Titel: | Ueber Wein und dessen Untersuchung. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 295 |
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Ueber Wein und dessen Untersuchung.
(Schluſs des Berichtes S. 258 d. Bd.)
Ueber Wein und dessen Untersuchung.
Nach J. Neſsler und M.
Barth (Zeitschrift für analytische Chemie,
1882 S. 43 u. 198) enthält der Kartoffelzucker auch in
seinen besten Sorten noch 15 bis 18 Proc. unvergährbarer Stoffe, von denen je 1
Proc. in 200mm langer Röhre 1,5° (Wild) nach rechts dreht, so daſs je 1° Drehung des
vergohrenen Weines einem Zusatz von 4k
Kartoffelzucker auf 1hl Wein entsprechen. Das
Verfahren von Neubauer (1878 229 463), nach welchem die Aetherfüllung bei reinen Naturweinen höchstens
0,5° nach rechts dreht, kann zu Irrthümern führen, wenn der betreffende Wein
erhebliche Mengen freier Weinsäure enthält.
Um diesen Fehler zu vermeiden, werden 210cc Wein
unter Zusatz von einigen Tropfen concentrirter Kaliumacetatlösung zum dünnen Syrup
eingedampft, mit 90°-Alkohol in bekannter Weise behandelt; die alkoholische Lösung
wird, wenn vollständig geklärt, abgegossen oder abfiltrirt, unter Zusatz von etwas
Wasser und der zum Entfärben genügenden Menge Thierkohle auf etwa 15cc eingedampft, filtrirt, ausgewaschen, das
Filtrat auf 30cc (1/7 des ursprünglichen Weines) gebracht
und polarisirt. Zeigt die erhaltene Flüssigkeit eine Drehung von mehr als 0,6°, so
darf der Wein mit Sicherheit als Kartoffelzucker haltig begutachtet werden. Um
gleichzeitig die Weinsäure zu bestimmen, dampft man den
Wein ohne Zusatz zu einem dünnen Syrup ein, scheidet mit Alkohol, verdampft aus der
alkoholischen Lösung den Weingeist, nimmt mit etwas Wasser auf, entfärbt mit
ausgelaugter, Phosphorsäure freier Thierkohle, filtrirt und wäscht mit kaltem Wasser
nach. Zu dem Filtrat fügt man jetzt essigsauren Kalk, wodurch bei Vorhandensein von
freier Weinsäure sich binnen kurzer Zeit ein krystallinischer Niederschlag von
weinsaurem Kalk bildet. Nach 1 bis 2 Stunden wird abfiltrirt, das Filtrat auf 30cc gebracht und polarisirt.
Enthält ein Wein Rohrzucker, welcher ihm vielleicht nach seiner Vergährung zur
Erhöhung seines Extractgehaltes zugesetzt worden ist, der selbst aber aus irgend
einem Grunde nicht invertirt wird und nicht mehr vergährt, so wird eines solchen
Weines Rechtsdrehung während des Eindampfens schon durch Einwirkung seiner
natürlichen Säure, noch sicherer aber bei Zusatz einiger Tropfen Salzsäure in
Linksdrehung verwandelt werden. Solcher Wein würde, nach der Neubauer'schen Methode behandelt, eine linksdrehende Aetherfällung
liefern. Eine nur geringe Linksdrehung der Aetherfällung bei ursprünglich geringer
Rechtsdrehung könnte aber auch von geringen Mengen noch unvergohrener Mostlävulose
herrühren, deren Polarisationsvermögen nach Abscheidung der Alkoholfällung ganz zur
Geltung kommt, während es in dem ursprünglichen Wein durch überwiegende
rechtsdrehende Substanzen, welche in Alkohol unlöslich sind, verdeckt wird. Ueber
das Vorhandensein unvergohrenen Rohrzuckers gibt Anfangspolarisation (auffallende
Rechtsdrehung) und Polarisation der auf dasselbe Volumen gebrachten Flüssigkeit nach
dem Eindampfen mit etwas Salzsäure (annähernd entsprechende Linksdrehung) den
sichersten Aufschluſs. Sobald Rohrzucker im Wein völlig vergohren ist, läſst ein zum
Most erfolgter Zusatz desselben mit optischen Mitteln sich nicht mehr nachweisen.
Caramel übt keinen Einfluſs auf das optische Verhalten der Weine.
Zur Exctractbestimmung empfehlen Verfasser ein
3stündiges Trocknen des auf dem Wasserbade von 50cc bis zum Syrup eingeengten Weines bei 100° in einem Trockenschrank,
dessen Doppelwandungen mit kochendem Wasser gefüllt sind. Der Luftzutritt ist
hierbei ohne nachweisbaren Einfluſs. Enthält der Wein 1 Proc. Glycerin, so verliert
er während des Eindampfens und Trocknens durch die Flüchtigkeit des Glycerins etwa
0,14 Proc.; mit der Abnahme des Glyceringehaltes verringert sich dieser Verlust und
beträgt z.B. bei ganz geringen Weinen, welche bei 5 bis 6 Proc. Weingeist vielleicht
nur 0,4 Proc. Glycerin enthalten, nur etwa 0,05 Proc. Trocknet man dagegen den
Extract bei 110°, so verflüchtigen sich auch während des Trocknens für sich allein
in 3 Stunden 10 Procent des vorhandenen Glycerins, so daſs der Gesammtverlust
erheblich gröſser wird als beim Trocknen bei 100°.
Die Veränderung der übrigen Extractbestandtheile durch das Trocknen bei 100° ist
verhältniſsmäſsig gering; sie wurde an der nichtflüchtigen Säure geprüft. 50cc eines Weines mit 0,47 Gesammtsäure wurden zur
Syrupdicke eingedampft, ½ Stunde auf dem Wasserbade weiter erhitzt und in dem so
erhaltenen Rückstand die nichtflüchtige Säure bestimmt; es wurden 0,36 Proc.
gefunden. Der 3 Stunden bei 100° getrocknete Extract desselben Weines zeigte bei der
Titration noch 0,28 Proc., der bei 110° getrocknete noch 0,22 Proc., der bei 120°
getrocknete noch 0,11 Proc. nichtflüchtige Säure. Durch den von Grete (vgl. Wagner's Jahresbericht, 1880 S. 630) vorgeschlagenen Zusatz von
Barytwasser wird das
Glycerin in ziemlich vollkommener Weise gebunden. Die theilweise Zersetzung der
Stickstoffhaltigen organischen Extractsubstanz, wie sie sich durch einen
auffallenden Geruch des mit Baryt erhitzten Extractes nach Trimethylamin kundgibt,
scheint von nicht wesentlichem Einfluſs auf die Veränderung der Gewichtsmenge des
Extractes zu sein; die Säure des Weines ist jedenfalls in Form des Barytsalzes mehr
widerstandsfähig gegen Zersetzung durch hohe Temperatur als im freien Zustande.
Dennoch hat auch diese Methode, in der Praxis angewendet, ihre Mängel. Zunächst kann
nach ihr derselbe Wein dadurch an Extract erheblich reicher werden, daſs er einen
Essigstich bekommt, weil alle Essigsäure, die sich ja aus dem Weingeist des Weines
erzeugt und nicht aus seinen Extractivstoffen, in dieser Extractbestimmung
mitgewogen wird. Dann aber wird derjenige Fälscher, welcher einem mit Wasser und
Weingeist oder vor der Gährung mit Rohrzuckerwasser lang gezogenen Wein Glycerin
zusetzt, um den Mangel an Extract zu verdecken, seinen Zweck vollständig erreichen;
denn der Sachverständige, welcher den Wein zu untersuchen hat, findet in demselben
nun so viel Extract, wie er für feinen Natur wein in Anspruch nimmt, und in seiner
äuſseren Beschaffenheit unterscheidet sich der Baryt haltige Extract von 10cc eines mit Glycerin versetzten gestreckten
Weines durch nichts von dem eines Naturweines.
Der wissenschaftliche Zweck, in von Essigstich freien Weinen einen möglichst genauen
Werth für die absolute Summe aller vorhandenen Extraktivstoffe zu erhalten, wird
durch das Grete'sche Verfahren gut erreicht; in der
Praxis würde dieses sich ohne gleichzeitige Essigsäure- und Glycerinbestimmung in
vielen Fällen nicht bewähren. Für die Glycerinbestimmung selbst aber scheint das
Verfahren zweckmäſsig verwerthbar zu sein. Bestimmt man nämlich den Extract eines
Weines nach Grete und durch Eindampfen von 5 oder 10cc auf dem Wasserbade und Trocknen unter der
Luftpumpe bis zur Gewichtsconstanz, so ist die Differenz zwischen beiden Werthen
annähernd gleich der Summe von Glycerin und flüchtiger Säure und durch Bestimmung
der letzteren findet man vielleicht einen brauchbaren Werth für das im Weine
enthaltene Glycerin.
Aus praktischen Gründen ist das letztere Verfahren der Extractbestimmung für die
Begutachtung eines Weines nicht empfehlenswerth. Legt man nämlich den auf diese
Weise erhaltenen, von Glycerin freien Extract der Beurtheilung zu Grunde, wobei man
natürlich von ganz anderen niedrigeren Normal zahlen ausgehen muſs als bei den nach
den oben beschriebenen Verfahren erzielten Extracten, so unterscheidet sich fein nur
mit Wasser und Weingeist oder Zuckerwasser verdünnter Wein in nichts von einem
solchen Wein, den man erst in derselben Weise gestreckt, dann aber, weil er sonst zu
spitz, zu dünn schmeckt, durch Zusatz von Glycerin wieder mehr vollmundig gemacht
hat; beide werden zu geringe Extractwerthe ergeben; ein Wein aber, welcher, ohne gestreckt zu sein,
Glycerinzusatz erhalten hat, wie dies beim sogen. Scheelisiren besonders bei Weinen
geschieht, welche als hochfein gehen sollen, wird sich wiederum durch nichts von
einem Naturwein unterscheiden. Dagegen bleibt beider von Neſsler angegebenen Extractbestimmungsmethode der bei weitem gröſste Theil
des im Wein vorhandenen Glycerins, wie erwähnt, im Extract erhalten und bewirkt,
daſs Weine mit irgend erheblichem Glycerinzusatz noch nach 3stündigem Trocknen einen
weichen, schmierig klebrigen Extract geben, während der Extract der Naturweine hart
und meist voluminös blasig oder doch höchstens – bei starken, durch Gährung
erzielten Alkoholgehalt, mit welchem der normale Glyceringehalt steigt, – etwas
hartteigig plastisch ist.
Enthält der Wein noch unvergohrenen Zucker oder unvergährbare
Kartoffelzuckerbestandtheile, so wird für gewöhnlich der nach Hager berechnete Extract etwas höher als der gefundene
ausfallen. Enthält der Wein dagegen abnorme Mengen Glycerin, so wird der berechnete
Extractgehalt erheblich geringer sein als der in Wirklichkeit gefundene.
Die absolute Menge des in reinen Naturweinen enthaltenen Extractes kann innerhalb
sehr weiter Grenzen schwanken; von wesentlichem Einfluſs darauf sind u.a.
Bodenverhältnisse der Gegend, in welcher der Wein gewachsen ist, Lage des
betreffenden Rebberges, Witterung, Reifegrad der Trauben, Verlauf der Gährung und in
so fern die Behandlung des Weines, als derselbe durch Fehler in der Behandlung
zuweilen krankhafte Erscheinungen zeigt, welche seine Zusammensetzung erheblich
ändern können, ohne daſs ihm fremde Zusätze gegeben worden sind. Hat z.B. ein Wein,
weil beim Stehen im Faſs von der Oberfläche die Luft nicht genügend abgehalten ist,
eine starke Decke von Kühnen (Kahmpilz) angesetzt, so verzehren diese Gebilde nicht
nur einen Theil seines Weingeistes, sondern auch seines Extractes; ebenso verliert
ein Wein beim sogen. „Fuchsigwerden“ durch Ausscheidung brauner fester
Flocken, ferner dadurch, daſs er während längerer Zeit groſser Kälte ausgesetzt war,
endlich durch vielfaches Schönen, sei es mit Hausenblase, sei es mit anderen
Mitteln, an Extract. Die in reinen ausgegohrenen Naturweinen vorhandene Extractmenge
steht in gewissem Verhältniſs zu der vorhandenen Säure; sie beträgt nach Abzug der
freien Säure des Weines bei keinem der untersuchten echten Weine weniger als 1,0
Proc. Es kann nun zwar vorkommen, daſs ein echter Wein einmal etwas weniger
säurefreien Extract enthält; bestimmt man aber in solchem Falle die nichtflüchtige Säure, so ergibt sich nach Abzug
derselben vom Gesammtextract des Weines immer noch ein Rest von mindestens 1,1 Proc.
Man wird aber einen höheren Extract als 1,0 Proc. abzüglich der Gesammtsäure
verlangen bei Weinen, welche noch viel unvergohrenen Zucker enthalten, aus irgend
einem Grunde nicht weiter gähren; die ausgegohrenen nicht süſsen Weine enthalten
meist noch geringe Mengen Zucker (0,01 bis 0,1 Proc.); um so viel also die im Weine
mit Hilfe von
Fehling'scher Lösung ermittelte Menge Zucker 0,1 Proc.
übertrifft, um so viel wird man mehr als 1 Proc. säurefreien Extract als zulässiges
Minimum für Naturweine beanspruchen müssen.
Bei Rothweinen ist die untere Grenze an säurefreiem Extract meist 1,2 Proc.; doch
kommt bei Beerweinen und solchen Rothweinen, welche nur sehr kurze Zeit über den
Trestern und Kämmen gestanden haben, ausnahmsweise 1 Proc. als Minimum vor.
Endlich stehen an Asche reiche Weine in ihrem Extractgehalt auch über der angegebenen
unteren Grenze; findet man in Weinen bei hohem Aschengehalt verhältniſsmäſsig wenig
Extract und ist die Asche obendrein leicht schmelzbar, ohne indessen beim Glühen
schwarz zu bleiben, dann ist der Verdacht begründet, daſs der vorliegende Wein zum
Theil aus Hefenwein, d.h. einem vergohrenen Aufguſs von Zuckerwasser auf Weinhefe
besteht.
Der von Säure und Zucker freie Extract kann, wenn er auch in seiner Gesammtmenge
nicht unter eine bestimmte Gröſse sinkt, je nach der Beschaffenheit des Weines sehr
verschieden zusammengesetzt sein. Da z.B. das Glycerin ein Nebenproduct der Gährung
ist, so haben an Alkohol reiche Naturweine mehr Glycerin als an Alkohol arme; man
kann nach den bisherigen Beobachtungen annehmen, daſs die durch die Gährung erzeugte
Glycerinmenge dem Gewichte nach 7 bis 10 Procent der erzeugten Alkoholmenge beträgt.
Pectinstoffe bleiben in um so geringerer Menge im Wein, je mehr die Trauben, aus
denen er erzeugt wurde, ausgereift sind. Sehr reife, an Zucker reiche Trauben
hinterlassen also im Wein nach der Verjährung verhältniſsmäſsig viel Glycerin und
wenig Pectinstoffe. Unreife, sehr saure, an Zucker arme Trauben hinterlassen wenig
Glycerin und viel Pectinstoffe, welche überdies durch den niederen Weingeistgehalt
solcher Weine in verhältniſsmäſsig gröſseren Mengen gelöst bleiben als in Alkohol
reichen Weinen. Der Rest der Extractmenge entfallt auf nicht näher charakterisirbare
organische und auf die Aschen-Bestandteile, welch letztere durchschnittlich etwa 10
Procent des Gesammtextractes betragen. Ein Wein kann aber an Extract reich sein und
doch nicht besonders reich an Asche, wenn er noch einen erheblichen Gehalt an
unvergohrenem Zucker besitzt; er kann merklich an Asche verlieren und zwar nicht nur
durch groſsen Weingeistgehalt, sondern auch dadurch, daſs der Wein längere Zeit
einer sehr niederen Temperatur ausgesetzt war, weil Weinstein aus ihm sich
krystallinisch ausscheidet, welcher sich auch dann, wenn der Wein wieder auf normale
Temperatur kommt, nicht mehr löst; die dem ausgeschiedenen Weinstein entsprechende
Menge kohlensauren Kalis fehlt dem Wein an Asche. Die Gesammtmenge der Asche fanden
die Verfasser in echten Weinen nicht unter 0,14 Proc.
Die Kunstweinfabrikanten suchen oft den Mangel an Asche durch Verwendung eines an
Rückstand reichen Brunnenwassers oder durch Kochsalzzusatz zu heben. Da beim Veraschen erhebliche
Mengen von Chlor verloren gehen, auch die direkte maſsanalytische Bestimmung mit
Silbernitrat und chromsaurem Kalium wegen schwieriger Erkennung der Endreaction
nicht genau ist, so empfehlen Neſsler und Barth folgende Abänderung des Volhard'schen Verfahrens: 40 bis 50cc
des entfärbten Weines werden, mit Salpetersäure angesäuert, mit einem Ueberschuſs an
titrirter Silberlösung versetzt und dann allmählich titrirte Rhodankaliumflüssigkeit
hinzugefügt, bis ein Tropfen der Flüssigkeit in einen Tropfen dünner
Eisenoxydsalzlösung, auf einem rein weiſsen Porzellanteller hineinfallend, eine
deutlich rothe Färbung zeigt. War die Menge hierzu verbrauchter Rhodankaliumlösung
groſs, so wiederholt man den Versuch ein zweites Mal, indem man auf Grund der ersten
Ergebnisse den Ueberschuſs an Silberlösung möglichst gering nimmt. Ist dann die
Rhodankaliumlösung auf diese Tüpfelreaction eingestellt, so liefert die Methode
sichere Resultate. So wurden in 25 zweifellos echten Naturweinen verschiedener
Gegenden, darunter 5 Rothweine, Chlorbestimmungen vorgenommen, welche ergaben, daſs
der normale Gehalt der Weine an Chlor höchstens bis 0,005 Proc. geht, bei den
meisten Weinen aber unter 0,002 Proc. bleibt. Italienische Rothweine und solche
Weine, welche in der Nähe von Meeresküsten gewachsen sind, zeigen oft eine leicht
schmelzende und sich nur unvollkommen weiſs brennende Asche; doch übersteigt ihr
Chlorgehalt nach den bisherigen Beobachtungen 0,006 Proc. nicht.
Dampft man zur Erkennung freier Weinsäure 100cc Wein zum dünnen Syrup ein und versetzt diesen
unter Umrühren mit starkem Weingeist so lange, bis auf Zusatz neuer Mengen von
Alkohol keine Fällung mehr entsteht, so scheidet sich binnen 2 Stunden der Weinstein
völlig aus dem Wein ab und die weingeistige Lösung enthält u.a. die freie Weinsäure.
Man verdampft den Weingeist, nimmt mit etwas Wasser auf, hellt die etwa trübe
gewordene Flüssigkeit durch Zusatz von etwas reinster ausgelaugter Thierkohle auf,
filtrirt und versetzt das Filtrat, welches etwa 1/10 des ursprünglichen Weines betragen
mag, kalt mit ungefähr 1,5 bis 2cc einer
20procentigen Lösung von essigsaurem Kalk.
Weine mit 0,05 Proc. freier Weinsäure zeigten nach kurzer Zeit eine krystallinische
Ausscheidung, nach ½ Stunde einen deutlichen, krystallinisch körnigen,
glasglänzenden Besatz an Wand und Boden des Gefäſses; ein Gehalt von 0,01 Proc.
freier Weinsäure gab in 2 Stunden noch deutliche Kryställchen von weinsaurem Kalk.
Uebrigens wird für die Begutachtung der Weine das Vorhandensein so geringer Mengen
von freier Weinsäure wenig von Belang sein. Weine aus ganz oder zum Theil unreifen
Trauben enthalten freie Weinsäure; die Menge der letzteren übersteigt aber in den
Weinen niemals ⅙ der vorhandenen flüchtigen Säure.
Für den Zusatz an Säure in übermäſsig gestreckten Weinen wird zuweilen Citronensäure verwendet, entweder in Substanz, oder,
wenn man dem Getränke
zugleich Körper und das Ansehen alten Weines geben will, in Form von Tamarinden, die
daran einen erheblichen Gehalt besitzen. Zur Nachweisung derselben werden 100cc Wein auf etwa 7cc eingedampft; nach dem Erkalten wird mit 80procentigem Weingeist alles
darin Unlösliche abgeschieden, nach etwa 1stündigem Stehen filtrirt, der Weingeist
verdampft, der Rückstand mit Wasser auf etwa 20cc
gebracht und durch Zusatz von etwas dünner Kalkmilch ein Theil der Säure
abgestumpft; Rothweine erhalten hier einen Zusatz von etwas ausgelaugter Thierkohle.
Nun wird filtrirt, das Filtrat, welches noch deutlich sauer sein muſs, wird mit
Wasser auf das ursprüngliche Volumen des Weines gebracht und etwa 0,5 bis 1cc einer kalt gesättigten Lösung von neutralem
essigsaurem Blei unter sehr energischem Umschütteln zugesetzt. Der Bleiniederschlag
enthält einen Theil der Apfelsäure, Phosphorsäure, eine Spur Schwefelsäure,
Weinsäure und Citronensäure. Er wird abfiltrirt, mit kaltem Wasser ausgewaschen,
sammt dem Filter in einem geschlossenen Kolben mit gesättigtem
Schwefelwasserstoffwasser durchgeschüttelt und dadurch zersetzt; nach längerem
Stehen wird die vollkommen farblose und klare Flüssigkeit, welche die oben genannten
Säuren enthält, abfiltrirt, mit Schwefelwasserstoffwasser ausgewaschen, der
Schwefelwasserstoff durch Eindampfen verjagt, die etwa 15cc betragende Flüssigkeit mit dünner Kalkmilch
schwach alkalisch gemacht und so die Phosphorsäure abgeschieden, dann filtrirt, das
Filtrat mit möglichst wenig Essigsäure angesäuert und durch ½ bis 1stündiges Stehen
die etwa vorhandene Weinsäure in Form von weinsaurein Kalk in genügendem Grade
entfernt. Man dampft die Flüssigkeit zum Beseitigen der freien Essigsäure bis zur
Trockne ein, nimmt mit etwas heiſsem Wasser auf und concentrirt nochmals, bis der
citronensäure Kalk krystallinisch sich abscheidet; er wird abfiltrirt, heiſs
ausgewaschen, getrocknet und gewogen. Das Salz hat die Zusammensetzung Ca3(C6H5O7)2 4H2O.
Die meisten geprüften Naturweine erwiesen sich als frei von nachweisbaren Mengen
Citronensäure; einige enthielten Spuren davon, so z.B. ein weiſser 1878er Elsäſser
und ein weiſser 1880er Italiener; die ermittelte Menge von Citronensäure betrug in
diesen Weinen nur 0,003 und 0,002 Proc.
Einige saure Weine des Jahrganges 1879, deren Echtheit
zweifellos war, wurden von F. Musculus und C. Amthor (Zeitschrift für
analytische Chemie, 1882 S. 192) auf ihren Gehalt an Alkohol, Extract,
Asche, Phosphorsäure und Gesammtsäure untersucht. Zur Bestimmung der Phosphorsäure
lösten sie die Weinasche in verdünnter Salpetersäure, übersättigten mit Natronlauge,
fügten dann Essigsäure hinzu, bis sich der gebildete flockige Niederschlag fast
völlig gelöst hatte, erhitzten auf dem Wasserbade und titrirten mit essigsaurem Uran
und Ferrocyankalium als Indicator:
In 100cc1879er-Weiſswein
AlkoholVol.-Proc.
Extractg
Ascheg
Säureg
Phosphor-säureg
Schlettstadter
7
2,645
0,360
0,750
0,070
Scharrachbergheimer
7
2,162
0,184
0,950
0,030
Oberbergheimer
–
2,370
0,280
–
0,035
Willerthaler
7
2,911
0,329
1,300
0,050
Lothringer
6,5
2,135
0,203
0,920
0,039
Ober-Rhein, Elsaſs
8
2,504
0,269
1,180
0,049
Wasselnheimer
6,5
2,427
0,210
1,000
0,045
Pfälzer
–
2,328
0,195
1,300
0,039
Rhein-Hessischer
7
2,523
0,198
1,225
0,045
Mittelzahlen für normale Elsäſser Weine
aus reifen Trauben
9
1,900
0,190
0,700
0,018
Danach zeichnet sich ein aus unreifen Trauben bereiteter Wein
aus durch ungewöhnlich hohen Gehalt an Extract, Säure, Asche und Phosphorsäure neben
wenig Alkohol. Der Extract ist meist von gelatinöser Beschaffenheit, wohl durch
Gegenwart von nicht in Zucker verwandelten Pectinstoffen.
Das Verfahren zur Bestimmung des Weinsteins und der
Weinsäure von Berthelot und Fleurieu (1864 171 217) ist
nach Amthor (Daselbst S. 196) unbrauchbar.
Zur Nachweisung von Fuchsin empfiehlt P. Pastrovich in den Berichten
der deutschen chemischen Gesellschaft, 1882 S. 808, den Wein mit dem
gleichen Gewichte gröblich gepulvertem Braunstein zu schütteln. Die
Beerenfarbstoffe, Cochenille und echter Roth wein werden nahezu farblos, Wein, mit
Roth- oder Blauholz und Orseille geröthet, erleidet eine Verfärbung ins
Bräunlichgelb. Wird hingegen eine Fuchsinlösung oder mit Fuchsin versetzter Wein mit
Braunstein geschüttelt, so tritt selbst beim Erhitzen keine Entfärbung der
Flüssigkeit, ja nicht einmal eine Verminderung der Intensität der Färbung ein. Es
gelingt auf diese Art auch in natürlichem Roth wein, welcher zur Erhöhung seiner
Farbe mit Fuchsin versetzt wurde, letzteres mit Bestimmtheit nachzuweisen.
Sehr ausführlich wird die Untersuchung des Weines von
L. Rösler besprochen in den Mittheilungen der chemisch-physiologischen Versuchsstation für Wein und Obstbau
in Klosterneuburg (Wien 1882).
C. Schmitt und C. Hiepe
(Zeitschrift für analytische Chemie, 1882 S. 534)
haben die Vorschläge zur Bestimmung der nichtflüchtigen
organischen Säuren im Wein geprüft. Sie zeigen, daſs das Verfahren von Kayser (Daselbst S. 424) nicht brauchbar ist und
empfehlen schlieſslich folgende Methode:
Man verdampft 200cc Wein auf die Hälfte, läſst
erkalten und versetzt mit Bleiessig bis zur alkalischen Reaction. Nach einiger Zeit
wird der Bleiniederschlag abfiltrirt und mit kaltem Wasser so lange ausgewaschen,
bis nur noch eine schwache Bleireaction im Filtrat eintritt. Der Niederschlag wird mit
heiſsem Wasser in ein Becherglas gespritzt, noch mehr Wasser zugefügt und dann so
lange heiſs Schwefelwasserstoff eingeleitet, bis die Zersetzung vollständig ist. Es
wird heiſs filtrirt und das Schwefelblei mit siedendem Wasser bis zum Verschwinden
der sauren Reaction ausgewaschen. Filtrat und Waschwasser werden verdampft, bis
ungefähr 50cc übrig sind, sodann mit Kalilauge
genau neutralisirt und wiederum concentrirt. Jetzt wird mit einem Ueberschuſs einer
gesättigten Lösung von essigsaurem Kalk versetzt und unter öfterem Umrühren 4 bis 6
Stunden stehen gelassen; dann wird abfiltrirt und mit gerade so viel Wasser
ausgewaschen, daſs Filtrat mit Waschwasser 100cc
beträgt. Der weinsaure Kalk wird durch heftiges Glühen in Aetzkalk übergeführt und
dieser, je nach der Menge, mit 10 bis 15cc
Normalsalzsäure übergossen, nach erfolgter Lösung mit Wasser verdünnt und mit
Normallauge der Säureüberschuſs zurücktitrirt. Für je 1cc Normalsäure, welche durch den Aetzkalk gesättigt ist, werden 0g,075 Weinsäure berechnet und der so erhaltenen
Menge noch 0g,0286 zugezählt, welche Summe die in
200cc Wein enthaltene Gesammtweinsäure
darstellt. Das Filtrat vom weinsauren Kalk wird verdampft, bis etwa noch 20 bis
30cc zurückbleiben, und erkaltet mit dem
3fachen Volumen 96procentigen Alkohol versetzt. Nach einigen Stunden wird der
Niederschlag auf einem gewogenen Filter gesammelt, bei 100° getrocknet und gewogen.
Dieses Gewicht entspricht den Kalksalzen der Aepfelsäure, der Bernsteinsäure, der
noch in Lösung gebliebenen Weinsäure und der Schwefelsäure des Weines. Der gewogene
Niederschlag wird in einem Becherglas mit heiſsem Wasser und der eben zur Lösung
erforderlichen Menge Salzsäure versetzt, filtrirt, das Filtrat heiſs mit
kohlensaurem Kali bis eben zur alkalischen Reaction versetzt und der kohlensaure
Kalk abfiltrirt. Das Filtrat, welches nun die genannten Säuren wieder als Kalisalze
enthält, wird mit Essigsäure neutralisirt, bis auf einen kleinen Rest verdampft und
siedend heiſs mit Chlorbarium gefällt. Der Niederschlag vom bernsteinsauren und
schwefelsauren Baryt wird auf dem Filter mit verdünnter Salzsäure behandelt. Der
schwefelsaure Baryt bleibt auf dem Filter und wird mit demselben geglüht und
gewogen; der bernsteinsaure Baryt geht in Lösung und wird diese wieder mit
Schwefelsäure gefällt. 233 Th. Bariumsulfat entsprechen 118 Th. Bernsteinsäure. Aus
der Bernsteinsäure, sowie der Schwefelsäure und der in Lösung gebliebenen Menge
Weinsäure = 0,0286 berechnet man die Gewichte der entsprechenden Kalkverbindungen
und subtrahirt dieselben vom Gewicht des Gesammtkalkniederschlages; der Rest ist
äpfelsaurer Kalk, von welchem 172 Th. 134 Th. Aepfelsäure entsprechen.
Zur Bestimmung der freien Weinsäure ist es nun erforderlich, eine möglichst genaue
Weinsteinbestimmung auszuführen: Nach Angabe der Verfasser soll die Methode von Berthelot und Fleurieu
sehr gute Resultate geben (vgl. S. 302 d. Bd.). Es ist rathsam, den ausgeschiedenen
Weinstein in wenig
Wasser zu lösen, sodann unter Anwendung von Rosolsäure als Indicator mit 1/10 Lauge zu
titriren. Multiplicirt man das Gewicht des Weinsteins mit 0,8, so erhält man die ihm
entsprechende Weinsäure und durch Vergleichung dieser Menge mit der ermittelten
Gesammtweinsäure erfährt man die Menge der vorhandenen freien Weinsäure.