das Bestreben, das jetzt zum Anilinschwarz unentbehrliche chlorsaure Natron auf
billigerem Wege als früher darzustellen, was wir zuerst behandeln wollen. Während
man es früher für unmöglich hielt, dieses Salz aus der gewöhnlichen Lauge von
chlorsaurem Kalk durch Zusatz von Glaubersalz zu erhalten, weil Chlornatrium und
chlorsaures Natron fast gleich löslich sind, kam Pechiney auf den Gedanken, den Umstand zu benutzen, daſs die Löslichkeit
des Chlorsäuren Natrons in der Hitze bedeutend wächst, während diejenige des
Chlornatriums bekanntlich unverändert bleibt. Es gelang ihm auch wirklich, durch
Eindampfen der vom Gyps getrennten gemischten Lauge und Aussoggen des Chlornatriums
eine fast reine Lauge von chlorsaurem Natron zu bekommen, welche dieses Salz beim
Erkalten krystallisirt lieferte. Uebelstände dieses Verfahrens waren aber noch: die
groſse Menge von Glaubersalz, welche die Reaction CaCl2O6 + 5,5CaCl2 + 6,5Na,2SO4 = 2NaClO3 + 11NaCl + 6,5CaSO4 erfordert; der unvermeidliche Verlust an
chlorsaurem Natron bei der Trennung von der groſsen Menge Gyps und beim Aussoggen
von 11 Aeq. NaCl auf 2NaClO3: die groſse Menge des
Lösungs- und Waschwassers, welche so gut wie ganz abgedampft werden muſste. Diese
Uebelstände werden ganz auſserordentlich vermindert, wenn es gelingt, die 5,5 Mol.
CaCl2, welche unvermeidlicherweise bei
Darstellung von 1 Mol. CaCl2O8 gebildet werden, ganz oder doch groſsentheils zu
entfernen, weil dann die Menge des Gypses und Kochsalzes bedeutend verringert wird,
und dies ist eben durch Pechiney's neues Verfahren gelungen. Dieses wird
in Salindres folgendermaſsen ausgeführt.
Die rohe Lauge von chlorsaurem Kalk und Chlorcalcium, welche 25° B. zeigt, wird auf
48° B. eingedampft und dann wenigstens auf 12°, aber nicht unter 10° abgekühlt. Bei
12° krystallisiren von den 5,5 Mol. CaCl2 4,3 Mol.
in Form von CaCl2.2H2O aus; aber unter 10° würde auch chlorsaurer Kalk mit auskrystallisiren.
Die zwischen 12 und 10° erzeugten Krystalle enthalten keinen krystallisirten
chlorsauren Kalk und sind so beschaffen, daſs sie sich durch Ausschleudern fast
vollkommen von der Mutterlauge trennen lassen. Diese enthält nun eine Lösung von 1
Mol. CaCl2O6 auf 1,2
Mol. CaCl2. Man verdünnt sie mit dem gleichen
Volumen Wasser, setzt dann 3 mal 1,2 Mol. Kalk hinzu und erwärmt auf 80°, wodurch
unlösliches Calciumoxychlorid entsteht; man läſst abkühlen und trennt das letztere
durch Ausschleudern von der Mutterlauge, welche jetzt auf 1 Mol. chlorsaures Salz
nur 0,3 Mol. Chlorcalcium enthält, also nur 1/18 von der ursprünglichen Menge, so daſs der oben
erwähnte Verlust wesentlich verringert wird. Zwar hält das Calciumoxychlorid viel
chlorsaures Salz mechanisch zurück; aber dies thut nichts, da es mit frischem Kalk
gemengt zur Darstellung von neuem chlorsaurem Kalk dient, was beiläufig ohne
Wärmeentwickelung vor sich geht, da die bei der Einwirkung des Chlores auf Kalk frei
werdende Wärme durch die Zersetzung des Oxychlorides gebunden wird. Die Lauge von 1
Mol. chlorsaurem Kalk und 0,3 Mol. Chlorcalcium dient aber nicht nur zur Darstellung
von chlorsaurem Natron nach der Gleichung: CaCl2O6 + Na2SO4 = CaSO4 +
2NaClO3, sondern auch zu der von chlorsaurem
Kali mittels Chlorkalium, und da man hierbei in der Mutterlauge nicht wie sonst 6,5
Mol., sondern nur 1,3 Mol. Chlorcalcium hat, so kann man eben 95 Proc. statt sonst
nur 75 Proc. chlorsaures Kali aus den Laugen gewinnen. Auſserdem dürfte aber der
jetzt zum ersten Male fast rein dargestellte Chlorsäure Kalk eine Verwendung für
sich in der Technik finden. Durch Behandlung von Schwefelsäure gibt er natürlich
sofort eine Lösung von Chlorsäure, die aber in Folge der Beimischung von 0,3 Mol.
CaCl2 die niedrigeren Oxydationsstufen des
Chlores enthält und wegen ihrer äuſserst heftigen Wirkung auf organische Stoffe wohl
in der Theerfarbenindustrie und anderweitig wichtige Verwendung finden dürfte.
(Schluß folgt.)