Titel: | Zur Prüfung des Bienenwachses; von Baron Hübl, k. k. österreichischer Hauptmann. |
Autor: | Hübl |
Fundstelle: | Band 249, Jahrgang 1883, S. 338 |
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Zur Prüfung des Bienenwachses; von Baron Hübl, k.
k. österreichischer Hauptmann.
Hübl, zur Prüfung des Bienenwachses.
Die Unterscheidung und Prüfung der Fette und Fett ähnlichen Stoffe gehört zu den
schwierigsten Aufgaben des Analytikers. Verhältniſsmäſsig am einfachsten gestaltet
sich dieselbe bei jener Gruppe von Stoffen, welche man als „wachsartige“
bezeichnet, da diese im Gegensatze zu den echten Fetten gewöhnlich verschiedene
physikalische Eigenschaften und sehr bedeutende Unterschiede in ihrer chemischen
Zusammensetzung besitzen, wodurch Angriffspunkte gegeben sind, eine Unterscheidung,
ja in gewissen Fällen selbst eine quantitative Analyse ihrer Mischungen
durchzuführen.
Einer der wichtigsten hierher gehörigen Stoffe ist das Bienenwachs, dessen Untersuchung auf seine Reinheit wegen der häufigen
Fälschungen eine oft wiederkehrende Aufgabe des Chemikers bildet. Bezüglich der
zahlreichen Untersuchungsmethoden, welche dafür in Vorschlag gebracht wurden, dürften wohl alle
Reactionen, deren Beurtheilung eine individuelle ist (wie Eintritt einer
Farbenbildung;, einer mehr oder minder starken Trübung u. dgl.) unzuverlässig
genannt werden; sie können wohl als bestätigende Reactionen gute Dienste leisten,
sind aber für sich gewiſs nicht entscheidend. Nebst den physikalischen
Untersuchungsmethoden, welche aber bei Mischungen sehr oft resultatlos sind, ist
besonders die von F. Becker (1879 234 79) in Vorschlag gebrachte Verseifungsprobe von Werthe, weil sie
leicht und rasch durchführbar ist und einen weitgehenden Schluſs auf die chemische
Zusammensetzung des Untersuchungsobjektes gestattet.
Da im Artillerie-Laboratorium des Wiener Arsenals sehr häufig die Aufgabe gestellt
wird, über die Echtheit und Reinheit des Bienenwachses ein Urtheil zu fallen, so
wurde diese Probe einer eingehenden Prüfung und weiteren Ausbildung unterworfen,
deren Resultate Gegenstand der folgenden Mittheilung sein sollen. Die Methode,
welche bekanntlich der Köttstorfer'schen Butterprüfung
(1879 232 286) nachgebildet ist, beruht darauf, daſs die
zum Verseifen von 1g Substanz nothwendige Menge
Kaliumhydrat bei den verschiedenen Wachsarten und Surrogaten eine wesentlich
verschiedene ist. Becker gibt für 1g Bienenwachs die Verseifungszahlen 97 bis 107,
d.h. 1e Wachs benöthigt 97 bis 107mg Kaliumhydrat zur vollständigen Verseifung.
Es unterliegt keinem Zweifel, daſs durch entsprechende Wahl verschiedener
wachsartiger Stoffe, deren Verseifungszahlen unter und über obige Werthe fallen, es
leicht gelingen muſs, Gemische herzustellen, welche ebenfalls die Zahl 97 bis 107
geben, somit bei dieser Probe als reines Bienen wachs erscheinen könnten. Ganz
anders jedoch gestalten sich die Verhältnisse, wenn man nicht nur die Gesammtmenge
des zum Verseifen nöthigen Aetzkalis bestimmt, sondern auch die zur Absättigung der
freien Säure (Cerotinsäure) erforderliche Menge Alkali ermittelt. Man erhält auf
diese Weise zwei Zahlen: die eine stellt die Menge der freien Säure (Säurezahl), die
zweite die Menge des verseiften Aethers – Palmitinsäure – Myricyläther – dar
(Aetherzahl). Bei den nun von diesem Gesichtspunkte aus geleiteten Untersuchungen
von etwa 20 verschiedenen gelben Wachssorten, welche theils aus dem Handel stammen,
theils im Laboratorium aus natürlichen Waben gewonnen wurden, zeigte sich das
Verhältniſs beider Zahlen beinahe constant 1 : 3,70.
Wenn auch die Zahl der Versuche eine beschränkte zu nennen ist und die Wachsgattungen
nahezu gleicher Abkunft sind (durchaus österreichische Producte von Schlesien,
Mähren, Ungarn u. dgl.), um die erhaltenen Zahlen als unumstöſslich aufzustellen, so
dürften dieselben doch immerhin als vorläufig brauchbare Versuchsresultate zu
betrachten sein.
Die Versuche wurden in der Weise durchgeführt, daſs etwa 3 bis 4g Substanz mit ungefähr 20cc neutralem 95 procentigern Alkohol übergössen,
bis zum Schmelzen
des Wachses erwärmt und bei Anwendung von Phenolphtaleïn, unter oftmaligem Schütteln
und wenn nöthig Erwärmen, mit alkoholischer Kalilauge bis zur bleibenden sehr
schwachen Rothfärbung titrirt wurde. Sodann lieſs man 20cc Kalilauge zuflieſsen, verseifte auf dem Wasserbade und bestimmte mit
Salzsäure das nicht gebundene Aetzkali. Der Alkohol muſs vor seiner Verwendung
unbedingt auf seine Reaction geprüft, erforderlichenfalls unter Zuhilfenahme von
Phenolphtaleïn vorsichtig neutralisirt werden, da sonst bedeutende Fehler
unvermeidlich sind. Kalilauge und Salzsäure waren etwa halbnormal; die erste
Titrirung muſs wegen der geringen benöthigten Menge Lauge mittels einer kleinen, in
0cc,05 getheilten Bürette durchgeführt werden.
Die Verseifung und Rücktitrirung fand nach den Angaben Becker's, jedoch in einem Kölbchen ohne Quecksilberverschluſs statt und
wurde dasselbe so stark erwärmt, daſs der Inhalt im Zustande des ruhigen Siedens
verblieb. Die Verseifung ist in etwa 45 Minuten durchgeführt. Zur Absättigung der in
1g Wachs vorhandenen Säure sind 19 bis 21mg KOH erforderlich, während die weitere
Verseifung des Aethers 73 bis 76mg KOH bedarf. Die
gewöhnlichen Werthe sind 20 und 75mg. Hierbei
kommen fast immer die niedrigeren und höheren Zahlen gemeinschaftlich vor, so daſs
das gegenseitige Verhältniſs der Säure- und Aetherzahl zwischen 1 : 3,6 und 1 : 3,8
schwankt. Zur vollständigen Verseifung sind somit für 1g Wachs 92 bis 97mg KOH nöthig.
Warum diese Zahlen mit den von F. Becker angegebenen
Werthen nicht vollständig stimmen, kann vorläufig nicht erklärt werden; vielleicht
ist der schon erwähnte Umstand, daſs nur inländische Producte verwendet wurden, die
Ursache. Ein weiterer Grund für die erwähnte Nichtübereinstimmung könnte darin
gesucht werden, daſs Wachs, welches nicht durch Umschmelzen über Wasser gereinigt
wurde, häufig – wahrscheinlich in Folge von in Säuerung übergegangenen Honigresten –
auf feuchtes Lackmuspapier sauer reagirt.
Würde das gelbe Bienenwachs nur aus Cerotinsäure und Palmitinsäure-Myricyläther
bestehen, so wäre bei annähernder Einhaltung der Verhältniſszahl nur eine
Verseifungszahl von 90 bis 91 zu erreichen. Es müssen daher in jedem gelben
Bienenwachse noch andere Aetzkali bindende Stoffe vorhanden sein. Auſserdem kommen
aber im natürlichen Wachse auch neutrale Substanzen vor und zwar hauptsächlich in
jenen Producten, die aus alten, sehr dunkel gefärbten Waben gewonnen werden.
Derartige Wachssorten zeichnen sich durch eine dunkelgelbe Farbe, niederes
specifisches Gewicht (unter 0,960) und geringes Sättigungsvermögen (93) aus. Wachs
hingegen, aus jungen, weiſsen Waben gewonnen, besitzt eine sehr helle Farbe, hohe
Dichte und erfordert eine gröſsere Menge KOH (96) zur Verseifung. Die
Verhältniſszahl bleibt jedoch in beiden Fällen fast dieselbe, woraus zu schlieſsen
ist, daſs hier Verunreinigungen meist inactiver Natur vorliegen.
Ueber den weiteren Zusammenhang zwischen physikalischen Eigenschaften überhaupt und
der durch Titrirung ermittelten Zusammensetzung werden weitere Versuche gemacht, um
zu entscheiden, ob hierin nicht vielleicht eine weitere werthvolle Controle für die
Echtheit des Wachses liegt.
Aus diesen Versuchen mit den Bienenwachssurrogaten kann ohne Zweifel geschlossen
werden, daſs ihre Zahlenwerthe sich sehr bedeutend von den oben angeführten
unterscheiden, wie folgende Durchschnittszahlen zeigen:
Säurezahl
Aetherzahl
Verseifungsz.
Verhältniſsz.
JapanwachsDas Japanwachs scheint sowie alle Glyceride bezüglich des
Säuregehaltes bedeutenden Schwankungen unterworfen zu sein; so
schwankten die Säurezahlen mehrerer Sorten dieses Pflanzenfettes
zwischen den Grenzen 15 bis 24. In gleicher Weise zeigte das
Unschlitt Schwankungen von 2 bis 7. Die Stearinsäure ist ein im
Handel zur Kerzenfabrikation vorkommendes Product; als Beispiel für
ein Harz wurde ausgekochtes Fichtenharz gewählt.
20
200
220
10
Carnaubawachs
4
75
79
19
Unschlitt
4
176
180
44
Stearinsäure
195
0
195
0 : 195
Harz
110
1,6
112
0,015
Neutrale StoffeParaffinCeresin
0
0
0
0
Gelbes Bienenwachs
20
75
95
3,75
Man hat daher bei Untersuchung des gelben Bienenwachses nach dieser Methode folgende
Betrachtung anzustellen:
1) Erhält man Zahlen, welche zwischen den Grenzen liegen: 19 bis 21, 73 bis 76, 92
bis 97 bezieh. 3,6 bis 3,8, so hat man es, vorausgesetzt, daſs auch die
physikalischen Eigenschaften entsprechen, mit reinem unverfälschtem Bienenwachse zu
thun.
2) Liegt die Verseifungszahl unter 92 und ist dabei die Verhältniſszahl die richtige,
so ist ein inactiver Körper (z.B. Paraffin) beigemischt. Ein Bienenwachs des Handels
gab folgende Zahlen: 18,0, 66,5, 85,0 bez. 3,69, aus welchen mit voller Sicherheit
auf einen etwa 10procentigen Ceresinzusatz geschlossen werden kann.
3) Erscheint die Verhältniſszahl gröſser als 3,8, so ist ein Zusatz von Japan-,
Carnaubawachs oder Unschlitt höchst wahrscheinlich. Ist dabei die Säurezahl
gedrückt, so dürfte Japanwachs ausgeschlossen sein; es ist dann Carnaubawachs oder
Unschlitt vorhanden, was sich aus der Aetherzahl mit ziemlicher Sicherheit erkennen
läſst.
4) Ist schlieſslich die Verhältniſszahl kleiner als 3,6, so muſs Stearinsäure oder
Harzzusatz angenommen werden.
Endlich ist es klar, daſs auch auf den gleichzeitigen Zusatz eines inactiven und
activen Stoffes durch Betrachtung und Vergleichung der Zahlen geschlossen werden
kann.
Da, wie schon erwähnt, die angeführten Zahlen das Ergebniſs nur weniger Versuche
vorführen, so müssen dieselben vorläufig mit einiger Vorsicht aufgenommen werden,
bis durch eine gröſsere Reihe von Bestimmungen vollkommen verläſsliche Werthe
festgestellt sind. Dann wird es sich zeigen, welche Grenz Schwankungen zu
berücksichtigen kommen und mit welcher Wahrscheinlichkeit auf die Menge eines
fremden Zusatzes geschlossen werden kann. Ueber diese Versuche, sowie über den
Zusammenhang mit den physikalischen Eigenschaften werden seinerzeit die weiteren
Angaben folgen; vorläufig sollen durch diese Mittheilungen nur die bisherigen
Erfahrungen dargelegt werden, da dieselben bei Prüfung und Beurtheilung von
Handelswachssorten immerhin Anhaltspunkte bieten.
Wien, Juli 1883.