Titel: | Kartätschgeschütz von Will. Gardner in Hartfort, Conn. |
Autor: | W. S. |
Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 458 |
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Kartätschgeschütz von Will. Gardner in Hartfort, Conn.
Mit Abbildungen auf Tafel 35.
Gardner's Kartätschgeschütz.
Die Kartätschgeschütze, im Mittelalter „Orgelgeschütze“ genannt, sind fast so
alt wie die Feuerwaffen überhaupt. In neuester Zeit wurde man zuerst während des
nordamerikanischen Bürgerkrieges auf sie aufmerksam und construirte dann auf Grund
der während desselben gemachten Erfahrungen in Frankreich vor 1870 die
„Mitrailleuse“. Der Miſserfolg derselben im Feldzug 1870/71 dürfte
weniger der Construction als der Art der Verwendung zuzuschreiben sein. Heute
besitzt jede kriegführende Macht Kartätschgeschütze und
zwar als wirksamstes Schutzmittel der Kriegsschiffe gegen Torpedoboote. Ob die
Kartätschgeschütze auch eine allgemeine Anwendung bei
den Landarmeen gegen lebende Ziele finden werden, muſs die Zukunft lehren. Die
umfangreichen Vergleichsversuche, welche mit den einzelnen bekannteren Systemen
angestellt werden, machen es sehr wahrscheinlich.
Eines der vorzüglichsten Geschütze dieser Art, welches ganz besonders behufs
Verwendung gegen lebende Ziele ausgeführt wurde, ist das des Amerikaners Will. Gardner, welches auch in Deutschland unter Kl. 72
* Nr. 5235 vom 1. Oktober 1878 patentirt wurde. Dasselbe zeichnet sich durch die
verhältniſsmäſsig geringe Anzahl seiner Theile, durch die gedrungene Gestalt
derselben, welche einen Bruch unwahrscheinlich machen und die Einfachheit seiner
Handhabung aus. Es wird mit einem Lauf oder mit mehreren Läufen für Gewehrmunition
(gegen lebende Ziele)., oder für schwerere Geschosse (gegen Torpedoboote)
hergestellt.
Wie nach Engineering, 1882 Bd. 33 S. 546 aus Fig.
9 bis 11 Taf. 35
zu ersehen, ist in den mit dem Deckel A1 versehenen Ladeblock A, welcher den ganzen Spann-, Lade- und
Schlagmechanismus vollständig umschlieſst, ein Lauf oder eine Anzahl von Läufen B parallel neben einander eingeschraubt. Die Patronen
gelangen aus der Patronen Zuführung b auf den hinter
den Läufen befindlichen, sich senkrecht zu jenen in horizontaler Richtung
verschiebenden Schlitten c. Derselbe führt sich. auf 2
Querstangen c1. Auf der
rechten Seite des Schlittens ist eine feste Leiste d
angebracht; in der Mitte dagegen befindet sich eine vertikal verschiebbare Wand e, welche durch eine Schraubenfeder nach oben gedrückt
wird. Auf der linken Seite flacht sich der Schlitten c
ab, um die leeren Hülsen durch die Oeffnung a1 des Ladeblockes A herauszuhefordern. Das Vorschieben der Patronen von dem Schlitten c in den Lauf, das Abfeuern des Schusses und das
Entfernen der leeren Hülsen besorgt der Ladekolben g.
Derselbe besteht aus einem durchbohrten Cylinder, welcher hinten eine Schleife h1 und an dieser einen
vorspringenden Arm zur Aufnahme des Schlaghebels r r1 r2 trägt.
Zwischen letzterem und dem durch die Schleife und den Hohlcylinder gebildeten Winkel
ruht die Schlagfeder t. Der Ladekolben wird durch einen
in der Schleife spielenden, zwischen 2 Scheiben h
befindlichen Zapfen h3
bei Drehung der Welle h4 vor- und rückwärts bewegt.
Die linke Scheibe besitzt einen sectorartigen Ausschnitt h2, welcher bei ihrer Drehung ein Spannen
des Schlaghebels r, bei weiterer Drehung aber ein
Losschlagen des Hebels und damit ein Vorschnellen des den Hebelarm r2 umfassenden
Schlagbolzens gestattet; letzterer gleitet in der Bohrung des Ladekolbens g.
Die Querbewegung des
Schlittens c wird durch ein auf der Welle h4 sitzendes Excenter
i und durch eine mit entsprechenden Führungen j1 versehene Stange j bewerkstelligt; letztere besitzt an ihrem unter c gelegenen Ende eine horizontale Verbreiterung mit
einer schrägen länglichen Oeffnung j2, durch welche der Zapfen k des Schlittens c reicht.
Findet also bei Drehung der Welle h4 eine Hin- und Herbewegung der Stange j durch das Excenter i
statt, so zwingt der in j angebrachte schräge Schlitz
den Schlitten c, eine zu jener senkrechte Bewegung,
also in der Querrichtung an dem Laufende entlang, anzunehmen.
Das Entfernen der leeren Patronenhülsen aus dem Laufe geschieht durch einen
federlosen Auszieher l, welcher mittels eines Stiftes
n mit g so verbunden
ist, daſs er sich gegen g etwas hin und her verschieben
kann. Am Auszieherkopfe ist ein Vorsprung angebracht, welcher in einem Schlitz o1 des Ladeblockes
gleitet. Wird der Ladekolben g zurückgezogen, so zieht
der Auszieher die leere Hülse aus dem Lauf auf den Schlitten c und läſst dieselbe los, wenn der Auszieherkopf gegen das hintere Ende
des Schlitzes o1
stöſst; es kann in diesem Augenblick die Hülse vom Schlitten c heruntergeworfen werden, da der Weg, wie Fig. 10
zeigt, frei ist. An der unteren Seite des Ladekolbenkopfes g befindet sich eine Abschrägung, welche die bewegliche Wand e nach unten drückt, wenn g vorwärts geschoben wird. Hat der Kolben g
seine Vorwärtsbewegung beendet, so wird der Schlitten c
durch das Excenter i, die Stange j und den Zapfen k
seitwärts geschoben, um eine geladene Patrone aus dem Zuführer aufzunehmen. Die
Schraubenfeder in Verbindung mit der schrägen Fläche e1 bewirken das Hochdrücken der Wand e, wenn dieselbe unter den Zuführer zu stehen kommt.
Beim Rückgange des Kolbens g steht also dem
Herausfallen der leeren Hülse aus der Oeffnung a1 nichts entgegen. Die Bewegungen des
Ladekolbens g, des Schlagbolzens und des Schiebers c müssen natürlichen einer gewissen Wechselwirkung zu
einander stehen, so daſs der Ladekolben fest gegen den Lauf anliegt, ehe der
Schlaghebel r losschlägt, und der Schieber seine
Bewegung nach rechts beginnt, wenn der Ladekolben zurückgezogen ist. Die Drehung der
Welle h4 geschieht
durch eine auf der rechten Seite des Ladeblockes aufgesteckte Kurbel. Durch die
Oeffnung o gehen die Schildzapfen, während bei w der Richtmechanismus angreift.
Der Ladeblock wird entweder auf einer gewöhnlichen Fahrlafette gelagert, oder auf
einem Gestell, welches je nach seiner Verwendung eine mehr oder weniger schnelle
Auseinandernähme und eine mehr oder weniger groſse Elevation bezieh. Depression der
Läufe gestattet.
W. S.