Titel: | Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen. |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 433 |
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Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 241 d.
Bd.)
Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen.
Im weiteren Verlaufe der Verhandlungen des Iron and Steel
Institute in Wien sprach G. J. Snelus über die chemische Zusammensetzung und die Prüfung der
Stahlschienen.
J. T. Smith und Dudley
kamen beide zu dem Schlüsse, daſs weiche Stahlschienen, d.h. solche, welche eine
mäſsige absolute Festigkeit bei bedeutender Ausdehnung ergeben, die dauerhaftesten
sind.Vgl. auch Gruner in den Annales
des Mines, 1881 Bd. 20 S. 171. Leider erstreckte sich
die chemische Untersuchung von Smith nur auf
Kohlenstoff. Dudley's Proben von 89 Schienen wurden auf
das sorgfältigste auf Kohlenstoff, Silicium, Phosphor und Mangan geprüft. Er
versuchte auch, die Verhältniſswerthe der Härtewirkung dieser Elemente zu bestimmen,
und glaubte, annehmen zu dürfen, daſs 1 Th. Phosphor, 2 Silicium, 3 Kohlenstoff und
5 Mangan in dieser Hinsicht gleich wirksam seien, und faſste die Gesammtwirkung
unter der Bezeichnung Phosphoreinheiten zusammen. Er bestimmte dieselben durch
Summirung des Phosphors, ½ des Siliciums, ⅓ des Kohlenstoffes, ⅕ des Mangans,
ausgedrückt in Hundertstelprocent.
Nun ist es wohl bekannt, daſs die Wirkung irgend eines Elementes innig zusammenhängt
mit der gleichzeitigen Anwesenheit und Menge anderer Bestandtheile des Stahles. So
wurde ein Stahl von so hohem Siliciumgehalte, wie ihn die folgende Analyse zeigt,
auſserordentlich biegsam und zähe befunden:
Eisen
98,784
Kohlenstoff
unterhalb
0,100
Silicium
0,833
Schwefel
0,043
Phosphor
0,075
Mangan
0,216.
Stahl für Façonguſs kann bekanntlich sehr bedeutende Mengen von Silicium bei
verhältniſsmäſsig hohem Kohlenstoff enthalten und doch noch sehr zähe sein, so lange
er nur gut getempert ist. Diese Behandlung ist aber für Schienen nicht wohl thunlich
und alle Stahlfabrikanten wissen, daſs, sobald das Silicium über 0,2 Proc. steigt,
der Kohlenstoff auf ungefähr 0,35 Proc. erniedrigt werden muſs, oder die Schiene
wird spröde ausfallen.
Eine der von Dudley geprüften Schienen hatte die
folgende bemerkenswerthe Zusammensetzung:
Kohlenstoff
0,483
Silicium
0,480
Phosphor
0,035
Mangan
0,782.
Trotzdem war sie zähe und gehörte zu den am wenigsten
abgenutzten. Der Phosphor ist allerdings sehr niedrig und wahrscheinlich war die
Schiene langsam auf warmer Unterlage erkaltet und daher so gut wie getempert.
Dudley gelangte auf Grund seiner Untersuchungen zu der
folgenden idealen Zusammensetzung, als die höchste Dauerhaftigkeit für Stahlschienen
bedingend:
Kohlenstoff
0,334
Silicium
0,060
Phosphor
0,077
Mangan
0,491.
Diese Zahlen sind der Durchschnitt der Analysen von 32
Schienen von bewährter Dauerhaftigkeit: Dudley schlägt
indessen vor, dieselben in folgender Weise festzustellen:
Kohlenstoff
0,300
Silicium
0,040
Phosphor
0,100
Mangan
0,350,
weil amerikanische Fabrikanten nicht im Stande sind, den
Phosphor so niedrig, wie in der ersten Analyse angegeben, zu halten. In seiner
ersten Untersuchung fand er, daſs der durchschnittliche Kohlenstoffgehalt von 12
Schienen, welche bei der Prüfung nicht brachen, 0,287 war; in den gebrochenen
Schienen betrug er 0,366 Proc. Ebenso fand er in 12 nicht gebrochenen Schienen einen
durchschnittlichen Phosphorgehalt von 0,077 und in 12 gebrochenen Schienen von
0,132; in jedem Falle, wo der Phosphor 0,12 überstieg, war die Schiene gebrochen
oder zerdrückt. In den ungebrochenen Schienen fand er im Durchschnitt 0,369 Proc. in
den gebrochenen 0,521 Proc. Mangan. Im Silicium zeigte sich kein erheblicher
Unterschied, nämlich in den ungebrochenen 0,044, in den gebrochenen 0,047 Proc. Dudley erhielt bei seiner Prüfung von 64 Schienen
hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit die folgenden Durchschnittsresultate, je für die
32 weniger (I) und die 32 mehr abgenutzten (II):
Torsionsproben
Zerreiſsungsproben
Verlust für1000000t
Höhe desDiagrammes
Länge desDiagrammes
Elasticitäts-grenze
Flächeninhaltdes Diagrammes
Nicht getempert
Getempert
AbsoluteFestigkeit
Elasticitäts-grenze
Dehnung
AbsoluteFestigkeit
Elasticitäts-grenze
Dehnung
I
0,0506
3,00
13,59
1,16
34,13
75,125
36,031
17,1
73,219
33,281
18,5
II
0,1028
3,26
11,08
1,27
30,35
80,188
38,125
14,2
77,188
36,594
13,8
Abscherungs-proben
Biegeproben
Analyse
Dichtigkeit
BeanspruchungdesAbscherung
Depression
GröſsteBelastung
Durchbiegung
Kohlenstoff
Phosphor
Silicium
Mangan
Phosphor-Einheiten
I
57,537
0,0933
2878
160°
0,334
0,077
0,060
0,491
31,3
7,8211
II
61,922
0,0856
3222
133°
0,390
0,106
0,047
0,647
38,9
7,8166
Trotz dieser scheinbar überzeugenden Beweise für die Zweckmäſsigkeit eines weichen
Stahles für Schienen gibt es viele Vertheidiger eines härteren Materials und die North Eastern Railway Company, gestützt auf die
Erfahrung, daſs der in letzteren Jahren gelieferte Bessemerstahl sich nicht so gut
bewährt habe als frühere Lieferungen, verlangt für ihre Schienen 0,45 bis 0,50 Proc.
Kohlenstoff. Auch geben wohlbekannte englische Ingenieure folgende Zusammensetzung
als Fabrikationsvorschrift:
Kohlenstoff nicht unter 0,3 und nicht über
0,45
Silicium
0,06
Phosphor
0,06
Schwefel
0,06.
Auſser diesen Stoffen darf der Stahl nur Eisen und Mangan
enthalten. Der Verfasser hat mehr als eine halbe Million Tonnen Schienen ähnlicher
Zusammensetzung gemacht und kann deren Zähigkeit bezeugen; auch die Dauer derselben
ist bis jetzt gut.
Dudley ist der Ansicht, daſs Dauerhaftigkeit eine
Function der Formveränderung durch die Biegung ist, welche ein Stück aushält. Aus
Chanute's Versuchen geht hervor, daſs mit einer
Last von 7t und mehr auf einem Locomotivtriebrade
der Druck die Elasticitätsgrenze des Stahles am Berührungspunkte überschreitet und daſs daher
diese auf jeder Schiene vorhandenen kleinen Erhebungen bei jeder Umdrehung des Rades
eine fortwährende Formänderung erleiden und schlieſslich abbrechen müssen.
Andererseits zeigen manche der von Dudley mitgetheilten
Diagramme abgenutzter Schienen, daſs ein erhebliches Nachgeben des Materials von
einer Stelle zur anderen stattgefunden hat. Ob nun mehr Metall durch das Nachgeben
eines weichen Materials, oder durch das Abbrechen kleiner Theilchen der Oberfläche
durch eine schleifende Wirkung erfolgen wird, dies hängt von vielen Umständen ab und
kann nur durch wirkliche Versuche bestimmt werden. Es ist eine ganz gewöhnliche
Erscheinung an Eisenbahnstationen, wo Bremsen häufig in Anwendung kommen, daſs
flache Stahlmassen von den Schienenköpfen förmlich nach der Auſsenseite hin
gequetscht und allmählich abgebrochen werden. Dieselbe Art der Abnutzung muſs in
geringerem Grade an allen Stellen der Linie stattfinden.
Während es indessen eine keineswegs entschiedene Frage ist, ob harte oder weiche
Schienen am dauerhaftesten sind, so kann es nicht bezweifelt werden, daſs harte
Schienen mehr zum Brechen geneigt sind, und es ist daher im Ganzen wohl besser für
den Fabrikanten, nach der Seite der Weichheit hin zu fehlen. Aber Dudley's ideale Zusammensetzung für Schienen ist eine
solche, nach welcher zu arbeiten schwierig und kostspielig sein würde; auſserdem ist
sie ohne Frage eine solche, welche nicht die dichtesten Güsse liefern wird.
Der Verfasser ist derselben Ansicht, wie Jones von der
Edgar-Thomson-Hütte. daſs der erste Schritt zur
Anfertigung einer guten, dauerhaften Schiene darin besteht, einen dichten Guſsblock,
frei von Porosität, Schwammigkeit und Blasenräumen herzustellen. Es ist nun nicht
wahrscheinlich, daſs die von Dudley vorgeschriebene
Zusammensetzung einen dichten Guſsblock ergeben wird; vielmehr ist es erforderlich,
zur Herstellung eines dichten Bessemerstahles nach den üblichen Methoden entweder
mehr Kohlenstoff, oder mehr Silicium, oder mehr Mangan einzuführen. Es kann nun der
Gehalt am vortheilhaftesten wahrscheinlich am Silicium vergröſsert werden, weil es
bekannt ist, daſs durch einen sehr geringen Zuwachs an Silicium ein dichter Guſs
erzielt wird, so daſs durch Erhöhung des Siliciums auf 0,1, ja selbst bis auf 0,15
Proc. der Stahl ohne wesentliche Härtung verbessert werden kann; auch hat Raymond durch eine von Dudley's Analyse abgeleitete mathematische Formel gezeigt, daſs innerhalb
gewisser Grenzen Silicium nicht die Neigung zur Abnutzung vermehrt. Mangan kann auch
mit einem gleichen Resultate in Anwendung gebracht werden und wahrscheinlich in
gröſserer Menge, da ein Ueberschuſs sich nur wie ebenso viel Eisen verhält. Dies
erklärt, warum englische Fabrikanten jetzt ohne Nachtheil so beträchtliche Mengen
von Mangan gebrauchen. Da es indessen ein kostspieliger Zusatz ist, so hat man allen
Grund, mit seiner Verwendung sparsam zu sein, so lange nur ein dichter Guſs erzielt
wird. Es scheint somit kein Grund vorzuliegen, warum der Fabrikant an die engen
Grenzen von 0,04 Silicium und 0,35 Mangan gebunden werden sollte, obgleich es gewiſs
wahr ist, daſs weicher Stahl am dauerhaftesten ist und die geringste Anzahl von
gebrochenen und zerdrückten Schienen ergibt.
Alle Gründe indessen sprechen dafür, daſs man den Phosphor niedrig halte. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daſs
dieses Element selbst in höchst unbedeutenden Mengen sehr verderblich wirkt, und der
Versuch, seine gefährlichen Eigenschaften zu verdecken, wie bei der Fabrikation der
Phosphor haltigen Schienen von Terre-Noire, hat einen sehr geringen Erfolg gehabt.
Der Verfasser hat bei mehr als einer Gelegenheit seine Ansicht dahin ausgesprochen,
daſs der geringe Ueberschuſs an Phosphor der Hauptgrund ist, warum der englische
Bessemerstahl von geringerer Qualität ist als der schwedische, und es kann nicht zu
sehr hervorgehoben werden, ein wie groſser Vortheil des basischen Prozesses darin
besteht, daſs er es ermöglicht, die letzten Spuren dieses schädlichen Stoffes zu
entfernen. Wir brauchen in der That für Schienen einen Stahl, welcher in manchen
Eigenschaften einem guten Schneidstahl gleich ist. Ein gutes Messer bewahrt seine
scharfe Schneide, ohne einerseits spröde zu sein, andererseits sich umzubiegen, und
so ist für Schienen ein Stahl wünschenswerth, dessen zahnartige Projectionen, wie
sie Dudley beschreibt, weder abbrechen, noch
abgequetscht werden können.
Nach Snelus sollte der Schienenfabrikant auf die
folgende Zusammensetzung hin arbeiten:
Kohlenstoff
0,35
Silicium
0,10
Phosphor so niedrig wie möglich, aber nicht über
0,075
Mangan
0,75
Etwa 0,1 mehr oder weniger Kohlenstoff und Silicium und 0,25
mehr oder weniger Mangan kann gestattet werden. Die von Dudley angenommenen Werthe der verschiedenen Elemente werden für die
Bestimmung des Phosphorhärtegrades besser etwas abgeändert und Snelus schlägt vor, daſs dieser Faktor gleich dem P + ⅓
C + ⅓ Si + ⅛Mn sei. Die obige Analyse würde danach ergeben für:
0,35 Kohlenstoff
0,116
0,10 Silicium
0,033
0,06 Phosphor
0,060
0,75 Mangan
0,093
–––––
0,302,
oder durch Verschiebung des Decimalzeichens um zwei Stellen =
30,2 als Phosphoreinheiten eines guten Schienenstahles.
Lassen wir nun z.B. alle Elemente unverändert, vermehren aber den Kohlenstoff bis zu
einem ohne Zweifel gefährlichen Gehalte – etwa 0,6 Proc. –, so würden wir 38,6
Phosphoreinheiten bekommen. Ebenso würden wir, falls wir Kohlenstoff, Phosphor und
Mangan unverändert lassen und das Silicium bis auf 0,35 Proc. erheben, 38,5
Phosphoreinheiten erhalten. Durch Vermehrung des Phosphors zu 0,15 ergeben sich
ebenso 39,2 und durch Vermehrung des Mangans zu 1,5 aber 39,6 Einheiten; während,
wenn wir für alle 4 Elemente die äuſserst zulässige Grenze erreichen, 41,2 Einheiten
dieser Zusammensetzung entsprechen. Ein Stahl nach dieser Skala würde also mit
ungefähr 35 Phosphoreinheiten genügende Sicherheit versprechen. Der amerikanische
Fabrikant wird mehr Phosphor hineinbringen und der deutsche mehr Silicium; beide
müssen den Kohlenstoff in entsprechendem Maſse erniedrigen, aber mit dem
unvermeidlichen Erfolge, daſs sie einen geringen Stahl erzielen. Gewiſs ist es, daſs
ein Stahl mit erheblich mehr Silicium und weniger Kohlenstoff, wie er in Deutschland
gemacht zu werden pflegte, ebenso hohe Resultate bei Zerreiſsproben ergeben würde;
er würde aber Biegungs-, Fall- und Schlagproben unterworfen, sich erheblich
nachgiebiger zeigen. Phosphorreicher Stahl würde weder in der einen, noch in der
anderen Art der Prüfung so gute Proberesultate geben wie englischer Normal stahl.
Die Untersuchungen Dudley's verdienen alle Anerkennung;
aber es ist ihm nicht gelungen, alle oder selbst eine erhebliche Anzahl der dabei
Interessirten zu überzeugen, daſs weicher Stahl im Allgemeinen besser ist als mäſsig
harter.
Snelus stimmt ganz mit Sandberg darin überein, daſs diese Frage in befriedigender Weise nur so
gelöst werden kann, daſs eine Anzahl Eisenbahngesellschaften, jede etwa 1000t weicher Schienen auf der einen Seite und 1000t harter Schienen auf der anderen Seite eines
Geleises niederlegen. Zur Sicherung von möglichster Gleichartigkeit aller anderen
Verhältnisse, auſser der chemischen Zusammensetzung, müſsten beide Gruppen von
Schienen von demselben Fabrikanten geliefert werden. Dies würde ein
verhältniſsmäſsig einfaches Experiment sein; es würde damit die Prüfung einer so
groſsen Anzahl von Proben verbunden sein, daſs ein Durchschnitt mit zuverlässigem
Erfolge genommen werden könnte, da einzelne Abweichungen wenig Einfluſs auf das
Mittel haben würden, während selbst in der gröſseren Untersuchungsreihe Dudley's eine einzige nicht normale Schiene die
Berechnung in sehr ernstlichem Maſse beeinfluſst. Kein Schienenfabrikant würde es
schwierig finden, 2 solche Gruppen von Schienen anzufertigen; ihre durchschnittliche
chemische Zusammensetzung, absolutes Gewicht und andere Eigenschaften könnten im
Voraus bestimmt werden und der einzige Uebelstand würde darin bestehen, daſs man
mehrere Jahre auf die Resultate warten müſste. Mittlerweile müssen wir nach den
gegenwärtig geläufigen Formeln weiter fabriciren, oder nach anderen, welche sich im
Laufe der Zeit als annehmbar erweisen sollten.
Der Verfasser will, wenn er eine chemische Formel als Arbeitsvorschrift für den
Fabrikanten vorschlägt, durchaus nicht darauf bestehen, daſs Schienen dieser
Zusammensetzung vollkommen seien; er ist sich wohl bewuſst, daſs auſser dieser
chemischen Beschaffenheit viele andere Umstände die Eigenschaften einer Stahlschiene
bedingen. Die härtende Wirkung des Gebrauches, auf welche Smith aufmerksam machte, ist eine Erscheinung, welche verhältniſsmäſsig
wenig beachtet worden ist. Snelus legte ein Stück einer
Stahlschiene vor, welche in einem Einschnitte bei einem Gefälle von 1 : 80 mehr als
9 Jahre lang in fortwährendem Gebrauche gewesen ist. Sie hatte bei ihrer Entfernung
ungefähr 10k,4 auf je 1m verloren und wurde dann der Fallprobe mit einem
Gewichte von 816k unterzogen; die Fallhöhe wurde
allmählich von 8 bis 91cm gesteigert und bei
letzterer, entsprechend dem 8. Falle, trat Bruch ein. Die Freilage der Schiene war
91cm. Die chemische Zusammensetzung der
Schiene war:
Eisen
98,911
Kohlenstoff
0,450
Silicium
0,037
Stickstoff
0,130
Phosphor
0,076
Mangan
0,396
–––––––
100,000.
Von dieser sollte man gewiſs keine solche Sprödigkeit erwarten
und die Thatsache, daſs die Schiene so lange Jahre harten Gebrauches ausgehalten
hatte, scheint fast zu beweisen, daſs sie ursprünglich kaum so spröde gewesen sein
konnte; ihre gegenwärtigen Eigenschaften müssen in erheblichem Maſse das Resultat
solcher molecularer Veränderung sein, wie sie Smith,
als von fortwährender Vibration herrührend, beschreibt. Es ist eigenthümlich, daſs
sie in Phosphoreinheiten fast identisch mit Dudley's
guter Normalschiene ist, indem dieselben sich auf 32,3 statt 31,3 berechnen.
Die Reduction des Querschnittes beim Walzen, die dabei herrschende Temperatur, die
schnellere und langsamere Kühlung und manche andere zufällige Umstände müssen die
Eigenschaften des Stahles beeinflussen; darum sollten die Eisenbahngesellschaften
und Ingenieure nicht eine zu engbegrenzte Vorschrift für den Fabrikanten festsetzen,
sondern sich darauf beschränken, die Qualität der fertigen Schienen durch solche
einfache Proben festzustellen, die in gewiſsem Maſse der Beanspruchung ähnlich sind,
welche eine Schiene auszuhallen haben wird.
Zur Prüfung der Stahlschienen macht Snelus folgende Bemerkungen:
1) Prüfung des Bruches. Der frische Bruch eines Stahles
ist zweifelsohne ein genauer Maſsstab für dessen Beschaffenheit für einen sehr
geübten und scharfen Beobachter; aber es ist eine rein empirische Probe und so viel
hängt dabei von individueller Ansicht ab, daſs sie nicht eine unbedingt verläſsliche
ist.
2) Chemische Analyse. Es ist schon gesagt worden, daſs
die chemische Analyse vom Fabrikanten als Richtschnur für die Erzeugung einer
gewissen Qualität des Stahles benutzt werden sollte und daſs er auf eine bestimmte
chemische Zusammensetzung hinarbeiten müsse, als das wirksamste und wichtigste
Mittel zur Erreichung des gewünschten Productes. Aber es ist auch unwiderleglich
bewiesen worden, daſs, während 2 Schienen von weit verschiedener chemischer
Zusammensetzung sich gleich gut im Gebrauche bewähren können, andererseits 2
Schienen von anscheinend gleicher chemischer Zusammensetzung sich aus anderen
Ursachen verschieden verhalten können. Unter diesen Umständen sollte ein maſsig
weiter Spielraum in der Zusammensetzung gestattet und die Schienenlieferung auf
Grund derselben allein nicht verworfen werden. Dabei ist es, im Falle eine Schiene
sich nicht bewährt, häufig wünschenswerth, eine Analyse zu machen, da diese sehr oft
die Ursache anzeigen wird.
3) Die Fallprobe ist wahrscheinlich die einfachste und
beste Methode der Schienenprüfung, indem sie es dem Inspektor ermöglicht, seine
Proben schnell und sich auf den ganzen Querschnitt der Schiene erstreckend
auszuführen; auch nähert sich dieselbe, wenn nicht übertrieben, in gewissem Maſse
der Beanspruchung, welcher die Schiene beim wirklichen Gebrauche unterworfen ist.
Sie entdeckt in unfehlbarer Weise Schienen, die zu hart und solche, die zu weich sind. Aber fast
ohne Ausnahme bedingen Ingenieure eine Probe, welche Alles., was die Schiene je beim
praktischen Gebrauche auszuhalten haben wird, bei Weitem überschreitet, und dies
führt häufig zur Zurückweisung von Schienen, welche wirklich gut sind. Fernerhin
bestehen manche Ingenieure darauf, daſs ganze Schienen dieser Prüfung unterzogen
werden, ja einzelne gehen so weit, daſs die zu probirende Schiene die volle Länge
von 10m habe und weigern sich, dazu selbst eine
nur 9m lange zu nehmen. Dies ist gewiſs eine
groſse Verschwendung, da die Qualität des Stahles ebenso gut durch Prüfung der
Endabschnitte festgestellt werden kann, und, wenn dies regelmäſsig gethan wird, dann
wird die zeitweilige Prüfling einer kurzen ganzen Schiene, zur Befriedigung des
Ingenieurs, der nicht ununterbrochen während der ganzen Fabrikation gegenwärtig sein
kann, vollständig genügend sein. Manche Ingenieure bedingen, daſs so viel wie 2
Proc. guter Schienen diesem verschwenderischen Prozesse unterworfen werden sollen.
Für ein Werk von mäſsiger Productionsfähigkeit, welches jährlich etwa 100000t macht, würde sich der Verlust auf jährlich etwa
100000 M. belaufen. Fabrikanten finden es sehr schwer, dies in anderer Richtung der
Schienenfabrikation wieder zu ersparen. Die Fallprobe ist indessen, wenn in
vernünftiger Weise ausgeführt, nach des Verfassers Ansicht die beste, welche wir
haben.
Eine groſse Schwierigkeit bei der Fallprobe besteht darin, daſs für jedes
Schienenprofil ein abgeänderter Grad der Probe angegeben werden muſs, und nur das
wirkliche Experiment kann zeigen, welche Probe jede Schienenart aushalten kann. Die
Durchbiegungen, welche eine Anzahl Schienen von allgemein gebräuchlichen
Querschnitten ergeben – vorausgesetzt ein Stahl von annähernd der besprochenen
Zusammensetzung – sind vielleicht Manchem erwünscht
4) Die Hebelprobe kann, wenn in vernünftigerweise
innerhalb der Elasticitätsgrenze ausgeführt, auf fertige Schienen angewendet werden;
wenn sie aber zur äuſsersten Grenze, bis zum Bruchpunkte, getrieben werden soll,
dann sollten nur Endabschnitte dazu genommen werden, damit nicht gute Schienen
verschwendet werden. Die Fallprobe indessen gibt, wenn zweckentsprechend ausgeführt,
ziemlich dieselben Aufschlüsse, welche wir von der bis zum Aeuſsersten getriebenen
Hebelprobe erhalten können, und auch aus diesem Grunde kann letztere Probe auf
solche Gewichte beschränkt bleiben, die sich innerhalb der Elastizitätsgrenze
halten.
5) Zerreißproben. Eine gute Probirmaschine wird ohne
Zweifel sehr werthvolle Aufschlüsse über die Qualität eines Stahles geben; aber
gewisse Arten von Stahl, wie es sich vielfach bei den Platten der Livadia (vgl. 1881
241 * 1. 242 306) zeigte,
geben sehr hohe absolute Festigkeit, Dehnung und Contraction und sind trotzdem sehr
spröde. Mit dieser Thatsache sind seit einiger Zeit. Diejenigen vertraut geworden,
welche mit der Prüfung deutschen Stahles zu thun haben, und man sollte sich daher
nicht auf die Probirmaschine als Mittel zur Schienenprüfung verlassen, selbst wenn
es thunlich wäre, eine Schiene in ihrem ganzen Querschnitte zu zerreiſsen. Wenn aber
zur Ausführung dieser Probe Stücke aus der Schiene herausgearbeitet werden müssen,
dann wird sie noch aus einem anderen Grunde unverläſslich, nämlich dem, daſs Metall
von verschiedenen Stellen einer Schiene sehr verschiedene Resultate ergibt. Der
Hauptgrund indessen, warum die Probe für Schienen nicht angenommen werden kann,
liegt in dem Umstände, daſs es vollständig unmöglich ist, innerhalb der zu Gebote
stehenden Zeit eine angemessene Anzahl von Proben auszuführen und daſs deshalb die
Resultate erst dann vollständig erhalten werden können, wenn die Schienen längst
fertig gestellt und abgeliefert sein müssen.
6) Torsionsprobe. Fast alle in Bezug auf die
Zerreiſsungsprobe gemachten Bemerkungen gelten auch hier und wird diese Probe selten
ausbedungen.
7) Die Lochprobe ist noch niemals zur praktischen
Anwendung gekommen und heutzutage, wo so viele Schienen gebohrt und nicht gelocht
werden, ist sie ganz unausführbar. In abgeänderter Weise könnte sie indessen doch
wohl eingeführt werden.
(Fortsetzung folgt.)