Titel: | Ueber die zweckmässige Anordnung von Erdleitungen. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 416 |
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Ueber die zweckmäſsige Anordnung von
Erdleitungen.
Mit Abbildung.
R. Ulbricht, über die zweckmäſsige Anordnung von
Erdleitungen.
In der Telegraphie wie in der Blitzableitertechnik ist zumeist der Ausbildung der
Erdleitungen ein nur beiläufiges Interesse zugewendet worden, welches in keinem
Verhältniſs zu der eingehenden Behandlung der oberirdischen Anlagen stand. Erst in
neuerer Zeit hat die Aufmerksamkeit, welche man den Blitzableitern schenkt,
Vorschläge zu Abweichungen von den herkömmlichen Ableitungsformen veranlaſst. In
Bezug hierauf sind die bekannten Gutachten der kgl. Preuſsischen Akademie der
Wissenschaften aus den J. 1876 bis 1880 durch einige werthvolle Fingerzeige von
besonderer Bedeutung. Es wird in denselben darauf hingewiesen, daſs die Wirkung der
Erdleitungen durch Theilung der Erdplatten, durch Anwendung von metallischem
Netzwerk oder von Metallstangen wesentlich gesteigert werden kann, ohne daſs ein
gröſserer Materialaufwand erforderlich wird. Die Praxis hat von diesen Andeutungen
noch wenig Gebrauch gemacht, vielleicht weil sich aus den allgemein gehaltenen
Vorschlägen nicht ohne Weiteres bestimmte Ausführungsformen von zuverlässiger
Brauchbarkeit herleiten lassen. Dadurch hat sich Dr. R.
Ulbricht in Dresden veranlaſst gesehen, die Rechnung für einige
Erdleitungsformen durchzuführen und die gefundenen Annäherungswerthe durch Versuche
zu prüfen; die Ergebnisse hat Verfasser in der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1883 * S. 18 ausführlich mitgetheilt.
Die gefundenen Gleichungen zeigen zunächst, daſs es 3 Mittel gibt, um bei geringem
Materialaufwand eine hohe Wirkung in Hinsicht auf Erdleitung zu erzielen: Einmal
läſst sich die cylinderförmige Elektrode stab- oder drahtartig ausdehnen; sodann
kann die Platte schmal, bandförmig ausgebildet werden; ferner läſst sich die
Ringplatte unter Verschmälerung der Metallfläche ausdehnen. Man kann schlieſslich
noch den kurzen, offenen Cylinder mit vertikaler Achse anführen, welcher durch
Zusammenbiegen einer schmalen Platte oder eines Bandes gebildet wird. Ohne
Aufstellung einer bezüglichen Formel ist zu erkennen, daſs sich dieser Cylinder wie
Band und Flachring verhalten muſs. Bei wachsendem Radius und constanter Oberfläche
nähert sich auch hier der Erdwiderstand dem Nullwerthe.
Auſser diesen Mitteln kann, da der Erdwiderstand umgekehrt proportional dem
Plattendurchmesser ist, der Widerstand Null auch erreicht werden durch unendliche
Theilung einer Platte. Da man ohne erhebliche Beeinträchtigung der Wirkung die
einzelnen Plattentheile ziemlich nahe an einander rücken kann, so führt dieser Weg
bei einer weit fortgesetzten, jedoch noch endlichen Theilung und bei Verbindung der
Theile unter einander durch leitende Zwischencylinder zur Form des Netzes.
Stellt man sich nun die Aufgabe, diejenigen Erdleitungsformen zu ermitteln, welche
unter gegebenen Verhältnissen wirksam und dabei vorzugsweise ökonomisch sind, so
wird man sich zunächst über das zur Elektrode zu wählende Material klar sein, sodann
aber unterscheiden müssen, ob die Einlegung bedeutende Erdarbeiten erwarten läſst
oder nicht. Als Material für den Erdleitungskörper soll das vorzugsweise verwendete
Kupfer angenommen werden, weil sich dasselbe im Erdboden erfahrungsgemäſs sehr gut
hält und in Folge seiner leichten Bearbeitbarkeit in geeignetere Formen gebracht
werden kann, als z.B. das an sich billige Guſseisen. Schwach dimensionirte
Constructionen von Schmiedeisen oder Walzeisen sind wegen ihrer geringen Haltbarkeit
im Erdboden auszuschlieſsen.
Sind zum Zwecke der Einlegung nur geringe oder gar keine Erdarbeiten auszuführen, wie
beim Vorhandensein von Teichen, Flüssen, Brunnen oder bei ganz hohem
Grundwasserstande, so wird man ausgedehnte Formen anwenden: den stabförmigen
Cylinder bezieh. Hohlcylinder, den Draht, das Band, den schmalen Ring, das Netz.
Unvortheilhaft ist die der Quadrat- oder Kreisform sich nähernde Platte. Ist dagegen
zur Einlegung des Erdleitungskörpers erheblich tief in den Boden einzudringen, so
muſs die Form der Elektrode eine gedrängtere sein und so gewählt werden, daſs die
erforderliche Wirkung mit einem minimalen Aufwand an Kupfer und Erdarbeit erzielt
wird. Bei groſsen Tiefen und da, wo der Boden Bohrung gestattet, empfiehlt sich
hiernach die Einsenkung eines langen, schmalen Cylinders. Derselbe möchte jedoch nur
dann Anwendung finden, wenn er vollständig vom Grundwasser umspült wird, da
anderenfalls eine innige Berührung mit nur durchfeuchtetem Boden nicht zuverlässig
herzustellen ist. Bei mäſsigen Tiefen und in nur durchfeuchtetem Boden, wo bisher
die Platte angewendet wurde, kann einem flachliegenden Elektrodenkörper der Vorzug
gegeben werden. Die für einen solchen vorzunehmende Ausgrabung fallt zwar ins
Gewicht, bietet aber den Vortheil, die Bodenbeschaffenheit in der Tiefe sehr genau
beurtheilen zu lassen und ein sehr solides Verfüllen und Verstampfen des
Kupferkörpers zu ermöglichen.
Als Ersatz für die kostspielige Kupferplatte bieten sich hier nach den Rechnungen
zwei Formen, welche der Bedingung, die Erdarbeiten nicht wesentlich zu vermehren,
genügen: das Ringband bezieh. der Flachring und das Netz. Flachring und Netz werden
zwar stets etwas gröſseren Durchmesser haben müssen als die in Bezug auf Erdleitung
gleichwertige Platte; es wird sich aber zeigen, daſs die Differenz nicht sehr
erheblich ist. Beide Formen haben jedoch eine Schwäche mit der Platte gemein; sie
gestatten nicht, daſs ihre Dimensionen bequem und ohne wesentlichen Mehraufwand der
gefundenen Bodenbeschaffenheit angepaſst werden: Die Oeffnung ist gegraben. Der
Boden zeigt eine geringere Leitungsfähigkeit, als man erwartet hatte. Man würde gern
die Platte, den Ring und das Netz um ⅓ vergröſsern; allein die geschlossene Form
läſst eine Vergröſserung nicht zu.
In dieser Richtung wird ein wesentlicher Vortheil erreicht, indem man Ring und Netz
zum Netzring (mit 1 bis 1m,5 Durchmesser) vereinigt. Denkt man sich denselben an einer Stelle
radial aufgeschnitten, so zeigt sich als Grundform desselben das Netzband, welches hier abgebildet ist; die Drahtstärke
ist 2mm,5, das Gewicht 0k,475 für 1m
Länge; die Löthstellen zwischen Leitungsseil und Netzband sind mit L bezeichnet.
Textabbildung Bd. 247, S. 418
Ein aus Kupfer geflochtenes Netzband läſst sich in beliebigen Längen vorräthig
herstellen und nach den örtlichen Verhältnissen leicht in die Form eines weiteren
oder engeren Flachringes bezieh. Cylinderringes biegen. Ja, selbst wenn das Band
bereits für einen bestimmten Ringdurchmesser zugeschnitten ist, kann dasselbe noch
durch Strecken und durch Offenlassen eines Ringstückes in erweiterter Form verlegt
und so eine derselben annähernd entsprechende Widerstandsverminderung erzielt
werden. Es läſst sich auch dieser Widerstand durch Tiefersenken des Ringes bezieh.
unter Anwendung der Cylinderringform noch
vermindern.
Nachdem der Verfasser sich durch Versuche im Kleinen davon
überzeugt hatte, daſs für den Flachring Rechnung und Beobachtung gut übereinstimmen,
schritt er zu einem gröſseren Versuche mit dem Netzringe. Aus praktischen Gründen
wurde für denselben Kupferdraht von 2mm,5 Stärke
angewendet, von welchem dieselbe Dauer erwartet werden kann wie von 2mm starkem Bleche. Nach den hier nicht näher
anzuführenden rechnerischen Untersuchungen erwies sich eine Maschenweite von 40mm bei einer Bandbreite von 160mm als vortheilhaft und zugleich in Hinsicht auf
die Steifigkeit der Construction als günstig. Ein derartiges Netzband wurde in Länge
von 4m angefertigt und zu einem Flachringe von
1m,42 äuſserem und 1m,10 innerem Durchmesser zusammengebogen. Der
Widerstand desselben berechnete sich zu W=0,3485\,\frac{1}{k},
der einer Quadratplatte von 1m Seitenlänge dagegen
zu W_0=0,368\,\frac{1}{k}.
Da die Leitungsfähigkeit des Erdbodens eine sehr schwankende ist
und für eine gleichmäſsige Verfüllung auch nicht volle Garantie geleistet werden
kann, erschien es räthlich, die Widerstandsmessungen in einem gröſseren Gewässer
vorzunehmen. Die Platte und der Netzring wurden dem entsprechend nach einander an
der Unterfläche eines kleinen Floſses derart befestigt, daſs die Berührung mit dem
Wasser möglichst den für die Rechnung gemachten Voraussetzungen entsprach. Als
zweite Erdleitung diente ein System Wasserleitungsröhren, sodann eine entfernte
Blitzableiter-Erdleitung u.s.w.
Durch wiederholte und wechselnde Messungen wurden zur Berechnung
der einzelnen Widerstandswerthe so viel zu gegenseitiger Controle dienende
Gleichungen von guter Uebereinstimmung erzielt, daſs die nachstehenden Ergebnisse
als sehr zuverlässige bezeichnet werden können: Für die Quadratplatte fand sich ein
Uebergangswiderstand von 35,5 S-E, für den Netzring ein solcher von 32,5 S-E.
Berechnet man aus ersterem Werthe k, so ergibt sich k = 1 : 91,12, d.h. das specifische Leitungsvermögen
des Fluſswassers = 1 : 91120000. Hiernach berechnen sich die Werthe für den
Erdwiderstand in S-E:
Berechnet
Beobachtet
Quadratplatte
33,5
33,5
Netzring
31,76
32,5
Diese Zahlen bestätigen die Zulässigkeit der
annäherungsweise geführten Rechnungen.
Die Versuche, denen sich noch weitere über die Einwirkung des
Eintauchens anschlossen, wurden oberhalb Dresden an der Elbe vorgenommen. Zur
Verminderung der Polarisationserscheinungen kamen nur momentane Ströme der
Meſsbatterie zur Verwendung. Es ist anzunehmen, daſs auch die Strömung des Wassers,
durch welche die Gasbläschen an den Elektroden weggetrieben werden muſsten, einen
erheblichen Polarisationswiderstand nicht habe aufkommen lassen. – Spätere
Messungen, welche an nach Plattenart in den Boden verlegtem Netzband angestellt
wurden, ergaben ebenfalls die günstigsten Resultate.
Auf Grund dieser Untersuchungen haben die sächsischen Staatsbahnen
für die hierzu geeigneten Fälle den Kupfernetzring eingeführt; auch scheint man sich
in Fabrikantenkreisen der kaum dem Versuchsstadium entwachsenen Construction
bemächtigen zu wollen. Besonders anregend hierzu sind die pekuniären Vortheile,
welche dem Netzband in so fern eine Bedeutung zu geben vermögen, als sie es geeignet
machen, manches auf den Kostenpunkt gerichtete Bedenken gegen die Anlage von
Blitzableitungen zu beseitigen und zur Ausbreitung einer segensreichen Einrichtung
beizutragen.
Vergleicht man die Quadratplatte mit dem ihm äquivalenten
Netzringe vorbeschriebener Construction, welcher nach einer vom Verfasser
aufgestellten Gleichung einen äuſseren Durchmesser von 1m,26 und eine Netzbandlänge von 3m,45
haben muſs, so ergibt sich folgendes Gewichtsverhältniſs:
die
Quadratplatte,
1mm
stark,
wiegt
8,9k
„
„
2mm
„
„
17,8
der
Netzring
„
1,64
Der Preis von 1k Netzband
beträgt etwa 3,50 M., unter Voraussetzung der in obiger Figur näher ersichtlichen
Einrichtung.
Zu weiteren Vergleichungen sei angeführt, daſs sich als
angenäherte Aequivalente für die liegende, nicht eingesenkte Quadratmeterplatte
folgende Formen ergeben:
Ein
vertikal
eingesenkter
Cylinder
von
1m,4
Länge
und
0m,13
Durchmesser
„
„
„
„
von
1m,8
„
„
0m,06
„
Ein
vertikal
eingesenkter
Stab von
2m,6
„
„
0m,013
„
Ein
horizontal
liegender
Stab von
5m,2
Länge
und
0m,013
„
„
„
„
Flachring
von
1m,32
äuſserem u. 1m,08 innerem Dm.
Ein horizontal liegendes Netz von
quadratischer Form und der für das Netz- band gewählten
Maschengröſse, Seitenlänge = 1m,01.
Ein horizontal liegendes Netzband
beschriebener Construction von 3m
Länge.
„ „ liegender Netzring von
1m,26 äuſserem und 0m,94 innerem Durchmesser.
Schlieſslich ist noch einer Einwendung zu begegnen, welche gegen
die Richtigkeit der den Rechnungen zu Grunde liegenden Voraussetzungen für den Fall
erhoben werden könnte, daſs es sich nicht um Telegraphen-, sondern um
Blitzableiter-Erdleitungen handelt, Zwischen den beiden Erdplatten einer
Telegraphenleitung liegt in der Regel ein so groſser Raum, daſs die Stromcurven in
der für die Integration allein wichtigen Nähe der einen Elektrode durch den Einfluſs
der anderen keine Ablenkung erfahren. Dagegen könnte
angenommen werden, daſs dies bei einem Gewitter am Blitzableiter und zwar beim
Uebergange des Blitzes zur Erde der Fall sei. Hier ist die Erdplatte die eine
Elektrode; an Stelle der anderen tritt die in weitem Umkreise unter der
Gewitterwolke mit starker Ladung versehene Erdoberfläche. Setzt man nun voraus,
daſs, wie bei einem guten Blitzableiter verlangt werden muſs, von der Spitze an
abwärts keine Funkenbildung mehr auftrete, so müssen die von der Erdplatte
recktwinklig ausgehenden Stromcurven den geradlinigen Weg verlassen und auch
wiederum rechtwinklig gegen die Erdoberfläche stoſsen. Allein bei sehr groſser
Ausdehnung einer ebenen Fläche, durch welche die Zuströmung von Elektricität in einen
unendlichen Körper stattfindet, nehmen die bezüglichen Potentialen in der Nähe
dieser Fläche sehr langsam ab; es tritt demnach in der Nähe der Erdplatte durch
Einwirkung dieser ausgedehnten Ladung keine wesentliche Veränderung der früher
gezeichneten Curven gleichen Potentiales und somit der Strömungscurven ein. Die sich
ausbreitende Elektricität bedarf aber nur eines geringen Weges, um über die
wesentlichsten Widerstände hinauszukommen.
Sonach ist den angestellten Widerstandsberechungen auch in
Hinsicht auf Entladungen atmosphärischer Elektricität bedingungsweise Gültigkeit
zuzusprechen.