Titel: | Ueber das Oelen und die damit zusammen hängenden Operationen in der Türkischroth-Färberei; von F. Schatz. |
Autor: | F. Schatz |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 39 |
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Ueber das Oelen und die damit zusammen hängenden
Operationen in der Türkischroth-Färberei; von F. Schatz.
F. Schatz, über Türkischroth-Färberei.
Wenn ich im Folgenden meine Beobachtungen und Ansichten über diesen Theil der
Rothfärberei zusammenstelle, so hat mich dabei die Absicht geleitet, das darüber
herrschende Dunkel nach Kräften lichten zu helfen, die Irrthümer, welche zum Theil
durch mangelhafte und einseitige Beobachtung, zum Theil auch durch voreilige
Schluſsfolgerungen sich eingeschlichen haben, soweit ich vermag, zu heben. Weit
entfernt, die folgenden Darstellungen als unumstöſsliche Wahrheiten ausgeben zu
wollen, glaube ich die Aufmerksamkeit auf mehrfach in der Praxis gemachte
Beobachtungen lenken zu sollen; die daran geknüpften Schlüsse übergebe ich dem
reiferen Urtheile competenter Fachmänner.
Wenn man ein Tuch mit Oel tränkt und dann, ohne vorher eine Metallbeize (Aluminium,
Eisen u. dgl.) darauf zu bringen, im Alizarinbade ausfärbt, so erhält man gar keine
Farbe. Das Rothwerden des Bades und Tuches rührt von dem durch letzteres
mitgebrachten Alkali her; man kann das Tuch durch Auswaschen in Wasser wieder
vollständig von seiner Farbe befreien. Denselben Erfolg erzielt man, wenn man unpräparirtes Garn und
Tuch direkt in ein alkalisches Bad von Alizarin taucht. Dieser Erfahrungssatz
beweist, daſs das Oel kein Mordant im gewöhnlichen Sinne ist, d.h. kein Mittel,
welches den Farbstoff in der Faser mit sich vereinigt. So klar für mich diese Sache
auch war, habe ich doch nicht versäumt, sie durch direkte Versuche bestätigen zu
lassen und zwar hauptsächlich deshalb, weil ich sehr oft das Gegentheil gehört und
gelesen habe. Der Gang in den Türkischroth-Färbereien ist gewöhnlich der, daſs
zuerst geölt, dann gebeizt, endlich gefärbt wird; man erhält auf diese Weise das
bekannte schöne Roth. Unterläſst man das Oelen vor dem Beizen, so erhält man keinen
Alizarinniederschlag. Danach scheint bei flüchtiger Betrachtung das Oel diesen zu
bewirken.
Wenn man, ohne zu ölen, in einer Thonerdelösung beizt und dann gehörig auswäscht, so
entsteht keine Farbe, einfach deshalb, weil das lösliche Thonerdesalz wieder
ausgewaschen wird, so gut ein vollständiges Waschen eben möglich ist. Fixirt man
aber in angeführtem Versuche in irgend einer Weise, läſst man also in der Faser eine
unlösliche Verbindung von Thonerde entstehen, so erhält man eine nach der Natur des
befolgten Prozesses mehr und minder schöne, aber immerhin volle Farbe beim
Ausfärben. Somit ist erwiesen, daſs nur die Thonerde den Farbstoff anzieht, nicht
das Oel.
Oel enthält als wirksamen Bestandtheil für die Rothfärberei die Fettsäuren. Diese
geben nur mit den Alkalien in Wasser lösliche Verbindungen; alle anderen sind bei
gewöhnlicher Temperatur in Wasser entweder geradezu unlöslich, oder doch so
unmerklich löslich, daſs man sie für die Technik als unlöslich bezeichnen kann.
Bringt man daher Oel mit einem Thonerdesalz zusammen, so entsteht unlösliche
Thonerdeseife. War die Faser vor dem Eintauchen in das Thonerdesalz mit Oel
getränkt, so entsteht ein solcher Niederschlag in der Faser. Das Oel hat also in erster Linie die Bedeutung eines Fixirungsmittels für die
folgende Beize. Es ist nur in so fern Mordant, als es den eigentlichen
Mordant, die Thonerde, auf der Faser festhält.
Da eine geringe Menge von Metallsalzen im Allgemeinen eine verhältniſsmäſsig groſse
Menge von Fettsäuren zu binden vermag – man denke nur an das Verhältniſs von
Aetznatron und Fettsäure bei den gewöhnlichen Seifen –, so gehört eine groſse Menge
Oel dazu, die erforderliche Menge Thonerde aufzunehmen. Der so gebildeten
Thonerdeseife nimmt das Alizarin beim Ausfärben die Thonerde weg, während die
Fettsäure losgelöst gleichsam eine schützende Hülle um die
Aluminium-Alizaratmolecüle bildet.
In diesem letzten Umstände liegt die zweite Bedeutung des Oeles: Es verleiht der Farbe Echtheit. Die bei Fixiren der
Beize ohne Oel erhaltene Farbe ist stets unecht, kann wenigstens mit dem
Türkischroth nicht entfernt in Bezug hierauf concurriren. Unzweifelhaft ist es also
das Oel, welches die Echtheit bewirkt. Das Färben geschieht bei langsam ansteigender Temperatur. Das
Alizarin nimmt dabei aus der Thonerdeseife ein Atom Aluminium nach dem anderen weg;
gleichzeitig aber tritt die damit verbunden gewesene Fettsäure in Freiheit und
umgibt das neu entstandene Molecül. Setzt man das so gefärbte Zeug der Wirkung eines
Alkalis aus, so gehört eine gewisse Concentration, entsprechende Hitze und Dauer der
Einwirkung dazu, die schützende Hülle zu durchbrechen. Chlor muſs diese erst
oxydiren, bis der eigentliche Farbkern ihm ausgesetzt ist.
Indessen zwingen andere Gründe dazu, die Sache doch nicht für so einfach anzusehen,
als ob die von der Thonerde losgelöste Fettsäure der Verbindung des
Aluminiumalizarat so theilnahmlos gegenüberstände, wie man wohl einen gefärbten
Gegenstand zum Schütze gegen äuſsere Einflüsse mit einer Glasur, einer
durchsichtigen Hülle versieht.
Wenn man auf mit Türkischrothöl präparirtes und im Uebrigen der Natur, der Sache
entsprechend behandeltes Zeug einen anderen Farbstoff, z.B. Quercitron, färbt, so
erhält man eine echtere Farbe, als wenn man ungeöltes Zeug benutzt. Es zeigt sich
also auch hier wieder die charakteristische Wirkung des Oeles. Aber es ist doch gar
nicht abzusehen, weshalb, wenn vorstehende Erörterungen in aller Strenge richtig
sind, die hiernach entstehende, ebenso schützende Hülle der Fettsäuren weniger
widerstandsfähig sein sollte, als beim Färben mit Alizarin, weshalb man also unter
solchen Umständen nicht genau so echt mit Quercitron als mit Alizarin färben könnte.
Und doch gibt ersteres eine nicht so echte Farbe wie letzteres. Es muſs also noch
etwas besonderes eintreten: der Farbstoff muſs die Bedeutung der Echtheit nicht dem
Oel allein verdanken, sondern er muſs selbst hieran einen Antheil haben.
Fixirt man die Thonerde in anderer Weise als durch Fettsäuren, so erhält man eine je
nach der Art des Prozesses mehr oder minder gute, immerhin aber unansehnliche Farbe.
Dämpft man dann, so hebt sie sich nur unbedeutend; ölt man aber vor dem Dämpfen, so
verwandelt sie sich durch das Dämpfen in ein bedeutend
schöneres Roth. Hier kann offenbar nicht der Krapplack allein eine Veränderung
erfahren haben; denn als er allein ohne Oel dem Dampfe ausgesetzt wurde, zeigte er
eine so überraschende Umwandlung nicht. Sicherlich wird das Oel durch das Dämpfen
verändert. Aber in unserem Falle trifft die Veränderung wohl nicht die Fettsäure
allein. Man könnte sich dadurch wohl die Entstehung eines gewissen Glanzes auf dem
Zeuge vielleicht erklären; aber eine so auffallende Farbenveränderung ist meines
Erachtens daraus nicht herzuleiten.
Zur Erklärung dieser beiden Thatsachen sehe ich mich zu folgender Annahme veranlasst.
Aluminium ist 3werthig und wird offenbar mit seinen 3 Werthigkeiten – den
gewöhnlichen Gang der Türkischrothfärberei vorausgesetzt – an Fettsäure gebunden.
Beim Ausfärben, so kann man annehmen, werden nur 1 oder 2 dieser Werthigkeiten zur
Bindung des Alizarins
verwendet; der Rest bleibt an Fettsäure gebunden. Sorgt man nun dafür, daſs eine
überschüssige Menge Thonerde in Bezug auf Fettsäure im Garne vorhanden ist, so
verbindet sich beim Ausfärben die frei gewordene Fettsäure mit neuer Thonerde und
derselbe Prozeſs wiederholt sich; vielleicht bleibt schlieſslich eine bestimmte
Menge Fettsäure übrig und findet die angedeutete Verwendung. Somit wäre die fertige
Farbe als eine Verbindung der 3 Stoffe: Alizarin, Aluminium und Fettsäure
anzusehen.
Oel allein ist kein Mordant, wird aber in Verbindung mit
Metallen ein Mordant, d.h. die in der Faser befindliche Thonerdeseife ist im Ganzen, nicht nur deshalb, weil das Metall in ihr
enthalten ist, ein Mordant. Diese Annahme gibt eine Erklärung für die vorhin
besprochenen sonst widerstrebenden Thatsachen und verschafft zugleich eine, wie es
mir scheint, recht natürliche Auslegung einer anderen in der Rothfärberei
vorkommenden Operation, des „Gallens“.
Zunächst ist es selbstverständlich, daſs ein neues Farbmolecül obiger Art, in welchem
Alizarin etwa durch Quercitron vertreten ist, nicht dieselbe Widerstandsfähigkeit
gegen bestimmte Stoffe zu haben braucht und haben wird. Schwefelsaures Kali ist eine
festere Verbindung wie schwefelsaure Thonerde, Chlorcalcium fester als doppelt
kohlensaurer Kalk. Bei Annahme der obigen Hypothese muſs man von vorn herein
vermuthen, daſs nicht jeder Farbstoff eine gleich widerstandsfähige Verbindung
gibt.
Sodann ist anzunehmen, daſs, wenn das ohne vorherige Oelpassage gefärbte Zeug in ein
Oelbad getaucht wird, die Fettsäure sich entweder mit der etwa noch vorhandenen
freien Thonerde verbinden, oder sich einfach in der Faser absetzen wird. Die
Verbindung von Alizarin-Aluminium-Fettsäure wird durch das Dämpfen nach dem Oelen
bewirkt; daher die merkwürdige Farben Veränderung. Man braucht, um eine immerhin
sehr auffallende, aber minder günstige Farbenveränderung hervorzurufen, das nach dem
Ausfärben geölte Garn nur in siedendes Wasser zu tauchen. Es ist also bestimmt
anzunehmen, daſs nicht die durch das Dämpfen bewirkte Aenderung des Oeles,
wenigstens nicht allein, jene Erscheinung hervorruft. Dagegen legt unsere Hypothese
die Vermuthung nahe, daſs das Zeug durch die Bildung eines neuen Stoffes ein anderes
Aussehen gewinnen wird.
Endlich findet dadurch noch eine andere Operation, über welche zum Theil recht
sonderbare Erklärungsweisen vorgebracht worden sind, eine immerhin interessante
Beleuchtung. Als nämlich von der Bildung der Alizarin-Aluminium-Fettsäureverbindung
gesprochen wurde, ist erwähnt worden, daſs die zum Theil frei werdende Fettsäure
sich mit neuer Thonerde verbinde. Letztere muſs natürlich in unlöslichem Zustande
vorhanden sein. Nun hat man in der Gerbsäure ein willkommenes Mittel, Thonerde aus
den Lösungen ihrer Salze nieder zu schlagen. Der Färber erreicht also obigen Zweck
damit, daſs er vor dem Beizen „gallt“. Dadurch wird auſser durch Oel noch
eine groſse Menge Thonerde auf der Faser fixirt, welche dann im Verlaufe des Färbens
an Oel und mit diesem an Alizarin tritt. Somit hält das Tannin vorläufig gleichsam
die Thonerde fest, um sie nachher an Fettsäure abzutreten. Damit hat es auch seine
Bestimmung erreicht. Nicht mit Tannin behandeltes Zeug sieht daher wohl deshalb so
fahl und matt aus, weil beim Ausfärben das Alizarin der Fettsäure an vielen Stellen
alle Thonerde, weil sie eben in nicht genügender
Menge vorhanden ist, entzieht eine solche Verbindung, worin nur Thonerde und
Alizarin allein vorhanden sind, leidet eben bei der folgenden starken Avivage zu
viel.
Ich brauche wohl nicht aus einander zu setzen, weshalb man statt des theuren Tannins
nicht die billigere Soda oder Kreide in gleicher Weise zum Fixiren der Thonerde
anwenden kann.
Daſs das Tannin in der That mit der Fällung der Thonerde seine Rolle ausgespielt hat,
ersieht man daraus, daſs man es bei empfindlicheren Farben durch entsprechende
Behandlung wieder aus der Verbindung mit Thonerde zu entfernen sucht, denn nur mit
Tannin gefällte Thonerde gibt eine häſsliche, unansehnliche Farbe; bei empfindlichen
Nuancen darf auch nicht hier und da eine solche vorkommen.
Diese Erklärungsweise des Gallens scheint mir ungleich natürlicher und in jener
Hypothese begründet zu sein als viele andere, welche z.B. aus der Schwefelsäure und
dem Tannin einen „gelatinartigen Körper“ entstehen lassen. Der vorgebrachten
Hypothese widerspricht bis jetzt keine Thatsache; sie erklärt auch die bekannten
leicht und naturgemäſs und stehen ihre Folgerungen mit den Beobachtungen bis jetzt
wenigstens im Einklänge.
An die Betrachtung über die Wirkung des Oeles bezüglich der Echtheit schlieſst sich
die Besprechung einer ebenfalls viel gedeuteten Arbeitsweise eng an, nämlich das
Zeug nach den einzelnen Oelpassagen an die Luft auszuhängen bezieh. zu dämpfen.
Beide verfolgen denselben Zweck: die Oxydation des Oeles zu bewirken, erstere
langsamer, letztere schneller. daſs wenigstens auf beide Arten stark oxydirt werden
kann, darf als jedem Färber sattsam bekannt vorausgesetzt werden; es fragt sich also
nur, welchen Zweck eine solche Oxydation habe. Das Olivenöl ebenso wie das Ricinusöl
ist keine einfache chemische Verbindung, sondern ein Gemisch. Die verschiedenen
darin enthaltenen Verbindungen der Fettsäurereihe haben natürlich nicht alle
dieselbe Affinität zum Sauerstoff. Würden alle diese ohne Unterschied auf
Oxydirbarkeit zur Bildung jener Alizarin-Aluminium-Fettsäureverbindung verwendet, so
würden die von leichter zerstörbaren Fettsäuremolecülen herrührenden ebenfalls
leichter angegriffen werden können; die Farbe würde an Echtheit verlieren und in der
schlief suchen Avivage empfindlich leiden müssen. Dämpft man nicht, so tritt dieser
Uebelstand thatsächlich ein; mit der gedämpften Waare hält die nicht gedämpfte nach der Avivage keinen
Vergleich mehr aus. Um nun solche Fettsäuremolecüle an der Theilnahme bei der
Bildung des Farblackes zu verhindern, werden sie vorher oxydirt, zerstört, so daſs
nur die Molecüle, welche der Wirkung des Dämpfens Widerstand leisten können, zur
Bildung des Farblackes verwendet werden können. Dadurch wird die Farbe also echter
und, da sie die Avivage aushalten kann, natürlich auch schöner.
Ich hatte anfänglich vermuthet, daſs sich durch das Dämpfen ein Gewichtsverlust
herausstellen würde. Indessen bemerkte ich in vielen Fällen gar keine
Gewichtsabnahme, zuweilen eine so geringe, daſs ich eher geneigt bin, diese
Differenz durch Beobachtungsfehler zu erklären. Es ist also anzunehmen, daſs die
oxydirten Substanzen zum groſsen Theil noch in der Faser bleiben und erst bei den
folgenden Operationen durch Waschen entfernt werden.