Titel: | Beiträge zur Kenntniss der Mechanik spröder Materialien; von Friedrich Kick. |
Autor: | Friedrich Kick [GND] |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 1 |
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Beiträge zur Kenntniſs der Mechanik spröder
Materialien; von Friedrich
Kick.
Mit Abbildungen.
Kick, zur Mechanik spröder Körper.
Für die Form Veränderung bildsamer Körper stellte Verfasser vor 3 Jahren (vgl. 1879
234 * 257) den Satz auf: „Die Arbeitsgröſsen,
welche zu gleichartiger und mit gleicher Geschwindigkeit erfolgender
Formänderung zweier geometrisch ähnlichen und materiell gleichen Körper
erfordert werden, verhalten sich wie die Volumen oder Gewichte dieser
Körper.“
Es läſst sich dieser Satz in etwas veränderter Gestalt, wie sich zeigen wird, auch
auf die Zerkleinerung spröder Körper, z.B. Guſseisen,
Glas und Steine, anwenden. Nimmt man geometrisch ähnliche Stücke desselben Materials
und setzt sie Schlägen in einem Fallwerke aus derart, daſs man allmählich die Schlaghöhe vergröſsert bis zu jener
Höhe, bei welcher der Bruch erfolgt, so wird man bei in der Masse gleichartigen,
körnigen Materialien sehr regelmäſsige, stets wiederkehrende Bruchformen
erlangen.
Textabbildung Bd. 247, S. 1
Hat man Kugeln, z.B. aus Guſseisen, körnigen Steinen o.
dgl., genommen, dann erfolgt der Bruch in der Regel in drei Stücke, wie es die
nachstehende Figur zeigt. Dieselbe Bruchform erhält man auch, wenn diese Stücke
unter einer Presse zum Bruch gebracht werden. Glaskugeln, Quarzkugeln u. dgl.
brechen, in derselben Weise behandelt, weit unregelmäſsiger, wenn man auch zuweilen
beobachten kann, daſs das Bestreben ebenfalls vorhanden ist nach Meridianebenen zu
spalten.
Wie es kommt, daſs der Bruch gerade in drei Stücke erfolgt, läſst Guſseisen, wenn die
Kugeln keine harte Kruste haben, sehr schön erkennen. Sowohl durch Schlag, als Druck
bilden sich kleine Kegel, welche die Masse aus einander zu treiben suchen, und da
der Druck vom Kegel aus gleichartig nach allen Seiten gegen auswärts wirkt, so ist
die Theilung nach Meridianebenen naturgemäſs. Bei schwacher Einwirkung wird häufig
nur ein Stück, etwa c, abgetrennt oder es entstehen nur
zwei Sprünge. Ist die Einwirkung stärker, so bricht der tiefer eindringende Keil
auch die Theile a und b
aus einander. Die Zweitheilung – in Halbkugeln – findet bei Guſseisen sehr selten,
bei Stein- oder Massekugeln ziemlich häufig und sehr exact statt und dürfte hier in
Schichtungen seine Begründung haben.
Nimmt man statt Kugeln Prismen oder Würfel, so findet sich bei Guſseisen, anderen körnigen
spröden Metallen und vielen Steinen die schon wiederholt beobachtete Kegelbildung
(vgl. 1877 224
* 465) statt. Bei Glascylindern, welche aus gezogenen Glasstäben hergestellt sind, erfolgt ein
stängeliger Bruch.
Man kann sich der Wahrnehmung nicht entziehen, daſs der Bruch bei geometrisch
ähnlichen Probestücken derselben Beschaffenheit, wenn die angewendete Arbeitsgröſse
(Schlag oder Druck) in jenem Maſse gehalten ist, bei welcher eben der Bruch erfolgt,
auch zu ähnlichen Bruchstücken führt. Die Bruchstücke springen meist zur Seite und,
werden sie hieran durch die weitere Einwirkung, z.B. eines mit bedeutender Wucht
fallenden Vertikalhammers, gehindert, dann finden allerdings weitere Theilungen
statt, deren Vielartigkeit das Erkennen des Gesetzmäſsigen erschwert, ja zur
Unmöglichkeit machen kann.
Besonders schwierig ist es bei derartigen Experimenten, der Bedingung gleichartigen
Materials zu entsprechen. Wählt man z.B. Guſseisen, so werden die kleineren Kugeln
in der Regel dichteres Korn aufweisen als die gröſseren und hierdurch die Schärfe
der Resultate in Bezug auf die zur Theilung erforderliche Arbeitsgröſse stören. Daſs
solche Versuchskugeln nicht in „grünen“ Sand gegossen werden dürfen, ist
selbstverständlich; sie durch Drehen aus einer gegossenen Stange herzustellen, würde
kein wesentlich günstigeres Ergebniſs liefern, da der Kern der Stäbe meist etwas
gröberes Korn aufweist.
Trotzdem absolute Genauigkeit dem Experimente abging, so zeigte sich bei zahlreichen
Schlagversuchen mit Guſseisenkugeln, Steinkugeln, Glaskugeln und Glascylindern doch
unzweifelhaft, daſs die zum Bruche erforderlichen
Arbeitsgröſsen sich wie die Volumen oder Gewichte der Probestücke
gleichartiger Masse verhielten.
Man kann den eingangs erwähnten Satz nun so aussprechen: Die
zur gleichartigen Zerkleinerung geometrisch ähnlicher Probestücke gleicher Masse
erforderliche Arbeitsgröſse ist proportional dem Volumen oder Gewichte
derselben.
Eine Guſseisenkugel von 50g bedarf zu ihrer
Dreitheilung z.B. 10mk Schlagarbeit; dann
erfordert eine Kugel von 1000g = 50 × 20 = 1k eine Arbeitsgröſse von 200mk. Mit derselben Arbeitsgröſse können wir auch 20
Kugeln von 50g Gewicht zur Dreitheilung bringen.
Wir können daher obigen Satz auch in folgender Fassung geben: Zu einer bestimmten Zerkleinerung geometrisch ähnlicher
Stücke gleicher Masse bedarf es für die Gewichtseinheit einer bestimmten
Arbeitsgröſse, welche unabhängig ist von der Gröſse der Stücke.
Es ist dieser Satz so einfach, daſs es den Anschein gewinnen könnte, als müſste
derselbe längst bekannt gewesen sein; dem ist jedoch nicht so, sondern man glaubte
die erforderliche Zerkleinerungsarbeit sei proportional der Gröſse der Bruchfläche.
So sagt Rittinger (1867) in seinem viel verbreiteten
Lehrbuch über Aufbereitung S. 22: „Die zur Zerkleinerung erforderliche Arbeit
wächst im Verhältniſs zum Verkleinerungsgrade. Zur näheren Erläuterung
dieses Satzes sei ein Steinwürfel von durchaus gleichmäſsiger Beschaffenheit und von
einer beliebigen Seitenlänge s gegeben; ferner betrage
die Arbeitsgröſse, welche erforderlich ist, um diesen Würfel parallel zu einer
Seitenfläche zu zertheilen, a Fuſspfund. Denkt man sich
die drei auf einander senkrechten Seitenkanten des Würfels der Reihe nach in 2, 3,
4... n gleiche Theile getheilt und die Theilung des
Würfels in Ebenen ausgeführt, die mit den 3 Seitenflächen desselben parallel laufen,
so erhält man nach einander:
8
Würfel
von
½ s
Seitenlänge
mittels
3 × 1 × a
Fuſspfund
Arbeit
27
„
„
⅓ s
„
„
3 × 2 × a
„
„
64
„
„
¼ s
„
„
3 × 3 × a
„
„
125
„
„
⅕ s
„
„
3 × 4 × a
„
„
n
3
„
„
1/n s
„
„
3 (n – 1) a
„
„
Je kleinere Seitenkanten also die durch die Zerkleinerung
gewonnenen Würfel gegenüber dem ursprünglichen Würfel erhalten, d.h. je kleiner der
Zerkleinerungsquotient 1/n ist, desto gröſser ist der zur
Zerkleinerung erforderliche Arbeitsaufwand An = 3 (n – 1)
a. Es verhalten sich daher die in zwei
Zerkleinerungsfällen erforderlichen Arbeitsgröſsen
\frac{A_n}{A_m}=\frac{n-1}{m-1} näherungsweise (bei weit
getriebener Zerkleinerung) wie n : m.
Daraus folgerte nun Rittinger den Satz: „Die
Arbeitsgröſsen stehen daher nahezu im geraden Verhältnisse zum
Zerkleinerungsgrade oder im verkehrten Verhältnisse der
Zerkleinerungsquotienten. Und weiter: „Die zum
Zerkleinern erforderliche Kraft steht mit dem Oberflächenzuwachse in
geradem Verhältnisse.“
Zu demselben Schlusse gelangt auch Prof. C. Fink in
einer Abhandlung „Theorie der Walzen-Arbeit“
(Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem
preuſsischen Staate) 1874 Bd. 22 S. 201 in jenem Abschnitte, welcher vom
Kraftbedarfe für das Zerdrücken handelt. Der Gedankengang, durch welchen Rittinger und Fink und mit
ihnen, vielleicht auch vor ihnen wohl noch Andere, zu diesem von unserem Ergebnisse
so wesentlich
abweichenden Resultate gelangten, ist so bestechend, daſs sich Verfasser selbst im
Banne desselben befand. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daſs die Molecüle der
Bruchflächen vor dem Bruche mit einer der Flächengröſse
der Bruchflächen proportionalen Kraft gegen einander reagirten; aber bei der
Inanspruchnahme auf Trennung findet zuerst eine elastische Deformation statt und die
Wege, welche die Endfläche des Hammers oder der Presse arbeitend zu durchlaufen
haben, von Beginn der Berührung bis zum Bruche des Stückes sind bei geometrisch
ähnlichen Körpern gleicher Materie, so klein sie auch sein mögen, stets proportionalHiergegen verstieſs Verfasser selbst in einem jüngst in den Technischen Blättern, 1882. S. 154
veröffentlichten Artikel, welcher viel bestimmter hätte lauten
sollen. den homologen Abmessungen dieser Körper. Mögen daher auch
jene Pressungen, welche unmittelbar im Bruchmomente herrschen, proportional der
Gröſse der Bruchfläche sein, so sind dies eben nur die Pressungen, nicht die Arbeitsgröſsen;
letztere stehen im geraden Verhältnisse zu den dritten Potenzen der gleichartigen
linearen Abmessungen, bezieh. im geraden Verhältnisse zu den Volumen oder
Gewichten.
Die Versuchszahlen, welche den Verfasser berechtigen, den von ihm aufgestellten
Deformationsgrundsatz auch auf spröde Materialien auszudehnen, werden in dem
nächsten Hefte der Technischen Blätter veröffentlicht
werden; hier sei aber noch eine Anwendung desselben gemacht.
Es sollen kugelige Quarzgeschiebe von der durchschnittlichen Gröſse von 8mm Walzen passiren, welche auf 4mm kleinsten Abstand gestellt sind. Man wird die
gleiche Art der Verkleinerung erlangen, wenn man Geschiebe von 4mm Korngröſse durch ein Walzwerk von 2mm Einstellung mit halb so groſsen
Walzendurchmessern passiren läſst, und in beiden Fällen wird man für je 100k Sand dieselbe
Arbeitsmenge verbrauchen. Läſst man also dasselbe Sandgewicht in derselben Zeit die
Walzen passiren, so erfordert der Antrieb dieselbe Zahl Pferdestärken, gleichviel
welche Korngröſse gewählt wird, vorausgesetzt, daſs die Verkleinerung eine analoge
ist und die Walzendurchmesser proportional den Korngröſsen sind. Letztere Bedingung
kommt jedoch nur bei bedeutenderen Korngröſsen in Betracht.
Werden zur Verkleinerung Schläge benutzt und ist die Endfläche des Hammers (die Bahn)
gegenüber dem Arbeitstücke groſs, so ist die Wirkung innerhalb sehr weiter Grenzen,
0,5 bis 5m Fallhöhe, nur abhängig vom Werthe des
Productes G × h, wobei G das active Hammergewicht
(Gewicht weniger Reibung in den Führungen) und h die
Fallhöhe bedeutet.
Hat man die zu einer bestimmten Zerkleinerung eines bestimmten Materials von
gegebener Gestalt erforderliche Arbeitsgröſse, bezogen auf die Gewichtseinheit (1k), gegeben, so ist hierdurch eine Zahl – wir
nennen sie Bruchfaktor – gewonnen, mit welcher man nur
das in Kilogramm ausgedrückte Gewicht der geometrisch ähnlichen Probestücke zu multipliciren
braucht, um die zu ihrer gleichartigen Zerkleinerung erforderliche Arbeitsgröſse zu
finden. Der Bruchfaktor ist bei körnigem, gleichartigem Material ganz wesentlich von
der Form abhängig. Er beträgt z.B. für Guſseisenkugeln etwa 200mk, für Guſseisenwürfel etwa 2000mk, also 10mal mehr. Dieselben Beziehungen ergeben
sich hingegen bei geschichteten Materialien nicht; so
wurde der Bruchfaktor für eine Marmorkugel zu 40mk
und für Würfel aus demselben Material nur zu 58mk
gefunden. Die Anwendung der dargelegten Grundregel setzt daher die experimentelle
Bestimmung des Bruchfaktors für das bestimmte Material und die bestimmte Form
voraus.
Das ursprünglich nur für bildsame Körper aufgestellte Gesetz ist also auch für spröde
Materialien gültig und kann ganz allgemein lauten: Körper
bestimmten Materials und bestimmter Form bedürfen zu einer bestimmten
Gehaltsänderung oder Theilung einer Arbeitsgröſse, welche gleich ist dem
Producte aus dem Körpergewichte in die für die Gewichtseinheit desselben
Materials bei geometrisch ähnlicher Grundform und gleicher Formänderung oder
Theilung benöthigten Arbeitsgröſse.
Prag, im November 1882.