Titel: | Ueber Wein und dessen Untersuchung. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 258 |
Download: | XML |
Ueber Wein und dessen Untersuchung.
Ueber Wein und dessen Untersuchung.
A. Henninger (Comptes
rendus, 1882 Bd. 95 S. 94) hat im Bordeauxweine vom J. 1881 Butylglykol nachgewiesen; 100l Wein enthielten etwa 46g Glykol.
Das Gypsen des Weines bespricht E. Reichardt im Archiv der Pharmacie, 1882
Bd. 219 S. 433. Er zeigt, daſs Gyps sich in dem etwa 10 Proc. Alkohol enthaltenden
französischen Rothwein wenig oder gar nicht löst und somit auch kaum schädlich sein
kann. Dagegen setzt sich der Gyps mit dem Weinstein um, bildet schwefelsaures Kali,
weinsauren Kalk und freie Weinsäure, welche wahrscheinlich die Ursache der
lebhafteren rothen Farbe ist. Wie weit diese Aenderungen schädlich sind, ist noch
festzustellen. Bezüglich der zulässigen Grenzwerthe ist zu berücksichtigen, daſs
nach Analysen von Marty reine Naturweine 0,089 bis
0,268 Proc. Schwefelsäure entsprechend 0,194 bis 0,583 Proc. schwefelsaures Kalium
enthalten. Trotzdem ist in Frankreich vom August 1881 an der bisher unbedingt freie
Verkehr mit gegypstem Weine nicht mehr gestattet; vielmehr bleibt das Vorkommen von
schwefelsaurem Kali in den in den Verkehr gebrachten Weinen, mag es die Folge einer
Gypsung des Mostes, oder einer direkten Beimischung von Gyps oder Schwefelsäure zum
Wein, oder einer Mischung von gegypstem mit ungegypstem Wein sein, fernerhin nur
innerhalb der Maximalgrenze von 2g in 1l unbeanstandet. Mit Recht warnt Reichardt davor, alle Weine, namentlich spanische, mit
mehr als 0g,2 Kaliumsulfat als verfälscht oder gar
als schädlich zu bezeichnen.
Nach Mittheilung von M. Nencki im Journal für praktische Chemie, 1882 Bd. 25 S. 284 wurde
durch eine Verordnung der Regierung des Kantons Bern vom 10. September 1879
bestimmt, daſs das Gypsen oder Platriren dem Weine höchstens einen Gehalt von 2g Kaliumsulfat in 1l zuführen dürfe. Nach einem bezüglichen Gutachten von Lichtheim, Luchsinger und Nencki ist die Verwendung des Gypses namentlich auf Empfehlung von Sevane im J. 1839 (vgl. 1845 97 317) in Südfrankreich, Spanien und Italien allgemeiner geworden,
namentlich wegen der raschen Klärung. Zu diesem Zweck werden die zur Herstellung
geringerer Sorten Rothweine bestimmten Trauben gleichmäſsig oder schichtenweise mit
1 bis 2 Proc. Gyps vermischt und dann zerstampft; neuerdings sollen aber selbst 9
bis 10 Proc. Gyps verwendet werden. Seltener wird der bereits vergohrene Wein mit
Gyps geschüttelt und nach dem Absetzen der klare Wein abgezogen.
Während man nun vielfach annimmt, die Zersetzung erfolge nach der Gleichung: CaSO4 + 2KHC4H4O6 = K2SO4 + CaC4H4O6 + H2C4H4O6, meinen Pollacci,
Grieſsmayer u.a. (vgl. Wagner's Jahresbericht, 1877 S. 752), es bilde sich
Kaliumdisulfat. Nencki zeigt, daſs schwefelsaures
Kalium in essigsaurer Lösung theilweise essigsaures Kalium und Disulfat bildet. Der
dem Moste zugesetzte Gyps setzt sich nicht allein mit dem Weinstein des Saftes,
sondern auch mit dem des Fleisches und der Schalen der Trauben um; beim Gypsen
fertiger Weine bleibt der Gyps einfach gelöst. Aus weiteren Versuchen ergibt sich
ferner, daſs schon bei 10 Proc. Alkohol das Kaliumdisulfat in das neutrale Salz und
Schwefelsäure zerlegt
wird, somit beim längeren Stehen platrirter Weine allmählich Aethylschwefelsäure
entsteht.
Bezüglich der Gesundheitsschädlichkeit gegypster Weine hält es die Berner Commission
für nöthig, besonders hervorzuheben, daſs nach dem vorliegenden Material die acute
toxische Wirkung gegypster Weine nur eine vorübergehende ist und ähnlich der, wie
man sie nach übermäſsigem Genuſs von Naturweinen beobachten kann. Nur selten
gelangen solche Fälle in ärztliche Behandlung und in den allerseltensten Fällen
dürfte es bis zu gerichtlicher Anzeige kommen. Die wesentliche Veränderung, welche
Naturwein durch das Gypsen erleidet, ist der Ersatz des sauren weinsauren Kalis
durch das saure schwefelsaure Kali. Selbst in stark gegypsten Weinen mit 0,4 bis 0,6
Proc. Kaliumsulfat ist die Menge des Kaliums noch geringer oder nur ebenso groſs als
in den gebräuchlichsten Nahrungsmitteln, wie z.B. der Milch, die im Liter etwa 4g phosphorsaures Kali enthält. Die bekannte
schädliche Wirkung groſser Dosen Kalisalze auf den Organismus kommt hier also auſser
Betracht. Wie nun aber die fortgesetzte Zufuhr verdünnter Schwefelsäure durch
Alkalientziehung schädlich wird, so könnte auch das saure Kaliumsulfat ähnliche
Wirkung haben. Fütterung versuche zeigten aber, daſs die Gefahr der Alkalientziehung
nur bei solchen hochgegypsten Weinen vorhanden ist, welche beim Veraschen keine
alkalisch reagirende Asche mehr hinterlassen, in denen also alles Alkali an
Schwefelsäure gebunden ist.
Die Commission kommt daher zu dem Schlüsse, die Gesundheitsschädlichkeit gegypster
Weine, welche auch mehr als 2g schwefelsaures
Kalium im Liter enthalten, sei bis jetzt nicht
erwiesen; doch stehe es fest, daſs bei Genuſs stark gegypsten Weines einzelne
Unannehmlichkeiten entstehen könnten. Die Klärung mittels Gyps solle dem Weine daher
höchstens 2g schwefelsaures Kalium, K2SO4 bezieh. KO,SO3, zuführen; doch
solle Jedermann, welcher Naturwein bestellt hat, befugt sein, denselben
zurückzuweisen, wenn er mehr als 0g,6
schwefelsaures Kalium im Liter enthält.
Zur annähernden Ermittelung des Gypsens im Wein versetzt E.
Houdard (Bulletin de la Société chimique, 1882
Bd. 36 S. 546) je 5cc Wein mit 0,5 bis 2cc,5 einer Lösung von 14g Chlorbarium und 50cc Salzsäure im Liter, so daſs 10cc
derselben 0g,1 Kaliumsulfat fällen. Jede der
Proben wird erwärmt, filtrirt und mit Chlorbariumlösung geprüft, ob noch
Schwefelsäure vorhanden ist.
Zur Bestimmung der Schwefligsäure im Wein destillirt Wartha dieselbe aus einer bestimmten Menge Wein in eine
bekannte Jodlösung und bestimmt den Rest jodometrisch. B.
Haas (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1882 S. 154) findet dagegen, daſs dieses Verfahren nicht
brauchbar ist, weil auch das Destillat reiner Weine Jodlösimg verbraucht. Er
destillirt daher 100cc Wein im Kohlensäurestrome,
leitet die ausgetriebene Schwefligsäure in überschüssige Jodlösung und fällt die
gebildete Schwefelsäure mittels Chlorbarium.
Wird, nach seinen Versuchen, ein trockenes Faſs geschwefelt und dann mit Wein voll
gefüllt, so kann dieser im Liter 0g,13 SO2 enthalten; wird ein geschwefeltes, trockenes Faſs
zur Hälfte mit Wein gefüllt, dann verspundet und geschüttelt, so steigt der Gehalt
an Schwefligsäure auf 0,3 bis 0g,36. Durch
wiederholtes Schwefeln eines Weines kann der Gehalt an dieser Säure 0g,5 und darüber im Liter betragen. Ein Most,
welcher bereits 2 Monate im Keller lagerte, war vollkommen klar, zeigte keine Spur
von Gährung und lieſs weder im Geruch, noch im Geschmacke einen Gehalt an
Schwefligsäure erkennen. Die Analyse ergab:
Specifisches Gewicht
1,0755
Zucker
15,32 Proc.
Freie Säure (als Weinsäure berechnet)
0,93
Weinstein
0,438
Asche
0,2473
Schwefelsäure
0,0274
Schwefligsäure
0,01212
Nach L. Liebermann (Daselbst S. 438 u. 2553) ist die
Methode von Wartha zum qualitativen Nachweis der
Schwefligsäure im Weine, welche darin besteht, daſs das Weindestillat mit
Silbernitratlösung versetzt wird und man aus einem weiſsen Niederschlag, der in
Salpetersäure löslich ist, auf Vorhandensein von Schwefligsäure schlieſst,
unbrauchbar, weil in den Destillaten sehr vieler Weine und nach seiner Erfahrung
gerade der besseren Sorten, noch andere Stoffe sind, welche mit Silbernitrat einen
auf Zusatz von Salpetersäure verschwindenden weiſsen Niederschlag geben. Nach Liebermann's Vorschlage werden vom Weine 15 bis 20cc abdestillirt, zu dem mit der gleichen Menge
Wasser verdünnten Destillat einige Tropfen Jodsäurelösung gegeben und dann mit
einigen Tropfen Chloroform geschüttelt, welches sich beim Vorhandensein von
Schwefligsäure färbt. Da man noch nicht alle Bestandtheile des Weines kennt, so ist
das Verfahren nicht ganz sicher. Es ist daher besser, das Destillat mit
Salpetersäure zu erwärmen und mit Chlorbarium zu prüfen.
Bei der Bestimmung des Glycerins in Zucker haltigen
Weinen ist das Verfahren von Neubauer und Borgmann (1878 230 432)
nicht brauchbar. E. Borgmann empfiehlt daher in der Zeitschrift für analytische Chemie, 1882 S. 239 hierfür
folgendes Verfahren: 100cc Wein werden in einer
Porzellanschale mit etwas Quarzsand auf dem Wasserbad zur Trockne verdampft. Die
zurückbleibende syrupartige Masse zieht man sodann nach und nach mit einem
abgemessenen Volumen absoluten Alkohols (100 bis 150cc je nach dem Zuckergehalt) aus und vereinigt die Auszüge in einem
geräumigen Glaskolben. Hierzu fügt man auf 1 Th. des angewendeten Alkohols 1,5 Th.
Aether, schüttelt gut durch und läſst die Masse so lange ruhig stehen, bis die
Flüssigkeit vollkommen klar geworden ist. An dem Boden hat sich der gröſste Theil
des Zuckers als syrupartige Masse abgesetzt, während in der Alkohol-Aetherlösung das
ganze Glycerin vorhanden ist. Man gieſst die klare Lösung von dem Bodensatz ab und spült letzteren
noch einige Mal mit geringen Mengen eines Gemisches von 1 Th. Alkohol und 1,5 Th.
Aether nach. Die vereinigten Lösungen destillirt man sodann ab, bringt den Rückstand
mit etwas Wasser in eine Porzellanschale und verfährt damit, wie früher angegeben
wurde.
Bezüglich der Gesundheitsschädlichkeit von
Kartoffelzucker kommt Mering in der Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege,
1882 S. 325 entgegen den Angaben von Schmitz (1878 230 369) und Neſsler (1881
239 326) zu dem Resultat, daſs die Gährungsrückstände
des Kartoffelzuckers nicht gesundheitsschädlich wirken, sondern sogar einen
bedeutenden Nährwerth besitzen.
(Schluſs folgt.)