Titel: | Zur Kenntniss des Strontianverfahrens. |
Fundstelle: | Band 248, Jahrgang 1883, S. 426 |
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Zur Kenntniſs des
Strontianverfahrens.
Ueber Scheibler's Strontianverfahren.
Trägt man nach C. Scheibler in
Berlin (D. R. P. Kl. 89 Nr. 22000 vom
29. April 1882) in eine 20 bis 25 procentige, 70 bis 75° warme Lösung von
reinem Rohrzucker auf 1 Mol. Zucker 1 Mol. Strontiumhydrat, H2SrO2.8H2O, unter Umrühren ein, so erhält man nach dem
Abkühlen eine stark übersättigte Lösung von Strontiummonosaccharat, aus welcher erst
nach einiger Zeit entweder unverändertes Strontiumhydrat herauskrystallisirt, oder
Monosaccharat sich ausscheidet, je nachdem man in die übersättigte Lösung einige
Strontiankrystalle oder etwas Monosaccharat einwirft. Das Saccharat C12H22O11SrO.5H2O bildet
sich auch auf kaltem Wege, wenn man die erforderliche Menge fein gepulvertes
Strontiumhydrat unter Umrühren in eine kalte Zuckerlösung einträgt.
Dieses Verhalten des Strontiumsaccharates soll nun in folgender Weise zur Abscheidung
von Zuckerstrontian aus Melassen verwerthet werden. Bei der Verarbeitung einer
Melasse mit 50 Proc. Zuckergehalt würde für je 1k
derselben zur Bildung von Saccharat zwar nur 389g
krystallisirtes Strontiumhydrat erforderlich sein; es ist jedoch zweckmäſsig, so
viel Strontian mehr zu nehmen, daſs nach der Ausscheidung des Saccharates die
Mutterlauge noch mit Strontiumhydrat gesättigt bleibt, also statt 389 etwa 500g. Man vermischt unter Umrühren je 1k Melasse mit 0k,5 Strontiankrystallen, welche vorher in 1l,5 heiſsem Wasser gelöst sind. Beim Zusammentreffen dieser heiſsen Lösung mit
der kalten Melasse, welche sich rasch auflöst, vermindert sich die Temperatur, so
daſs sich das nur in der Kochhitze entstehende 2 basische Saccharat nicht bilden
kann. Die Melassestrontianlösung bleibt, abgesehen von geringen fremdartigen
Ausscheidungen, wie kohlensaures und schwefelsaures Strontium o. dgl., vorher völlig
klar. Man würde auch die zähflüssige Melasse durch eine gewisse Wassermenge
verdünnen können, um dann erst die heiſse Strontianlösung zuzugeben, oder auch so
verfahren können, daſs man die Melasse zunächst in der ganzen Wassermenge auflöst,
die Lösung bis etwa 80° erwärmt und dann das krystallisirte Strontiumhydrat unter
Umrühren in fester Form einträgt und auflöst. Diese letztere Art der Arbeit würde
jedoch nöthig machen, das Strontiumhydrat in krystallisirter Form herzustellen,
während bei den anderen Arbeitsmethoden die heiſs dargestellten Laugen, wie sie beim
Löschen des frisch gebrannten Strontiumoxydes entstehen, sofort in Benutzung gezogen
werden können, da sich der Gehalt dieser heiſsen Laugen leicht aräometrisch
feststellen läſst. Man kann ferner auch so verfahren, daſs man wasserfreien
Aetzstrontian, wie er aus den Glühöfen kommt, im fein gepulverten Zustande in die
Melasselösung einrührt, wobei er sich in derselben löscht, unter Bildung des
Saccharates.
Die erhaltene Strontianmelasselösung läſst man abkühlen, setzt etwas Monosaccharat
hinzu und rührt gut durch, worauf sogleich die Ausscheidung des Saccharates beginnt, die
dann meist in 12 bis 24 Stunden beendet ist. Man trennt das Saccharat von der
Mutterlauge durch Filterpressen o. dgl. und wäscht mit Wasser oder einer kalt
gesättigten Strontianlösung aus. Das so erhaltene Saccharat ist weiſs und reiner als
das in der Kochhitze gefällte 2 basische Saccharat.
Die von dem ausgeschiedenen Saccharate getrennte Lauge wird nebst der
Waschflüssigkeit zur Ausfällung des darin noch enthaltenen Zuckers unter Zusatz von
krystallisirtem Strontiumhydrat zum Kochen erhitzt und so lange im Kochen erhalten,
bis der Zucker als 2basisches Saccharat ausgeschieden ist. Das Strontiumhydrat muſs
hierbei in solchem Ueberschusse angewendet werden, daſs die Lauge nach völliger
Ausscheidung des Bisaccharates noch stark Strontian haltig bleibt. Das so gefällte
Bisaccharat läſst man nach Beendigung des Kochens und Rührens absetzen und trennt
die überstehende Mutterlauge vom Niederschlage in bekannter Weise durch Ablassen aus
einem in geeigneter Höhe angebrachten Abfluſshahne. Die abgezapfte Lauge setzt nach
dem Erkalten braun gefärbte Krystalle von Strontiumhydrat ab, welche zu den
folgenden Operationen wieder verwendet werden. Nachdem der alsdann noch gelöste,
sowie der an Säuren gebundene Strontian durch Ausfällung mit Kohlensäure und einem
kohlensauren Alkali als kohlensaures Strontium abgeschieden und wieder gewonnen ist,
verläſst die Mutterlauge die Fabrik, um entweder als Dünger verwendet, oder auf
Kalisalze, Ammoniak o. dgl. in bekannter Weise verarbeitet zu werden. Das erhaltene,
noch mit Mutterlauge getränkte Bisaccharat versetzt man mit einer neuen Menge
Melasse und verdünnt die Mischung unter Umrühren noch mit soviel heiſs gesättigter
Lösung von Strontiumhydrat, daſs auf 1 Mol. Gesammtzucker wieder etwa 1,25 Mol.
Strontian kommen. Man läſst nun erkalten und bringt in der vorhin angegebenen Weise
das Monosaccharat zur Ausscheidung.
Aus dein gereinigten Monosaccharate kann der Zucker dadurch erhalten werden, daſs man
das in Wasser suspendirte Saccharat mit Kohlensäure zerlegt, oder dasselbe zum
Scheiden von Rübensaft bezieh. zur Nachscheidung des mit Kalk behandelten Saftes
verwendet. Man kann ferner aus dem Saccharat zunächst einen Theil des Strontians als
Strontiumhydrat in Krystallen abscheiden und dann nur den Rest des gelöst
gebliebenen Strontians mit Kohlensäure fällen. Das Monosaccharat ist nämlich in
heiſsem, jedoch nicht kochendem Wasser löslich (in kochendem würde sich Bisaccharat
ausscheiden) und, wenn man die filtrirte Lösung für sich langsam, jedoch ohne
umzurühren, erkalten läſst, so krystallisirt, wie erwähnt, ein Theil des Strontians
als Strontiumhydrat an den Gefäſswänden aus der Lösung heraus, welches zu neuen
Fällungen wieder benutzt werden kann. Man hat dann nur nöthig, noch den in der
Zuckerlösung enthaltenen Rest des Strontians mit Kohlensäure auszufällen.
Die Löslichkeit des Strontiummonosaccharates in Wasser
bei verschiedenen Temperaturen wurde von C. Scheibler (Neue
Zeitschrift für Rübenzuckerindustrie, 1883 Bd. 10 S. 229) bestimmt. Da das
Monosaccharat bei 60° anfängt, sich zu zersetzen, so enthält nachfolgende Tabelle
die Löslichkeit dieses Saccharates nur bis zu dieser Temperatur:
Temperatur
Im Liter sind enthalten
Spec. G.der
Mono-saccharat-lösung bei+ 17,5°
EntsprichtGrade
Brix
MonosaccharatC12H22O11SrO
Zucker
Strontium-oxyd, SrO
KrystallinischesStrontiumhydratH2SrO28H2O
g
g
g
g
0
28,4
21,80
6,60
16,93
1,01775
4,51
2
30,2
23,18
7,02
18,00
1,01892
4,81
4
32,0
24,56
7,44
19,07
1,02000
5,08
6
33,9
26,03
7,87
20,21
1,02119
5,37
8
35,7
27,41
8,29
21,28
1,02231
5,65
10
37,5
28,79
8,71
22,35
1,02344
5,93
12
39,5
30,32
9,18
23,54
1,02469
6,24
14
41,6
31,93
9,67
24,79
1,02600
6,56
16
43,8
33,62
10,18
26,10
1,02738
6,90
18
46,2
35,46
10,74
27,53
1,02888
7,27
20
48,6
37,31
11,29
28,96
1,03038
7,64
22
51,2
39,31
11,89
30,51
1,03200
8,03
24
53,9
41,38
12,52
32,12
1,03369
8,44
26
56,7
43,53
13,17
33,79
1,03544
8,87
28
59,7
45,83
13,87
35,58
1,03731
9,32
30
62,7
48,13
14,57
37,37
1,03919
9,77
32
65,8
50,51
15,29
39,21
1,04113
10,24
34
69,3
53,20
16,10
41,30
1,04331
10,76
36
73,2
56,18
17,02
43,62
1,04575
11,34
38
77,5
59,49
18,01
46,19
1,04844
11,98
40
82,3
63,18
19,12
49,05
1,05144
12,69
42
87,8
67,40
20,40
52,33
1,05488
13,50
44
93,8
72,01
21,79
55,90
1,05863
14,37
46
100,7
77,31
23,39
60,01
1,06294
15,37
48
109,7
84,21
25,49
65,38
1,06856
16,67
50
121,9
93,58
28,32
72,65
1,07619
18,40
52
134,3
103,10
31,20
80,04
1,08394
20,14
54
147,0
112,85
34,15
87,61
1,09188
21,91
56
162,9
125,05
37,85
97,08
1,10181
24,08
58
185,1
142,10
43,00
110,31
1,11569
27,06
Die Dessauer Actien-Zuckerraffinerie in Dessau und C.
Scheibler in Berlin (* D. R. P. Kl. 89 Nr. 22213 vom 26. November 1881) haben
gefunden, daſs die Auswaschung der noch heiſsen, von der Mutterlauge getrennten
Saccharate (vgl. 1882 245 430. 465) vortheilhaft statt
mit heiſsem Wasser mit Strontianlösung ausgeführt wird.