Titel: | Chemisch-technische Analysen der galizischen Erdöle; ausgeführt von Arnulf Nawratil. |
Autor: | Arnulf Nawratil |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 424 |
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Chemisch-technische Analysen der galizischen
Erdöle; ausgeführt von Arnulf Nawratil.
(Schluſs der Abhandlung S. 328 d. Bd.)
Nawratil, über Analyse der galizischen Erdöle.
Alle untersuchten Rohöle, selbst die ganz schweren, wenn sie frisch von der Quelle,
also noch nicht ausgewittert untersucht werden, fangen schon bei 40° an, zu
destilliren. Alle lichten Destillate, mit Ausnahme der ganz leichten, bis 100°
destillirenden, nehmen, nachdem sie der Einwirkung der Luft längere Zeit ausgesetzt
sind, einen blauen Reflex und eine dunklere Farbe an. Die braunrothen Destillate
werden mit der Zeit ganz dunkel und haben einen starken dunkelblauen, die ganz
schweren aber einen grünen Reflex.
Die hier mitgetheilten Resultate beweisen, daſs die leichten Erdöle reich sind an
leichten Leuchtölen; die schweren Erdöle enthalten dafür mehr schwere Paraffinöle;
ferner enthalten einzelne leichte Oele mehr Benzin (Destillate bis 150°), andere
wenig Benzin, wenig schwere Oele (Destillate über 300°), dafür aber viel
Leuchtpetroleum. Einige geben lichte Oele, andere aber dunkle; die einen sind reich,
die anderen aber arm an Paraffin. Einige liefern Destillate von höherem, die anderen
aber von niedrigerem specifischem Gewichte; die einen liefern mehr, die anderen
weniger Kokes und alles dies sind Verhältnisse, über welche man sich vermöge des
specifischen Gewichtes des Rohöles allein unbedingt keinen verläſslichen Aufschluſs
zu geben vermag.
Vergleicht man die galizischen rohen Erdöle nach ihrem specifischen Gewicht, so sieht
man, daſs die ganz leichten Erdöle auch dunkel, die schwereren aber lichter gefärbt
sein können, obgleich die schwereren Erdöle vorwiegend dunkler sind als die
leichteren. (Das noch nicht analysirte Erdöl aus Pasieczna, Bezirk Nadworna,
Grubenunternehmung der Spolka Solotwinska, Schacht Nr.
2, 46m tief, sp. G. = 0,765, ist braunschwarz und
undurchsichtig, wogegen das aus Klenczany, welches oben unter Nr. 1 beschrieben,
0,779 sp. G. hat, licht rothgelb und durchsichtig ist.) Die leichten Rohöle Nr. 2
(sp. G. 0,808) und Nr. 3 (sp. G. 0,800) sind nicht dunkel, durchsichtig, die
Destillate arm an Paraffin; das ganz lichte und nur wenig leichtere Nr. 1 (sp. G.
0,779) gibt aber sehr Paraffin haltige Destillate. Die Destillate des Rohöles Nr. 4,
5, 9, 11 und 12 (mit sp. G. 0,820, 0,836, 0,845, 0,849 bezieh. 0,850) sind reich an
Paraffin, wogegen die Destillate anderer Rohöle von gröſserem oder geringerem
specifischem Gewicht als die vorbenannten, z.B. 7, 10, 14, 15, 17 und 18 (mit sp. G.
0,837, 0,847, 0,853, 0,870, 0,898 bezieh. 0,902) an Paraffin ärmer sind.
Auch den Paraffingehalt der Destillate kann man somit nicht aus dem specifischen
Gewichte der Rohöle selbst mit annähernder Gewiſsheit bestimmen, das specifische
Gewicht kann somit unmöglich maſsgebend sein, um ohne eine Untersuchung über die
Natur eines Rohöles einen verläſslichen Ausspruch machen zu können, was doch für den
das Rohproduct kaufenden Fabrikanten von einer nicht geringen Tragweite ist.
Es muſs aber auch bemerkt werden, daſs die Resultate mit kleinen Mengen des Rohöles
ganz anders sich gestalten als die Resultate bei der Fabrikation im Groſsen. Die im
Laboratorium im Kleinen ausgeführten Analysen geben nur einen vergleichsweise
annähernden Aufschluſs über die Menge und Beschaffenheit der aus dem gegebenen Rohöle
im Groſsen zu gewinnenden Destillate.
Vergleicht man die Analysenresultate der Rohöle, welche aus einer und derselben
Ortschaft, aber verschiedenen Schächten und Tiefen stammen, so bemerken wir, daſs
unter diesen oft ganz besondere Unterschiede vorkommen. Besonders stark treten diese
auf bei den Erdölen aus Klenczany Nr. 1 und 15, wo schon ihre physikalischen
Eigenschaften von einander ganz verschieden sind. Nr. 1, welches in einer Tiefe von
189m vorkommt, ist ganz licht und
durchsichtig, specifisch leicht (0,779), reich an specifisch leichten Destillaten,
welche reich an Paraffin sind; Nr. 15 hingegen, welches in einer Tiefe von 57m auftritt, ist dunkel, undurchsichtig, specifisch
schwer (0,870), reich an specifisch schweren, Paraffin armen Destillaten.
Unter den 18 untersuchten Oelen war nur das eine aus Pagorzyn (Nr. 11), welches bei
der Destillation ganz deutlich Schwefelwasserstoff entwickelte.
Wollte man das galizische Erdöl auf Grund der hier angegebenen Resultate mit jenen
Erdölen aus Amerika, Baku, Rumänien, Burmah u. dgl. vergleichen und daraus irgend
welche Schlüsse ziehen, so möchte man zu sehr gewagten Hypothesen gelangen. Alle mir
bekannten Analysen des amerikanischen Erdöles sind sehr dürftig, ungenau und höchst
unverläſslich, die in Amerika ausgeführten sind sehr mangelhaft beschrieben, so daſs
man nicht im Stande ist, sich daraus ein Urtheil zu bilden, wie diese untersuchten
Erdöle destillirt und wie die einzelnen Destillate getrennt waren. Es fehlt ja
meistens bei diesen Analysen die Angabe des specifischen Gewichtes des untersuchten
Erdöles, oder es ist nur ungenau angegeben; oft weiſs man nicht, ob die angegebenen
Analysen im Kleinen in Glasapparaten, oder im Groſsen in Fabriksblasen ausgeführt
waren.
Das amerikanische Petroleum wurde auch in Europa vielfach untersucht; die einzelnen
geprüften Erdölsorten sind aber nur nach ihrer Abstammung benannt, wie auch im
Allgemeinen immer nur von amerikanischen, galizischen, kaukasischen, rumänischen
Erdölen u. dgl. die Rede ist; selbst die amerikanischen Erdöle können aber sehr
verschiedenen Ursprunges sein. Amerikanische Erdölfundorte liefern Erdöle ganz
verschiedenen specifischen Gewichtes von 0,936 angefangen bis 0,785 (vgl. H. Höfer: Die Petroleum-Industrie Nordamerikas, Wien
1877). Dasselbe gilt auch für Galizien. Das specifische Gewicht des Erdöles aus
Harklowa ist 0,902, dasjenige aber aus Klenczany 0,799 und dies sind erst die
äuſsersten Glieder unter den 18 Erdölsorten, die ich bisher untersucht habe.
Galizien hat aber noch viele andere Erdöle, auch solche, welche dem Rangoonöl von
Burmah gleich kommen. Diejenigen, welche auf Grund ihrer Untersuchungen das
russische Petroleum mit dem amerikanischen verglichen haben, z.B. Lissenko, Letny, Beilstein und Kurbatow u.a. (vgl. 1879 232 354. 234 52.
1881 240 129. 241 471) hatten
zwar beide Erdölsorten geprüft, bevor sie die Unterschiede zwischen diesen Oelen
ausgewiesen haben; aber die untersuchten Erdöle waren von ganz verschiedenem
specifischem Gewicht und darf ich daher wohl annehmen, daſs sie die Abstammungsorte
der untersuchten amerikanischen Erdöle nicht gekannt haben. Daſs aber in Amerika
Oele vorhanden sind, welche dem russischen mit Rücksicht auf Farbe, specifisches
Gewicht und andere physikalische Eigenschaften ähnlich oder ihnen selbst gleich
wären, glaube ich mit Bestimmtheit voraussetzen zu können.
Es wird auch nicht angegeben, ob das untersuchte amerikanische und russische Erdöl
frisch aus der Quelle geschöpft, oder ob dasselbe vielleicht schon abgestanden wäre;
dies spielt aber eine sehr gewichtige Rolle. Ein in Faſs verfrachtetes Erdöl
verdunstet unterwegs theilweise, wobei es die leichten Producte verliert. Das von
mir untersuchte Erdöl Nr. 3 a, welches direkt aus der Quelle geschöpft, mir in einem
gut verschlossenen Gefäſse zugesendet wurde, hatte 0,800 sp. G. und enthielt 9,3
Proc. Producte, welche bis 100° destillirten. Dasselbe Rohöl Nr. 3 b, in einem
eichenen Faſs mir zugeschickt, hatte schon 0,853 sp. G. und lieferte nur 0,5 Proc.
bis 100° destillirende Producte. Weiter wäre noch zu bemerken, daſs das in dicht
verschlossenem Gefäſse angelangte Erdöl (0,800 sp. G.) nach einem 1 monatlichen
Stehen in offener Porzellanschale sein specifisches Gewicht bis auf 0,895
veränderte; es war dickflüssig und dunkelgrün geworden und nur in sehr dünnen
Schichten durchsichtig, obwohl es in frischem Zustande ganz dünnflüssig, braunroth,
aber noch in einer Schicht von 10cm, gegen das
Licht gehalten, durchsichtig war und nur einen grünen Reflex hatte. Das aus dem
Bohrloch mittels Pumpe zu Tage geförderte Rohöl Nr. 3 wog 0,800; nachdem es in
meinem weiten offenen Bottig 2 Stunden gestanden hatte, änderte sich sein
specifisches Gewicht auf 0,815. Die Oele Nr. 2 und 3 stammen aus denselben
Schichten, haben fast gleiche physikalische Eigenschaften, geben aber ganz
verschiedene Destillationsresultate. Das Gel Nr. 2 sammelt sich in einem 1qm weiten Schachte, Nr. 3 in einem 18cm weiten Bohrloche; in ersterem Falle ist also
die Verdampfungsoberfläche viel gröſser als bei letzterem und es ist auch wirklich
das Erdöl Nr. 3 (sp. G. 0,800) leichter als das Nr. 2 (sp. G. 0,808).
Die hier erwähnten Umstände sind äuſserst wichtig, weil sie direkt auf die
Beschaffenheit und Menge der aus einem Erdöle zu erzielenden Destillationsresultate
groſsen Einfluſs ausüben. Aus den mir bekannten Untersuchungen des amerikanischen
Steinöles sind jene von A. Norman Tate (vgl. Petroleum and its Products, deutsch von Dr. Hirzel: Das Steinol und seine Producte. Leipzig
1864) die umfassendsten. Derselbe erhielt mit 4 verschiedenen amerikanischen Erdölen
Resultate ähnlich jenen, welche ich bei der Untersuchung der galizischen Erdöle
gefunden habe; dies beweist, daſs die amerikanischen Angaben, das dortige Erdöl
liefere 80 Proc.
raffinirtes Petroleum mit einem hohen Entflammungspunkte, ein amerikanischer Humbug
zu sein scheinen.
Russische, rumänische, hannoversche Erdöle sind mir zu wenig bekannt, daſs es möglich
wäre, Vergleiche mit den von mir untersuchten galizischen Erdölen anzustellen. Die
Destillationresultate des rumänischen Erdöles, die z.B. Perutz veröffentlicht, sind fabriksmäſsig erhalten worden und lassen sich
keinesfalls vergleichen mit jenen, die man in Glasapparaten im Laboratorium bekommt.
Die Angaben von E. Windakiewicz (Olej i wosk ziemny w
Galicyi, Lwow 1875, auch deutsch: Erdöl und
Erdwachs in Galizien, Wien 1875), von L.
Strippelmann (Die Petroleum-Industrie Oesterreich-Deutschlands, Leipzig
1878/79), von H. Perutz (Die Industrie der Mineralöle,
Wien 1868 und 1880) und anderer Verfasser, welche über galizisches Erdöl geschrieben
haben, besitzen wenig Werth; denn einerseits sind es entweder Reiseskizzen und
enthalten als solche von den einzelnen Destillatoren annäherungsweise mitgetheilte
Angaben, oder aber, wie bei Perutz, sind es Resultate,
die fabriksmäſsig – oft vielleicht aus Mischungen von verschiedenartigen galizischen
Erdölen – erhalten worden sind.
Es ist mir daher schwer zu begreifen, wie manche Verfasser auf Grund solch ungenauer
und unverläſslicher Angaben Theorien über Bildung, Entstehung und Alter der einen
oder der anderen Erdölsorte aufstellen.
Windakiewicz z.B., welcher weder das galizische, noch
das amerikanische Erdöl untersuchte, also sich nur auf die sehr dürftigen
Kenntnisse, welche er seiner Zeit in der Literatur finden konnte, stützt,
behauptete, daſs das galizische Erdöl bei der Destillation verhältniſsmäſsig weniger
schwere Oele als das amerikanische, dafür aber mehr leichtere Oele liefert. Auf
Grund dieser unrichtigen Behauptung will Br. Lachowicz
in seiner sonst trefflichen Arbeit (Badania nad
wenglowo-dorami naftowemi in den Berichten der Akademie der Wissenschaften
in Krakau, 1880 und 1882) die Meinung bekräftigen, daſs die Entstehung des
galizischen Erdöles einer jüngeren, jenes aber des amerikanischen einer älteren
Periode angehört. Wenn die Bildung des Petroleums wirklich in verschiedenen Perioden
geschah, wenn das Auftreten des Erdöles in den verschiedenen geologischen
Formationen über sein Alter das Zeugniſs geben soll, so ist es doch sehr gewagt,
diese Theorie auf Grund solcher dürftigen und unverläſslichen Untersuchungen, die
bis heute über die verschiedenen Erdöle bekannt sind, unterstützen zu wollen.
Es unterliegt keinem Zweifel, daſs genaue chemische Untersuchungen des Erdöles,
seines Mutter- und Nebengesteines zur Aufstellung der Theorie der Entstehung und
Bildung desselben beitragen können; es müssen aber die Untersuchungen Hand in Hand
mit den geologischen gehen, um zum wahren Ziele zu gelangen. Auch ist es gewiſs,
daſs die Analysen unbekannter oder ungenügend bekannter Rohöle, welche noch dazu auf
eine nicht näher
bezeichnete Weise zusammengestellt worden sind, in der erwähnten Richtung nur
verwirrend sein können (vgl. 1878 228 539).
Bekanntlich übt auch die Art der Destillation auf die Qualität und daher auch auf die
Quantität der Destillate einen bedeutenden Einfluſs aus. Ich destillirte z.B. ein
und dasselbe Rohöl und erhielt bei der einen Destillation das schwerste Product von
0,878 sp. Gr., welches dünnflüssig war; bei einer anderen Destillation gab dasselbe
Rohöl das schwerste Product von einem specifischen Gewicht = 0,913 und, als ich
dieses dickflüssige Oel noch einmal aber nach der ersten Destillationsmethode
destillirte, war das jetzt erhaltene Destillat schon dünnflüssig und hatte 0,887 sp.
G.
Weiter wäre noch zu bemerken, daſs ein Erdöl, das nur einmal destillirt wurde, 43
Proc. Leuchtpetroleum gab, welches bei 32° an einem brennenden Span entflammte; als
ich diese Destillate noch einmal fractionirte, erhielt ich in denselben
Temperaturgrenzen 56 Proc. Leuchtpetroleum und dieses entflammte erst bei 54°.
Sehr groſsen Einfluſs auf die Destillationsresultate übt die Art und Weise, wie die
Destillation ausgeführt wird, weiter die Construction und Gröſse der
Destillirapparate. Von nicht geringem Belang in dieser Richtung ist auch die Art der
Erhitzung der Destillirblasen. Erhitzt man dieselben nur von unten, so daſs die
Wände nicht überhitzt werden, so bekommt man ein Petroleum von einem höheren
Entflammungspunkte als jenes, welches aus Apparaten destillirte, wo der übergehende
Dampf die überhitzten Wände der Blase berühren muſste. In Galizien destillirt man
das Rohöl fast durchgehends aus sehr kleinen Destillirblasen von etwa 1cbm Inhalt. Diese sind so eingemauert, daſs nicht
nur der Boden, sondern auch die Wände von der Flamme während der ganzen Destillation
umspült werden. In Amerika destillirt man aus groſsen Blasen, welche 1500 Faſs (zu
159l) aufnehmen; dieselben werden aber nur vom
Boden aus erhitzt so, daſs die Wände sich nicht überhitzen können. In Ruſsland und
Rumänien sind die groſsen Petroleumdestillationen auf Dampfbetrieb eingerichtet; das
Erdöl wird dort mit überhitztem Dampf destillirt.
Alle diese Unterschiede in der Destillation üben bekanntlich einen groſsen Einfluſs
auf die Destillationsresultate einzelner Erdöle aus; man bekommt aus einem und
demselben Rohöl bei jeder der erwähnten Methoden ganz verschiedene Ergebnisse. Um in
dieser Richtung etwas Positives feststellen und die Unterschiede zwischen den
bekannten Erdölen genau angeben zu können, müſste man mit einem und demselben oder
ganz gleichen Apparaten unter denselben Bedingungen die Untersuchungen ausführen,
erst dann die erzielten Resultate von Rohölen verschiedenen, aber genau bekannten
Ursprunges, gleichen specifischen Gewichtes und gleicher Farbe mit einander
vergleichen; auf dieser Grundlage allein könnten brauchbare Schlüsse über die Natur
der untersuchten Erdöle
gezogen und die Unterschiede zwischen den vorhandenen Steinölen der Erde
festgestellt werden.
Lemberg, Juli 1882.