Titel: | Ueber Desinfection von Kleidungsstücken, Wäsche u. dgl. durch Hitze; von G. Rohn. |
Autor: | G. Rohn |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 76 |
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Ueber Desinfection von Kleidungsstücken, Wäsche
u. dgl. durch Hitze; von G.
Rohn.
Mit Abbildungen im Text und auf Tafel 7.
Rohn, über Desinfection von Kleidungsstücken, Wäsche u.
dgl.
Ein Desinfectionsverfahren mittels erhitzter trockener Luft wurde im J. 1873 im
Berliner Barackenlazareth zu Moabit durch den Verwaltungsdirektor Merke eingerichtet. Es wurde zuerst ein Apparat
benutzt, welcher aus einem mit Deckel verschlieſsbaren eingemauerten Eisenkessel
bestand, in welchem durch Dampf von 4at Spannung,
der durch eine Kupferspirale ging, eine Temperatur von 125° erzeugt wurde. Dieser
Hitze wurden die Gegenstände etwa 1 Stunde lang ausgesetzt (vgl. Virchow's Archiv, 1879 Bd. 77 S. 498). Die sich bei
diesem Apparat ergebenden Unzuträglichkeiten in Bezug auf die Bedienung desselben
und die sich bei der Desinfection einstellenden üblen Dünste, welche keinen
richtigen Abzug haben, waren Ursache zur Aufstellung eines anderen Apparates. Es
wurde durch doppeltes Mauerwerk mit dazwischen befindlicher Isolirschicht ein an der
Decke gewölbter Raum hergestellt, welcher wieder durch eine Dampfspirale, die an den
Wänden und dem Boden herumging, erhitzt wurde. In der Mitte der Decke war ein
Abzugsschlot mit Ventilationsklappe und in der Nähe des Bodens verschlieſsbare
Luftzuführungsöffnungen angebracht. Der Raum konnte durch eine mit Doppelthür
verschlieſsbare Oeffnung betreten und die Gegenstände in denselben gebracht werden.
Diese wurden dann bei verschlossener Ventilationsklappe und Luftzuführöffnungen
wieder etwa 1 Stunde einer Temperatur von 125° ausgesetzt, worauf man etwa ½ Stunde
lang bei weiter geheizter Spirale Luft durch den Apparat strömen lieſs. Die sichere
Wirkung dieses Verfahrens mit trockener Hitze wurde durch Erfahrung, sowie durch
einen direkten Versuch mit einer Bakterien enthaltenden Watte bestätigt. Die
erfolgende kräftige Ventilation beseitigte alle üblen Gerüche vollkommen. (Vgl. Than 1879 234 * 463.)
Die von Seiten des Reichsgesundheitsamtes unter Leitung von Koch im J. 1880 mit diesem Apparat vorgenommenen Versuche stellten jedoch
die Wirkung desselben sehr in Frage, indem nachgewiesen wurde, daſs zu vollständiger
Tödtung der inficirenden Organismen ein 5stündiger Aufenthalt in heiſser trockener
Luft von 140° nothwendig sei und daſs im Inneren verpackter Desinfectionsobjecte
dabei eine weit unter der geforderten bleibende Temperatur sich zeigt (vgl. Ransome 1873 210 467).
Zugleich aber wurde bei diesen Versuchen gefunden, daſs eine vollständige
Desinfection bei direkter Anwendung von Wasserdämpfen von über 100° erzielt wird
(vgl. Mittheilungen des Kais. Gesundheitsamtes, Bd. 1).
Direkter Dampf zu Desinfectionszwecken hatte zwar schon früher im Barmer
Krankenhause Benutzung gefunden (vgl. Sander: Geschichte,
Bau und Einrichtung der Krankenhäuser, 1875 S. 27) und auch J.
Munk in Wien (* D. R. P. Kl. 30 Nr. 7012 vom 5. April 1879) verwendet in seinem
Luftdesinfectionsapparat neben Chemikalien auch Wasserdämpfe. Ebenso ist der
Desinfectionsapparat für Wollen (persische und ostindische) gegen Krankheiten der
Wollsortirer von J. Scharr in Bradford, welcher
Schwefeligsäure in die Ballen preſst, eingerichtet, daſs gleichzeitig direkter Dampf
in die Wollballen dringen kann (vgl. Mikolaschek: Bericht
über die Londoner Wollenausstellung, 1881 * S. 33).
Der erwähnte Apparat des Reichsgesundheitsamtes war so eingerichtet, daſs die
desinficirenden Gegenstände direkt über der Dampf entwickelnden Flüssigkeit in
demselben Kessel aufgehängt wurden. Würden sich bei solchen Apparaten im Groſsen
schon vielerlei Unzukömmlichkeiten herausstellen, so machen sich bei der
ausschlieſslichen Verwendung von direktem Dampf üble Umstände geltend, wie sie von
Merke durch Versuche nachgewiesen sind (vgl. Eulenberg's Vierteljahresschrift, Bd. 37 S. 1).
Der Genannte richtete seine beiden oben erwähnten Apparate für die Benutzung von
direktem Dampf ein, indem er ein siebartig durchbohrtes, mit Kesseldampf gespeistes
Rohr in dieselben führte, und fand bei Versuchen, daſs bei direktem Dampf auch im
Inneren groſser, fest verpackter und verschnürter Ballen sehr leicht eine Temperatur
von über 100° erreicht werde. Zugleich fand sich jedoch, daſs dabei namentlich auf
weiſser Wäsche gelbe Flecken entstanden, welche nicht mehr zu entfernen, und daſs
die Gegenstände, da sie zu stark durchfeuchtet, einer Nachtrocknung bedürftig waren.
Ebenso lästig war, daſs sich am Boden des Desinfectionsraumes sehr viel
Niederschlagswasser ansammelte. Alle diese Uebelstände wurden von Merke durch gleichzeitige Anwendung von direktem Dampf
und trockener Hitze mit darauf folgender Lüftung beseitigt und ebenso ergab sich
dabei eine viel höhere Temperatur im Inneren des Apparates, als bei alleiniger
Anwendung von direktem Dampf. Es wurde, nachdem die Gegenstände in den Apparat
gebracht, Dampf von 3 bis 4at in die Heizspirale
und das Siebrohr geleitet, nach 1 Stunde letzteres abgeschlossen und bei geöffneten
Ventilationsöffnungen die Heizspirale nach ½ Stunde weiter geheizt. Die
Desinfectionsgegenstände waren dann vollkommen trocken und fleckenlos.
Die Firma O.
Schimmel und Comp. in Chemnitz (*
D. R. P. Kl. 30 Nr. 18713 vom 24. November 1881) hat
nun nach diesem Prinzipe einen Desinfectionsapparat construirt, welcher die
gleichzeitige Anwendung von nasser und trockener Hitze gestattet und der bereits in
mehreren Exemplaren bei Krankenhäusern und klinischen Anstalten (z.B. Frauenklinik
Berlin, Stadtkrankenhaus Stettin u.a.) im Gebrauch ist. Der Apparat ist leicht
zerlegbar und so eingerichtet, daſs derselbe beim Ein- und Ausbringen der
Desinfectionsgegenstände nicht betreten zu werden braucht.
Der nebenstehend dargestellte Apparat ist 2m,25
lang, 1m,4 breit, 2m hoch und hat einen für Desinfectionsgegenstände benutzbaren Raum von
etwas über 2cbm. Er ist hergestellt aus doppelten
Blechwänden a, welche durch Schrauben leicht verbunden
und gelöst werden können und deren Zwischenraum mit einem schlechten Wärmeleiter
ausgefüllt ist. Die Vorderwand b wird von zwei Thüren
gebildet, von denen die obere für das Ein- und Ausfahren des die Desinfectionsstücke
K und l aufnehmenden
Wagens g bestimmt ist, während durch die untere Thür
das auf einem Wagen d ruhende Rippenheizrohrsystem c zum Zwecke einer Nachsicht oder Erneuerung der
Packung und Ausbesserung herausgefahren werden kann. Ueber dem Rohrsystem c liegt das mit kleinen Löchern für das Ausströmen des
Dampfes versehene Kupferrohr i. Durch die untere Thür
gehen die Dampfzuleitungsröhren zu c und i sowie das Condensationswasserabfluſsrohr und befindet
sich in derselben noch die verschlieſsbare Lufteinströmungsöffnung e. An der der Thür entgegengesetzten Seite hat der
Apparat ein Abführungsrohr f mit einer Drosselklappe,
das nach einem Schornstein geht.
Die Handhabung beim Desinficiren ist nun folgende: Nach Oeffnung der oberen Thür b legt man in die Verlängerung der Innenschienen m die vorn auf einen Holzbock sich stützenden
Auſsenschienen, zieht den mit Siebboden versehenen Wagen g heraus und beladet ihn mit den zu desinficirenden Gegenständen. Einzelne
Kleidungsstücke werden am besten in Leinwandsäcke K
gepackt und an Querstäben an der Decke des Wagens aufgehängt, damit der Dampf
dieselben ordentlich umspülen kann. Ist der beladene Wagen dann in den Apparat
zurückgeschoben und die Thür b fest verschraubt, so
öffnet man das Dampfventil zum Rippenrohrsystem c, die
Ventilationsöffnung e und die Drosselklappe im
Abzugsrohre f so lange, bis ein in den Apparat
reichendes und auſsen ablesbares Thermometer 110° zeigt. Man schlieſst dann c und f auf ⅓, öffnet das
Ventil zu dem Rohre i und läſst so etwa 20 bis 30
Minuten direkten Dampf einwirken. Nach Schlieſsung des Rohres i wird dann bei voller Oeffnung von e und f und stetiger
Weiterheizung von c etwa ¼ Stunde lang ventilirt. Der
Desinfectionsprozeſs, der sich also in einer Zeit von 1¼ bis 1½ Stunden abspielt, ist dann
beendet und der Wagen kann herausgefahren und von Neuem beladen werden.
Textabbildung Bd. 247, S. 79
Bei herausgezogenen Wagen schlieſst die über die Rückwand
desselben ausgespannte doppelte Leinwand das Innere des Apparates und verhindert
sowohl eine zu groſse Abkühlung desselben, als eine übermäſsige Erwärmung des
Auſsenraumes. Um eine solche Desinfectionsanlage unabhängig von anderen
Einrichtungen zu machen, wird es immer gerathen sein, einen besonderen
Dampfentwickeler aufzustellen. Eine vollständige Anlage dieser Art ist in Fig.
8 und 9 Taf. 7
dargestellt. Der Dampfkessel K hat 6qm Heizfläche und soll Dampf bis zu 4at Spannung erzeugen; derselbe wird gespeist durch
einen Injector j, der das Wasser aus dem etwa durch die
Wasserleitung gefüllten Behälter R entnimmt. Die Rohrleitung n für direkten Dampf geht vom Kessel bis zum Apparat,
wo dieselbe sich in die zwei Leitungen r und s für i und o verzweigt. o ist die
Leitung aus dem Rippenrohrsystem c nach dem
Condensationstopf C und von dort nach dem
Wasserableitungskanal A. Das sich etwa doch noch am
Boden des Apparates ansammelnde Wasser kann durch ein Ventil nach A abgelassen werden. Im Abzugsrohr f ist vor der Drosselklappe das Thermometer t angebracht. Der Apparat hat sowohl für die innere,
als äuſsere Wandung eine Thür für das Herausziehen des Wagens.
Eine solche EinrichtungDie Höhe des Kesselhauses bezieh. Desinfectionsraumes beträgt 4m, die Länge und Breite 3m,5 × 4m,5 bezieh. 3m,5 × 5m,5. zur Desinfection wird sich
nebst Aufstellungskosten auf rund 5000 M. stellen. Der einfache Apparat ohne
Dampfzuleitungen kostet 3000 M.