Titel: | Eine neue Gefahr für Eisenbahnradreifen. |
Autor: | Wn. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 274 |
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Eine neue Gefahr für
Eisenbahnradreifen.
Mit Abbildungen.
Eine neue Gefahr für Eisenbahnradreifen.
Nachdem die früher allgemein üblichen Reifenbefestigungsschrauben durch Jahrzehnte
lange Beobachtungen und Beurtheilungen zunächst in ihrer Werthlosigkeit gegenüber
dem Abfliegen der Bruchstücke, sodann aber auch als geradezu gefahrbringend für die
Entstehung von Anrissen festgestellt worden waren, sind dieselben selbstverständlich
noch lange nicht
prinzipiell abgeschafft; wohl aber verfolgt man allgemein mit ziemlich hohen
Erwartungen die Entwickelung und Ausbildung der seit einigen Jahren (mit den
Patenten von Seel 1881 239 *
162, Schüphaus 1882 243 *
367 Glück und Curant u.a.)
aufgetauchten Radreifenbefestigung mittels Sprengringen.
Fig. 1., Bd. 247, S. 274
Fig. 2., Bd. 247, S. 274
Wenn auch die Ansichten über die dauernde Bewährung und absolute Sicherheit gegen das
Abfliegen von Bruchstücken noch getheilt waren und speciell das Losewerden und
Herausfliegen der Schluſskeile wiederholt festgestellt wurde und wenn ferner die
Herstellungskosten für neue und das Abziehen unbrauchbar gewordener Radreifen von
verschiedenen Gesichtspunkten mehr oder weniger günstig beurtheilt wurden, so ist
doch von keiner einzigen Seite die Befürchtung laut geworden, daſs auch diese
Befestigungsart Veranlassung zu Brüchen geben könnte. Und gerade dies ist
eingetreten; der in Fig. 1 dargestellte Reifenbruch,
ganz offenbar von der scharfen Eindrehung des Sprengringes herrührend, wurde Oktober
1882 auf der Dniester Staatsbahn an dem Vorderrade einer Locomotive nachgewiesen und
nur der glücklicherweise rechtzeitigen Entdeckung ist die Vermeidung eines Unfalles
zu verdanken, da bei dem Aufschlagen des Hammers der Spurkranz in einem Drittel des
Umfanges abflog. Einen Monat später ist ein ganz ähnlicher Bruch (vgl. Fig. 2) auf der kgl. preuſsischen Staatsbahn
Stettin-Stralsund eingetreten, diesmal aber, da er am Laufrad einer im Dienst
befindlichen Personenzugmaschine erfolgte, mit schlimmerem Ausgang. Im Augenblick,
wo der günstigerweise mit nurmehr mäſsiger Geschwindigkeit fahrende Zug in die nach
rechts abbiegende Curve vor der Station Pasewalk einfuhr, brach ein Stück des
Spurkranzes vom linken führenden Laufrad ab; die Maschine entgleiste
selbstverständlich nach links und brachte Tender, Postwagen und 6 Personenwagen
gleichfalls zur Entgleisung, nur den am Schluſs befindlichen Packwagen in den
Schienen belassend. 2 schwere und 7 leichte Verletzungen waren die Folge. Das
abgesprungene Spurkranzstück fand sich etwa 500m
hinter der Entgleisungsstelle; es wurde ein von der hier noch besonders ungünstig
winkelförmigen Sprengringnuth ausgehender Langriſs festgestellt, in Folge dessen der
Spurkranz in einzelnen Stücken abgesprungen war.
Die nächste Wirkung dieser zwei Fälle ist selbstverständlich ein gewisses Miſstrauen
gegenüber der neuen Befestigungsmethode, obwohl dieselben bei der groſsen Anzahl
derart befestigter Reifen offenbar nur als Ausnahmsfälle betrachtet werden dürfen.
Zudem gibt das jetzt von Glück und Curant angenommene Auskunftsmittel, den Sprengring oben
halbkreisförmig abzurunden, eine weitaus gröſsere
Sicherheit gegen alle derartigen Vorkommnisse. Immerhin aber mag man es, angesichts
solcher gefährlicher Ueberraschungen den Eisenbahnverwaltungen nicht allzusehr
verübeln, wenn sie sich auch den vielversprechendsten Neuerungen gegenüber bis zu
einem gewissen Grade zurückhaltend benehmen.
Wn.