Titel: | Neuerungen an Patronen für Handfeuerwaffen. |
Autor: | W. S. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 203 |
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Neuerungen an Patronen für
Handfeuerwaffen.
Patentklasse 72. Mit Abbildungen.
Neuerungen an Patronen für Handfeuerwaffen.
Um bei Revolvern das unangenehme Durchschlagen der Pulvergase zwischen Walze und Lauf zu beseitigen, versehen J. J.
Atkinson und J. Needham in
London (* D. R. P. Nr. 18238 vom 19.
August 1881) die im Verhältniſs zum Laufkaliber im Durchmesser erheblich
gröſsere Patronenhülse am vorderen Ende mit einem ⋂-förmigen Stulpen. In den inneren
Rand des letzteren wird, wie aus Fig. 1 zu ersehen,
das Geschoſs eingeschoben und so weit in die Hülse hineingedrückt, daſs dasselbe
nicht über den vorderen Rand der Hülse vorsteht. Die fertige Patrone hat die Länge
der Walze, wogegen das Kaliber der Walzenkammer natürlich dem Durchmesser der
Patrone entspricht. Bei der Explosion wird der Stulpen fest gegen das hintere
Laufende gedrückt und verhindert dadurch das Entweichen der Pulvergase. Die
gezeichnete Patrone ist für Walzen, welche von vorn geladen werden, bestimmt.
Fig. 1., Bd. 247, S. 204
Fig. 2., Bd. 247, S. 204
Theod.
Kipper in Meuden, Kreis Iserlohn (*
D. R. P. Nr. 17171 vom 4. August 1881) verfertigt
eine mehrfache Patrone, um mehrere Schüsse aus einem
Laufe abfeuern zu können, ohne denselben mehrere Male laden zu müssen. Wie Fig. 2 zeigt, sind zwei oder mehrere Geschosse, deren
hinten gelegene Hohlräume die Zündpillen und die Ladungen aufnehmen, auf einander
gesetzt und mit einander verkittet. Das hinterste Geschoſs ist mit dem Patronenboden
c verbunden, welcher die verschiedenen Zündnadeln
aufnimmt. Letztere werden durch Röhren durch die einzelnen Geschosse
hindurchgeführt, so daſs eine Ladung nach der anderen, nicht aber alle Ladungen
gleichzeitig explodiren können. Die Nadel des vorderen Geschosses steht vor dem Kopf
der zweiten Nadel etwas vor; es kann deshalb der Schlagbolzen die Nadel des hinteren
Geschosses nicht treffen, bevor das vordere verfeuert ist. Behufs Abfeuerung der
Geschosse ist also nur ein mehrmaliges Spannen des Schlagbolzens erforderlich.
Metallpatronen sind deshalb bei Jagdgewehren noch wenig beliebt, weil die für Papphülsen eingerichteten
Kammern derselben einen zu groſsen Durchmesser besitzen, so daſs entweder die
Materialstärke, oder die Propfen der Metallhülsen zu groſs genommen werden müssen.
Ersteres vertheuert die Metallhülsen unnöthig; letzteres bewirkt eine unregelmäſsige
Streuung des Schrots. Wilh. Lorenz in
Karlsruhe (* D. R. P. Nr. 19677 vom
19. März 1882) versieht deshalb die dünne Metallhülse, deren lichter
Durchmesser dem Gewehrkaliber genau entspricht, mit einem abnehmbaren Mantel aus
Messing, dessen äuſserer Durchmesser gleich der lichten Weite der Kammer ist. Der
Mantel wird mit der ersten Patrone in die Kammer eingeschoben und bleibt beim
Herausziehen der leeren Hülse in der Kammer stecken, so daſs nur 1 Mantel nothwendig
ist.
W.
Reunert in Annen, Westfalen (D. R. P. Nr. 16254 vom 25. Mai 1881) stellt die Patronenhülsen aus leicht verbrennlichen Stoffen her,
so daſs dieselben mit
der Ladung verbrennen und eines Ausziehers nicht bedürfen. Die Hülse wird in der
Weise hergestellt, daſs ein loses Baumwoll- oder Seidengewebe, dessen Maschen etwa 3
bis 4mm weit sind, mit einem explosiblen Körper,
z.B. Nitroglycerin, getränkt oder mit einem Gemisch von Schwefel und Salpeter
versetzt wird. Nachdem dieses Gewebe getrocknet ist, wird es auf eine Glastafel
gelegt und mit Collodium, welchem behufs Erlangung einer Geschmeidigkeit Ricinusöl
beigemengt ist, übergössen. Sodann wird das Gewebe zwischen Walzen geglättet und zur
Herstellung der Hülsen zugeschnitten. Die aus diesem Material hergestellten
gefirniſsten Hülsen widerstehen der Feuchtigkeit und sollen ohne Rückstand
verbrennen.
An und für sich ist das Streben, die Metallhülsen wieder durch Stoffhülsen zu
ersetzen, keineswegs zu verwerfen. Nur sind folgende Bedingungen im Auge zu
behalten: Die Stoffhülsen müssen ohne Rückstand verbrennen; die dabei entstehenden
Gase dürfen die Laufwandungen nicht in erheblichem Maſse angreifen; die Hülsen
müssen erheblich billiger als die Metallhülsen sein und genügende
Widerstandsfähigkeit behufs Verwendung derselben bei der Zukunftswaffe, dem Magazin-
oder Repetirgewehr, besitzen. Ob diese Bedingungen von der Reunert'schen Hülse erfüllt werden, muſs die Erfahrung lehren.
W. S.