Titel: | Neuere elektrische Locomotiven. |
Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 103 |
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Neuere elektrische Locomotiven.
Mit Abbildungen auf Tafel 7.
Neuere elektrische Locomotiven.
Ueber die elektrische Eisenbahn bei Lichterfelde (vgl.
1881 241 * 368. 1882 243 265)
hat Oberingenieur C. Frischen in der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1883 S. 3 mitgetheilt,
daſs die beim Betriebe derselben gemachten Erfahrungen durchaus zufriedenstellend
gewesen sind. Betriebsstörungen von gröſserer Bedeutung hatten nicht stattgefunden
und ebenso hat der Schneefall, vor welchem man anfangs Befürchtungen gehegt, nach
Anbringung von Bürsten an den Wagen keine wesentlichen Nachtheile im Gefolge gehabt.
Der in der ersten Zeit mitunter unangenehm empfundene Uebelstand, daſs Pferde auf
den Straſsenübergängen beim Betreten der Schienen von dem elektrischen Strome
Schläge erhielten, wodurch sie erschreckt und zum Davonlaufen gebracht wurden, ist
mittlerweile dadurch beseitigt worden, daſs man einerseits bei den Uebergängen ein
Stück Schiene aus dem elektrischen Stromkreise fortgenommen hat und die Wagen durch
ihre eigene Geschwindigkeit über die isolirten Schienen weiterlaufen läſst;
andererseits wurde eine vertiefte Leitungsschiene gelegt, in welche der Radkranz
eingreift und so den Strom in den Wagen schafft.
Bei der Bahn von Charlottenburg nach dem Spandauer Bock
(vgl. 1882 244 462), wo die Einführung des Stromes von
zwei längs der Straſse auf Stangen angebrachten starken Drahtseilen aus bewirkt
wird, auf denen ursprünglich mit dem Wagen verbundene Contactwägelchen hinliefen,
traten beim Betrieb durch die Biegungen der Straſse Schwierigkeiten hervor. Nachdem
gleiche, von der Firma Gebrüder Siemens auf der Pariser
Ausstellung unternommene Versuche günstig ausgefallen waren, wurden daher an Stelle
der Drähte geschlitzte, von Isolatoren getragene und an den Stangen aufgehängte
Röhren von 25mm Lochdurchmesser angebracht, in
welchem ein etwa daumendickes, kleines Contactstiftchen gleitet. Der hierdurch
gebildete Contact ist ein durchaus gesicherter und der bisherige Erfolg des
Versuches in jeder Weise zufriedenstellend gewesen.
Die 260m unter der Erde liegende Bahn in dem kgl.
sächsischen Bergwerk Zaukerode (vgl. 1883 247 45), auf welcher die Locomotive 8000k in 10 Wagen befördert, bereitete dadurch
Schwierigkeiten, daſs die zu befahrenden Gänge nur eine sehr geringe Breite haben
und deshalb auch eine sehr kleine Locomotive erforderlich gewesen ist; letztere
wiegt nur 1550k und ist in Fig. 10
Taf. 7 im Längenschnitt skizzirt. Zur Erzeugung des elektrischen Stromes ist auſserhalb der
Grube eine mittels einer kleinen Cylinder-Dampfmaschine betriebene Dynamomaschine
aufgestellt. Mit Hilfe eines Kabels wird der Strom durch den Schacht den oberhalb
desselben angebrachten, aus ⊤-Eisen gebildeten Stromzuleitungsschienen zugeführt und
gelangt durch Vermittelung kleiner, auf den ⊤-Schienen gleitender Contactschlitten,
welche von der elektrischen Locomotive an Leitungsdrahtseilen mitgezogen werden, in
die elektrische Maschine der Locomotive. Der Führer kann durch Drehen einer
Einschaltkurbel dieselbe beliebig vor- oder rückwärts bewegen. Die ganze Einrichtung
hat sich seither als völlig lebensfähig erwiesen und es darf mit Sicherheit
angenommen werden, daſs die Locomotive bei entsprechender Einrichtung das doppelte
der gegenwärtig ihr zugemutheten Arbeit zu leisten, also 15 bis 16t Last mit einer Geschwindigkeit von etwa 12km in der Stunde zu befördern im Stande ist.
Von der elektrischen Locomotive von Dupuy (vgl. 1882 244 330) gibt das Portefeuille
économique, 1882 * S. 134 nähere Beschreibung und Abbildung. Bei Lüftung
der Bremse schlieſst ein am Bremshebel befindlicher Contact den Strom der Faure'schen Batterie, von welchem nun ein Zweig durch
die Elektromagnete, der andere Zweig durch den Anker der Siemens'schen Maschine geht; die Umdrehung des Ankers wird durch Zahnräder
auf die Radachsen im Geschwindigkeitsverhältniſs 9 : 1 bezieh. die Leinwandrollen
übertragen.
Schlieſslich ist noch eine elektrische Locomotive zu erwähnen, welche Felix in Paris 1881 ausgestellt hatte. Dieselbe lief
auf einer kleinen Bahn auf der Seitengallerie des Industrie-Palastes. Als
Stromzuführungen waren dünne Kupferstreifen auf schmalen hölzernen Längsschwellen
benutzt, auf welchen Bürsten schleiften. Bei Ausführungen auf Dauer würde Felix die Kupferstreifen zu Verhütung zufälliger
Kurzschlieſsung, namentlich durch Thiere oder Menschen, an den Innenseiten der
zwischen den Schienen liegenden Langschwellen anbringen. Die Gramme'sche Maschine ist, wie Fig. 11
Taf. 7 zeigt, auf einem über den 4, Rädern liegenden Rahmen gelagert, und zwar ist
sie nach Engineering, 1881 Bd. 32 S. 632 um eine den
Radachsen parallele Achse drehbar, so daſs sie durch Umstellung eines Hebels seitens
des Maschinenführers in zwei verschiedene Lagen in der Längsrichtung der Locomotive
gebracht werden kann. Da nun in der einen Lage die Reibungsscheibe auf der
Ankerachse der Gramme'schen Maschine die Umdrehung
derselben unmittelbar, in der anderen Lage dagegen unter Einschaltung einer
Zwischenscheibe auf die Scheibe überträgt, welche sie auf die Krummzapfenachse und
durch diese mittels zweier Lenkstangen auf die beiden Radachsen fortzupflanzen hat,
so kann bei unveränderter Umdrehungsrichtung der Gramme'schen Maschine der Maschinenführer durch bloſses Umlegen jenes
Hebels die Locomotive nach seinem Belieben vor- oder rückwärts laufen lassen.
Elektrische Eisenbahn mit
Accumulatorbetrieb. Die Electrical Power Storage
Company hat am 10. März d. J. einen in ihren Werkstätten zu Millwall
gebauten Wagen für eine elektrische Bahn einer öffentlichen Probe unterworfen.
Derselbe wiegt nach Iron, 1883 Bd. 21 S. 220 sammt der
Maschineneinrichtung rund 4t,8 und ist mit 50 Faure-Sellon-Volckmar-Elementen ausgerüstet, deren
jedes 356 × 280 × 178mm miſst und etwa 36k wiegt. Diese Batterie treibt den voll beladenen
Wagen 7 Stunden; geladen enthält sie 560 Stunden-Ampère, wovon sie 400 mit gröſster
Rücksicht auf Oekonomie abgeben kann. Die Elemente sind unter den Wagensitzen
untergebracht. Die Siemens'sche Dynamomaschine liegt
unter dem Wagen und überträgt von einer Riemenscheibe auf ihrer Achse die Drehung
auf eine Wagenachse; sie arbeitet am günstigsten mit 100 Volt elektromotorischer
Kraft und 60 Ampère Stromstärke, also mit 6000 Volt-Ampère (6000 : 736) = 8,15
elektrische Pferdestärke, wovon 5,6 an der Riemenscheibe übertragen werden). Der
Wagen hat einen Umschalter zur Umkehrung der Stromrichtung und zur Ein- und
Ausschaltung von Elementen, auſserdem eine Handbremse an jedem Ende; er ist mit 4
Swan-Lampen von 40 Kerzenstärken und mit
elektrischen Klingeln zur Benutzung seitens der Fahrenden ausgerüstet. Nach einer in
unserer Quelle ausführlicher mitgetheilten Rechnung können von der Leistung der
stationären Dampfmaschine etwa 50 Procent von der Dynamomaschine auf dem Wagen
wiedergewonnen werden und dann berechnet sich die Pferdestärke an der Riemenscheibe
der letzteren auf 8,33 Pf. in der Stunde. Rechnet man auf 1t 1e, so würde
der Wagen mit 40 Fahrgästen 5e brauchen und in 15
Stunden 6,25 M. kosten, während bei Pferdebahnbetrieb 26 M. täglich gerechnet
werden. Die ersten Anlagekosten für Pferde- und elektrischen Betrieb sind etwa
gleich.
General Hutchinson vom Board of Trade nahm die Probe des Wagens auf der
Acton-Linie der West Metropolitan Tramways Company ab.
Man erreichte bei der Hinausfahrt 9km,6 in der
Stunde und die Maschinerie arbeitete befriedigend. Der Wagen soll nun in
Abwechselung mit den von Pferden gezogenen Wägen auf der Acton-Linie laufen. Bei der
Rückfahrt von Acton traten kleine Unregelmäſsigkeiten auf, da der Riemen sich
gedehnt hatte und ein wenig rutschte. Nachdem der Riemen in Stand gesetzt worden
war, wurde die Fahrt mit etwa 40 Personen fortgesetzt und ging auf horizontalen und
abwärts geneigten Strecken gut von statten; bei Steigungen aber muſsten Pferde
vorgespannt werden. Letzteres lag indessen an dem Riemen und daran, daſs der
Querschnitt der Radreifen und jener der Schienen nicht zusammen paſsten, so daſs
unnöthige Reibung auftrat. Und deshalb wird dieser Versuch ebenso als befriedigend
angesehen wie der mit einem vor einigen Monaten vom Stapel gelaufenen Boote mit
Schraube, das am 10. März mit 40 Elementen und einer Siemens'schen Dynamomaschine zwischen Millwall und Kew Bridge mit etwa
14km (8 Knoten) in der Stunde bei voller
Ladung fuhr. Eine Anwendung dieser Bewegungsweise beim Torpedodienste verspricht
groſse Vortheile.