Titel: | Ueber die Kanalisation und Berieselunganlagen für Berlin und Breslau. |
Autor: | F. |
Fundstelle: | Band 247, Jahrgang 1883, S. 458 |
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Ueber die Kanalisation und Berieselunganlagen für
Berlin und Breslau.
Ueber die Kanalisation und Berieselunganlagen für Berlin u.
Breslau.
Nach dem Verwaltungsbericht des Magistrats zu Berlin
sind im J. 1881 75630m Straſsenleitungen
fertiggestellt worden. Bis Ende des J. 1881 waren 9115 Grundstücke an das allgemeine
Kanalsystem angeschlossen. Die Gesammtkosten für das Radialsystem 1 haben 3665861,59
M., für das 2. Radialsystem 5498174,92 M. betragen. Die wesentlichsten
Betriebsergebnisse für das J. 1881 sind in folgender Tabelle zusammengestellt (vgl.
1881 240 458):
Radialsystem
Zahl
derangeschl.Grundstücke
Aus
denKanälengesch.Sand
Kanalwasser
Betriebs-kosten
Gesammt-menge
TäglicherDurch-schnitt
cbm
cbm
M
1
1068
228
2805638
7687
54957,17
2
2435
560
6362997
17433
93949,60
3
2702
897
5609139
15367
118649,85
4
2577
451
4264824
11684
77208,56
5
333
54
985099
3582
22110,86
Die Rieselanlage von Osdorf und Friederikenhof umfaſste Ende
1881:
Beetanlagen
19054,24a
Wiesenanlagen
30228,67
Bassins
9805,00
Weidenpflanzungen
416,43
Baumschulen
287,88
–––––––––
59792,22a.
Von dem benachbarten Rittergute Heinersdorf, welches 35754a,83 umfaſst, sind bereits 5671a Beete und Wiesen fertig gestellt, während die
Druckrohrleitung von hier nach dem angekauften Rittergute Groſsbeeren noch nicht
verlängert werden durfte. Der Bericht hebt hervor, daſs in Folge dessen der in
Osdorf erzielte Ertrag geringer ausfallen muſste, weil zu groſse Wassermassen zu
bewältigen waren.
Die Wiesenanlagen gaben für 1ha 92 M. Reinertrag,
gegen 131 M. im Vorjahre. Dieser Ausfall erklärt sich, abgesehen von der kürzeren
Mähperiode, daraus, daſs 53ha neu angelegte Wiesen
zwar Kosten verursachten, aber fast gar keine Erträge lieferten, so daſs hiervon
1ha 81 M. Verlust ergab, während 1ha der älteren Anlage einen Reingewinn von 130 M.
lieferte.
Während die Bassins in früheren Jahren einen erheblichen Reingewinn ergeben hatten
(vgl. 1881 240 460), deckten sie im Berichtsjahre in
Folge ungünstiger Verhältnisse nicht ganz die Kosten.
Die Beetanlagen, von denen 5863a mit Weiſskohl,
931a mit Rothkohl 607a mit Wirsing, 281a mit Kohlrabi, 399a mit Sellerie,
8467a mit Runkelrüben besetzt waren, lieferten
im Durchschnitt für 1ha einen Ueberschuſs von 144
M., wobei die älteren Beetanlagen 295 M. Reingewinn, die neueren 209 M. Verlust
ergaben. Der Bericht spricht die Erwartung aus, daſs sich dieses Ergebniſs noch
günstiger gestalten wird, sobald erst die Drainirung der Flächen beendigt ist.
Von den Rieselanlagen Falkenberg und Bürknersfelde waren 8560a,22 Wiesen fertig gestellt; der Reinertrag dieser
neuen Anlage stellte sich auf 86 M. für 1ha. Die
Beetanlagen ergaben 185 M., die Bassins 131 M. Reinertrag für 1ha.
Bemerkenswerth ist noch, daſs nach dem Generalbericht über das Medicinal- und
Sanitätswesen der Stadt Berlin von C. Skrzeczka die
Kanalisation bereits einen sehr wohlthätigen Einfluſs auf die Verbreitung des Typhus
ausgeübt hat (vgl. Soyka 1882 244 384). Die Typhuserkrankungen bezieh. Todesfalle hatten von den
angeschlossenen und nicht angeschlossenen Häusern:
Erkrankungen
Todesfälle
1879
1880
1879
1880
Angeschlossen
1,55
2,02
0,45
0,66 Proc.
Nicht angeschlossen
5,60
10,69
1,39
2,32
Aus dem umfassenden Berichte des Kreisphysikus Falk
ergibt sich, daſs die Rieselfelder keinerlei gesundheitsschädliche Wirkung auf die
Nachbarschaft ausgeübt haben.
Nach den Analysen von E. Salkowski bildet die
Spüljauche, wie sie in Osdorf aus den Röhren flieſst, eine undurchsichtige, schwarz
gefärbte Flüssigkeit, mit starkem Geruch nach Schwefelwasserstoff. Die am 6. August
1881 (I) und am 4. März 1882 (II) entnommenen Proben enthielten in 1l an suspendirten Stoffen:
I
II
Trockenrückstand
544mg
528mg
Glühverlust
274
379
Die Zusammensetzung des Filtrates ergibt sich aus folgender Tabelle. Drainwasser von
Beetanlage 158 am 6. August (III) und 27. Oktober 1881 (IV), an denselben Tagen
entnommene Drainwasser von Wiesenanlage 1 (VI und VII), ferner Drainwasser von
Beetanlage 3 am 4. März 1882 (V) und von Wiesenanlage 20 (VIII), am 16. September
entnommene Proben Drainwasser von 2 Einstaubbassins (IX und X), sowie eine zum
Vergleich vom 27. Oktober 1881 genommene Probe Grabenwasser (XI) von nicht
berieselten Flächen der Feldmark Heinersdorf enthielten in 1l Milligramm:
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
Trockenrückstand (bei 115°)
759,6
940,4
876,0
794,4
867,6
912,0
772,8
864,8
778,0
656,8
417,6
Glühverlust dess.
266,0
318,2
104,8
148,0
132,8
120,0
78,4
75,21
12,8
45,6
112,0
Glührückstand
493,6
631,2
772,2
646,4
734,8
792,0
694,4
789,6
665,2
571,2
305,6
Uebermangan- saures Kali erf.
156,5
272,4
14,7
13,8
24,0
24,5
10,7
10,3
66,2
38,1
48,8
Ammoniak
62,51
25,0
3,7
1,8
11,0
0,4
1,2
Spur
25,0
16,0
1,6
Org. geb. StickstoffNach Oxydation mit Kaliumpermanganat. als
Ammoniak
3,7
19,0
Spur
1,0
0,6
0,5
0,8
0,7
0,6
2,0
2,2
Salpetersäure (N2O5)Umfaſst auch salpetrige Säure.
0
Spur
144,8
89,4
101,8
116,8
74,5
125,8
0
0
Spur
Schwefelsäure (SO3)
36,3
17,9
77,7
79,1
85,1
92,7
74,9
81,2
39,0
7,3
20,1
Phosphorsäure (P2O5)
18,5
–
Spur
Spur
Spur
Spur
Spur
Spur
0
0
Spur
Chlor
166,9
168,1
157,2
152,9
131,0
149,9
136,2
146,6
152,6
137,8
42,8
Eisenoxyd und Thonerde
Spur
–
10,8
–
–
2,6
–
–
–
–
–
Kalk
107,5
–
173,5
–
–
162,0
–
–
–
–
Magnesia
20,8
–
23,8
–
–
19,2
–
–
–
–
–
Kali
85,4
73,7
19,6
20,2
38,1
20,0
19,4
9,0
26,1
15,0
48,7
Natron
134,0
151,3
174,0
233,1
147,0
170,4
154,0
141,8
147,0
109,9
38,8
Somit sind diese Drainwasser reiner als ein groſser
Theil städtischer Brunnenwasser (vgl. 1874 211 226. 214 480. 1875 215 523. 1877
226 302) und kann von einer Verunreinigung des Bodens
durch dieselben nicht wohl die Rede sein.Vgl. F. Fischer: Die menschlichen Abfallstoffe,
1882 S. 135 und 147.
Nach dem Generalbericht der städtischen
Kanalisations-Commission von Breslau waren bei Inbetriebsetzung der
Pumpstation am 28. Juni 1881 95014m Kanäle fertig,
in welche durch 5113 Zweigleitungen die Abwässer der einzelnen Grundstücke
eingeführt wurden. Sämmtliches Kanalwasser vom linken Oderufer flieſst in den
groſsen Sandfang hinter den Militärschieſsständen auf der Viehweide und geht von
dort durch einen 0m,9 weiten doppelten Ducker mit
natürlichem Gefälle durch die Schifffahrts- Oder nach einem Revisionsbrunnen bei der Pumpstation auf
dem Zehndelberge. Das Wasser der Kanäle des rechten Oderufers sammelt sich ebenfalls
in einem Sandfange in der Nähe der Pumpstation. In der Pumpenkammer des
Maschinenhauses flieſsen schlieſslich sämmtliche Kanalwasser Breslaus zusammen. Hier
sind z. Z. 2 Woolf'sche Balanciermaschinen von 60 bis 65e aufgestellt, von denen jede 500l
Kanalwasser in der Sekunde in den massiven Hauptbewässerungskanal auf den
Rieselfeldern in Oswitz zu fördern vermag und zu deren Betriebe 4 Kessel dienen von
je 10m Länge, 2m
Durchmesser mit 2 Feuerröhren von 0m,75
Durchmesser, worin je 8 Stück Gallowayröhren eingezogen sind. Das Maschinen- und
Kesselhaus ist jedoch in der Gröſse errichtet, daſs 3 derartige Maschinen und 5
Kessel darin Platz haben. Auſserdem sind im Maschinenhause 2 Centrifugalpumpen
aufgestellt, welche in der Sekunde 450l Wasser
bewältigen können, um, wenn bei Hochwasser die Nothauslässe nicht wirken, die Kanäle
erforderlichen Falles zu entlasten. Die Sohle der Pumpenkammer liegt auf – 2m,25 a. P. Von hier wird das Kanalwasser durch die
Dampfmaschinen in das nach den Rieselfeldern führende Druckrohr gedrückt, nachdem es
durch einen doppelten, schmiedeisernen, 120m
langen Ducker von 0m,75 lichter Weite durch die
alte Oder geführt ist. Das Druckrohr selbst ist von Guſseisen 0m,9 weit, 1348m
lang und mündet auf einer Höhe von + 4m,60 a. P.
in den massiven gemauerten Hauptbewässerungskanal auf Oswitzer Terrain. Dasselbe ist
durch die Posener Eisenbahnbrücke durch und über den Carlowitz-Ranserner Deich
hinweggeführt.
Am Ende des Druckrohres beginnt der aus Cementguſs hergestellte
Hauptbewässerungskanal, welcher mit feinem constanten Gefälle von 1 : 2500 mit 1m,4 Breite bei 1m,3 Höhe angelegt ist. Dieser Zuleitungskanal ist mit Granitplatten
abgedeckt und zum Schütze gegen das Einfrieren 0m,7 hoch mit Erde bedeckt. Die Erdschüttung schlieſst sich in Form von
Dossirungen an die Seitenwände des Kanales an. Die Kronenbreite des so gebildeten
Dammes beträgt 1m,7. Der Zuleitungskanal geht vom
Ausguſs des Druckrohres an der Ost- und Nordseite des Gutes Oswitz entlang bis zur
Oswitz-Ranserner Grenze in einer Länge von 3840m
und ist eine Fortsetzung desselben durch die Feldmark Ransern in Aussicht genommen,
woselbst er in der Nähe der Schleuse im Weidedeich mit einer Sohlenhöhe von + 1m,20 a. P. enden würde, um im Stande zu sein, die
auf der Feldmark Ransern für die Berieselung in Aussicht genommenen Flächen mit
Kanalwasser zu versorgen. Von dem Hauptzuleitungskanal, der mit den nöthigen
Stauvorrichtungen und Einsteigeschächten versehen ist, gehen nach beiden Seiten
Zweigkanäle ab, welche das Kanalwasser den zur Berieselung der einzelnen Felder
angelegten offenen Gruben zuführen.
Parallel mit dem Hauptbewässerungskanal zieht sich der 8559m lange Hauptentwässerungsgraben mit einem Gefälle
von 1 : 5000 und einer Sohlenbreite von 1,5 bis 6m durch die Feldmarken
Oswitz und Ransern bis zu der neu erbauten, guſseisernen, 0m,9 weiten Schleuse im Weidedeich. Hier ist eine
Centrifugalpumpe aufgestellt, welche 450l Wasser
über den Deich heben kann, um die eingedeichte Niederung vor Ueberschwemmung zu
schützen, wenn bei hohen Wasserständen der Weide und Oder die Deichschleuſsen
geschlossen werden müssen.
Zur Zeit sind 152ha Ackerfläche auf Oswitzer
Terrain zur Berieselung eingerichtet und in Betrieb gesetzt. Die Höhenlage dieser
Felder ist so gewählt, daſs sie zwischen der Sohlenhöhe des Zuleitungskanales und
der des Hauptentwässerungsgrabens derart zu liegen kommt, daſs aus ersterem das
Kanalwasser mit natürlichem Gefälle auf die Felder gelangt und dieses Wasser,
nachdem es nach seiner Verwendung zur Berieselung desinficirt worden ist, mit
natürlichem Gefälle durch eine 1m,5 tief
anzulegende Drainage in den Hauptentwässerungsgraben abflieſst. Die Rieselfelder
haben durchschnittlich ein Längengefälle von 1 : 1000 bei einem Quergefälle von 1 :
500.
Die mit Sand und Kies umschütteten Kanäle wirken überall da gleichzeitig als
Drainage, wo diese Umhüllung mit Wasser leitenden Schichten im Untergrunde in
Verbindung steht. Wo dies nicht der Fall ist, namentlich bei dem schweren
Letteuntergrunde der südlichen Stadttheile, wurde zur Senkung des Grundwasserstandes
ein besonderes 10922m langes Drainagesystem
erbaut.
Die Kosten für die Durchführung dieser von Baurath Kaumann entworfenen und ausgeführten Anlage betragen von 1875 bis zum 1.
Juli 1881:
Bau der Kanäle
2926364,31
M.
Vervollständigung der vorhandenen Kanäle
133534,35
Die Pumpstation auf dem Zehndelberge
607699,43
Der doppelte Ducker vom linken Oderufer nach dem
Zehndelberge
93090,05
Das Druckrohr nach Oswitz
194300,00
Grundentschädigung
2573,25
Kaufgeld für das Rittergut Oswitz und die Freistelle Nr.
14 daselbst, einschlieſslich Zinsen und Kosten
950805,96
Zuschuſs an die Verwaltung des Rittergutes Oswitz einschl.
Forst
51812,70
Untersuchung der Bodenbeschaffenheit der zur Berieselung
be- stimmten Ackerflächen
1661,30
Bau des massiven Zuleitungskanales durch die Feldmark
Oswitz und Herstellung des Haupt-Entwässerungsgrabens
durch die Feldmarken Oswitz und Ransern
315382,25
Bau der Schleuse und Pumpstation in Ransern
35555,75
Zurichtung und Drainirung der Rieselfelder
102781,85
Bau der Oswitzer Chaussee
86676,12
Durchführung des Drainageplanes
120581,12
Materialien-Vorschuſsconto
15756,85
Dazu Bauzinsen, Fertigstellung der Kieselfelder u. dgl., so
daſs sich die Gesammtkosten auf etwa 6331075 M. stellen. Rechnet man dazu die Kosten
der vor dem J. 1875 hergestellten alten, jetzt bei der Schwemmkanalisation
mitbenutzten Kanäle mit 1374661 M., so kostet die ganze Anlage 7705736 ML, d.h. bei
275000 Einwohner rund 28 M. für jeden Einwohner. Die jährliche Unterhaltung der
Kanäle kostet 40000, der Betrieb der Pumpstation 25000, zusammen 65000 M., d.h. bei 18808 Gebäuden auf 5431
Hausgrundstücken jährlich für jedes Grundstück etwa 12 M., oder für jeden Einwohner
24 Pf., wobei das Räumen der Abtrittsgruben wegfällt und die Salubrität der
Grundstücke wesentlich gefördert wird.
Aird und Marc zahlen 50 M.
Pacht für 1ha der nicht zur Berieselung gezogenen
Flächen des Rittergutes Oswitz in Gröſse von 10393a,6 = 5196,80 M., für 1ha der
Rieselfelder eine steigende Pacht, welche im J. 1885 die Höhe von 200 M. erreicht, =
60000, zusammen 65196,80 M., was zur Verzinsung und Amortisation der Rieselfelder
ausreicht, so daſs dieselben, wie dies bekanntlich auch in Danzig der Fall ist, den
Bewohnern Breslaus keine besonderen Kosten auferlegen werden. Daſs diese günstigen
Resultate durch keines der sogen. Abfuhrsysteme erreichbar war, liegt auf der
Hand.
F.