Titel: | Localbahnen in den Niederlanden. |
Autor: | M-M. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 44 |
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Localbahnen in den Niederlanden.
Hostmann, über Localbahnen in den Niederlanden.
Ueber dieses in Holland überraschend schnell entwickelte Verkehrsmittel handelt eine
kürzlich als Sonderabdruck aus dem Wochenblatt für Architekten und
Ingenieure, 1882 erschienene Abhandlung von Baurath
W.
Hostmann, welcher es sich auch speciell angelegen sein
läſst, für die Anbahnung einer ähnlichen Entwickelung in Deutschland
einzutreten.
Hostmann bemerkt, wie uns scheint sehr richtig, daſs für
den Localverkehr überhaupt, besonders aber für den Verkehr schwach bevölkerter und
wenig Industrie reicher Gegenden die „Nebenbahnen“ oder
„Secundärbahnen“ unserer Eisenbahngesetzgebung nicht überall das
zweckentsprechendste sind und daſs vor Allem die grundsätzlich angestrebte
Uebergangsfähigkeit der Waggons der Hauptbahnen in den weitaus meisten Fällen
praktisch entbehrlich wäre. daſs aber gerade hiermit zunächst durch die Spurweite,
dann auch durch die auf etwa 100m Minimalradius
begrenzten Curven und die entsprechend erforderliche Tragkraft aller
Oberbauconstructionen die ganze Anlage eine oft vielmal theurere wird, als es bei
einer dem wirklichen Bedürfnisse genügenden leichten Normal- oder Schmal-Spurbahn
der Fall wäre, liegt auf der Hand.
Die in Holland zu einem Netze von heute etwa 200km
Länge ausgebauten – übrigens einer gröſseren Anzahl unabhängiger Gesellschaften
gehörigen – „Dampftramways“ haben zwar dort, wo sie sich an ältere bestehende
städtische Straſsenbahnen anschlieſsen, die normale Spur beibehalten, lassen aber
selbst dort prinzipiell keine Waggons der Hauptbahnen übergehen und sind nur
ausnahmsweise mit mehrachsigen Tracks zu deren Aufnahme eingerichtet, was also
ebenso gut bei einer schnellspurigen Bahn stattfinden könnte. Dafür kann anstandlos
mit Curven bis herab zu 20m Radius tracirt werden, der Oberbau durchaus leicht
gehalten sein und derart bei der Anlage ein Ersparniſs gemacht werden, welches gar
nicht im Verhältniſs zu der nur selten vorkommenden Ueberladung steht. Am
auffallendsten sollen diese Umstände bei den Linien Zuider-Stoomtram
(Verwaltungssitz in Breda), Rotterdam-Schiedam (Verwaltungssitz in Rotterdam),
Gooische Stoomtram (Verwaltungssitz in Amsterdam), Geldersche Stoomtram
(Verwaltungssitz in Dieren bei Arnheim) bemerkbar sein, deren Einrichtung näher
beschrieben und zu deren Besuch und Studium speciell aufgefordert wird.
Auſser den aufgeführten Bahnen ist in den Niederlanden eine weitere Anzahl im Bau
befindlich und endlich noch eine gröſsere Anzahl Concessionen ertheilt, so daſs
voraussichtlich in wenigen Jahren ein ganz ausgedehntes Netz von Localbahnen
vorhanden sein wird, dessen segenbringender Einfluſs auf die Erwerbsverhältnisse entlegener
und industriell wenig entwickelter Landestheile sich sehr bald bemerkbar machen
wird.
Der Verfasser betont sodann, ein wie reiches Feld des Studiums betreffs Spurweiten,
Oberbausysteme, Locomotiv- und Wagenconstructionen u. dgl. m. der Techniker hier
findet, und fährt fort: „Wichtiger jedoch muſs es erscheinen, wenn Vertreter
derjenigen nichttechnischen Behörden, staatlich, provincial oder communal,
welche berufen sind, die Interessen der allgemeinen und öffentlichen Sicherheit
wahrzunehmen, wenn besonders diese Veranlassung nehmen wollten, sich durch den
Augenschein zu überzeugen, daſs ein regelmäſsiger, gefahrloser und sicherer
Betrieb für diese kleinen, langsam fahrenden Bahnen auch ohne die vielen
beschwerenden Vorschriften möglich ist, welche leider bei uns in Deutschland nur
noch zu häufig erlassen werden.
„Meines Erachtens wäre es eine sehr dankbare Aufgabe, wenn diese Behörden, anstatt
die Herstellung derartiger, volkswirtschaftlich so sehr nützlicher Verkehrswege
durch unzweckmäſsige und hemmende Vorschriften zu erschweren, Veranlassung
nehmen würden, sich selbst zu überzeugen, daſs ein groſser Theil dieser
Vorschriften sehr gut fortfallen kann, und wenn sie dann in aufklärender Weise
auf die Anwohner derartiger Bahnen, die ja nicht immer so leicht zu überzeugen
sind, wie die Vertreter der Behörden, einwirken wollten. Hier liegt für die
betreffenden Behörden ein weites Feld einer Wirksamkeit, durch welche sehr viel
Gutes gestiftet werden kann, was schlieſslich den betreffenden Gemeinden immer
wieder zu Gute kommt.“
Wir können uns diesen Worten nur anschlieſsen und das anregende Schriftchen der
allgemeinen Aufmerksamkeit empfehlen.
M-M.