Titel: | Ueber den persönlichen Fehler beim Polarisiren. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 165 |
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Ueber den persönlichen Fehler beim
Polarisiren.
Degener, über den persönlichen Fehler beim Polarisiren.
P.
Degener hat bezügliche Versuche mit dem gewöhnlichen
Farbenapparat und dem Halbschattenapparat von Schmidt und Hänsch
(vgl. 1879 232 * 135) ausgeführt. Bei letzterem wurden
die neuerdings empfohlenen mattblauen Glasplatten verwendet, um die bei
Concentration der Zuckerlösungen über 13 Proc. in Folge des nicht vollkommen
übereinstimmenden Drehungsvermögens des Bergkrystalles und des Rohrzuckers für den
blauen und violetten Theil des Spectrums die beiden Hälften des Gesichtsfeldes auf
gleiche Farbe zu bringen. Die Hinks'sche Lampe bessert
hieran nichts, obwohl sie sonst durch ihr ruhiges Licht sehr angenehm wirkt; wohl
aber wird dieser Farbenunterschied und die daraus sich ergebende Unsicherheit in der
Ablesung auf ein Minimum dadurch gebracht, daſs man einestheils vor die der schwach
gelb gefärbten Hälfte des Gesichtsfeldes entsprechende Seite des Objectivs eine
mattblaue Platte befestigt, deren Dicke und Färbung für den einzelnen Apparat von
dem Optiker festzustellen ist, und daſs man andererseits die Art der Beleuchtung in
der Weise abändert, daſs anstatt der bisher einfachen Linse zwei Linsen
eingeschaltet werden, welche um ihre doppelte Brennweite von einander entfernt sind,
somit ein nahezu paralleles Lichtbündel durch das Halbschatten-Nicol geht. Diese
Verbindung der ersten Linse mit einer halbkreisförmigen Platte genau bis zur Mitte würde
also eine Beschattung nur der einen Hälfte des Gesichtsfeldes bewirken, welche in
ihrer Wirkung einer Vermehrung der Drehung entspricht, abhängig von der Dicke und
Färbung der blauen Platte; es ist daher dieser vorher zu ermittelnde Werth von der
jedesmaligen Polarisation in Abzug zu bringen.
Die von Schmidt und Hänsch in ihrer Gebrauchsanweisung
vorgeschriebenen 4 Ablesungen sind nun in der Art auszuführen, daſs nach
Feststellung des Nullpunktes ohne Platte die mehr als 50° polarisirende Lösung
mittels des Arbeitskeiles nach vorgeschlagener Platte zu polarisiren ist; der Werth
der Platte (= 0,3°) ist in Abzug zu bringen (1. Ablesung). Alsdann wird Lösung und
Platte entfernt und mit dem Controlkeil eingestellt; von dem erhaltenen Werth ist
ebenfalls der Werth der blauen Platte abzuziehen (2. Ablesung). Nun wird das Rohr
wiederum eingelegt, die Platte vorgeschlagen und mit dem Controlkeil eingestellt;
von dem erhaltenen Werth ist nichts in Abzug zu bringen (3. Ablesung). Jetzt wird
zum zweiten Male Lösung und Platte entfernt, mit dem Arbeitskeil eingestellt und
nichts in Abzug gebracht (4. Ablesung). Aus den so erhaltenen 4 Zahlen ist dann mit
Leichtigkeit der Durchschnitt zu berechnen (vgl. Wagner's
Jahresbericht, 1881 S. 711).
Die Versuche ergaben, daſs der Unterschied vom Mittel der Polarisation zweier
Beobachter bei sonst gleichen Verhältnissen rund ± 0,15° betragen kann, die absolute
Differenz also 0,3°. Es ist aber zu berücksichtigen, daſs der gröſste Theil der
Beobachtungen von jungen Chemikern gemacht, daſs somit für geübte Beobachter sich
das Verhältniſs besser stellen wird. Die Einzelbeobachtungen der verschiedenen
Arbeiter wichen in den meisten Fällen von dem Mittel aus 5 bezieh. 10 Ablesungen
nicht über 0,12° ab, entsprechend eine absolute Abweichung der einzelnen Ablesungen
unter einander von höchstens 0,2 bis 0,3. Degener hält
einen Spielraum von ± 0,15° oder einen absoluten Unterschied von 0,3° zwischen 2
Beobachtern für erlaubt und berechtigt. Wenn aber auch die Polarisation zweier
Chemiker unter einander absolut um 0,3, oder im Mittel ± 0,15° von einander
abweichen, so kann man doch mit Sicherheit annehmen, daſs das Mittel beider von der
wahren Polarisation nicht mehr als ± 0,1° abweicht, während die Abweichung des
einzelnen Beobachters doppelt so groſs sein kann.
Die erste Polarisation stimmt meist bis auf ± 0,10° überein; es können aber auch,
namentlich bei gefärbten Lösungen Unterschiede bis zu ± 0,2° auftreten. Bei 2
Ablesungen ist die Abweichung unterhalb ± 0,1°, bei 3 ist sie ziemlich, bei 5 ganz
verschwunden. Bei weniger als 5 Ablesungen läuft man insbesondere bei gefärbten
Lösungen Gefahr, unrichtige Mittelzahlen zu erhalten; bei mehr ermüdet leicht das
Auge. Bezüglich der Uebereinstimmung beider Systeme, bezogen auf dieselbe Lösung,
ergibt sich aus den mitgetheilten Tabellen, daſs in 14 Fällen der Unterschied unter
den Polarisationen desselben Beobachters 5 mal mehr als 0,2° beträgt, 9 mal weniger (bei Quarzplatten
ist das Verhältnis noch ungünstiger). Es sind also bei einer Reihe Beobachter die
Differenzen in den Polarisationen derselben Lösung auf zwei Apparaten der beiden
Systeme nicht durchgehend gleichmäſsig, was jedenfalls in der Beschaffenheit der
Augen seine physiologische Begründung hat. Uebrigens standen beide
Halbschattenapparate 0,1 bis 0,2° höher als der Farbenapparat. Dies hat zunächst nur
Gültigkeit für helle oder so wenig gefärbte Producte, daſs man sie nach der Klärung
mit Bleiessig noch bequem am Farbenapparat polarisiren kann. Für gefärbte Lösungen
werden die persönlichen Fehler in der Polarisation ganz andere und wesentlich
ungünstigere sein, unter den einzelnen Ablesungen desselben Beobachters gröſsere
Abweichungen stattfinden. Da man aber zum Zweck der Untersuchung von Handelswaaren
sich möglichst bemühen muſs, helle Flüssigkeiten zu erzielen, so werden für alle
derartigen Arbeiten die vorstehenden Resultate Gültigkeit haben.
Für helle und wenig oder ganz ungefärbte Lösungen besitzt der Schmidt und Hänsch'sche Halbschattenapparat für Personen mit normalem
Farbensinn keine besonderen Vorzüge vor dem Farbenapparat. Die unangenehme
Eigenschaft der bei höheren Concentrationen auftretenden ungleichen Färbung des
Gesichtsfeldes wird zwar durch die vorgeschlagene mattblaue Platte fast ganz
ausgeglichen; aber es tritt dafür eine gewisse Trübung desselben ein und eine
doppelte Linie in seiner Mitte auf, Erscheinungen, welche, obwohl dadurch die
Genauigkeit der Ablesungen nicht leidet, die letzteren etwas schwieriger machen.
Unterhalb 50° fällt dagegen dieser Fehler ganz weg. Bei manchen Personen wirkt die
ungleiche Färbung übrigens nicht störend ein, indem solche durch mehrfaches
Hinundherbewegen des Keiles mit groſser Sicherheit eine Mittelstellung dadurch
auffinden, daſs sie nicht die Färbung, sondern die Intensität der Belichtung der
beiden Hälften des Gesichtsfeldes ins Auge fassen.
Von unbestreitbarem Werthe dagegen ist der neue Apparat für Personen mit anormalem
Farbensinn und für dunkle Lösungen. Hier ist er, da die Beschaffung von Natriumlicht
auf die Dauer zu schwierig wäre, unersetzlich und unentbehrlich. Es möchte sich
daher für die Fabriklaboratorien, besonders für die, welche Producte der
Melasse-Entzuckerung zu untersuchen haben, durchaus empfehlen, neben ihren
Farbenapparaten auch noch den neuen aufzustellen. (Nach der Zeitschrift des
Vereins für Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches,
1882 S. 642.)