Titel: | Ueber den Ursprung der atmosphärischen Elektricität und deren Zusammenhang mit den elektrischen Erscheinungen auf der Erdkugel; von L. Zehnder in Basel. |
Autor: | L. Zehnder |
Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 141 |
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Ueber den Ursprung der atmosphärischen
Elektricität und deren Zusammenhang mit den elektrischen Erscheinungen auf der Erdkugel;
von L. Zehnder in Basel.
Zehnder, über den Ursprung der atmosphärischen
Elektricität.
Durch Reibung entsteht jederzeit Elektricität; dies ist eines der fundamentalsten Grundgesetze und zwar halte ich dafür, daſs nicht nur
die sogen. Reibungselektricität, sondern auch der durch chemische Prozesse gewonnene
Galvanismus, die Thermoelektricität, die Elektricität des aus einem Dampfkessel
ausströmenden Dampfes u.s.w. ihren tiefsten Ursprung in der Reibung der kleinsten
Theilchen haben werde.
Von der durch einen isolirten Dampfkessel entwickelten Elektricität will ich meine
Betrachtungen weiter führen. Unzweifelhaft ist die intensive Reibung des mit einer
Geschwindigkeit von einigen Hundert Meter in der Sekunde aus der Oeffnung
austretenden Dampfes an den Wandungen jener Oeffnung die Ursache der Entstehung der
Elektricität; denn wenn man von der äuſseren Form absieht, ist die Aehnlichkeit
einer solchen Dampf-Elektrisirmaschine und einer gewöhnlichen Elektrisirmaschine mit
Glasscheibe o. dgl. nicht zu verkennen. Ich behaupte nun, daſs aus einem Dampfkessel
ebenfalls Elektricität zu gewinnen wäre, nur etwas weniger, wenn man statt reinen
Dampfes ein Gemisch aus Luft und Dampf oder sogar einfach eine sehr feuchte Luft
heftig ausströmen lieſse, und ferner, daſs jedes Mundstück der Ausströmungsöffnung
zur Entwicklung der Elektricität helfen wird; nur wird je nach, der Natur desselben
die Menge der nutzbaren Elektricität verschieden ausfallen; das Mundstück kann z.B.
ganz gut in Holz, feuchtem leitendem Stein u. dgl. gewählt werden. Nun nehme ich
statt des ruhenden Elektricitätsleiters (des Kessels) und der bewegten feuchten Luft
umgekehrt einen sich bewegenden Leiter und ruhende feuchte Luft an: Ein aus irgend
einem Leiter bestehender Körper werde sehr rasch in Wasser haltiger Luft bewegt, so
wird sich an den Berührungsstellen dieser beiden Körper und zwar hauptsächlich an
den sich am heftigsten reibenden Theilen Elektricität entwickeln. Sei speciell der
Körper eine mit groſser Geschwindigkeit um ihre Achse rotirende Kugel, so wird sich
hauptsächlich an deren Aequator die Elektricität entwickeln. Ist die Kugel ein guter
Leiter, so sucht die in ihr sich ansammelnde Elektricität den Weg zu den Polen, weil
sie von der an den Erregungsflächen neu entstehenden gleichartigen Elektricität
abgestoſsen wird. Die mit Wasserdampf geschwängerte Luft selbst, die durch Reibung
mit der Kugel elektrisch wurde, wird durch die Centrifugalkraft vom Aequator
weggeschleudert und sucht nun ebenfalls die Pole der Kugel zur Ausgleichung der
Elektricität zu gewinnen.
Der Schritt ist nun kein groſser, unter dieser rotirenden Kugel sich die Erde vorzustellen, welche sich nicht nur um ihre Achse,
sondern auch relativ in der sie umgebenden Atmosphäre dreht: Die Erde hat am
Aequator eine Umfangsgeschwindigkeit von über 400m
in der Sekunde. Die sie umgebende Luft wird zum Theile die Drehung mitmachen, kann
aber begreiflicherweise als elastischer Körper nie mit der Erde gleichen Schritt
halten, weil sie stets durch Reibung mit dem die Atmosphäre umgebenden, den Weltraum
ausfüllenden Aether zurückgehalten wird. Denn es ist nicht anzunehmen, daſs die
ganze Luftschicht und auch noch ein Theil des Aethers beständig mit der Erde
herumgerissen werde. Im Gegentheil muſs unbedingt in der Nähe der Erdoberfläche, wo
die Umfangsgeschwindigkeit noch viel kleiner ist als an einem gröſseren Radius, die
gröſste Geschwindigkeitsreduction der Luft eintreten. Sobald aber eine
Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Erde und Luft vorhanden ist, entsteht Reibung
zwischen beiden und folglich Elektricität.
Die Vorgänge der Luftbewegung bei einer in ruhiger Luft drehenden Kugel und bei der
Erde sind im groſsen Ganzen genau dieselben: Die Erde reiſst bei ihrer Drehung die
umgebende Luft theilweise mit, durch die Rotation der die Erdoberfläche direkt
berührenden Luft macht sich die Centrifugalkraft auf
dieselbe geltend und zwar ganz besonders am Aequator, wo die Luft weggetrieben wird,
sich anfänglich noch etwas in der Richtung der Erddrehung bewegt, bald aber diese
Drehung mehr und mehr verliert und sich statt dessen immer weiter von der
Erdoberfläche entfernt. Selbstverständlich muſs die vom Aequator weggejagte Luft
ersetzt werden. Da aber die Luft über der ganzen Erdoberfläche mehr oder weniger das
Bestreben hat, sich von der Erde zu entfernen, ausgenommen an den Polen, so bleibt
derselben kein anderer Kreislauf übrig, als vom Aequator nach auſsen an den Rand der
Atmosphäre, wo unzweifelhaft nur noch eine geringe Drehung der Luftmasse stattfinden
kann; dort muſs sie der nachfolgenden Luft weichen und ist genöthigt, die Pole der
atmosphärischen Kugel aufzusuchen, wo sie sich ungehindert der Erde nähert. Von den
Polen aus streicht hierauf die Luft, von der allmählich auf sie einwirkenden
Centrifugalkraft begünstigt, auf möglichst kurzem und widerstandslosem Wege über die
Erde hin, um die am Aequator vertriebene Luft fortwährend wieder zu ersetzen. Es ist
nicht anzunehmen, daſs die Luft im Allgemeinen direkt auf der Erdoberfläche jenen
Weg von den Polen zum Aequator einschlage, da der Widerstand an den vielen
Unebenheiten der Erde ein zu groſser wäre. Vielmehr wird sich dieser ziemlich
regelmäſsige Luftzug besonders in bergigen Ländern erst in einer gewissen Entfernung
von der Erdoberfläche geltend machen. Die auf die Luft einwirkende Schwerkraft ist
nicht im Stande, dieser Bewegung entgegenzutreten, weil eben vermöge der
auſserordentlichen Elasticität der Luft das Gleichgewicht derselben in Beziehung auf
die Schwerkraft nie gestört wird.
Für diese Anschauung sprechen die Beobachtungen über die besonders auf dem offenen
Meere herrschenden Winde, wo sich der Luft sehr geringe Widerstände entgegenstellen
und wo also die kalte, von den Polen zum Aequator strömende Luft sich ungehindert
ganz nahe der Erdoberfläche bewegen kann. Auf der nördlichen Halbkugel sind die
nordöstlichen, auf der südlichen Halbkugel die südöstlichen Winde im Allgemeinen die
vorherrschenden, ganz besonders in der Nähe des Aequators. Zerlegt man diese
Windrichtungen in Componenten nach dem Meridiane und Parallelkreise, so ergeben sich
erstens zwei Componenten in der Richtung von Ost nach West; folglich bleibt wirklich
die ganze Atmosphäre bei der Rotation hinter der Erdkugel selbst zurück; zweitens
ergeben sich zwei Componenten von den Polen nach dem Aequator hin, ein Beweis, daſs
die Luft am letzteren die Erdoberfläche verläſst und sich nach den äuſseren
Schichten der Atmosphäre hinzieht, denn ohne dies wäre eine beständige und
allgemeine Luftströmung gegen den Aequator hin unmöglich. Aehnlich verhält es sich
ja auch mit den Meeresströmungen; am Aequator flieſst das Wasser von Ost nach West
und sucht sich einen Rückweg möglichst weit vom Aequator entfernt, unter
gleichzeitiger Aufsuchung eines immerhin nicht zu langen Weges mit geringen
Widerständen. Wäre die ganze heiſse Zone rings um die Erde herum eine
zusammenhängende Wasserfläche, so wären gar keine Gegenströme nöthig und der Zug des
Wassers von Ost nach West wäre ein noch viel bedeutender. (Der Weg, den sich der
Gegenstrom suchen muſs, ist von der Gestalt der die Meeresfläche umschlieſsenden
Erdtheile abhängig.) Mit den Vorgängen im Erdinneren, den Erdbeben, den Lavaergüssen
in den heiſseren und den Wasserergüssen in den kalten Zonen sind ebenfalls Analogien
nachzuweisen.
Eine zweite die Luft bewegende Kraft ist die Sonnenwärme. Die Sonne erwärmt die Luft besonders an der Erdoberfläche;
die warme leichtere Luft steigt empor und macht der kälteren schwereren Luft Platz.
Weitaus der gröſste Unterschied findet aber zwischen den Temperaturen am Aequator
und an den Polen statt, ein weiterer Grund, die Luft von den Polen in die heiſse
Zone zu ziehen, und begreiflicherweise ist zur Ausgleichung der Luftzug in den
höchsten Regionen vom Aequator zu den Polen unbedingt nothwendig. Für das
Zusammenwirken der Centrifugalkraft und der Wärme auf die Luftbewegung im oben
angedeuteten Sinne spricht ganz besonders das Eintreten der heftigen Passatwinde bei
der Tag- und Nachtgleiche, weil in diesen Tagen jene beiden Ursachen sich addiren
und genau an derselben Stelle ihre Maximalwirkung ausüben, während sie sich in der
ganzen übrigen Zeit zu einem kleinen Theil entgegenwirken und aufheben können.
Wie oben aus einander gesetzt wurde, entsteht zwischen Erde und feuchter Luft
Elektricität, wenn sich beide an einander reiben. Es ist nun theils die Reibung am
Aequator die gröſste, theils auch ist in der heiſsen Zone in Folge der groſsen Wärme die
Wasserverdampfung und also der Wassergehalt der Luft (als Träger der Elektricität)
am gröſsten, so daſs vorzüglich dort alle Bedingungen für eine starke
Elektricitätsentwickelung vorhanden sind. Granz besonders wird diese Entwickelung
heftig auftreten, wenn die Sonne über einer groſsen Erdfläche die Luft erwärmt, in
die Höhe treibt und zu deren Ersatz neue Luft über ebenfalls stark erwärmtes See-
oder Meerwasser heranzieht. Diese Luft wird ganz mit Wasserdämpfen angefüllt auf dem
Lande ankommen und muſs wegen der groſsen Reibungsflächen ganz gewaltige
Elektricitätsmengen erzeugen. Der elektrische Wasserdampf wird von der
Erregungsfläche abgestoſsen und kann nur von der Erde sich entfernen und die
äuſserste Schicht der Atmosphäre aufsuchen. Die Erde leitet die in ihr entwickelte
Elektricität auf dem kürzesten Wege nach dem von der Erregungsfläche entferntesten
Punkte, also in der Meridianrichtung nach den Polen. Da die beständige Ausgleichung
der entwickelten ungleichartigen Elektricitäten unumgänglich nothwendig ist, so ist
also auch der am Atmosphären-Aequator sich aufspeichernde elektrische Wasserdampf
(und auch in Folge der Abstoſsung der neu anlangenden Elektricität) gezwungen, den
Weg nach den Erdpolen zu suchen, so daſs auch diese elektrischen Kräfte eine beständige Luftbewegung in dem erwähnten Sinne
begünstigen und befördern.
Entsprechend den Versuchen mit Dampfkesseln als Elektricitätserzeugern, bei welchen
der Dampf positiv elektrisch ist, muſs bei der Reibung der mit Wasserdampf
gesättigten Luft an der Erde der Wasserdampf ebenfalls positiv, die Erde aber negativ elektrisch
werden. Die positive Elektricität des Wasserdampfes steigt also mit den
Dampfbläschen in Folge der oben erwähnten Ursachen an die Oberfläche der Atmosphäre
und verliert mehr und mehr die von der Erde herrührende Drehbewegung. Von hier aus
theilt sie sich und sucht die beiden Pole zu erreichen. Denkt man sich nun die Erde
festgehalten und die langsam hinter ihr hertreibende Luft statt dessen in
entgegengesetzter Richtung bewegt, so dreht sich der elektrische Wasserdampf in der
Richtung von Ost nach West um die Erde und hat gleichzeitig, wenigstens wenn er die
oberen Lagen erreicht hat, Componenten gegen die Pole hin. Wenn nun die sogen,
atmosphärische Normalelektricität positiv ist und wenn unaufhörlich Elektricität am
Aequator bezieh. in der heiſsen Zone erzeugt wird, so ergibt sich daraus unmittelbar
das Vorhandensein einer groſsen Zahl von Strömen positiver
Elektricität vom Aequator zu den Polen mit starken Componenten von Ost nach
West.
Es ist bekannt, daſs in der Erde eine groſse Menge von Eisen mehr oder weniger rein
vorkommt. Auf dieses Eisen wirken nun die elektrischen Ströme ein, so zwar, daſs
sich die einzelnen Eisenlager der Erde in lauter Elektromagnete bezieh. das Ganze
sich in einen groſsen Elektromagnet verwandelt. Bei genauerer Betrachtung und bei
Annahme des Erdcentrums
als Beobachtungspunkt ergibt sich leicht, daſs die in die Meridianrichtung fallenden
Componenten sämmtlicher vom Aequator zu den Polen flieſsenden elektrischen Ströme
stets eine gleich groſse entgegengesetzt gerichtete Componente in dem um 180°
gedrehten Meridian, aber im gleichen Parallelkreise finden. Diese gleich groſsen und
entgegengesetzt gerichteten Componenten heben sich auf in ihrer Einwirkung auf die
Erde; es bleiben nur die anderen von Ost nach West gerichteten wirksam und
verstärken sich alle zusammen, so daſs also notwendigerweise Nord- und Südpol der
Erde auch gleichzeitig annähernd Pole des Erdelektromagnetes sein müssen.
Wie wir gesehen haben, ist die Elektricität des am Aequator aufsteigenden
Wasserdampfes positiv, es dreht sich die positive Elektrizität in der Richtung von
Ost nach West um die Erde herum. Wenn wir uns auf den Nordpol der Erde stellen, so
bewegt sich somit die Elektricität in der Richtung des Uhrzeigers, der magnetische Pol im Norden muſs ein Südpol sein, im Süden
dagegen ein Nordpol, was in der That eintrifft.
Wenn die Erde als bleibender Magnet, nicht als Elektromagnet, aufzufassen wäre, so
lieſsen sich die periodischen Schwankungen der
Magnetnadel und auch deren an jedem Orte verschiedene und beinahe nicht
mehr gesetzmäſsige Ablenkung vom wirklichen Meridiane nicht erklären. Nord- und
Südpol des Elektromagnetes, von den elektrischen Strömen beeinfluſst, sind überdies
hauptsächlich von der Vertheilung des Eisens in der Erdkruste abhängig. Denkt man
sich sämmtliches Eisen in eine Schwerlinie, ungefähr parallel der Erdachse, d.h.
also in eisen dünnen, quer durch die Erde reichenden Stab concentrirt, so können die
magnetischen Pole nur an den Enden dieses Stabes entstehen; fällt die Stabrichtung
nicht genau mit der Erdachse zusammen, so können auch die magnetischen Süd- und
Nordpole nicht mit den geographischen Polen zusammenfallen. Es ist nun auch nicht
anzunehmen, daſs in der Erdkruste ein einziges Eisenlager ringsum gleich vertheilt
sei: es werden im Gegentheil diese Lager sehr verschiedene Gestalt und Gröſse haben,
zum Theil wahrscheinlich sogar nicht zusammenhängen. Ein ganz isolirtes Eisenlager
z.B. wird unter dem Einflüsse des atmosphärischen Elektricitätsstromes magnetisch,
erhält einen Nord- und einen Südpol, welche beide in den nächstliegenden Lagern
entgegengesetzte Pole induciren und so indirekt doch zur Stärke der gemeinsamen
magnetischen Pole mitwirken. Wird nun eine Magnetnadel in der Nähe eines solchen
isolirten Lagers aufgehängt, so machen sich nicht nur die magnetischen Erdpole,
sondern gewiſs auch die viel näheren Pole des Eisenlagers selbst geltend und diese
letzteren sind es, welche die Nadel von der Richtung der magnetischen Erdpole
abzulenken im Stande sind.
Die täglichen Schwankungen der Magnetnadel begreifen
sich nun leicht. Je nachdem eine feste oder flüssige Erdoberfläche den heiſsesten,
senkrecht
auffallenden Sonnenstrahlen ausgesetzt ist, wächst die erzeugte Elektricitätsmenge,
oder sie nimmt ab. Es läſst sich kaum denken, daſs durch Reibung von feuchter Luft
auf der Meeresoberfläche, also von zwei mehr oder weniger gleichartigen Körpern,
eine beträchtliche Elektricitätsmenge erzeugt werde. Nach den oben angedeuteten
Anschauungen wird z.B. im Sommer auf dem afrikanischen Continente die meiste
Elektricität erzeugt und zwar ungefähr um ½1 Uhr central-europäischer Zeit, weil
Centralafrika östlicher liegt. Rechnen wir noch etwa ½ Stunde hinzu für das
Aufsteigen der elektrischen Dunstbläschen und für das allmähliche Zurückbleiben
hinter der Drehung der Erde, also für die gesammte Ingangsetzung des elektrischen
Stromes, so muſs ungefähr um 1 Uhr unserer Zeit der magnetische Südpol in Folge des
sich bedeutend verstärkenden Magnetismus der Eisenmassen in Afrika sich etwas nach
Osten bewegen; in Folge dessen muſs in Centraleuropa um diese Zeit der Nordpol der
Magnetnadel ebenfalls nach Osten abweichen, was meines Wissens mit den Beobachtungen
sehr gut übereinstimmt. Aehnlich kann gezeigt werden, daſs die gesammte auf der Erde
erzeugte Elektricität ungefähr ein Maximum erreicht, wenn die Sonne über
Centralamerika senkrecht steht, weil dort ebenfalls eine bedeutende Oberfläche wirkt
und gleichzeitig am frühen Abend auch noch von Afrika und Südasien her eine
beträchtliche Menge Elektricität geliefert wird. Es muſs folglich in einer späteren
mitteleuropäischen Abendstunde die Gesammtintensität der erdmagnetischen Kraft am
gröſsten sein, wenn man die Zeitdifferenz der Meridiane der betrachteten Erdtheile
in Rechnung bringt. Selbstverständlich können diese beiden Beispiele nur sehr
ungenaue Vergleiche sein; wohl aber dürfte es einer späteren Untersuchung
vorbehalten bleiben, sogar durch Rechnungen einen Zusammenhang zwischen der Gestalt
der Continente in der heiſsen Zone und den täglichen Schwankungen des Erdmagnetismus
nachzuweisen.
Die jährlichen periodischen Schwankungen erklären sich
ganz ähnlich ebenfalls nur aus der stets veränderlichen Wirkung der Sonne, weil
diese nämlich im Sommer und Winter ganz verschieden gestaltete und verschieden
groſse Erdoberflächen trifft. Beispielsweise bewirkt Afrika, wohl die gröſste
Elektricitätsquelle als die gröſste zusammenhängende Fläche der heiſsen Zone, im
Sommer bedeutende Schwankungen der Nadel; im Winter dagegen ist die den heiſsesten
Sonnenstrahlen ausgesetzte afrikanische Fläche bedeutend kleiner, also auch die
Schwankungen um jene Tageszeit in Europa geringer.
Als weniger einfach und übersichtlich erweisen sich die Säcularänderungen. Vermuthlich werden diese bewirkt durch innere
gewaltsame Umwälzungen, indem z.B. bei Erderschütterungen gröſsere Eisenmengen sich
in die feste Erdkruste, in entstandene Höhlungen drängen, dort erkalten und auf
diese Weise den Wirkungen des Magnetismus neue Massen darbieten. Auch ist es
denkbar, daſs durch starke Erderschütterungen sich gröſsere Eisenlager dem glühenden Erdinneren nähern
und dadurch wieder auf eine Temperatur gebracht werden, in welcher die elektrischen
Ströme keinen Magnetismus mehr hervorrufen können. Die Ausbeutung des Eisens aus dem
Erdinneren kann wohl auf die Stellung der Magnetnadel keinen wesentlichen Einfluſs
ausüben. Immerhin ist es auffallend, daſs die isogonale Linie ohne Abweichung vor
etwa 250 Jahren eine starke Ausbiegung nach Europa zeigte, während jetzt, nachdem in
diesen Jahrhunderten eine bedeutende Ausbeutung von Eisen in Europa stattgefunden
hat, jene Linie sich mehr und mehr gegen eine kürzere Verbindungslinie vom
magnetischen Süd- und Nordpol zurückgezogen hat. Freilich geht das Eisen im
Allgemeinen nicht für die betreffende Gegend verloren, da es selten weit
transportirt wird; hingegen wird es doch in kleinere dichtere Formen, wie Maschinen,
Brücken o. dgl., gebracht, welche Eisentheile nicht mehr wie in gröſseren
zusammenhängenden Erdschichten Elektromagnete von groſsen Ausdehnungen zu bilden und
den Magnetismus nicht mehr so leicht nach Norden zu transportiren im Stande sind, da
sie stets viel zu weit aus einander liegen.
Auf welche andere Weise der Erdmagnetismus mit Grund
erklärt werden könnte, ist mir nicht denkbar; wohl wird vielleicht behauptet werden,
die Meteore bieten den Beweis dafür, daſs das Eisen im Universum aus anderen
unbekannten Ursachen schon magnetisch sein müsse. Bekanntlich treten aber die
Meteore mit rasender Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre, erwärmen sich dort bis
auf die Glühhitze, müſsten folglich ihren mitgebrachten Magnetismus verlieren. Es
ist im Gegentheil nothwendig, daſs bei der Geschwindigkeitsreduction und der hernach
eintretenden Abkühlung das Eisen des Meteors in Folge der Einwirkung des kräftigen
Erdelektromagnetes einen ziemlich hohen Grad von Magnetismus annehme. Auch die ganze
Erdkugel konnte in gleicher Weise ihren beständigen Magnetismus erst durch Ursachen
erhalten, welche einwirkten, nachdem dieselbe aus dem flüssigen und glühenden
Zustand in den wenigstens theilweise festen und zu niederen Temperaturen
übergegangen war. – Die durch die Centrifugalkraft bewirkte Luftbewegung erzeugt
durch Reibung eine constante, die von der Sonne auf die Erde überstrahlende Wärme
hingegen eine variable Elektricitätsmenge. Nur dadurch werden so geringe tägliche
und jährliche Schwankungen und ein so starker regelmäſsiger Erdmagnetismus
erklärlich.
(Schluſs folgt.)